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5. DIE AUSSONDERUNG DER WORTARTEN IN DER ÄLTEREN ...

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<strong>5.</strong> <strong>DIE</strong> <strong>AUSSON<strong>DER</strong>UNG</strong> <strong>DER</strong> <strong>WORTARTEN</strong><br />

<strong>IN</strong> <strong>DER</strong> <strong>ÄLTEREN</strong> UND <strong>IN</strong> <strong>DER</strong> NEUEREN<br />

DEUTSCHSPRACHIGEN GERMANISTIK<br />

Die ältere Germanistik gliederte die Wörter der deutschen<br />

Sprache in 9 oder 10 Wortarten auf:<br />

z.B. W. JUNG (Kleine Grammatik der deutschen Sprache, 1953)<br />

1) Substantiv 7) Adverb (die Wortarten unter<br />

2) Artikel 8) Präposition 1-6 flektierbar,<br />

3) Pronomen 9) Konjunktion jene unter 7-10<br />

4) Adjektiv 10) Interjektion nicht flektierbar)<br />

5) Numerale<br />

6) Verb<br />

(Eine ähnliche Aufteilung der Wortarten finden wir auch in der<br />

Grammatik von Adela gur aus Ljubljana: 9 Wortarten anstatt 10<br />

- wobei der Artikel zu den Pronomina gehört)<br />

Diese Aufgliederung hat sich unangefochten in der herkömmlichen<br />

Schulgrammatik bis in unsere Tage gehalten. Bei den Schülern,<br />

teilweise auch bei den Studenten und Lehrern, hat sie den<br />

(keineswegs berechtigten) Eindruck erweckt, als ob dies<br />

a) die einzig mögliche Wortarteinteilung wäre,<br />

b) diejenige Wortarteinteilung wäre, die von den Linguisten<br />

einstimmig akzeptiert würde,<br />

c) diejenige Wortarteinteilung wäre, die den sprachlichen<br />

Tatsachen am besten gerecht würde.<br />

Oft wird die genannte Einteilung einfach als gegeben angenommen,<br />

übernommen oder vorausgesetzt, ohne daß darüber theoretisch<br />

reflektiert wird oder die Gründe bzw. die Kriterien für eine<br />

solche Einteilung angegeben werden. Wenn solche Überlegeungen<br />

angestellt werden,dann werden die Wortarten häufig in direkter<br />

Weise aus den Erscheinungen der Wirklichkeit abgeleitet. Hier<br />

ein Zitat von W. JUNG (1953): "Ihren sprachlichen Niederschlag<br />

findet die Welt der Dinge in den Dingwörtern (Substantiven),<br />

finden die Eigenschaften in den Eigenschaftswörtern (Adj.),<br />

die Tätigkeiten in den Tätigkeitswörtern (Verben),die örtlich-zeitlich-logischen<br />

Beziehungen in den Umstandswörtern<br />

(Adverbien), den Verhältniswörtern (Präpositionen) und den<br />

Bindewörtern (Konjunktionen)."<br />

Damit wird das Verhältnis von objektiver Realität, Denken und<br />

Sprache einfach gleichgesetzt und damit vereinfacht; denn es<br />

ist bekannt, daß z.B. Dingwörter nicht nur Dinge (z.B. die<br />

Härte, die Hoffnung), daß Tätigkeitswörter nicht nur<br />

Tätigkeiten (z.B. liegen,erleiden, bekommen) bezeichnen.<br />

Bei der traditionellen Einteilung in die 10 genannten Wortarten<br />

handelt es sich um eine Einteilung, die nicht auf einem<br />

einheitlichen Prinzip beruhen, sondern vielmehr intuitiv auf<br />

mindestens drei verschiedenen Einteilungskriterien basiert,<br />

die untereinander vermischt werden:<br />

1) das semantische Kriterium (das K. der Bedeutung):<br />

wenn von Dingwörtern zur Bezeichnung von Dingen,<br />

Eigenschaftswörtern zur Bezeichnung von Eigenschaften die<br />

Rede ist...<br />

2) das morphologische Kriterium (Form, der Flektierbarkeit):<br />

wenn z.B. zwischen konjugierbaren, deklinierbaren und<br />

unveränderlichen Wörtern unterschieden wird...


3) das syntaktische Kriterium (Verwendung/Funktion im Satz):<br />

wenn z.B. zwischen Konjunktion und Präposition unterschieden<br />

wird, die beide "Beziehungen" ausdrücken und formal nicht<br />

veränderlich sind, jedoch im Satz verschiedene Funktionen<br />

erfüllen..<br />

Es handelt sich um eine heterogene Wortartklassifizierung,<br />

die auf der gleichzeitigen (ungeordneten und undifferenzierten)<br />

Anwendung semantischer, Morpholischer und syntaktischer<br />

Kriterien beruht.<br />

In der neueren deutschsprachigen Germanistik wird das Problem<br />

der Wortartklassifizierung sehr viel stärker beachtet und<br />

theoretisch reflektiert. Es werden mehrere Ansätze entwickelt,<br />

die untereinander sehr verschieden sind, denen es jedoch<br />

gemeinsam ist, daß sie von der herkömmlichen Einteilung in 10<br />

Wortarten mehr oder weniger abweichen, daß sie die verwendeten<br />

Kriterien explizit gebrauchen und reflektieren.<br />

Wir wollen uns ein paar Wortarteinteilungen vor Augen führen:<br />

A) die DUDEN-Grammatik von 1973<br />

B) ERBENs ABRISS der dt. Sprache<br />

C) FLÄMIGs Grammatik für den Muttersprachunterricht<br />

D) HELBIG/BUSCHA - Grammatik für den Fremdsprachenunterricht<br />

A) Die DUDEN-Grammatik<br />

In der 1. Auflage (1959) haben P. GREBE und seine Mitarbeiter<br />

die Wortarten primär nach semantischen und sekundär<br />

nach syntaktischen und morphologischen Kriterien bestimmt.<br />

Daher werden hier 6 Wortarten unterschieden, die sich mit<br />

denen von GL<strong>IN</strong>Z decken (bis auf terminologische Unterschiede)<br />

1) Verb 4) Begleiter und Stellverteter des<br />

2) Substantiv Substantivs (Artikel, Pronomen,<br />

3) Adjetiv Numerale)<br />

5) Partikel (Adverb, Präposition,<br />

Konjunktion)<br />

6) Interjektion<br />

In der 3. Auflage von 1973 ergeben sich die Wortarten<br />

aufgrund syntaktischer und morphologischer Merkmale, die<br />

semantischen sind nicht mehr primär. Helbig findet es dabei<br />

eigenartig, daß trotz der unterschiedlichen Akzentuierung der<br />

(theoretischen) Kriterien das (praktische) Resultat nahezu<br />

das gleiche ist: in allen drei Auflagen (1959,1966,1973)<br />

finden wir die gleiche Wortarteinteilung wieder.<br />

B) ERBENs Abriß<br />

1) zustand- oder vorgansschildernde Aussagewörter (Verben)<br />

2) Nennwörter (Substantive)<br />

3) charakterisierende Beiwörter (Adjektive, Adverbien)<br />

4) Fügewörter (Präpositionen, Konjunktionen)<br />

5) größenbezügliche Formwörter mit situationsbestimmtem<br />

Funktionswert (Pronomina)<br />

Als primäres Kriterium erscheint das semantische.<br />

Diese Einteilung ändert ERBEN später nur geringfügig, obwohl<br />

er dann das syntaktische und das morphologische Kriterium


primär verwendet.<br />

C) FLÄMIGs Wortarteinteilung<br />

F. versucht, die Wortarten nach einem möglichst<br />

einheitlichen, einem homogenen Kriterium zu bestimmen.<br />

Diese für den Muttersprachunterricht gedachte<br />

Klassifizierung geht von einem grammatischen Kriterium aus,<br />

und zwar ist das das morphologische Kriterium. Die<br />

Wortarten sind grammatische Klassen, zwischen den Wörtern und<br />

den außersprachlichen Erscheinungen gibt es keine direkte<br />

Entsprechung.<br />

I<br />

konjugierbar<br />

VERB<br />

WORT<br />

I<br />

nicht konjugierbar<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

deklinierbar<br />

nicht deklinierbar<br />

I<br />

PARTIKEL<br />

I I I<br />

artikelfähig nicht artikelfähig<br />

SUBSTANTIV I I I<br />

I Satzglied nicht<br />

I oder Satzglied<br />

I<br />

Gliedteil<br />

ADVERB<br />

FÜGEWORT<br />

I I I<br />

komparierbar nicht komparierbar<br />

I<br />

ADJEKTIV PRONOMEN<br />

I<br />

I<br />

mit Kasus- ohne<br />

forderung Kasusforderung<br />

PRÄPOSITION KONJUNKTION<br />

D) HELBIG/BUSCHA<br />

HELBIG geht von der Tatsache aus, daß nicht alle Wortarten<br />

einen direkten Bezug zur Wirklichkeit oder eine<br />

Formveränderlichkeit aufweisen, daß sie aber alle von ihrer<br />

syntaktischen Funktion fixierbar sind,so daß sie von dieser<br />

Seite her eine einheitliche Beschreibung gewährleistet ist.<br />

Durch die syntaktische Gliederung werden Klassen sichtbar,<br />

die zusätzlich morphologische und semantische Kennzeichen<br />

haben, die genau beschrieben werden müssen.<br />

In enger terminologischer Anlehnung an die Tradition werden<br />

folgende Wortklassen unterschieden:<br />

1) Verb<br />

2) Substantivwörter<br />

a) Substantiv<br />

b) Substantivische Pronomina<br />

3) Adjektiv (einschließlich Zahladjektiv)<br />

4) Adverb (einschließlich Adjektiv-Adverb)<br />

5) Funktionswörter 1: Artikelwörter (einschließlich der ad-


jektivischen Pronomina)<br />

6) Funktionswörter 2: Fügewörter<br />

a) Präpositionen<br />

b) Konjunktionen<br />

7) Funktionswörter 3: (adverbähnliche Wörter)<br />

a) Partikeln<br />

b) Modalwörter<br />

c) Satzäquivalente (einschließlich Interjektionen)<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Insgesamt zeigt sich die meisten Wortarten überall erscheinen,<br />

wenn auch in unterschiedlicher Anordnung, Hierarchie,<br />

Kombination und Benennung. Die genannte unterschiedliche<br />

Aufteilung, Hierarchie, Anordnung und Kombination beruht auf der<br />

unterschiedlichen Verwendung der genannten Kriterien, über deren<br />

Wesen, Leistung und Grenzen es in der Linguistik noch wenig<br />

Einhelligkeit gibt.

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