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Düngen leicht gemacht

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Die erfolgreiche Kultur von<br />

Catasetum pileatum<br />

(Syn. Catasetum imperiale)<br />

setzt sowohl eine ausgewogene<br />

als auch eine<br />

wachstumsbegleitende<br />

Düngung (s. Text) voraus.<br />

Alle Fotos: W. Ermert<br />

<strong>Düngen</strong> <strong>leicht</strong> <strong>gemacht</strong><br />

Gesamtgehalt und Verhältnis<br />

der Nährstoffe im Dünger<br />

<strong>Düngen</strong><br />

Teil 2<br />

36<br />

Im ersten Teil (s. OrchideenZauber-Heft 4–2009,<br />

Seite 36–41) wurde dargelegt, welche Nährsalze<br />

die Orchideen für ein gutes Wachsen und Gedeihen<br />

benötigen. (Zur Wiederholung: Es sind die<br />

Hauptnährstoffe Stickstoff N, Phosphor P, Kalium<br />

K sowie die Nebenbestandteile Magnesium Mg<br />

Calcium Ca, Schwefel S und die Spurenelemente<br />

Eisen Fe,Bor B,Molybdän Mo,Mangan Mn,Zink Zn,<br />

Kupfer Cu.) Aus welchen Mineralien sich der Dünger<br />

zusammensetzen muss, wurde somit geklärt,<br />

aber nicht, wie hoch der Gesamtgehalt und die<br />

Konzentration der einzelnen Nährstoffkomponenten<br />

zueinander sein sollten.<br />

Zum einen muss die Frage beantwortet werden:<br />

Wie viel an Nährsalzen benötigen die Orchideen<br />

oder wie viel an Nährsalzen können sie vertragen?<br />

Zum anderen muss das Verhältnis der Nährstoffe<br />

zueinander ermittelt werden. Dieses soll nun das<br />

Thema des zweiten Teils sein. Der abschließende<br />

dritte Teil wird die Herstellung eines geeigneten<br />

Düngers und die Anwendung behandeln, also der<br />

Frage nachgehen, wie finde ich einen geeigneten<br />

Dünger für meine Orchideen und wie setze ich ihn<br />

richtig ein, um ein gesundes Wachstum und Blühen<br />

sicherzustellen?<br />

Was haben Kilokalorien (kcal)<br />

mit Siemens (S) gemeinsam?<br />

Beides sind Maßangaben:Die Kilokalorien für eine<br />

Mahlzeit ergeben sich aus dem Gehalt an Fett,<br />

Eiweiß und Kohlenhydraten. Aus der Angabe in<br />

Siemens pro cm (vereinfacht im Folgenden meist<br />

nur mit S angegeben) einer wässrigen Lösung<br />

kann auf die Konzentration an gelösten Nährsalzen<br />

– somit der Nahrung für unsere Orchideen –<br />

geschlossen werden.<br />

Oder vereinfacht gesagt: Die Kalorien in der<br />

Nahrung für den menschlichen Organismus entsprechen<br />

dem,was Siemens in der Nährlösung für


Pflanzen bedeutet. (Anmerkung: Im Gegensatz<br />

zum menschlichen oder tierischen Organismus<br />

kann die Pflanze alle für ihr Wachstum benötigten<br />

Substanzen wie Aminosäuren selber aus<br />

Mineralsalzen mittels Photosynthese herstellen!<br />

Die Aminosäuren müssen also nicht mit der Nahrung<br />

aufgenommen werden! Daher sind Orchideen<br />

autotroph – „sich selbst ernährend“.)<br />

So, wie sich die Nahrung anhand der kcal als fette<br />

oder magere Kost einstufen lässt, so wird anhand<br />

von Siemens angegeben, wie stark oder schwach<br />

die Lösung an Nährsalzen ist.Je höher dieserWert,<br />

desto stärker konzentriert ist die Lösung oder<br />

umso mehr Nährsalze sind im Wasser gelöst.<br />

Siemens in S/cm ist die Maßeinheit für die elektrische<br />

Leitfähigkeit. Löst man zum Beispiel Kochsalz<br />

im Wasser auf, dann zerfällt es dabei in positive<br />

Natrium-, Na + , und negativ geladene Chlorid-, Cl – ,<br />

Teilchen, die als Ionen bezeichnet werden.<br />

Ionen sind in der Lage, den elektrischen Strom<br />

durch Wasser zu transportieren,ihn also zu leiten.<br />

Je mehr Ionen sich in der Lösung befinden, desto<br />

mehr Strom wird von den Ionen durch das Wasser<br />

geleitet, das heißt umso höher ist demnach die<br />

elektrische Leitfähigkeit, S/cm. Am Beispiel Kochsalz<br />

bedeutet dies,je höher der gemesseneWert in<br />

S/cm,umso mehr Kochsalz ist imWasser in Lösung<br />

vorhanden. Der gemessene Wert S/cm gibt also<br />

indirekt den Gesamtgehalt an Salz in g/l wieder.<br />

Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn der im<br />

Wasser gelöste Stoff auch vollständig in Ionen zerfällt.<br />

Zucker oder auch der unter Stickstoff in Teil 1<br />

bereits erwähnte Harnstoff (OrchideenZauber 4–<br />

2009) zerfallen nicht oder nicht sofort in Ionen,<br />

sondern sind in molekularer Form gelöst. Sie leiten<br />

demnach den elektrischen Strom nicht und<br />

ihre Konzentration ist somit über eine Leitfähigkeitsmessung<br />

nicht erfassbar. Dies trifft im<br />

Besonderen häufig auf sogenannte organische<br />

Dünger zu, die im folgenden 3.Teil noch näher besprochen<br />

werden. Sie leiten den Strom nur bedingt,<br />

wie Guano (zerfällt in Nitrat-Ionen), oder<br />

gar nicht, wie Hornspäne.<br />

Bei einigen Mineralwässern,beispielsweise italienischer<br />

Herkunft, findet man eine Angabe in S/cm<br />

häufig auf dem Etikett der Flasche. Mit Hilfe dieser<br />

Angabe kann also auf den Gesamtgehalt an Salzen<br />

im Mineralwasser geschlossen werden.Da die Konzentrationen<br />

sehr klein sind,wird derWert häufig in<br />

µS/cm(Mikrosiemens/cm)angegeben,µSist einTausendstel<br />

S und messtechnisch noch gut erfassbar.<br />

Die Messung<br />

Die elektrische Leitfähigkeit lässt sich relativ einfach<br />

mit einem handelsüblichen Taschengerät<br />

messen (siehe Abbildung o. r.).<br />

Verschiedene Geräte werden vom Handel in verschiedenen<br />

Preiskategorien, je nach Ausführung,<br />

angeboten. Für unsere Zwecke reichen dabei bereits<br />

solche ab etwa 25 € völlig aus. Sinnvoll ist es<br />

jedoch, wenn der Kauf eines Leitfähigkeitsmessoder<br />

auch EC- (electric conductivity) Geräts in<br />

Die Abbildung zeigt diverse Geräte zur Messung, links<br />

Leitfähigkeitsmessgerät, Mitte Taschenmessgerät für<br />

die Leitfähigkeit, rechts Kombigerät für Leitfähigkeit,<br />

pH-Wert und Temperatur sowie Konzentrationsangabe<br />

in g/l.<br />

Erwägung gezogen werden sollte, gleich ein Kombinationsgerät<br />

zu wählen. Mit diesem lässt sich<br />

dann nicht nur die Leitfähigkeit bestimmen, sondern<br />

auch gleichzeitig der für die Gießwasserqualität<br />

ebenfalls von ebenso großer Bedeutung<br />

erfasste pH-Wert sowie die Temperatur des<br />

Wassers.<br />

Der pH-Wert macht eine Aussage darüber, ob das<br />

Wasser sauer (pH-Wert kleiner 7), neutral (pH-<br />

Wert 7) oder alkalisch (pH-Wert größer 7) ist.Diese<br />

Geräte sind dann natürlich etwas teurer, aber die<br />

Anschaffung lohnt sich in jedem Fall.<br />

Der Gesamtgehalt in g/l an Nährsalz wird ebenfalls<br />

von solchen Kombigeräten umgerechnet.<br />

Diese Konzentrationsangabe bezieht sich jedoch<br />

nur auf das im Wasser gelöste Salz in Ionenform,<br />

wie oben dargelegt. Der Umrechnungsfaktor beträgt<br />

0,6543, also etwas mehr als die Hälfte der<br />

Leitfähigkeit.<br />

Wie man unschwer erkennen kann, kommt der<br />

Qualität des Gießwassers für die Düngung eine<br />

wesentliche Bedeutung zu, da die Pflanze die<br />

Nährsalze nur in Wasser gelöst aufnehmen kann.<br />

Die Wahl des geeigneten Gießwassers ist für eine<br />

erfolgreiche und richtige Düngung somit eine unbedingte<br />

Voraussetzung.<br />

Die Wahl des geeigneten<br />

Gießwassers<br />

Um einmal eine ungefähre Vorstellung davon zu<br />

haben, wie gering der Gesamtgehalt an Nährsalzen<br />

im Wasser an natürlichen Orchideenstandorten<br />

sein kann, sei das Beispiel der Schwarzwasserflüsse<br />

in Venezuela angeführt. Dieses Wasser<br />

besitzt eine Leitfähigkeit von circa 10 µS/cm, hat<br />

also nur etwa 0,5 mg/l an Salz gelöst. Der pH-Wert<br />

liegt bei ungefähr 3,5, also sauer! Dennoch oder<br />

gerade deswegen wachsen und gedeihen hier<br />

viele verschiedene Orchideenarten prächtig. Im<br />

Übrigen liegen die Weißwasserflüsse in ihrer Konzentration<br />

im gleichen Gebiet auch nicht wesentlich<br />

höher: circa 30 µS/cm bei einem pH-Wert um<br />

6,5. Im Vergleich dazu sind viele unserer Flüsse<br />

mit etwa 1000 µS/cm um ein Vielfaches höher. >><br />

Catasetum discolor, weiblich<br />

Auf verrottendem Substrat.<br />

Ctsm. discolor, terrestrisch<br />

Cyrt. braemii, lithophytisch<br />

Oncidium sp., feine Wurzeln<br />

Guttation bei Cycnoches<br />

Kräftige Wurzeln bei Ctsm.<br />

Wurzeln bei Esmeralda clarkei<br />

Überdüngung bei Phalaenopsis<br />

Sobralia macrantha, lithophyt.<br />

37


Orchideenjäger<br />

Sebastiao Cesar de Freitas<br />

knieend vor Cyrtopodium<br />

braemii (Syn. Cyrtopodium<br />

sarneyanum).<br />

De Freitas begleitete<br />

neben Anderen auch<br />

Arthur W. Holst (Autor des<br />

Buchs: The World of<br />

Catasetums. 1999)<br />

auf seiner Reise durch den<br />

südlichen Teil von<br />

Rondônia und dem<br />

angrenzenden Amazonas,<br />

Bundesstaaten Brasiliens.<br />

Dies trifft aber leider auch in vielen Regionen auf<br />

unser Leitungswasser zu. Werte um 500 µS/cm<br />

und mehr werden in Deutschland häufig gemessen<br />

– eine Folge von im Wasser gelöstem Magnesium-<br />

und Calciumcarbonat. Je höher die Konzentration<br />

an diesen Salzen ist, desto härter ist das<br />

Wasser.Daher spricht man auch von Härtegraden:<br />

1 Grad dH (d für deutsch) entspricht in etwa 17,8<br />

mg/l Calciumcarbonat. Sofern nur Carbonate gelöst<br />

sind, liegt also bei 500 µS/cm ein Leitungswasser<br />

von 14 °dH vor.<br />

Daraus wird deutlich, warum Leitungswasser als<br />

Gießwasser für unsere Orchideen nur bedingt geeignet<br />

sein kann. Härtegrade unter 8 °dH können<br />

gerade noch über einen gewissen Zeitraum bei<br />

weniger empfindlichen Orchideen toleriert werden<br />

– dabei gilt: je geringer, umso länger!<br />

Tipp: Falls Sie die Härtegrade ihres Leitungswassers<br />

nicht kennen und auch nicht messen können,<br />

können sie diese über das zuständige Wasserwerk<br />

erfragen.<br />

Gießen Sie ihre Orchideen über längere Zeit mit<br />

relativ hartem Leitungswasser, so scheidet sich<br />

mit der Zeit ein weißer Belag auf der Oberfläche<br />

derWurzeln und des Substrats ab.Dieses ist nichts<br />

anderes als der vom Kochen von Wasser bekannte<br />

Kesselstein. Die dadurch hervorgerufene Verkrustung<br />

der Wurzeln führt über kurz oder lang zum<br />

Tod der Pflanze, da die Wurzeln nicht mehr in der<br />

Lage sind, Wasser aufzunehmen und zu atmen.<br />

Tipp: Das Absterben von Pflanzen beruht häufig<br />

auf der Verwendung von zu hartem Leitungswasser<br />

als Gießwasser! Die Verwendung von Regenwasser<br />

oder durch Umkehrosmose enthärtetem<br />

Leitungswasser ist daher fast schon ein Muss, will<br />

man Orchideen auf Dauer erfolgreich kultivieren.<br />

Regenwasser besitzt eine Leitfähigkeit von etwa<br />

50 µS/cm,je nachdem,wo und wie es aufgefangen<br />

wird. Unter Umständen kann man auch stilles<br />

Mineralwasser verwenden, wenn die Angabe auf<br />

dem Etikett der Flasche weniger als 100 µS/cm<br />

(Konzentration der Salze kleiner 50 mg) aufweist<br />

und kein Natrium enthalten ist. Natrium ist toxisch<br />

für die Pflanzen! Hierzu noch eins: Durch<br />

Abkochen wird die Härte des Wassers nicht oder<br />

nur minimal verändert – ein leider weit verbreiterter<br />

und auch immer wieder zu lesender Irrtum!<br />

Betrachtung einiger Naturstandorte<br />

von Orchideen<br />

Wie ganz zu Anfang des Artikels im Teil 1 (s.<br />

OrchideenZauber-Heft 4–2009) bereits erwähnt,<br />

sind Orchideen wahre Hungerkünstler, da sie sich<br />

von den wenigen Nährsalzen, die sie am Naturstandort<br />

vorfinden,ernähren können.Wenn diese<br />

Aussage so richtig ist, hat dies für die Düngung<br />

von Orchideen entsprechende Konsequenzen.<br />

Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass in den<br />

Anfängen der Orchideenkultur auf eine Düngung


Cyrtopodium braemii<br />

epiphytisch auf einer<br />

Palme in vermoderndem<br />

Substrat wachsend.<br />

Der Autor mit<br />

Cyrtopodium braemii<br />

lithophytisch wachsend.<br />

Cyrtopodium braemii<br />

terrestrisch auf einem<br />

Torf-Sand-Gemisch<br />

wachsend. Cyrtopodium<br />

braemii kommt<br />

endemisch in Rondônia<br />

vor und kann sich zu<br />

großen Horsten über eine<br />

zusammenhängende<br />

Fläche von 50 m 2 und mehr<br />

auswachsen, wie im vorliegenden<br />

Fall – ein imposanter<br />

Anblick, besonders<br />

natürlich zur Blütezeit.<br />

bewusst verzichtet, ja diese sogar<br />

als schädlich angesehen wurde.<br />

Es stellt sich daher an dieser Stelle<br />

die Frage,ob Orchideen am Naturstandort<br />

Nährsalze in nennenswerter<br />

Konzentration überhaupt<br />

vorfinden? In der Literatur über<br />

Orchideen liest man häufig, dass<br />

die Orchideen die Nährsalze durch<br />

die Luft infolge gewittriger Niederschläge<br />

(Ammoniak) oder durch<br />

in der Atmosphäre fein verteilten<br />

Staub erhalten.<br />

In den folgenden Abbildungen erkennt<br />

man, dass die gleiche >><br />

39


Das sehr seltene<br />

Catasetum longifolium<br />

wächst ausschließlich auf<br />

Palmen hängend in<br />

größtmöglicher Höhe, da<br />

seine schmalen Blätter –<br />

wie der Name schon sagt –<br />

eine Länge von über 2 m<br />

erreichen können. Seine<br />

kräftigen, dicken Wurzeln<br />

verankern sich dabei in<br />

den abgestorbenen<br />

Wedeln der Palme in<br />

verrottetem, moosigem<br />

und mineralsalzhaltigem<br />

Substrat.<br />

Orchideenart nicht nur epiphytisch auf den unterschiedlichsten<br />

Bäumen gut wachsen kann, sondern<br />

auch lithophytisch auf Felsen oder terrestrisch<br />

auf Böden. Eigene Untersuchungen der<br />

Nährsalzkonzentrationen an den jeweiligen<br />

Naturstandorten haben dabei doch recht erstaunliche<br />

Ergebnisse zutage gebracht. So wurde im<br />

Falle eines Catasetum osculatum, eingewachsen<br />

in abgestorbenen Palmblättern, Nährsalzgehalte<br />

gefunden, die bei circa 500 µS/cm lagen (1 g<br />

Substrat auf 1 l destilliertes Wasser). Auch in dem<br />

Sand-Torf-Gemisch im Falle eines Catasetum ciliatum-Standorts<br />

(Synonym für Catasetum discolor)<br />

wurden ähnlich hohe Konzentrationen gemessen.<br />

Hingegen konnte im Falle von Oncidium<br />

cebolleta (Synonym für Trichocentrum cebolleta)<br />

kein nennbarer Messwert erhalten werden. Demzufolge<br />

wachsen und gedeihen die Pflanzen einer<br />

jeweiligen Orchideenart oder -gattung an den<br />

Naturstandorten offensichtlich dort besonders<br />

gut, wo sie den für sie geeigneten Nährsalzgehalt<br />

vorfinden. Es ist sogar im Falle der Cataseten so,<br />

dass sie sich neue Lebensräume in den durch<br />

Brandrodung entstandenen Palmenhainen erobern,<br />

in denen sie sogar bessere Lebensbedingungen<br />

vorfinden als im ursprünglichen Primärwald,<br />

das heißt ihr Artenreichtum und ihre Häufigkeit<br />

haben deutlich zugenommen.<br />

Inwieweit eine Pflanze demnach Salze nur aus der<br />

Luft oder der Atmosphäre aufnimmt und ob dies<br />

in jedem Fall so zutrifft, wie in der Literatur häufig<br />

angegeben, darf hiernach zumindest bezweifelt<br />

werden. Daraus folgt aber auch, dass eine<br />

Düngung von Orchideen – maßvoll durchgeführt<br />

– durchaus richtig und sinnvoll ist!<br />

Wie hoch darf oder muss der<br />

Gesamtgehalt an Nährsalzen im<br />

Gießwasser sein?<br />

Wie viel die Orchidee an Nährsalzen vertragen<br />

kann, kann man ganz einfach beispielsweise anhand<br />

ihrer Wurzeln erkennen. In sehr feinen, dünnen<br />

Haarwurzeln wie von einer Eria densa (s. Abb.)<br />

liegt eine sehr geringe Konzentration an Nährsalzen<br />

vor, im Gegensatz zu einer Vanda sp. mit<br />

einer relativ dicken Wurzel (s. Abb.).<br />

Feine dünne Wurzeln bei einem Oncidium sp.<br />

Eria densa mit feinem<br />

Haarwurzelgeflecht.<br />

Dicke Wurzel bei einer Vanda-Hybride.<br />

40<br />

Somit reicht schon ein Blick auf die Wurzeln der<br />

Orchidee aus, um ihre Verträglichkeit gegenüber<br />

Nährsalzen vorhersagen zu können.<br />

Tipp: Die Wurzeln der Orchideen geben uns bereits<br />

einen guten Anhaltspunkt dafür, wie viel<br />

Dünger sie vertragen können – je feiner, umso<br />

weniger, je stärker, umso mehr.<br />

Diese rein subjektive Beobachtung lässt sich aus<br />

dem Vorgang der Wasser- und Nährstoffaufnahme<br />

beispielsweise bei einer Phalaenopsis sp.<br />

auch objektiv begründen: Die Phalaenopsis verfügt<br />

über Wurzeln, die sich im Substrat („Wasserwurzeln“)<br />

und – wie bei Epiphyten oder Aufsitzerpflanzen<br />

üblich – an der Luft befinden („Luftwurzeln“).<br />

Diese Luftwurzeln können Wasser wie<br />

ein Schwamm aufnehmen und speichern. Dabei<br />

verfärben sie sich von silbrig nach grün. Sie besitzen<br />

außen ein vielschichtiges Gewebe aus toten<br />

Zellen, das Velamen radicum, welches das Wasser<br />

bei Benetzung aufsaugt.Von dort tritt das Wasser<br />

über halbdurchlässige Zellen in die zentrale Leiterbahn<br />

der Wurzel ein, von wo es in die oberirdi-


schen Teile der Pflanze gedrückt wird. (Anmerkung:<br />

Die Vorgänge in der epiphytischen Wurzel<br />

laufen noch viel komplexer ab, dies ändert aber<br />

nichts am Ergebnis.)<br />

In den Wasserwurzeln geschieht dies ähnlich,<br />

wobei das Velamen als Speicherfunktion entfällt,<br />

da das Substrat die Funktion als Wasserspeicher<br />

übernimmt. Die Luftwurzel wandelt sich daher in<br />

eine Wasserwurzel um, wenn sie in das Substrat<br />

hineinwächst.<br />

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass zwar<br />

Wasser auf diesem Wege in die zentrale Leiterbahn<br />

der Wurzel – den Zentralzylinder – gelangt,<br />

aber keine Nährsalze! Wasser tritt also durch die<br />

Zellwand derWurzel hindurch,während die Nährsalze<br />

zurückgehalten werden. Anhand eines Beispiels<br />

aus dem täglichen Leben soll dieser für das<br />

Leben der Pflanzen so wichtige Prozess etwas ausführlicher<br />

erläutert werden.<br />

Der Vorgang der Osmose –<br />

der Motor des Lebens<br />

Haben Sie sich nicht schon mal darüber gewundert,<br />

warum der gerade in Essig, Öl und Salz (der<br />

Salatsauce oder dem Dressing) frisch an<strong>gemacht</strong>er<br />

Salat bereits nach kurzer Zeit seine Festigkeit<br />

verloren hat und matschig geworden ist? Dafür<br />

gibt es folgende Erklärung:Physikalisch-chemisch<br />

betrachtet liegen zwei Lösungen verschieden<br />

hoher Konzentrationen an Salzen vor, zum einen<br />

die salzhaltige Salatsauce und zum anderen das<br />

fast salzfreie Wasser im Salatblatt. Die beiden<br />

Lösungen sind durch die Zellwände des Salatblatts<br />

voneinander getrennt. Nun kann zwar das<br />

Wasser durch die Zellwand des Blatts in das Dressing<br />

hinein wandern, aber das Salz aus der Salatsauce<br />

nicht von dem Blatt aufgenommen werden.<br />

Die Zellwand ist somit halbdurchlässig (nur für<br />

das Wasser) und stellt somit eine semipermeable<br />

(halbdurchlässige) Membran dar.<br />

Wenn nun der Salat mit der Sauce an<strong>gemacht</strong><br />

wird, strömt das Wasser aus dem Salatblatt sofort<br />

durch die Zellwand in das Dressing hinein, um so<br />

die salzige Lösung des Dressings zu verdünnen. So<br />

wird ein Konzentrationsausgleich zwischen den<br />

beiden Lösungen angestrebt. Der Druck, mit dem<br />

das Wasser aus dem Salatblatt ausströmt, wird<br />

umso größer sein (der Salat wird demzufolge<br />

umso schneller matschig), je höher die Salzkonzentration<br />

im Dressing ist. Das Strömen des Wassers<br />

durch eine semipermeable Membran hindurch<br />

aus einer geringer konzentrierten in eine<br />

höher konzentrierte Salzlösung ist ein osmotischer<br />

Prozess. Der Druck, den das Wassers so erzeugt,<br />

ist somit ein osmotischer Druck, hervorgerufen<br />

durch die Osmose.<br />

Genau diese Verhältnisse finden wir in der Wechselwirkung<br />

zwischen dem Wasser enthaltenden<br />

Substrat einerseits und der Wurzel der >><br />

Galeandra leptoceras<br />

benötigt ein<br />

ausgewogenes,<br />

in seiner Konzentration<br />

aber nicht zu hohes<br />

Düngerverhältnis.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

41


42<br />

Orchidee andererseits im Topf. Das Gleiche trifft<br />

auch für das Wasser speichernde Velamen einerseits<br />

und die Leiterbahn in der Luftwurzel der<br />

Orchidee andererseits zu. Das Wasser kann durch<br />

das Zellsystem der Wurzel wandern. Es kann so<br />

folglich sowohl aufgenommen als auch abgegeben<br />

werden. Die Nährsalze aber können dieses<br />

Zellsystem nicht passieren. Somit stellt die Zellwand<br />

der Wurzel eine semipermeable Membran<br />

dar. (Allerdings können neben dem Wasser auch<br />

noch sehr kleine Moleküle wie Sauerstoff, Stickstoff<br />

und Kohlendioxid, außerdem Alkohol sowie<br />

Ethylen hindurchwandern.)<br />

In der Orchidee sind – je nach Art und Gattung –,<br />

wie einleitend bereits anhand der Wurzelstärke<br />

beobachtet,mehr oder weniger Salze in der Leiterbahn<br />

der Wurzel in Wasser gelöst. Diese Konzentration<br />

ist umso höher, je stärker die Wurzel ist.<br />

Nun stellen wir uns einmal vor, dass wir das Substrat,<br />

in dem sich unsere Phalaenopsis-Orchidee<br />

befindet, nur mit Regenwasser, also fast salzfreiemWasser,gießen.Was<br />

passiert? Das Wasser wird<br />

von der Wurzel solange aufgenommen werden,<br />

bis die Salzkonzentration in der Wurzel die des<br />

Regenwassers erreicht.DasWasser strömt also am<br />

Anfang kräftig in die Wurzel hinein und es entsteht<br />

ein Überdruck, der Turgor genannt wird, der<br />

das Wasser in die oberirdischen Teile der Pflanze<br />

presst.<br />

Die Pflanze verfügt über keinen aktivenTransportmechanismus<br />

des Wassers. Das Wasser kann in<br />

erster Linie nur auf diesem Weg über die Sprossachse<br />

in die Blätter gelangen. Allerdings kann in<br />

der Pflanze auch noch ein Sog – hervorgerufen<br />

durch die Transpiration und auch Guttation, also<br />

die Wasserabgabe über die Blätter – entstehen,<br />

der so das Wasser innerhalb der Pflanze unterstützend<br />

fördert. Dieser ist jedoch in seiner Wirksamkeit<br />

mehr oder weniger abhängig von den<br />

äußeren Bedingungen.<br />

Stellen wir uns nun den umgekehrten Fall vor:Wir<br />

gießen unsere Pflanze mit einer hoch konzentrierten<br />

Nährsalz-, also Düngerlösung. Was geschieht<br />

nun? In diesem Fall wird das Wasser aus der Wurzel<br />

in die Düngerlösung einströmen,je höher konzentriert,<br />

umso schneller. Die Pflanze erleidet also<br />

einen Wasserverlust und der Wurzeldruck sowie<br />

damit der Wassertransport innerhalb der Pflanze<br />

werden allmählich abnehmen. Besteht dieser Zustand<br />

fortwährend über einen längeren Zeitraum,<br />

so wird den Blättern das Wasser entzogen und sie<br />

beginnen zu verwelken.<br />

Wenn die Pflanze etwas mehr als 30 % ihres Wassergehalts<br />

eingebüßt hat, ist der Vorgang nicht<br />

mehr umkehrbar und die Pflanze stirbt schließlich<br />

ab. Bis dies allerdings soweit ist, verfügt die Pflanze<br />

noch über einige Abwehrmöglichkeiten, aber<br />

auch diese sind irgendwann erschöpft.<br />

Daraus folgt: Der Zustand der Welke kann nicht<br />

nur auf zu wenig Gießen und damit verbundene<br />

Austrocknung zurückgeführt werden, sondern<br />

auch eine Folge der Überdüngung der Pflanze<br />

sein!<br />

Aus diesem Grund wird sofort verständlich,<br />

warum eine Überdüngung bei epiphytischem<br />

Wachstum der Orchideen besonders kritisch ist:<br />

Im und auf dem Velamen radicum der Wurzel reichern<br />

sich die Nährsalze infolge Verdunstung oder<br />

Aufnahme des Wassers durch die Pflanze über die<br />

Zeit an. Im Topf werden die Nährsalze hingegen<br />

auch an das Substrat gebunden, sie werden somit<br />

besser „verteilt“. Das bedeutet aber nicht, dass<br />

eine Überdüngung auch in letzterem Fall nicht zu<br />

Schäden an der Pflanze führen kann.<br />

Viel<strong>leicht</strong> haben Sie sich gewundert, warum es<br />

eigentlich so wichtig ist, dass die Zellwand der<br />

Wurzel nur halbdurchlässig ist? Nun, wäre dies<br />

nicht der Fall, dann könnten ja auch Salze ungehindert<br />

in die Pflanze eintreten. Damit aber käme<br />

kein Wasserdruck und somit kein Transport des<br />

Wassers in der Pflanze zustande. Der Motor des<br />

Lebens der Pflanze – die Osmose – käme nicht nur<br />

ins Stottern, sondern letztendlich zum Erliegen.<br />

Bei defekten oder zerstörten Wurzeln ist dies der<br />

Fall und daher ist es so wichtig, dass die Pflanze<br />

gute, kräftige und gesunde Wurzeln ausbildet.<br />

Der Weg der Nährsalze in die Pflanze<br />

Wenn nun aber das Nährsalz mit dem Wasser<br />

durch die Zellwand nicht in die Pflanze gelangen<br />

kann, wie kann dann die Pflanze diese aufnehmen?<br />

Da dies für das weitere Verständnis für die<br />

Düngung von Pflanzen von Bedeutung ist,soll dieser<br />

komplexe Vorgang in seinem wesentlichen<br />

Ablauf vereinfacht dargestellt werden.<br />

Die Zellwand derWurzel besteht aus Zellen,die als<br />

äußere Schicht eine Biomembran tragen. Diese<br />

Biomembran setzt sich aus Fetten (Lipid-Doppelschichten)<br />

zusammen und lässt – wie bereits bekannt<br />

– nur Teilchen von sehr kleinem Durchmesser<br />

passieren. In dieser Schicht sind sogenannte<br />

Transportproteine eingebettet, die den Stoffaustausch<br />

zwischen den Zellen und dem umgebenden<br />

Medium gewährleisten. Oder anders gesagt:<br />

Es sind die in der Biomembran eingelagerten<br />

Transportproteine, welche die Nährsalze in die<br />

Zelle leiten.<br />

Die Proteine bestehen aus verschiedenen Substanzen<br />

und werden, je nach dem, wie sie die<br />

Nährsalze transportieren, eingeteilt in zum Beispiel<br />

Poren, Kanäle, Pumpen und sogenannte<br />

Translokatoren. Interessant ist in dem Zusammenhang,<br />

dass für jedes Salz, also beispielsweise<br />

für das Kalium-Ion, ein spezifisches Protein zur<br />

Verfügung steht. Es nimmt daher nur das Kalium-<br />

Ion auf und transportiert es weiter in die Zelle.<br />

Ganz absolut ist diese Spezifität allerdings nicht,<br />

so können durch die Kaliumkanäle K + -Ionen, aber<br />

auch toxische Ionen wie Cadmium-, Cd + , -Ionen in<br />

die Zelle gelangen.<br />

In der Regel liegen die Nährsalze nicht frei in der<br />

Bodenlösung vor, sondern sind an das Substrat<br />

oder im Velamen radicum gebunden. Sie müssen<br />

davon abgelöst werden. Bei der Zellatmung wird<br />

durch die Wurzeln Kohlendioxid in das Umge-


ungswasser abgegeben. Es zerfällt im Wasser in<br />

Hydrogencarbonat-Anionen undWasserstoff-,H + -<br />

Ionen, auch Protonen genannt. Diese Ionen verdrängen<br />

die an die Bodenteilchen gebundenen,in<br />

Ionen vorliegenden Salze. So freigesetzt reichern<br />

sie sich an der Zellwand der Wurzel an. Hier werden<br />

sie von dem für sie spezifischen Transportprotein<br />

aufgenommen und gelangen dann in die<br />

Wurzel.<br />

Wenn man diesen Mechanismus auch nicht so<br />

ganz verstehen sollte, und vieles davon ist auch<br />

wissenschaftlich noch nicht mit letzter Sicherheit<br />

geklärt, so gilt für die Düngung, dass immer<br />

eine kleine, ausreichende Menge Nährsalz – je<br />

nach Orchideenart – im Substrat vorhanden sein<br />

muss. So kann die Wurzel die Nährsalze in dem<br />

umgebenden Wasser, auch Kapillarwasser genannt,<br />

mit Hilfe des geschilderten Ablösevorgangs<br />

sicher finden und über die Transportproteine<br />

aufnehmen.<br />

Verliert sie indessen den Kontakt mit dem Kapillarwasser<br />

oder findet sie nicht genügend Nahrung,so<br />

ist sie in der Lage,demWasser auch durch<br />

Wachstum ihrer Wurzeln zu folgen.<br />

Ein stark durchwurzeltes Substrat bedeutet demnach,<br />

dass der Salzgehalt nicht zu hoch und die<br />

Pflanze kräftig genug war,sich die Nahrung durch<br />

Ausbildung der Wurzeln zu suchen. Schlecht oder<br />

kaum bewurzelte Pflanzen können umgekehrt<br />

eine Folge der Versalzung des Substrats sein.<br />

Ursache der weichen Blätter bei<br />

Phalaenopsis und deren mögliche<br />

Abhilfe<br />

Wenn also Phalaenopsen schrumpelige, weiche<br />

und schlaffe Blätter aufweisen (s.Abb.),dann kann<br />

das demnach folgende Ursachen haben: entweder<br />

die Pflanze wurde zu trocken gehalten oder<br />

aber es ist eine Folge von Überdüngung. In jedem<br />

Fall sollte das Substrat sofort gründlich mit Regenwasser<br />

durchgespült oder die Pflanze intensiv in<br />

Regenwasser getaucht werden. Eventuell ist bei<br />

zu starker Versalzung auch ein Substratwechsel<br />

dringend angeraten.<br />

Leider tritt dieser Effekt sehr häufig bei Pflanzen<br />

auf, die man relativ preiswert, beispielsweise im<br />

Supermarkt, erstanden hat. Diese Pflanzen werden<br />

Jahr für Jahr in Zigmillionen Exemplaren in<br />

Gewächshäusern sehr schnell – unter anderem<br />

auch durch extrem hohe Düngergaben bei optimalen<br />

äußeren Wachstumsbedingungen – vermehrt.<br />

So lange die Pflanze im Wachstum begriffen<br />

ist,kann sie diese Düngergaben auch verarbeiten<br />

und verwerten.<br />

Sobald sie aber in der Wohnung weiterkultiviert<br />

wird, kann ihr die noch vorhandene hohe Konzentration<br />

an Dünger im Substrat zum Verhängnis<br />

werden. Sie befindet sich ja in der Regel nicht<br />

mehr im vollen Wachstum und benötigt daher<br />

kaum Nährsalze. >><br />

Weiche, verschrumpelte<br />

Blätter und kaputte<br />

Wurzeln bei Phalaenopsis<br />

infolge Überdüngung.<br />

Catasetum confusum,<br />

Blüten wie zwei fliegende<br />

Prachtbienen.<br />

43


Anmerkung zur<br />

Düngerpyramide:<br />

Die angegebenen Werte<br />

gelten nur bei gesunden,<br />

blühfähigen Pflanzen,<br />

insbesondere in nährstoffarmen<br />

Substraten wie<br />

Pinienrinde. Bei<br />

geschwächten Pflanzen<br />

dürfen die Gaben nur<br />

maximal die Hälfte des<br />

Werts betragen.<br />

Somit geschieht, was bereits in obigem Beispiel<br />

des matschigen Salats geschehen muss – Wasser<br />

tritt aus der Pflanze in das Substrat aus,die Blätter<br />

verschrumpeln zusehends und fallen schließlich<br />

ab. Die Pflanze ist verloren,wenn man nicht sofort<br />

die bereits geschilderten Maßnahmen einleitet<br />

und durchführt. Aber auch das ist keine Gewähr,<br />

insbesondere wenn der Prozess schon zu weit fortgeschritten<br />

ist und die Pflanze schon irreparable<br />

Zellschäden erlitten hat.<br />

Anhand der Abbildung einer derart geschädigten<br />

Pflanze kann man auch noch sehr gut Folgendes<br />

erkennen: Es fehlen die Luftwurzeln völlig und die<br />

Wasserwurzel zeigt Fäulnis an. Finden Sie eine<br />

ähnliche Erscheinung bei Ihren Pflanzen, dann<br />

deutet das zusätzlich eventuell noch auf zu hohe<br />

Stickstoffgaben und auch auf ein zu basisches<br />

Substrat (pH-Wert deutlich höher als 7) hin,insbesondere<br />

eine Folge von Harnstoff.<br />

Anmerkung: Harnstoff zerfällt im reinen Wasser<br />

nach einigen Wochen in Ammonium-Ionen (1 g<br />

Harnstoff führt zu 1000 µS/cm) und das Wasser<br />

wird zudem stark basisch (pH-Wert 8,5). Empfohlen<br />

wird daher, eine Zeitlang ganz auf die<br />

Zugabe von Stickstoff zu verzichten und, um eine<br />

Wurzelbildung anzuregen, Phosphat und Kalium<br />

betonter zu düngen.<br />

Die Düngerpyramide für<br />

verschiedene Orchideengattungen<br />

Düngerpyramide<br />

Mit Hilfe des osmotischen Drucks kann man auch<br />

quantitativ indirekt ermitteln, wie hoch die Konzentration<br />

an Nährsalzen im Gießwasser sein darf.<br />

Geht der Wurzeldruck gegen Null, ist die Konzentration<br />

bereits zu hoch gewählt.Man kann es auch<br />

anders sehen,die Salzkonzentration in der Pflanze<br />

entspricht der Salzkonzentration im Gießwasser,<br />

wenn der Wurzeldruck Null beträgt. Wie dies<br />

exakt erfasst werden kann, sei hier nicht weiter<br />

ausgeführt. Wichtig ist nur zu wissen, dass dies<br />

möglich ist, wobei die dabei gefundenen Salzkonzentrationen<br />

immer einer gewissen Schwankungsbreite<br />

unterliegen müssen, je nach dem<br />

Zustand der Pflanze. Dabei stimmt das oben bereits<br />

erwähnte praktische Modell, die Düngerkonzentration<br />

anhand derWurzelstärke einschätzen<br />

zu können, mit dem objektiven, die Konzentration<br />

der Nährsalze anhand des osmotischen<br />

Drucks genau zu erfassen, erwartungsgemäß<br />

überein.<br />

Die so grob ermittelten maximal möglichen Düngerkonzentrationen<br />

für verschiedene Orchideengattungen<br />

sollen im Folgenden anschaulich und<br />

einprägsam in Form einer Pyramide dargeustellt<br />

werden, wobei die Spitze den Nullpunkt an Nährsalzen<br />

darstellt. Sie gilt in erster Linie für gesunde<br />

Pflanzen bei optimalen äußeren Wachstumsbedingungen<br />

wie Licht, Luft, Wärme und Feuchtigkeit.<br />

Sind diese nicht optimal, muss entsprechend<br />

weniger gedüngt werden, wie im Teil 3 noch genauer<br />

erläutert werden wird.<br />

Die Leitfähigkeitswerte beziehen sich auf einen<br />

kommerziellen Dünger „Mairol Classic“, der bei<br />

1 g Dünger in 1 l destilliertem Wasser gelöst eine<br />

Leitfähigkeit von etwa 1400 µS/cm aufweist. Wie<br />

44


ja bereits erläutert, kann die Leitfähigkeit für ein<br />

anderes Düngersystem bei 1 g/l größer oder auch<br />

kleiner sein, je nachdem, wie viel Salz in Ionenform<br />

im Gießwasser vorliegt. Leider wird dieser<br />

Wert häufig von dem Düngemittelhersteller nicht<br />

angegeben, also ist ein Rückschluss aus der ermittelten<br />

Leitfähigkeit auf die Konzentration nur bedingt<br />

möglich. Die Konzentrationsangabe in g/l<br />

ist somit die exakte Bezugsgröße. Auf die Angabe<br />

der Leitfähigkeit wurde dennoch nicht verzichtet,<br />

weil diese immer wieder in der Praxis als Bezugsgröße<br />

herangezogen wird.<br />

Das Nährstoffverhältnis<br />

Wenn somit der Gesamtnährstoffgehalt einer<br />

Pflanze mit Hilfe des osmotischen Drucks bestimmt<br />

werden kann, so lässt dies jedoch keinen<br />

Rückschluss auf das Verhältnis der Nährstoffe zu.<br />

Wie hoch der jeweilige Anteil an Stickstoff, Phosphor,<br />

Kalium, Magnesium, Calcium, Schwefel<br />

und den Spurenstoffen in der Pflanze ist, ist weiterhin<br />

unbestimmt. Diese lassen sich durch<br />

Pflanzengewebeanalysen, beispielsweise durch<br />

Veraschung der Pflanze oder durch Extraktion,<br />

ermitteln.<br />

Eine Gewebeanalyse ist im Folgenden anhand einer blühfähigen<br />

Frauenschuhorchidee beispielhaft dargestellt:<br />

Analyse einer blühfähigen Pflanze<br />

Paphiopedilum callosum<br />

N 105,0 mg<br />

P 2 O 5 35,8 mg<br />

K 2 O 185,6 mg<br />

CaO 250,9 mg<br />

MgO 26,9 mg<br />

Fe 1267,2 µg<br />

Mn 281,6 µg<br />

Cu 112,6 µg<br />

Zn 1591,0 µg<br />

B 243,2 µg<br />

Mo 1,0 µg<br />

Verhältnis der Nährstoffe zueinander (N = 1):<br />

N : P 2 O 5 : K 2 O : CaO : MgO<br />

1 : 0,34 : 1,77: 2,39: 0,26<br />

Auffallend dabei ist der sehr hohe Gehalt an<br />

Calcium, was zum einen die Bedeutung dieses<br />

Nährstoffs gerade für Frauenschuhorchideen hervorhebt.<br />

Paphis sind demnach kalkliebende Pflanzen<br />

und benötigen immer eine ausreichende Versorgung<br />

mit Calcium. Wie dies am besten geschieht,<br />

wird im Teil 3 dargestellt.<br />

(Anmerkung:Düngerlösungen aus Phosphat oder<br />

Sulfat können nicht gleichzeitig auch Calcium enthalten.<br />

Calcium bildet mit dem Phosphat einen<br />

schwerlöslichen Niederschlag Calciumphosphat<br />

und kann somit von der Pflanze nicht mehr aufgenommen<br />

werden! Wie im Teil 1 erwähnt, bezeichnet<br />

man dies auch treffend als „Festlegung“ eines<br />

Nährsalzes.)<br />

Übrigens zählen auch die meisten Phalaenopsen<br />

zu den kalkliebenden Orchideen.<br />

Hinweis: Finden Sie schlecht entwickelte oder<br />

abgestorbene Wurzeln an Ihren Pflanzen sowie<br />

braune Blattflecken, so kann dies eine Folge von<br />

Kalkmangel sein.<br />

Auch der Gehalt an Kalium ist vergleichsweise<br />

hoch.Da Kalium in den Leitbahnen der Pflanze frei<br />

beweglich ist, ist es in erster Linie für den Wurzeldruck<br />

(und auch die Spaltöffnungen, s. Teil 1)<br />

und damit den Wassertransport innerhalb der<br />

Orchidee verantwortlich. Somit muss immer eine<br />

genügend hohe Konzentration an Kalium in der<br />

Pflanze vorhanden sein, damit das Transportsystem<br />

und damit der Wurzeldruck nicht zusammenbrechen<br />

können. Da Kalium also für die<br />

Aufrechterhaltung der Osmose in der Pflanze in<br />

erster Linie verantwortlich ist, wird es in seiner<br />

Funktion als Hauptosmotikum bezeichnet.<br />

Hinweis: Weiche Pflanzenstängel und -teile weisen<br />

auf einen ungenügenden Wurzeldruck infolge<br />

Kaliummangels hin.<br />

Die Ergebnisse von Gewebeanalysen weichen jedoch<br />

sehr stark von Art zu Art,aber auch innerhalb<br />

der Pflanzen vom Spross zur Bulbe oder zum Blatt<br />

hin ab.Auch die Ernährungsweise der Pflanze,also<br />

was die Pflanze an Nährsalzen erhalten und vorgefunden<br />

hat, beeinflusst das Ergebnis maßgeblich.Wenn<br />

eine Pflanze zum Beispiel in erster Linie<br />

nur Stickstoff angeboten bekommt, wird sie diesen<br />

auch bevorzugt aufnehmen und einlagern.<br />

Wie kritisch eine zu hohe Dosierung eines Nährstoffs<br />

dabei sein kann, kann man <strong>leicht</strong> an einer<br />

ausschließlich Stickstoff betonten Düngung erkennen:Nimmt<br />

die Pflanze den N vor der Ruhezeit<br />

(z. B. bei Cattleyen oder Cataseten) auf und lagert<br />

ihn in denWasser speichernden Organen,also den<br />

Bulben, ab, dann kann die Konzentration so stark<br />

ansteigen, dass diese weich werden. Um die Konzentration<br />

in der Bulbe abzusenken, wird mehr<br />

und mehr Wasser aus den Zellen gesaugt, die<br />

Bulbe wird immer weicher und„kippt“ schließlich<br />

um (s. Abb. u.). Untersucht man den Zellsaft einer<br />

solchen Bulbe, so finden sich zum Teil erschreckend<br />

hohe Werte (2000 µS/cm und mehr). Eine<br />

gesunde, feste Bulbe weist hingegen im Zellsaft<br />

nicht mehr als 300 µS/cm auf. Hauptverursacher<br />

hierfür dürfte der N aus dem Harnstoff (Urea oder<br />

auch Carbamid) gewesen sein, der in einer Orchideenkultur<br />

sehr vorsichtig verwendet werden<br />

muss und auf den man eigentlich besser ganz verzichten<br />

sollte. >><br />

Umgekippte Bulbe, primär<br />

als Folge eines zu hohen<br />

Stickstoffgehalts, der dann<br />

im weiteren Verlauf trotz<br />

völliger Trockenheit zur<br />

Fäulnis führte.<br />

45


Catasetum saccatum<br />

epiphytisch aufrecht an<br />

einer Palme in verrottetem,<br />

mineralsalzhaltigem<br />

Substrat wachsend,<br />

welches zu kräftigen<br />

Bulben und großen Blüten<br />

führt.<br />

Empfehlung:Benutzen Sie in der Orchideenkultur<br />

nur harnstofffreien (Carbamid freien) Dünger.<br />

Die Ergebnisse solcher Analysen mit den erwähnten,<br />

sich zwangsläufig ergebenden Unwägbarkeiten<br />

bedürfen daher in der Kultur einer genaueren<br />

Überprüfung. Zu diesem Zweck wurden Arten<br />

verschiedener Orchideengattungen mit unterschiedlichen<br />

Nährstoffverhältnissen unter gleichen<br />

Wachstumsbedingungen über einen längeren<br />

Zeitraum (mehr als fünf Jahre) behandelt. Aus<br />

diesen sehr umfangreichen Versuchen ergaben<br />

sich folgende ermittelte optimale Werte für die<br />

Kultur von Orchideen:<br />

Nährsalz und pH-Wert-Anforderungen<br />

von verschiedenen Orchideen<br />

pH- Nährsalzgehalt Verhältnis<br />

Gattung Wert g/l N : P : K<br />

Cattleya 4,0 1,0 - 2,0 1,0 : 0,4 : 0,75<br />

Cymbidium 5,0 2,0 1,0 : 0,4 : 0,75<br />

Paphiopedilum 5,5 - 6,5 0,05 1,0 : 0,8 : 1,0<br />

Phalaenopsis 4,7 0,25 - 0,5 1,0 : 0,8 : 1,5<br />

46<br />

Wie aus Versuchen, die im Institut für Bodenkunde<br />

und Pflanzenernährung an der FHWeihenstephan<br />

von Prof. Penningsfeld et al. durchgeführt<br />

wurden, hervorgeht, findet – wie erwartet –<br />

bei ungedüngtem Substrat oder bei Fortlassen<br />

einer der Hauptnährstoffe N, P, K so gut wie kein<br />

Wachstum und Blühen statt.<br />

Auch eine Verdopplung der Anteile an N oder P<br />

ergibt keine nennenswerte Erhöhung des Wachstums<br />

und im Blühertrag gegenüber der Standarddüngung.<br />

Hingegen führt die Verdopplung<br />

des Kaliumanteils gegenüber der Standarddüngung<br />

zu einer deutlichen Steigerung des Blühertrags<br />

als Folge des höheren Wurzeldrucks. Jedoch<br />

leidet darunter die Qualität, insbesondere die<br />

Haltbarkeit der Blüten (um mehr als 30 % kürzer).<br />

Untersucht man die Wurzelbildung, so stellt man<br />

fest, dass ohne Düngung oder bei Mangel an<br />

N die Wurzeln sehr stark ausgeprägt sind und<br />

ein Wachstum der oberirdischen Pflanzenteile<br />

unterbleibt. Die Pflanze ist auf der Suche nach<br />

Nahrung und investiert daher alle Kraft in das<br />

Wurzelwachstum.<br />

Im Falle der doppelten Menge an K oder P wird die<br />

Wurzelbildung hingegen stark zurückgedrängt.<br />

Fazit: Die Standarddüngung N : P : K mit 1 : 0,8 : 1<br />

schneidet bei Berücksichtigung unterschiedlichster<br />

Faktoren am besten ab, hätte jedoch im Blühertrag<br />

durch ein etwas höheres Angebot von N<br />

und K etwas gesteigert werden können.<br />

Es muss bei diesen Düngerversuchen jedoch kritisch<br />

angemerkt werden, dass nicht wachstumsbegleitend,<br />

also in der Wachstumszeit (vegetativen<br />

Zeit), stickstoffbetonter und in der generativen<br />

Phase phosphorbetonter gedüngt, sondern<br />

das Verhältnis immer gleich bleibend über das<br />

Jahr gewählt wurde.<br />

Es ist daher zusammenfassend für die Auswahl<br />

eines geeigneten Düngers für Orchideen wichtig,<br />

dass ein im Nährstoffverhältnis ausgewogener<br />

Dünger gewählt wird, wie der für Paphiopedilum<br />

angegebene (1 : 0,8 : 1),und dieser derWachstumsphase<br />

der Pflanze angepasst wird. Wenn sich also<br />

der neue Trieb oder das neue Blatt zeigen, sollte<br />

man das Stickstoffverhältnis anheben (etwa auf<br />

3 : 1 : 1). Vor Abschluss des Triebs oder Blatts muss<br />

der N-Anteil dann deutlich zugunsten von Phosphat<br />

und Kalium reduziert werden (z. B. 1 : 2 : 3<br />

oder auch 0 : 1 : 2), um schließlich in der Übergangsphase<br />

wieder zum ursprünglichen, ausgeglichenen<br />

Nährstoffverhältnis zurückzukehren.<br />

Ein vergleichender Düngerversuch wurde hierzu<br />

vom Autor über drei Jahre an zwei Gomesa radicans<br />

durchgeführt. Die beiden Pflanzen wurden<br />

unter völlig identischen Bedingungen (an gleicher<br />

Stelle im Gewächshaus) gepflegt. Der Unterschied<br />

ist dabei signifikant: sowohl Wurzel- als auch<br />

Blattbildung sind deutlich kräftiger im Falle der<br />

wachstumsbegleitenden Düngung und auch die<br />

Anzahl der Blüten war um mehr als das Dreifache<br />

erhöht. Diese Abfolge der Düngung hat sich so gut<br />

bewährt, dass sie auch von botanischen Gärten<br />

und Orchideenbetrieben mit jahrzehntelanger<br />

Erfahrung in der Kultur von Orchideen verbreitet<br />

eingesetzt wird.<br />

Im dritten, abschließenden Teil über die Auswahl<br />

und Anwendung des richtigen Orchideendüngers<br />

wird daher das Thema der wachstumsbegleitenden<br />

Düngung nochmals ausführlicher dargestellt<br />

werden.<br />

Ô<br />

Dr. Wolfgang Ermert


Standarddüngung<br />

(1 : 0,8 : 1) links im<br />

Vergleich zu einer<br />

wachstumsbegleitenden<br />

Düngung (s. Text) rechts an<br />

einer Gomesa radicans<br />

(Syn. Ornithophora<br />

radicans) unter ansonsten<br />

gleichen Bedingungen<br />

über drei Jahre.<br />

Bernd Nowak / Bettina Schulz<br />

Taschenlexikon<br />

tropischer Nutzpflanzen<br />

und ihrer Früchte<br />

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der Früchte und Pflanzen hilft auch dem Laien, sich bei Reisen in tropische<br />

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1. Aufl. 2008, 636 S., 450 farb. Abb., gb., Fadenheftung,<br />

ISBN 978-3-494-01455-5<br />

Best.-Nr. 494-01455 € 24,95<br />

Quelle & Meyer Verlag GmbH

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