24.11.2013 Aufrufe

Verzögerte Eintragung einer im Ausland geschlossenen Ehe in das ...

Verzögerte Eintragung einer im Ausland geschlossenen Ehe in das ...

Verzögerte Eintragung einer im Ausland geschlossenen Ehe in das ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

236<br />

Dadouch gg. Malta<br />

Rechtsausführungen<br />

Der Bf. rügt Verletzungen von Art. 8 EMRK (hier: Recht<br />

auf Achtung des Privat lebens) alle<strong>in</strong>e und <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit Art. 14 EMRK (Diskr<strong>im</strong><strong>in</strong>ierungsverbot).<br />

NLMR 4/2010-EGMR<br />

beruflichen Bereich. Die Weigerung, die <strong>Ehe</strong> des Bf. zu<br />

registrieren, hätte daher zweifellos Auswirkungen auf<br />

dessen Privatleben gehabt. Die beträchtlich verzögerte<br />

<strong>E<strong>in</strong>tragung</strong> von dessen <strong>Ehe</strong> <strong>im</strong> Ausmaß von mehr als 28<br />

Monaten stellt somit e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> Art. 8 EMRK dar.<br />

I. Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK<br />

Der Bf. beanstandet die auf der zw<strong>in</strong>genden Vorlage<br />

e<strong>in</strong>es Staatsbürgerschaftsnachweises fußende Weigerung<br />

der Behörden, se<strong>in</strong>e <strong>Ehe</strong> zu registrieren.<br />

1. Zur Zulässigkeit<br />

Dieser Beschwerdepunkt ist weder offensichtlich unbegründet<br />

noch aus e<strong>in</strong>em anderen Grund unzulässig. Er<br />

muss folglich für zulässig erklärt werden (e<strong>in</strong>st<strong>im</strong>mig).<br />

2. In der Sache<br />

a. Zum Vorliegen e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>griffs<br />

Art. 8 EMRK be<strong>in</strong>haltet auch e<strong>in</strong> Recht auf persönliche<br />

Entwicklung bzw. auf Begründung von Beziehungen<br />

mit anderen Menschen. Der GH sieht daher ke<strong>in</strong>en<br />

Grund, warum die staatliche Anerkennung des Personenstands<br />

e<strong>in</strong>es Individuums – mag es nun ledig, verheiratet,<br />

geschieden oder auch verwitwet se<strong>in</strong> – nicht<br />

Teil von dessen persönlicher und sozialer Identität se<strong>in</strong><br />

sollte. Die Registrierung <strong>e<strong>in</strong>er</strong> <strong>Ehe</strong> betrifft somit sowohl<br />

<strong>das</strong> Privat- als auch <strong>das</strong> Familienleben iSv. Art. 8 EMRK.<br />

Zwar kann Art. 8 EMRK <strong>in</strong> Angelegenheiten der Immigration<br />

nicht derart <strong>in</strong>terpretiert werden, <strong>das</strong>s er dem<br />

Staat e<strong>in</strong>e generelle Verpflichtung auferlegt, die Entscheidung<br />

von verheirateten Paaren zu respektieren,<br />

ihren ehelichen Wohnsitz <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Territorium zu verlegen,<br />

und er <strong>in</strong>soweit e<strong>in</strong>e Wiedervere<strong>in</strong>igung der Familie<br />

zulassen muss. Andererseits kann die Verweigerung<br />

der Registrierung <strong>e<strong>in</strong>er</strong> <strong>Ehe</strong> Auswirkungen zeitigen, die<br />

über Fragen der Immigration h<strong>in</strong>ausgehen und <strong>das</strong> Privat-<br />

oder <strong>das</strong> Familienleben von Staatsangehörigen und<br />

Ausländern gleichermaßen betreffen können.<br />

Die Parteien s<strong>in</strong>d sich h<strong>in</strong>sichtlich der Auswirkungen<br />

der <strong>E<strong>in</strong>tragung</strong> des <strong>Ehe</strong>stands une<strong>in</strong>ig. Während<br />

zwar aus § 12 des maltesischen <strong>Ehe</strong>gesetzes klar hervorgeht,<br />

<strong>das</strong>s e<strong>in</strong>e Nichte<strong>in</strong>tragung k<strong>e<strong>in</strong>er</strong>lei rechtliche Folgen<br />

nach sich zieht, darf der GH die tatsächlichen Auswirkungen<br />

<strong>e<strong>in</strong>er</strong> Registrierung <strong>im</strong> täglichen Leben nicht<br />

außer Acht lassen. Wie auch die Regierung bestätigt hat,<br />

würden die Behörden nicht zusätzliche Beweise für e<strong>in</strong>e<br />

Heirat <strong>im</strong> Fall der Vorlage <strong>e<strong>in</strong>er</strong> vom Standesamt ausgestellten<br />

Besche<strong>in</strong>igung verlangen. Würde e<strong>in</strong>e solche<br />

fehlen, könnte dies die Behandlung von behördlichen<br />

Ersuchen (etwa auf Gewährung von Sozialhilfe) verlängern,<br />

komplizierter oder überhaupt unmöglich machen.<br />

Ähnliches gilt für notwendige Bestätigungen etwa <strong>im</strong><br />

b. War der E<strong>in</strong>griff gesetzlich vorgesehen?<br />

Die nationalen Gerichte kamen zu dem Ergebnis, <strong>das</strong>s<br />

die Verweigerung der <strong>E<strong>in</strong>tragung</strong> mit Art. 224 Zivilgesetzbuch<br />

vere<strong>in</strong>bar sei. Der GH hegt starke Zweifel, ob<br />

die Gesetze, <strong>in</strong>sbesondere, was den Staatsbürgerschaftsnachweis<br />

anlangt, die Erfordernisse der Klarheit und<br />

Vorhersehbarkeit erfüllten. Er sieht es jedoch nicht als<br />

erforderlich an, diese Frage hier abschließend zu klären.<br />

c. Bestand für den E<strong>in</strong>griff e<strong>in</strong> legit<strong>im</strong>es Ziel?<br />

Zwar kann der GH schwerlich nachvollziehen, <strong>in</strong>wiefern<br />

die Verweigerung der <strong>E<strong>in</strong>tragung</strong> der <strong>Ehe</strong> des Bf. Bigamie<br />

verh<strong>in</strong>dern oder Rechtssicherheit bezüglich des<br />

Personenstands gewährleisten sollte (wie dies die Regierung<br />

behauptet), jedoch ist er bereit zu akzeptieren,<br />

<strong>das</strong>s die nationale Regelung der <strong>E<strong>in</strong>tragung</strong> von <strong>Ehe</strong>n<br />

den legit<strong>im</strong>en Zielen der Aufrechterhaltung der Ordnung<br />

und dem Schutz der Rechte anderer dient.<br />

d. War der E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>er</strong> demokratischen Gesellschaft<br />

notwendig?<br />

Der GH er<strong>in</strong>nert daran, <strong>das</strong>s es <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Aufgabe<br />

des nationalen Gesetzgebers ist, Regeln h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

Gültigkeit von <strong>Ehe</strong>n und ihrer Rechtsfolgen aufzustellen.<br />

Dies gilt auch für Verfahren betreffend die <strong>E<strong>in</strong>tragung</strong><br />

von <strong>Ehe</strong>n.<br />

Die Regierung hat – abgesehen von der Anforderung,<br />

<strong>das</strong>s die vom Bf. vorgelegten Dokumente die Formerfordernisse<br />

erfüllen müssten – k<strong>e<strong>in</strong>er</strong>lei Gründe angegeben,<br />

welche <strong>das</strong> Bedürfnis <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>er</strong> demokratischen<br />

Gesellschaft rechtfertigen könnten, die Registrierung<br />

der <strong>Ehe</strong> des Bf. für mehr als zwei Jahre zu verweigern.<br />

Auch gesetzt den Fall, die Heirat <strong>in</strong> Russland hätte e<strong>in</strong>e<br />

zusätzliche Überprüfung verlangt, ist der GH der Überzeugung,<br />

<strong>das</strong>s die von der Regierung als notwendig<br />

erachtete Befassung mit dem Haager Übere<strong>in</strong>kommen<br />

über die Abschaffung der Erfordernis der Beglaubigung ausländischer<br />

öffentlicher Dokumente vom 5.10.1961 (zwecks<br />

Überprüfung, ob die Heiratsurkunde beglaubigt worden<br />

war) oder Anfragen bei der russischen Botschaft zügiger<br />

hätten durchgeführt werden können.<br />

Was die Besche<strong>in</strong>igung der Staatsbürgerschaft des<br />

Bf. anlangt, ist der GH der Ansicht, <strong>das</strong>s angesichts der<br />

Tatsache, <strong>das</strong>s er <strong>in</strong> Besitz e<strong>in</strong>es gültigen maltesischen<br />

Reisepasses war, die Vermutung entstand, er sei maltesischer<br />

Staatsbürger. In Fällen, bei denen die Nationa-<br />

Österreichisches Institut für Menschenrechte © Jan Sramek Verlag

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!