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Britta Helm Veggie_Special erschienen am 26.1.12 in der Visions

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42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 56 18.01.11 15:36


Vegetarismus und Musik<br />

Man sieht es den Leuten nicht an. Aber hört man es? 26 Jahre nach Meat Is Mur<strong>der</strong> wettert Morrissey immer<br />

noch e<strong>in</strong>s<strong>am</strong> gegen Jäger und Festivalwürstchen, während die Punks Cupcakes backen. E<strong>in</strong> Schriftsteller gibt<br />

den neuen großen vegetarischen Popstar, im Indierock ist Veganismus schon lange synonym mit gelebtem<br />

Hipstertum, und ausgerechnet <strong>der</strong> Metal macht es e<strong>in</strong>em schwer, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Reihen e<strong>in</strong>e Band zu f<strong>in</strong>den, die<br />

auf Tour Steaks für alle bestellt. Und wo s<strong>in</strong>d sie jetzt, die neuen Hymnen gegen Fleisch? Machen bessere<br />

Menschen auch bessere Musik? S<strong>in</strong>d Liebeslie<strong>der</strong> Provokation, wenn man dazu Seitan isst? Auf <strong>der</strong> Suche<br />

nach alten Werten und neuen Tönen verschwimmen Genregrenzen zwischen Blut und Mandelmilch.<br />

Text: britta helm | Illustrationen: julia Praschma<br />

Bevor die Teller abgeräumt werden,<br />

greift Amanda Rogers schnell noch<br />

mal zur Gabel. „Ich esse fast immer<br />

das Gemüse auf, das me<strong>in</strong>e Freunde<br />

liegengelassen haben.“ Verschwendung ist <strong>der</strong><br />

S<strong>in</strong>ger/Songwriter<strong>in</strong> zuwi<strong>der</strong>, e<strong>in</strong> angebissenes<br />

Stück Braten würde sie trotzdem zurückgehen<br />

lassen. „Das wäre mir zu eklig.“ Ihre<br />

Zweipersonenband The Pleasants rettet unterwegs<br />

regelmäßig Gebäck vor dem Müll, auch<br />

wenn nicht ganz ausgeschlossen werden kann,<br />

dass sich dar<strong>in</strong> Butter o<strong>der</strong> Milch verstecken<br />

– Hauptsache, es wird nichts weggeworfen.<br />

Nur für Fleisch ist es zu spät. Bevor es auf<br />

Tour geht, packt Amanda eifreie Mayonnaise,<br />

ihre Liebl<strong>in</strong>gschilisauce und Mandelmilch <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Kühltasche. „Die meisten an<strong>der</strong>en Sachen<br />

bekommen wir vor Ort im Supermarkt. Und<br />

ich nehme immer jede Menge Kräutertee<br />

und grünen Tee mit.“ Auf ihrem Ri<strong>der</strong> bittet<br />

sie Veranstalter um e<strong>in</strong>e vegane Mahlzeit,<br />

frisches Obst und Gemüse, Brot mit veganem<br />

Aufstrich, stilles M<strong>in</strong>eralwasser und heißes<br />

Wasser für den Tee. Inzwischen kann sie <strong>in</strong><br />

mehreren Sprachen erklären, was sie isst und<br />

was nicht. „Das Wort vegan sagt den meisten<br />

Leuten <strong>in</strong>zwischen zwar was, aber oft genug<br />

müssen sie erst mal e<strong>in</strong>e Liste durchgehen,<br />

um sich klarzumachen, was das heißt. ‚Fleisch<br />

– ne<strong>in</strong>, Geflügel – ne<strong>in</strong>, Fisch – ne<strong>in</strong>, Milch –<br />

ne<strong>in</strong>, Käse – ne<strong>in</strong>, Eier – wirklich, auch nicht?<br />

Wow, was kannst du denn dann überhaupt<br />

noch essen?‘ Darauf rattere ich dann me<strong>in</strong>e<br />

eigene endlos lange Liste herunter und irgendwann<br />

verstehen sie, dass Veganer genug<br />

Auswahl haben.“<br />

Ist ja nicht so, als wäre Amanda Rogers die<br />

erste. Hätte Pythagoras vor gut 2.500 Jahren<br />

se<strong>in</strong>en Reisen Tourri<strong>der</strong> vorausgeschickt,<br />

dann hätten die ganz ähnlich ausgesehen wie<br />

ihre. Der alte Grieche war nicht nur Dreiecksberechner<br />

und Philosoph, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />

erste Musikanalytiker – und Vegetarier. Weil<br />

er an Seelenwan<strong>der</strong>ung glaubte, lehnte <strong>der</strong><br />

Vater <strong>der</strong> Harmonielehre nicht nur Tieropfer<br />

ab, son<strong>der</strong>n aß auch ke<strong>in</strong> Fleisch. Und se<strong>in</strong>e<br />

Fans machten es ihm nach. Wer die Musikgeschichte<br />

nicht ganz so weit zurückgeht, f<strong>in</strong>det<br />

im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>in</strong> Richard Wagner und<br />

Gustav Mahler klassische Tierschützer und<br />

Vegetarier (wobei <strong>der</strong> antisemitische Wagner<br />

me<strong>in</strong>te, Juden als die schlimmsten Tierquäler<br />

ausgemacht zu haben). Berichten nach lebten<br />

später mehrere prägende Jazzmusiker vegetarisch;<br />

Miles Davis soll Fleisch zum<strong>in</strong>dest zeitweise<br />

aus se<strong>in</strong>em Speiseplan gestrichen haben.<br />

Und die Liste geht weiter. Little Richard, Nico,<br />

Anni-Frid von ABBA – alles Vegetarier. (Wobei<br />

spätestens jetzt gesagt se<strong>in</strong> muss, dass sich<br />

Überzeugung und Ernährung im Laufe des Lebens<br />

natürlich än<strong>der</strong>n können und letztlich alles<br />

gut belegte Gerüchte s<strong>in</strong>d, solange man die<br />

Leute nicht selbst fragt. Was wir für die Statements<br />

<strong>in</strong> diesem Heft immerh<strong>in</strong> bei e<strong>in</strong>em<br />

Teil unserer Musikwelt gemacht haben.) Die<br />

fleischfreien Fertiggerichte <strong>der</strong> 1998 verstorbenen<br />

L<strong>in</strong>da McCartney bekommt man bis heute<br />

<strong>in</strong> britischen Supermärkten, und schuld daran<br />

ist <strong>der</strong> Legende nach nicht ihr Mann Paul<br />

(den sie erst bekehrte), son<strong>der</strong>n ihre Freund<strong>in</strong><br />

Chrissie Hynde, die sie ermutig haben soll, für<br />

die vegetarische Sache zu werben.<br />

42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 57 18.01.11 15:36


STORYS |VEGETARISMUS & MUSIK<br />

042|043<br />

044|045<br />

046|047<br />

048|049<br />

ILLUSTRATION: THOMAS STUMPE<br />

Für die Blumenk<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> 60er gehören gewaltfreies<br />

Essen und bewusstse<strong>in</strong>serweiternde<br />

Klänge erstmals systematisch zus<strong>am</strong>men. Sich<br />

zum Frühstück naturbelassene Körner e<strong>in</strong>zuweichen,<br />

bricht genauso mit verhassten Nachkriegstraditionen<br />

wie Grateful Dead zu hören<br />

– die auch selbst mit gesun<strong>der</strong> Ernährung zu<br />

retten versuchen, was Drogen kaputtgemacht<br />

haben. Schließlich übernimmt <strong>der</strong> Punk, erst<br />

chaotisch und exzessiv, dann, mithilfe von<br />

Hardcore und Straight Edge, fokussierter, härter,<br />

klarer. Zwar spricht Ian MacKaye mit ke<strong>in</strong>em<br />

Wort von Tierrechten und Vegetarismus,<br />

als er im M<strong>in</strong>or-Threat-Song Out Of Step (With<br />

The World) unbeabsichtigt die Regeln e<strong>in</strong>er<br />

neuen Jugendbewegung festmeißelt – „Don’t<br />

smoke/ Don’t dr<strong>in</strong>k/ Don’t fuck/ At least I can<br />

fuck<strong>in</strong>g th<strong>in</strong>k“ – doch gehört die Befreiung <strong>der</strong><br />

Tiere schon für ihn selbst genauso logisch dazu<br />

wie alle an<strong>der</strong>en. Sich selbst will er nicht wehtun<br />

und auch sonst niemandem. An<strong>der</strong>e Vorbil<strong>der</strong><br />

ziehen nach. Armand Majidi, Schlagzeuger<br />

bei Sick Of It All, wettert heute noch gegen die<br />

Fleisch<strong>in</strong>dustrie. „Das ist e<strong>in</strong> böses, herzloses,<br />

verschwen<strong>der</strong>isches Ungetüm, das Leiden und<br />

Dreck verbreitet und sich<br />

se<strong>in</strong>e Stellung<br />

sichert,<br />

Jonsi & Alex<br />

über Rohkost<br />

„Jonsi hat gestern Nacht e<strong>in</strong>en fantastischen<br />

Apfelkuchen gemacht. Ich<br />

liebe Avocado und junge Kokosnüsse.<br />

Wir essen viel Schokolade und tr<strong>in</strong>ken<br />

zum Frühstück Schokoladen-Smoothies.“<br />

Jonsis Freund Alex, mit dem<br />

<strong>der</strong> Sigur-Rós-Frontman das Duo<br />

Jonsi & Alex bildet, berichtet aus dem<br />

<strong>in</strong>teressanten Speiseplan <strong>der</strong> beiden<br />

Musiker. Ihr Apfelkuchen ruhte vermutlich<br />

stundenlang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ofen,<br />

<strong>der</strong> nicht über 46° Celsius heizt, die<br />

Wärmegrenze für Rohkost-Veganer,<br />

wie Jonsi und Alex es s<strong>in</strong>d. Tierische<br />

Produkte kommen ohneh<strong>in</strong> nicht auf<br />

den Tisch, grundsätzlich wird Nahrung<br />

außerdem nicht zerkocht o<strong>der</strong><br />

denaturiert, um ihre natürlichen Bestandteile<br />

zu erhalten. So soll das<br />

hohe Ziel <strong>der</strong> vollkommenen, natürlichen<br />

Gesundheit erreicht werden.<br />

Hört man Alex von den Auswirkungen<br />

e<strong>in</strong>er solchen Ernährung schwärmen,<br />

<strong>in</strong>dem es sich <strong>in</strong> die Köpfe <strong>der</strong> Menschen<br />

e<strong>in</strong>schraubt. Ich weigere mich, e<strong>in</strong>er solchen<br />

Industrie me<strong>in</strong> Geld zu geben.“<br />

rückt das Ziel<br />

tatsächlich <strong>in</strong><br />

erreichbare Nähe:<br />

„Als ich angefangen<br />

habe, nur<br />

noch vegane Rohkost<br />

zu essen, hat<br />

me<strong>in</strong>e Energie stark zugenommen,<br />

me<strong>in</strong>e Haut<br />

und me<strong>in</strong>e Sehstärke wurden<br />

besser, me<strong>in</strong> Geschmack<br />

<strong>in</strong>tensiver. Me<strong>in</strong> ganzer Körper<br />

hat sich gewandelt, das hat sich<br />

e<strong>in</strong>fach super angefühlt.“ Dass<br />

Rohkost-Esser schnell als Freaks<br />

abgestempelt werden, liegt wohl<br />

auch an den verschiedenen Varianten<br />

ihrer Ernährung. Wer sich nach<br />

<strong>der</strong> „Inst<strong>in</strong>cto“-Methode ernährt,<br />

isst nur rohe Nahrung, egal ob Pflanze,<br />

Fisch o<strong>der</strong> Fleisch. Der Inst<strong>in</strong>kt<br />

entscheidet, was <strong>der</strong> Körper braucht,<br />

<strong>der</strong> Geruchss<strong>in</strong>n hilft bei <strong>der</strong> Ent-<br />

scheidung. Freakig kl<strong>in</strong>gt auch Alex’<br />

Umschreibung von se<strong>in</strong>er und Jonsis<br />

Liebe zur Natur: „Wir schätzen und<br />

lieben die Natur. Wenn wir <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Stadt s<strong>in</strong>d und den Duft von Bäumen<br />

o<strong>der</strong> Blättern wahrnehmen, riechen<br />

wir erst mal daran.“<br />

Ihre natürlichen Kochkünste, die sie<br />

nicht nur zum Musizieren <strong>in</strong>spirieren,<br />

präsentieren die beiden auf<br />

jonsiandalex.com/recipes. Dort<br />

kann man ihnen zum Beispiel<br />

bei <strong>der</strong> Zubereitung des „Macad<strong>am</strong>ia<br />

Monster Mash“ zuschauen.<br />

Ihr Kochbuch<br />

„Good Heart Recipe Book”<br />

steht dort außerdem zum<br />

Download bereit und liefert<br />

Rezepte für die „Noodle<br />

Auch Amanda Rogers ist dabei. Noch nicht mit<br />

elf, als sie den Regenwald und alle Tiere retten<br />

will und Vegetarier<strong>in</strong> wird. „Drei Jahre später<br />

b<strong>in</strong> ich dann Veganer<strong>in</strong> geworden, als ich<br />

erfahren habe, dass man die Fleisch<strong>in</strong>dustrie<br />

auch mit dem Verzehr von Milchprodukten<br />

noch unterstützt. Die Milch kommt von stillenden<br />

Kühen, <strong>der</strong>en Kälber weggenommen<br />

und bis zur Schlachtung <strong>in</strong> w<strong>in</strong>zigen Ställen<br />

untergebracht werden, um dann als zartes<br />

Filet <strong>in</strong> teuren Restaurants serviert zu werden.<br />

Als ich dann noch herausgefunden habe, was<br />

Gelat<strong>in</strong>e ist, war die Sache klar.“ Und nun hilft<br />

ihr die Punkszene ihrer Heimatstadt, die sie<br />

parallel für sich entdeckt hat. „Ich hatte gerade<br />

angefangen, zu Punk- und Hardcoreshows <strong>in</strong><br />

Syracuse zu gehen. Dort war ich umgeben von<br />

veganen und Straight-Edge-Bands. Es g<strong>in</strong>g gar<br />

nicht so sehr um die Musik, son<strong>der</strong>n um die<br />

Geme<strong>in</strong>schaft. Alle hatten was zu sagen. Es gab<br />

immer Tische mit Flyern und Infomaterial von<br />

Tierrechtsgruppen wie Peta, <strong>der</strong> Animal Liberation<br />

Front und Food Not Bombs. Das alles hat<br />

mich sehr bestärkt <strong>in</strong> dem, was ich glaube, und<br />

es war egal, ob ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule nicht richtig<br />

dazugehöre o<strong>der</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Stadt o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong>er eigenen F<strong>am</strong>ilie.“<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Köch<strong>in</strong>nen von Food Not Bombs<br />

(das Pendant zu den deutschen Volxküchen,<br />

bei dem Freiwillige gespendetes und „conta<strong>in</strong>ertes“<br />

Essen kostenlos für alle kochen) ist<br />

d<strong>am</strong>als Isa Chandra Moskowitz. „Zu <strong>der</strong> Zeit<br />

war ich überzeugt davon, dass <strong>in</strong> spätestens<br />

fünf Jahren alle Menschen Veganer<br />

s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> Kollektiven leben“, er<strong>in</strong>nert<br />

sie sich. In den frühen 00ern<br />

startet ihre vegane Kochshow The<br />

Post Punk Kitchen<br />

im New Yorker<br />

Fernsehen und im Internet, zu<br />

Gast s<strong>in</strong>d befreundete Punkbands.<br />

„Post Punk“, weil Isa<br />

da schon nicht mehr ganz<br />

so idealistisch denkt.<br />

Heute hört sie beim<br />

Kochen und Backen<br />

„alles von<br />

den Bree<strong>der</strong>s<br />

über<br />

Ra<strong>in</strong>bow<br />

Miso<br />

Soup“ o<strong>der</strong><br />

den „Arkansas<br />

Apple Pie“,<br />

den Jonsi vermutlich<br />

des Nachts gebacken<br />

hat. Dass Schokolade<br />

bei den Beiden<br />

hoch im Kurs steht, zeigt das<br />

„Chocolate Walnut Fudge“-Rezept,<br />

das natürlich nur auf roher<br />

Schokolade, also Kakao <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ursprünglichen<br />

Form basiert. Denn auch<br />

beim Rösten und Schmelzen <strong>der</strong> Kakaobohnen<br />

werden viele <strong>der</strong> Inhaltsstoffe<br />

zerstört, auf die Rohkostler<br />

großen Wert legen. Um das natürliche<br />

Kakao-Geheimnis <strong>in</strong> die Welt zu tragen,<br />

vertreibt Jonsi unter jonsi.com/<br />

store sogar rohe, handgemachte Tafeln<br />

Schokolade. MATTHIAS MÖDE<br />

Robyn bis Otis Redd<strong>in</strong>g“, hat mehrere Bücher<br />

veröffentlicht und sich mit orig<strong>in</strong>ellen Rezepten<br />

für Cupcakes, Tofuomelette und Kichererbsensteak<br />

e<strong>in</strong>e Fangeme<strong>in</strong>de erspielt, die nicht<br />

anarchistischer aussieht als an<strong>der</strong>e. „Ich glaube,<br />

den Leuten schmeckt es e<strong>in</strong>fach“, sagt sie.<br />

Noch vor dem Jahrtausendwechsel beg<strong>in</strong>nen<br />

neue Musik und progressive politische Ideen<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zulaufen. Während <strong>der</strong> Punk<br />

zunächst unbeirrt weiterkämpft, kommen<br />

die Vorzeigevegetarier <strong>der</strong> 90er aus an<strong>der</strong>en<br />

Ecken. 1996 veröffentlicht <strong>der</strong> Veganer Moby<br />

se<strong>in</strong> Gitarrenalbum Animal Rights, bevor er sich<br />

endgültig fürs Elektronische entscheidet. In<br />

e<strong>in</strong>em Interview mit <strong>der</strong> Bravo gibt Marusha<br />

zwar gelegentliche Sal<strong>am</strong>ibrotausrutscher zu,<br />

wirbt aber gleichzeitig für den Vegetarismus.<br />

Daniel Johns, Frontmann <strong>der</strong> australischen<br />

Teenierockband Silverchair, wird zum veganen<br />

Idol des späten Grunge. Im Song Spawn Aga<strong>in</strong><br />

rechnet er 1999 wütend mit <strong>der</strong> Fleisch<strong>in</strong>dustrie<br />

ab. „These are the facts/ So eat what you<br />

mur<strong>der</strong>/ This is animal liberation/ Eight billion<br />

killed for human pleasure.“<br />

Nur zwei Jahre später kl<strong>in</strong>gt das alles schon viel<br />

zahmer. Der Vegetarismus hat nicht nur se<strong>in</strong>e<br />

prägende Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> alternativen Musikbewegung<br />

verloren – jetzt machen sich die coolen<br />

Kids auch noch über ihn lustig. 2001 setzen die<br />

Jugendradios Bohemian Like You<br />

von den Dandy<br />

Warhols auf Dauerrotation. Der Song handelt<br />

von schicken Autos, hippen Frisuren, schluffigen<br />

Exfreunden und kellnernden Menschen<br />

<strong>in</strong> Bands. „So what do you do?/ Oh yeah, I wait<br />

tables too/ No I haven’t heard your band/ Cause<br />

you guys are pretty new/ But if you dig on vegan<br />

food/ Well come over to my work/ I’ll have<br />

’em cook you someth<strong>in</strong>g that you‘ll really love.“<br />

Veganer s<strong>in</strong>d plötzlich die, die auch nichts<br />

h<strong>in</strong>bekommen. E<strong>in</strong> selbstironischer Witz <strong>der</strong><br />

Popkultur, den bezeichnen<strong>der</strong>weise alle verstehen.<br />

Ke<strong>in</strong> Fleisch zu essen ist nur noch e<strong>in</strong>s<br />

von vielen kle<strong>in</strong>en Merkmalen, aus denen sich<br />

Indiepersönlichkeiten basteln lassen, nicht<br />

an<strong>der</strong>s als Second-Hand-Flanellhemden und<br />

zerfled<strong>der</strong>te Taschenbücher. Zwischen welche<br />

Bandbuttons man sich den mit dem großen V<br />

ansteckt, ist nicht so wichtig.<br />

Natürlich passieren Verschiebungen nicht<br />

über Nacht, aber dass sich die kreativen Vordenker<br />

immer stärker weigern, sich Bewegungen<br />

e<strong>in</strong>- und unterzuordnen, überrascht kaum.<br />

Das neue Millennium zerbröselt se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

zu Individuen, die angesichts von Terror, Prekariat<br />

und Eltern, die we<strong>der</strong> als Vorbild noch<br />

als Abschreckung taugen, <strong>am</strong> besten daran<br />

tun, erst mal an sich selbst zu denken.<br />

Genrebezeichnungen werden immer<br />

länger, anpappen lassen will sie<br />

sich nun erst recht niemand<br />

mehr. Alles ist längst<br />

gesagt und getan,<br />

es bleiben<br />

42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 58 18.01.11 15:36


Es war<br />

Wolfsbarsch<br />

Craig B von The Unw<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g<br />

Hours erzählt, warum er<br />

für alle gutes Essen kocht.<br />

Remixe, ironische Anspielungen und postmo<strong>der</strong>ne<br />

Sehnsucht nach Le<strong>der</strong>jacken. An<strong>der</strong>erseits: wer sich<br />

jetzt noch radikal an<strong>der</strong>s entscheidet als die <strong>in</strong>dividualisierte<br />

Masse, muss schon selbst genau wissen,<br />

warum. Je<strong>der</strong> kann Legebatterien für sich selbst zu<br />

Ende denken, das eigene Umfeld ist we<strong>der</strong> Motor<br />

noch H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis. Und so kommt es, dass tierfreundliches<br />

Denken 2011 überall ist – man muss es nur f<strong>in</strong>den.<br />

Und <strong>am</strong> besten auch da suchen, wo man bisher<br />

nicht geguckt hätte.<br />

Mille Petrozza spielt seit se<strong>in</strong>er Schulzeit <strong>in</strong> den<br />

frühen 80ern Gitarre und s<strong>in</strong>gt bei Kreator, dem<br />

M<strong>am</strong>mut Essener Thrash-Metal-Kunst. Er hat wilde<br />

schwarze Haare, se<strong>in</strong>e Songs handeln von Aggressionen<br />

und Gewalt. Und er isst seit Jahren ke<strong>in</strong> Fleisch,<br />

seit zwei Jahren lebt er vegan. „Es herrscht ansche<strong>in</strong>end<br />

die Klischeevorstellung, dass es unter Metallern<br />

generell weniger Vegetarier gibt als <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Musikrichtungen“,<br />

sagt er. „Dem ist nicht so, denn ich<br />

kenne sehr viele metallische <strong>Veggie</strong>s. Grundsätzlich<br />

ist doch jede Szene nur e<strong>in</strong> Abbild <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

und so gibt es überall alle möglichen Leute.“ Und<br />

tatsächlich. Klappert man den Metal ab, dann f<strong>in</strong>det<br />

sich kaum e<strong>in</strong>e Band, die kollektiv mit Schwe<strong>in</strong>eblut<br />

spielen würde. Phil Collen von Def Leppard, Kirk<br />

H<strong>am</strong>mett von Metallica und Geezer Butler von Black<br />

Sabbath wären schon mal raus. Trotzdem ist Vegetarismus<br />

für Mille nicht Teil se<strong>in</strong>er Metallerehre, son<strong>der</strong>n<br />

privat. „Das ist eher e<strong>in</strong>e persönliche Sache. Ich<br />

mache das eigentlich nicht gerne zum Thema.“<br />

Ist auch nicht mehr so dr<strong>in</strong>gend. Wo Zeitschriften<br />

vegetarische Ernährung als Mittel gegen Pickel und<br />

für weniger Kilos anpreisen, Supermärkte, Drogerien<br />

und Discounter ihre Sonnenblumenaufstriche gegen<br />

die klassischer Bioläden <strong>in</strong>s Rennen schicken und sich<br />

Laktose<strong>in</strong>toleranz zum neuen Heuschnupfen gemausert<br />

hat, fragt ke<strong>in</strong>er nach, wenn man sich Soj<strong>am</strong>ilch<br />

<strong>in</strong> den Kaffee rührt. „In den 90ern vegetarisch zu<br />

leben, war sehr viel schwerer als heute“, sagt Mille.<br />

„Man kannte schon noch an<strong>der</strong>e Vegetarier, aber<br />

nur wenige. Heute hat sich die Situation komplett<br />

verän<strong>der</strong>t und man kann sich im Netz und durch<br />

Bücher über die vegane Lebensweise <strong>in</strong>formieren.<br />

Auch sche<strong>in</strong>t es viel mehr vegan o<strong>der</strong> vegetarisch<br />

lebende Menschen zu geben.“ Zum<strong>in</strong>dest s<strong>in</strong>d<br />

sie besser <strong>in</strong> (musikfernen) Vere<strong>in</strong>en und Interessensgruppen<br />

organisiert. Da überrascht es<br />

fast, dass sich laut Studien nur e<strong>in</strong> bis knapp<br />

zehn Prozent <strong>der</strong> westlichen Bevölkerung – je<br />

nachdem, <strong>in</strong> welcher Lobby man fragt – als<br />

Vegetarier bezeichnen (und davon weniger<br />

als e<strong>in</strong> Zehntel als Veganer).<br />

„Ich f<strong>in</strong>de allerd<strong>in</strong>gs, dass veganes Essen<br />

<strong>in</strong> Punkläden immer noch um e<strong>in</strong>iges<br />

spannen<strong>der</strong>, leckerer und reichlicher<br />

ist als <strong>in</strong> schicken Restaurants“, sagt<br />

Amanda Rogers. Grundsätzlich ist man<br />

mit kul<strong>in</strong>arischen Son<strong>der</strong>wünschen<br />

bei Künstlern und Reisenden meist<br />

<strong>am</strong> besten aufgehoben. Alles, was<br />

im allerweitesten S<strong>in</strong>ne Indie ist,<br />

kann den Weg zum nächsten<br />

Reformhaus weisen. Überhaupt<br />

ke<strong>in</strong> Problem. Aber: sollte es<br />

„In me<strong>in</strong>em Leben gibt es nur wenige<br />

D<strong>in</strong>ge, die ich bereue. E<strong>in</strong>s<br />

davon ist, dass ich ungefähr zehn<br />

Jahre lang Vegetarier war. Ich<br />

war e<strong>in</strong>er dieser Vegetarier, die<br />

Pr<strong>in</strong>zipien haben, sich aber null<br />

Mühe mit ihrem Essen geben.<br />

Man kann sicher nicht von Brot<br />

alle<strong>in</strong> leben, aber auch Käse und<br />

Kartoffeln machen e<strong>in</strong>en ziemlich<br />

fertig, wenn man jahrelang<br />

nichts an<strong>der</strong>es isst.<br />

Auf <strong>der</strong> letzten Tour mit Aereogr<strong>am</strong>me<br />

habe ich wie<strong>der</strong> angefangen,<br />

Fleisch zu essen. Die<br />

ganze Band hatte auf e<strong>in</strong> Essen<br />

<strong>in</strong> Gordon R<strong>am</strong>seys Restaurant<br />

<strong>in</strong> London gespart, und das ist<br />

bis heute die beste Mahlzeit<br />

me<strong>in</strong>es Lebens geblieben. Ich<br />

konnte spüren, wie me<strong>in</strong> Hirn<br />

auf die ganzen Nährstoffe reagiert,<br />

die mir gefehlt hatten.<br />

(Es war Wolfsbarsch, falls es<br />

jemanden <strong>in</strong>teressiert.) Da<br />

wurde mir klar, dass ich me<strong>in</strong>er<br />

Gesundheit zuliebe etwas än<strong>der</strong>n<br />

musste.<br />

Ich verstehe die verschiedenen<br />

Me<strong>in</strong>ungen zum Thema und das<br />

hier ist nur me<strong>in</strong>e eigene Erfahrung,<br />

aber ich habe jetzt viel<br />

größeren Respekt vorm Kochen<br />

und vor Tieren als zu me<strong>in</strong>er vegetarischen<br />

Zeit, und es macht<br />

mich stolz und zufrieden, als<br />

Koch e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Glasgower Küche<br />

sowohl Vegetariern als auch<br />

Fleischessern gutes Essen aufzutischen.<br />

Es wäre wichtig, dass Fleischesser<br />

nachhaltiger und verantwortungsbewusster<br />

e<strong>in</strong>kaufen, aber<br />

lei<strong>der</strong> wird es immer die geben,<br />

die mit McDonald’s o<strong>der</strong> dem billigsten<br />

Supermarkt-Hühnchen zufrieden<br />

s<strong>in</strong>d, weil es eben e<strong>in</strong>fach<br />

ist und wenig kostet. Das ist ihre<br />

Entscheidung, aber es ist so wie bei<br />

Leuten, die sich mit Snow Patrol zufrieden<br />

geben, wenn sie Low haben<br />

könnten. So ist die Welt. Die<br />

meisten Menschen wollen<br />

e<strong>in</strong>e schnelle, e<strong>in</strong>fache<br />

Lösung für alles, und das<br />

reicht ihnen dann auch.<br />

Das ist nicht <strong>in</strong> Ordnung,<br />

aber ich selbst versuche<br />

e<strong>in</strong>fach, mich davon fernzuhalten.<br />

Ich glaube, es<br />

gibt Fleischesser, die es sehr<br />

wohl kümmert, was sie essen,<br />

genauso wie es<br />

Vegetarier<br />

gibt,<br />

die es kümmert.<br />

Und es gibt<br />

sowohl Vegetarier<br />

als auch<br />

Fleischesser,<br />

die den größtmöglichen<br />

Mist<br />

essen. Das ist die<br />

größte Schande.“<br />

ILLUSTRATION: THOMAS STUMPE<br />

42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 59 18.01.11 15:36


STORYS |VEGETARISMUS & MUSIK<br />

042|043<br />

044|045<br />

046|047<br />

048|049<br />

nicht e<strong>in</strong>s se<strong>in</strong>? Was ist aus <strong>der</strong> alten Maxime<br />

des Punk geworden, nach <strong>der</strong> Unbequemheit<br />

e<strong>in</strong>e Tugend ist und Verän<strong>der</strong>ung nur von den<br />

Sperrigen kommt?<br />

„Als ich jünger war, habe ich vor Pelzgeschäften<br />

und Restaurants, die Kalbfleisch o<strong>der</strong> Gänsestopfleber<br />

auf <strong>der</strong><br />

Karte hatten,<br />

Weiterlesen<br />

demonstriert“, erzählt Amanda. „Ich k<strong>am</strong> mir<br />

vor wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das unartig ist, um Aufmerks<strong>am</strong>keit<br />

von se<strong>in</strong>en Eltern zu bekommen. Ich<br />

war mir nicht sicher, ob ich so nicht vielleicht<br />

dem Veganismus e<strong>in</strong> schlechtes Image verpasse<br />

und den Firmen, gegen die ich war, sogar noch<br />

kostenlose Werbung verschaffe. Inzwischen<br />

s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e Aktionen subtiler. Ich h<strong>in</strong>terlasse<br />

vegane Infoflyer auf Toiletten von Fast-Food-<br />

Läden o<strong>der</strong> überzeuge Restaurants, vegane<br />

Gerichte anzubieten. Und ich versuche e<strong>in</strong>fach,<br />

mit me<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen, gesunden, veganen Lebensweise<br />

mit gutem Beispiel voranzugehen.“<br />

Auch Mille hält sich zurück. „Ich halte es<br />

für falsch, Leuten, die Fleisch essen, mit<br />

missionarischem Eifer zu begegnen<br />

und Diskussionen zu starten. Vegetarismus<br />

sollte auch für an<strong>der</strong>e<br />

e<strong>in</strong>e freie Entscheidung bleiben.<br />

Gegenseitige Toleranz ist<br />

das Schlüsselwort!“<br />

Also stellen Kreator<br />

(die ja auch nicht alle<br />

vegan s<strong>in</strong>d) auf ihren<br />

Konzerten an<strong>der</strong>s<br />

als Sick Of it All<br />

ke<strong>in</strong>e Infotische<br />

auf.<br />

Also<br />

betet<br />

Wer zur Zeit mitreden will, tut<br />

natürlich gut daran, sich Tiere<br />

essen von Jonathan Safran Foer<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>mal auszuleihen. M<strong>in</strong>destens<br />

so viel Grundlagenwissen von<br />

Massentierhaltung bis Eisenmangel steht<br />

aber schon lange <strong>in</strong> Vegan. Über Ethik <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ernährung und die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Wandels<br />

von Kath Clements und Vegane Ernährung<br />

von Gill Langley. Das philosophische Gerüst dazu<br />

lässt sich <strong>in</strong> Animal Liberation. Die Befreiung <strong>der</strong><br />

Tiere von Peter S<strong>in</strong>ger nachlesen. Der Nachwuchs bekommt<br />

das Bil<strong>der</strong>buch Warum wir ke<strong>in</strong>e Tiere essen von<br />

Ruby Roth. Nicht nur für Bands ist <strong>der</strong> Vegan Passport von<br />

George Rodger (Hrsg.) auf Reisen unersetzlich. In 53 Sprachen<br />

erklären, was man isst und was nicht? Hiermit ke<strong>in</strong> Problem.<br />

Beim Start <strong>in</strong>s tierfreie Selberkochen hilft Marc Pierschel mit<br />

Vegan lecker lecker; die Ox-Kochbücher 1-4 von Uschi Herzer und<br />

Joachim Hiller (Hrsg.) machen’s mit Musik. Das wohl umfassendste<br />

vegane Kochbuch Veganissimo von Isa Chandra Moskowitz und Terry<br />

Hope Romero gibt es wie ihr ges<strong>am</strong>tes Werk bislang nur auf Englisch,<br />

trotzdem noch zu empfehlen: Vegan Cupcakes Take Over The World (mit<br />

Vorwort von Tegans Sara). Auf Deutsch ist gerade Vegan Won<strong>der</strong>cakes, das<br />

Buch zum Cater<strong>in</strong>g- und Tortenservice von Kim Kalkowski, <strong>erschienen</strong>. Wer sich<br />

roh traut, schaut <strong>in</strong> Ani’s Raw Food Kitchen von Ani Phyo vorbei. Und dann wäre da<br />

noch e<strong>in</strong> Klassiker aus den 90ern, <strong>in</strong>zwischen lei<strong>der</strong> vergriffen, aber auff<strong>in</strong>dbar: Veganissimo<br />

von Peta (Hrsg.) mit Rezepten von Prom<strong>in</strong>enten (er<strong>in</strong>nert sich noch jemand an<br />

Thumb?) Highlight: Mobys „Reiscracker <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Europäischen Hotel“.<br />

Amanda weiter ihre Liste <strong>der</strong> Sachen, die sie<br />

isst, herunter. Also reden beide nur über tote<br />

Tiere, wenn sie gefragt werden. „Ich habe ke<strong>in</strong><br />

Problem d<strong>am</strong>it, mit Fleischessern <strong>am</strong> Tisch zu<br />

sitzen“, sagt Amanda. „Es ist mir sogar lieber.<br />

Wenn sie Diskussionen darüber anfangen, was<br />

wir auf dem Teller haben – und die Fleischesser<br />

s<strong>in</strong>d immer diejenigen, die die Diskussionen<br />

anfangen – rede ich gerne mit. Es fängt immer<br />

an mit: ‚Entschuldigung, stört dich das hier?‘<br />

Und es hört fast immer auf mit ‚Na ja, ich könnte<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich Veganer werden, aber ich mag<br />

Käse e<strong>in</strong>fach zu gerne‘ o<strong>der</strong> ‚Ich hätte e<strong>in</strong>fach<br />

Sorge, dass ich nicht genug Eiweiß bekomme. ‘<br />

Ich habe also festgestellt, dass alle Fleischesser<br />

sich tief im Innern schuldig fühlen, weil sie<br />

Fleisch essen, aber sie s<strong>in</strong>d je<strong>der</strong>zeit bereit, es<br />

mit Uns<strong>in</strong>n zu rechtfertigen. Also reden wir<br />

drüber und <strong>am</strong> Ende denken sie über ihre Essgewohnheiten<br />

e<strong>in</strong> bisschen an<strong>der</strong>s. So tue ich<br />

mehr für die vegane Sache, als wenn ich mich<br />

nur mit Veganern umgeben würde.“<br />

Trotzdem freut sich Amanda immer über<br />

Gleichges<strong>in</strong>nte. „So was braucht man ja auch,<br />

um sich bestätigt zu fühlen. Vielleicht haben<br />

e<strong>in</strong>ige Leute sogar me<strong>in</strong>e Musik entdeckt, weil<br />

ich Veganer<strong>in</strong> b<strong>in</strong>. Auch super.“ Heute braucht<br />

sie die politische Punkszene nicht mehr so<br />

dr<strong>in</strong>gend um sich herum, aber ihr Bandkollege<br />

bei den Pleasants, Mike Matta, ist ebenfalls<br />

Veganer. „Da hatte ich bestimmt e<strong>in</strong>en guten<br />

E<strong>in</strong>fluss auf ihn, aber die Entscheidung hat<br />

er letztlich selbst getroffen.“ Ob Amanda, die<br />

Menschen wenn, dann <strong>am</strong> liebsten <strong>in</strong> Veganer<br />

und Noch-nicht-Veganer unterteilt,<br />

mit jemandem zus<strong>am</strong>men<br />

42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 60 18.01.11 15:36


se<strong>in</strong> könnte, <strong>der</strong> Fleisch isst? „Daten?<br />

Ja, sicher, aber das würde sich wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

schnell än<strong>der</strong>n. Ich mache<br />

oft Leute um mich herum zu Veganern,<br />

ohne überhaupt davon anzufangen o<strong>der</strong><br />

irgendwas zu forcieren. Aber körperlich<br />

zus<strong>am</strong>mense<strong>in</strong>? Ne<strong>in</strong>. Ich würde ke<strong>in</strong>en<br />

H<strong>am</strong>burger küssen wollen und daran müsste<br />

ich wahrsche<strong>in</strong>lich die ganze Zeit denken.<br />

Und emotional? Auch nicht. Fleischesser s<strong>in</strong>d<br />

mir meist zu aggressiv.“<br />

Ernährung ist e<strong>in</strong> zutiefst persönliches<br />

Thema. Auf <strong>der</strong> Suche nach politischem Engagement<br />

bleibt neben den tapferen Punks fast<br />

nur Morrissey. 1985 hat <strong>der</strong> englische Sänger mit<br />

se<strong>in</strong>en Smiths das Album<br />

Meat Is Mur<strong>der</strong><br />

ver-<br />

öffentlicht. Seitdem setzt er sich ruhelos gegen<br />

Fleischverzehr, Pelz und Jagd e<strong>in</strong>, wird für se<strong>in</strong>e<br />

Angriffe – wie zuletzt den gegen den britischen<br />

Premierm<strong>in</strong>ister, Jäger und Smiths-Fan David C<strong>am</strong>eron<br />

– aber eher als <strong>am</strong>üsanter Exzentriker belächelt.<br />

Wer richtige Provokation will, muss schon<br />

Kool Savas fragen. Der K<strong>in</strong>g of Rap war schon<br />

Vegetarier, als er Ende <strong>der</strong> 90er mit Songs wie<br />

Schwule Rapper und LMS<br />

zum Schwarm <strong>der</strong> verlorenen<br />

Jugend avancierte. „Ehrlich gesagt war das<br />

bei mir e<strong>in</strong> bisschen so e<strong>in</strong>e Modeersche<strong>in</strong>ung“,<br />

er<strong>in</strong>nert er sich. „Ich hatte zwei, drei Freund<strong>in</strong>nen,<br />

die Vegetarier<strong>in</strong>nen waren. Davon habe ich<br />

mich <strong>in</strong>spirieren lassen. Irgendwie fand ich’s cool<br />

und auch richtig und habe dann gemerkt, dass es<br />

Teil me<strong>in</strong>er Lebense<strong>in</strong>stellung wurde.“ Im Hip-<br />

Hop g<strong>in</strong>g es ihm d<strong>am</strong>it nicht besser o<strong>der</strong> schlechter<br />

als an<strong>der</strong>en, sagt er. „Das war gar ke<strong>in</strong> Thema.<br />

Ich habe das ja selbst auch gar nicht thematisiert.<br />

Bei mir ist das auch erst rausgekommen, als ich<br />

Interviews dazu gegeben habe. Aber eigentlich<br />

war das den meisten völlig wurscht.“<br />

E<strong>in</strong>s von diesen Interviews hat <strong>der</strong> Rapper<br />

vor zwei Jahren Peta2 gegeben, <strong>der</strong> jüngeren<br />

Schwester <strong>der</strong> nicht unumstrittenen Organisation<br />

People for the Ethical Treatment of Animals.<br />

Peta2 soll die popkulturell <strong>in</strong>teressierte Jugend<br />

fürs Thema begeistern und holt sich dafür<br />

regelmäßig Prom<strong>in</strong>enz aller Sparten <strong>in</strong>s Boot.<br />

Oberstes Mittel: Provokation. Unter Mottos<br />

wie „Lieber nackt als Pelze tragen“ posieren<br />

(meist weibliche) Stars freizügig für Werbeplakate,<br />

an<strong>der</strong>e K<strong>am</strong>pagnen zeigen drastische<br />

Bil<strong>der</strong> von getöteten Tieren. In se<strong>in</strong>em Video<br />

für Peta2 verteidigt Savas diese Methoden:<br />

„Ich f<strong>in</strong>de es wichtig, dass diese K<strong>am</strong>pagnen<br />

(…) so provokant und so mo<strong>der</strong>n<br />

gestaltet s<strong>in</strong>d, dass sich Jugendliche d<strong>am</strong>it<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen. Wenn bei so Tierspendenaktionen<br />

drei Leute <strong>in</strong> grün auf <strong>der</strong><br />

Straße stehen und versuchen, dir was<br />

anzudrehen, darauf hat irgendwie ke<strong>in</strong>er<br />

Lust, das ist so unemotional, aber wenn<br />

man den Leuten das knallhart serviert<br />

(…), dann geht das auf jeden Fall klar.<br />

P<strong>am</strong>ela An<strong>der</strong>son gegen Pelz – das<br />

ist für die Leute <strong>in</strong>teressant.“ Heute<br />

relativiert er: „Nur weil ich e<strong>in</strong> Werbevideo<br />

für Peta gedreht habe, heißt<br />

das ja nicht, dass ich h<strong>in</strong>ter je<strong>der</strong><br />

Taktik von denen stehe. Aber bei<br />

manchen Leuten hilft dieses<br />

Provokationsd<strong>in</strong>g. Denen zeigt<br />

man so e<strong>in</strong> Video und die<br />

essen nie wie<strong>der</strong> Fleisch.“<br />

„ Ich esse Fleisch,<br />

weil Fleisch mich isst.“<br />

MIKE PATTON<br />

„ Ich esse Fleisch, weil ich nicht<br />

ohne leben kann – es gibt doch<br />

nichts Besseres als e<strong>in</strong> gutes<br />

Steak. Das ist e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Bestandteil me<strong>in</strong>es Lebens.<br />

ZACK LOPEZ, Middle Class Rut<br />

„ Ich esse Fleisch wegen <strong>der</strong><br />

Taco-Trucks.“<br />

BENJAMIN J. MILLER, Health<br />

„ Ich esse Fleisch, weil es so gut<br />

schmeckt. Vielleicht muss ich<br />

mir me<strong>in</strong>en Platz an <strong>der</strong> Spitze<br />

<strong>der</strong> Nahrungskette immer<br />

wie<strong>der</strong> neu sichern, aber ich<br />

glaube, ich würde matsche,<br />

wenn ich ke<strong>in</strong>e toten Tiere<br />

mehr essen könnte.“<br />

DANKO JONES<br />

„ Ich esse Fleisch, weil ich Eckzähne<br />

habe und me<strong>in</strong>e Augen<br />

vorne im Kopf sitzen, was mich,<br />

wie allseits bekannt ist, zu<br />

e<strong>in</strong>em Raubtier macht.“<br />

GAVIN HAYES, Dredg<br />

„ Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Vegetarier mehr,<br />

weil ich e<strong>in</strong>mal die Woche e<strong>in</strong><br />

gutes Stück Fleisch für unverzichtbar<br />

halte. Den Fleischsnack<br />

für „zwischendurch“ lehne<br />

ich aber grundsätzlich ab.“<br />

OLLI SCHULZ<br />

„ Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Vegetarier mehr,<br />

weil es mich fast umgebracht<br />

hätte. Als Teenager habe ich mir<br />

während e<strong>in</strong>er Schlägerei den<br />

Kiefer gebrochen. Ich war d<strong>am</strong>als<br />

Vegetarier, Eiweiß hat mich<br />

nicht <strong>in</strong>teressiert, und ich habe<br />

über 15 Kilo abgenommen. Me<strong>in</strong><br />

Körper war so kaputt, dass me<strong>in</strong><br />

Immunsystem nicht mehr funktioniert<br />

hat und die Ärzte dachten,<br />

ich hätte Aids. E<strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>esischer<br />

Mediz<strong>in</strong>er empfahl mir<br />

dann, Fleisch zu essen.<br />

DAVO GOULD, Mother Tongue<br />

„ Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Vegetarier<strong>in</strong> mehr,<br />

weil ich mich unterernährt gefühlt<br />

habe und weil mir Sushi gefehlt<br />

hat. Ich koche und esse immer<br />

noch oft vegetarisch, aber ich habe<br />

e<strong>in</strong>e Schwäche für Eier mit Speck.“<br />

LAURA PLEASANTS, Kylesa<br />

„ Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Vegetarier mehr, weil<br />

ich jeden Tag müde war und deshalb<br />

angefangen habe, an me<strong>in</strong>er Ernährung<br />

zu schrauben. Jetzt liebe ich<br />

e<strong>in</strong>fach Schalentiere!“<br />

NICHOLAS SADLER, Fang Island<br />

„ Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Vegetarier<strong>in</strong> mehr, weil<br />

es Biofleisch aus Freilandhaltung gibt.<br />

Ich war jahrelang Vegetarier<strong>in</strong>, weil ich<br />

Massentierhaltung nicht unterstützen<br />

wollte und weil ich Tiere liebe. Aber ich<br />

habe festgestellt, dass ich Eisenmangel<br />

habe, also muss ich rotes Fleisch<br />

essen.<br />

MEG CASTELLANOS, Totimoshi<br />

Weil es schmeckt<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Pescetarier, weil Ray von Today<br />

hat mir gesagt hat, ich soll e<strong>in</strong>er werden.<br />

Youth Of Today sollten auf US-Tour gehen,<br />

sie waren me<strong>in</strong>e Liebl<strong>in</strong>gsband. Ray me<strong>in</strong>te,<br />

ich könne für die Band Bass<br />

spielen und mit auf Tour gehen,<br />

wenn ich Vegetarier würde.<br />

Wobei ich erwähnen sollte,<br />

dass Ray im Fischessen d<strong>am</strong>als<br />

ke<strong>in</strong> Problem sah. Als ich<br />

dann im Vegetarismus immer<br />

besser klark<strong>am</strong> und immer<br />

neue Lebensmittel für mich<br />

entdeckte, strich ich den Fisch<br />

auch und war sogar e<strong>in</strong>e zeitlang<br />

Veganer. Dumm für die<br />

Fische, dass ich zehn Jahre<br />

später auf e<strong>in</strong>er Reise nach<br />

Japan wie<strong>der</strong> anf<strong>in</strong>g, sie zu<br />

essen. Heute melde ich mich<br />

bei Flügen als Pescetarier, also<br />

Vegetarier, <strong>der</strong> Fisch ist, quasi<br />

<strong>der</strong> Metrosexuelle unter den<br />

Ernährungsformen. Wenn<br />

Fleischesser Metalheads s<strong>in</strong>d<br />

und Vegetarier Emos, dann b<strong>in</strong><br />

ich als Pescetarier Scre<strong>am</strong>o.<br />

Das passt doch.“<br />

WALTER SCHREIFELS<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Vegetarier, weil ich mal<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schlachterei gearbeitet<br />

habe.“<br />

ERIK LANGER, Kettcar<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Vegetarier, weil ich<br />

Achtung vor dem Leben habe.“<br />

TIM MCILRATH, Rise Aga<strong>in</strong>st<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Vegetarier<strong>in</strong>, weil die<br />

Fleisch<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> den USA<br />

mich anekelt. Ganz im Ernst,<br />

ich kann mir eher vorstellen,<br />

e<strong>in</strong>e Menschenleiche zu essen<br />

als e<strong>in</strong>e Kuh aus Massentierhaltung.<br />

Wer es nicht über sich<br />

br<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong> Tier mit bloßen<br />

Händen zu töten, sollte es<br />

lieber <strong>am</strong> Leben lassen und<br />

stattdessen e<strong>in</strong>e Kichererbse<br />

essen.“<br />

SPECK BROWN, Orphan<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Vegetarier, weil ich die<br />

Fleisch<strong>in</strong>dustrie nicht unterstützen<br />

will. An<strong>der</strong>e Lebewesen<br />

systematisch zu züchten<br />

und unter Qualen <strong>am</strong> Leben zu<br />

erhalten, bis sie geschlachtet<br />

werden – das muss man erst<br />

mal schaffen, Menschen glauben<br />

zu lassen, dass so etwas<br />

okay ist. Diese Industrie würde<br />

es fertigbr<strong>in</strong>gen, Menschenköpfe<br />

zu verarbeiten und zu<br />

verkaufen, solange sie paniert<br />

und schön bunt e<strong>in</strong>gepackt<br />

s<strong>in</strong>d. Und wir würden es essen,<br />

wenn die PR es richtig macht.<br />

FELIX SCHÖNFUSS, Escapado<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Vegetarier, weil ich<br />

f<strong>in</strong>de, dass Tiere super s<strong>in</strong>d.“<br />

NAGEL<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Vegetarier weil, ich e<strong>in</strong><br />

Herz habe und ohne Tiere nie<br />

leben könnte. Ich halte es für<br />

zu egoistisch, für Geschmack<br />

und Genuss zu töten!“<br />

BILL KAULITZ, Tokio Hotel<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Veganer, weil ich nach<br />

dem Grundsatz lebe, me<strong>in</strong>e<br />

Ernährung so frei von Graus<strong>am</strong>keit<br />

zu halten wie möglich.<br />

MATTHEW DAVIES-KREYE,<br />

Funeral For A Friend<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Veganer<strong>in</strong>, weil ich<br />

nicht zwischen Rassen, Religionen,<br />

Geschlechtern o<strong>der</strong><br />

Spezies unterscheide.<br />

ALISSA WHITE-GLUZ,<br />

The Agonist<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Veganer, weil mir klargeworden<br />

ist, dass es das<br />

moralisch richtige ist, wenn<br />

man darüber bescheid weiß,<br />

wie brutal es ist, Tiere zu töten<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zusperren, d<strong>am</strong>it sie<br />

Milch und Eier für mich produzieren.<br />

JEREMY HIEBERT,<br />

Comeback Kid<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Veganer, weil mich<br />

abgesehen von e<strong>in</strong>igen an<strong>der</strong>en<br />

D<strong>in</strong>gen seit jeher die Umweltbelastung<br />

durch Fleisch<br />

und Milchprodukte stört.<br />

JUSTIN PEARSON, All Leather,<br />

The Locust, Sw<strong>in</strong>g Kids<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Veganer<strong>in</strong>, weil ich<br />

davon ausgehe, dass die<br />

Schmerzempf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />

Triebfe<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Evolution ist<br />

und alle Individuen, die es bis<br />

hier <strong>in</strong> unsere bizarre Welt<br />

geschafft haben, nicht sterben<br />

o<strong>der</strong> gequält werden möchten.<br />

SABINE SCHERER, Deadlock<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Veganer, weil es nicht<br />

nur mir gut tut, son<strong>der</strong>n auch<br />

<strong>der</strong> Welt.<br />

MAIK WEICHERT,<br />

Heaven Shall Burn<br />

„ Ich b<strong>in</strong> Rohkost-Veganer<strong>in</strong>,<br />

weil ich me<strong>in</strong>en Körper extrem<br />

belaste durch das viele Touren<br />

mit Arch Enemy und auch<br />

durch harte Workouts (ich<br />

mache High-Intensity-Interval-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,<br />

Krafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und<br />

jogge) und ich immer 100%<br />

gesund se<strong>in</strong> muss, um me<strong>in</strong>e<br />

Stimme nicht durch e<strong>in</strong>e Erkältung<br />

zu verlieren. Ich b<strong>in</strong> vegetarisch<br />

aufgewachsen, b<strong>in</strong><br />

aber erst seitdem ich veganrohköstlich<br />

(nach Dr. Konz)<br />

lebe, me<strong>in</strong> Asthma und sämtliche<br />

Erkrankungen losgeworden,<br />

die ich vorher hatte. Und<br />

auch me<strong>in</strong>e allergischen Hautauschläge<br />

s<strong>in</strong>d seitdem weg.<br />

Ich habe me<strong>in</strong> Leben lang auf<br />

fair-trade und ökologische<br />

Anbauweise geachtet, da ich<br />

es als wichtige Aufgabe empf<strong>in</strong>de,<br />

Tiere zu schützen und<br />

diese Erde so gut es geht zu<br />

erhalten. Ich will ke<strong>in</strong>e Pestizide<br />

und an<strong>der</strong>e giftige Rückstände<br />

<strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Nahrung. Für<br />

mich müssen ke<strong>in</strong>e furzenden<br />

Kühe im Stall leiden und dabei<br />

die Atmosphäre mit CO2-<br />

Gasen belasten und dabei<br />

Menschen die Grundnahrungsmittel<br />

auch noch wegfressen.<br />

Mir geht es mit <strong>der</strong> veganen,<br />

rohen Kost körperlich und auch<br />

geistig <strong>am</strong> besten. Ich leiste<br />

e<strong>in</strong>en bewussten Beitrag zur<br />

Erhaltung me<strong>in</strong>er Umwelt, und<br />

ich fühle mich extrem gut und<br />

stark. Raw vegan rocks!“<br />

ANGELA GOSSOW, Arch Enemy<br />

42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 61 18.01.11 15:36


STORYS |VEGETARISMUS & MUSIK<br />

042|043<br />

044|045<br />

046|047<br />

048|049<br />

Eigentlich will er aber gar nicht predigen.<br />

„Natürlich verurteile ich vieles, was gemacht<br />

wird, aber es ist so schwer geworden, Leute<br />

überhaupt von irgendwas zu überzeugen, weil<br />

von je<strong>der</strong> Seite Millionen von Me<strong>in</strong>ungen auf<br />

e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>prasseln, und dazwischen s<strong>in</strong>d die<br />

Leute natürlich e<strong>in</strong> bisschen verwirrt. Deshalb<br />

will ich mich da gar nicht drüber streiten. Ich<br />

mach das, was ich für richtig halte, und hoffe,<br />

dass die Leute sich eher von dem <strong>in</strong>spirieren<br />

lassen, was ich für Ergebnisse habe.“<br />

Fast sanfte Töne vom Rapper, <strong>der</strong> sich<br />

sonst gerne detailliert über se<strong>in</strong>e härtesten<br />

Körperteile auslässt. Wahrsche<strong>in</strong>lich hätte er<br />

besser <strong>in</strong> Amandas Peta2-K<strong>am</strong>pagne gepasst.<br />

Nackt wie die An<strong>der</strong>son, aber mit den langen<br />

Hippiehaaren über allen wichtigen Stellen<br />

und ganz ohne Pose hält sie sich e<strong>in</strong> selbstgemaltes<br />

Pappschild vor den Bauch: „Respect all<br />

life. Respect yourself. Go<br />

vegan.“<br />

Auf Tour mit<br />

Süßkartoffeln<br />

ILLUSTRATION: THOMAS STUMPE<br />

Robert Weise bekocht mit se<strong>in</strong>em Rock<br />

Kitchen Cater<strong>in</strong>g unter an<strong>der</strong>em Millencol<strong>in</strong>,<br />

Alicia Keys und die Yeah Yeahs Yeahs.<br />

Wie sieht die Cater<strong>in</strong>g-Wunschliste üblicherweise<br />

aus?<br />

Die meisten Cater<strong>in</strong>gri<strong>der</strong> lesen sich etwa<br />

so: Salatauswahl, Suppe, Hauptgericht <strong>in</strong>klusive<br />

vegetarischer Alternativen, Dessert.<br />

Bei Produktionen ernähren sich immer<br />

zehn bis 15 Prozent <strong>der</strong> Gäste vegetarisch.<br />

Das können auch Gäste se<strong>in</strong>, die<br />

eigentlich ke<strong>in</strong>e Vegetarier s<strong>in</strong>d, aber<br />

nicht immer Fleisch o<strong>der</strong> Fisch essen wollen.<br />

Wichtig ist dabei, dass das vegetarische<br />

Gericht nicht nur das Fleischgericht<br />

ohne das Fleisch ist o<strong>der</strong> Reis mit Tomatensoße.<br />

Es gibt manchmal auch Produktionen,<br />

die überdurchschnittlich viele <strong>Veggie</strong>s<br />

umfassen.<br />

Was wäre für dich e<strong>in</strong> komplizierter veganer<br />

Wunsch?<br />

Ich habe während me<strong>in</strong>er Schulzeit ausschließlich<br />

veganes Cater<strong>in</strong>g als Nebenjob<br />

angeboten, allerd<strong>in</strong>gs im kle<strong>in</strong>eren Rahmen<br />

und weniger profes-<br />

sionell als heute. Bis zu<br />

me<strong>in</strong>er Kochausbildung<br />

war ich<br />

selbst Veganer. In<br />

dieser Zeit habe<br />

ich die vegane<br />

Küche ganz gut<br />

kennen-<br />

und<br />

verstehengelernt<br />

und habe<br />

heute den Vorteil,<br />

dass mich<br />

<strong>in</strong> diesen Fragen<br />

nicht so viel<br />

überrascht. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

gab es d<strong>am</strong>als<br />

wie heute Her-<br />

„Ich f<strong>in</strong>de es billig, Veganismus – o<strong>der</strong><br />

überhaupt irgendwas – über Sex zu verkaufen,<br />

und die Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong> <strong>in</strong> mir fand die Beispielfotos<br />

aus an<strong>der</strong>en K<strong>am</strong>pagnen, die Peta2 mir<br />

geschickt hatte, geschmacklos, auch wenn ich<br />

den Slogan ‚Lieber nackt als Pelze tragen‘ mag.<br />

Me<strong>in</strong> Foto sollte e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Botschaft haben<br />

und an<strong>der</strong>s aussehen. Natürlich statt sexy.“<br />

Sowieso hört es für Amanda bei Fleisch, Milch,<br />

Eiern, Pelz, Le<strong>der</strong> (das sie second-hand aber<br />

kauft und trägt) und Kosmetika nicht auf. „Ich<br />

versuche immer, lokal, bio und fair-trade e<strong>in</strong>zukaufen.<br />

Das hilft ansässigen Geschäften <strong>am</strong><br />

meisten, und das Essen hat mehr Nährstoffe,<br />

weil es frischer ist. Für me<strong>in</strong>e CDs, T-Shirts<br />

und Poster versuche ich immer Recycl<strong>in</strong>gpapier<br />

und ethisch korrekt gefertigte Shirts aus<br />

Biobaumwolle zu nehmen.“ Genau wie Mille<br />

baut sie ihr Obst und Gemüse selbst an; ungefähr<br />

die Hälfte isst sie direkt roh. Veganismus<br />

ist für sie e<strong>in</strong>e ganz direkte Möglichkeit, politisch<br />

etwas zu verän<strong>der</strong>n. „Man muss ganz<br />

unten anfangen, wenn man unredliche Systeme<br />

verän<strong>der</strong>n will, die es seit hun<strong>der</strong>ten und tausenden<br />

von Jahren gibt. Ganz oben sitzen die<br />

Großkonzerne und an <strong>der</strong> Spitze von ihnen e<strong>in</strong><br />

paar gierige Männer, die mal gehörig umgeschubst<br />

gehören.“<br />

Der Grundsatz <strong>der</strong> Hippies und Punks,<br />

nach dem die Befreiung <strong>der</strong> Tiere, <strong>der</strong><br />

Frauen, <strong>der</strong> Schwarzen und aller an<strong>der</strong>en<br />

Unterdrückten zus<strong>am</strong>mengehört, lebt<br />

also zum<strong>in</strong>dest da im Indiepop weiter,<br />

wo die Wurzeln weit genug reichen.<br />

ausfor<strong>der</strong>ungen, vegetarische<br />

und vegane<br />

Gerichte so nah wie<br />

möglich an Fleisch anzupassen:<br />

Sülze, Mett und<br />

Rouladen <strong>in</strong> vegan bedeuten<br />

nach wie vor auf Tour e<strong>in</strong>ige<br />

Mühe. Zum Glück kommen solche<br />

Wünsche selten vor.<br />

Was s<strong>in</strong>d eure <strong>Veggie</strong>-Klassiker?<br />

Wofür gibt es die meisten Komplimente?<br />

Süßkartoffel-Fetalasagne ist e<strong>in</strong> echter<br />

Publikumsliebl<strong>in</strong>g. Me<strong>in</strong> persönlicher<br />

<strong>Veggie</strong>-Favorit s<strong>in</strong>d gebackene Kartoffel-<br />

Parmesanrollen mit Bals<strong>am</strong>icol<strong>in</strong>sen.<br />

Welche eurer Kunden s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s anspruchsvoll?<br />

Unsere Gäste s<strong>in</strong>d zum Glück alle annähernd<br />

gleich anspruchsvoll. Es gibt ke<strong>in</strong>e<br />

nennenswerten Ausbrüche nach oben<br />

o<strong>der</strong> unten. Wenn es um Essen geht,<br />

möchten alle gute, frische Gerichte haben.<br />

Da s<strong>in</strong>d europäische Künstler, Crews aus<br />

den USA, Fleischesser und Veganer gleich.<br />

Gibt es e<strong>in</strong>en Zus<strong>am</strong>menhang zwischen<br />

Musikern und ihrer Ernährung?<br />

Das kann ich nicht bestätigen. Vegetarier<br />

f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Szene und <strong>in</strong> jedem<br />

Bereich <strong>der</strong> Branche – ob Trucker, Monitormann<br />

o<strong>der</strong> Schlagzeuger. Je nach Arbeitsbereich<br />

jedes E<strong>in</strong>zelnen fällt die Ernährung<br />

unterschiedlich aus. E<strong>in</strong> Sänger,<br />

<strong>der</strong> zwei Stunden lang wild über die Bühne<br />

fegt, wird sich nicht vor Showbeg<strong>in</strong>n den<br />

Bauch mit Eisbe<strong>in</strong> und Knödeln vollschlagen.<br />

Er wird vor <strong>der</strong> Show vermutlich etwas<br />

leichtes, eventuell auch vegetarisches<br />

zu sich nehmen. Im Anschluss an<br />

die Show wird er vielleicht mit e<strong>in</strong>er etwas<br />

deftigeren Mahlzeit die Batterien wie<strong>der</strong><br />

Auch Savas, <strong>der</strong> zugibt, dass HipHop<br />

schon mal kritischer war („Wie alles<br />

eben. Früher war’s für die Leute<br />

viel cooler, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tellektueller<br />

L<strong>in</strong>ker zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> sich mit<br />

allem ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzt. Und<br />

jetzt ist es cooler, e<strong>in</strong> Geschäftsmann<br />

zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong><br />

sich die Haare gelt.“) betont,<br />

dass er nicht nur<br />

Tier-, son<strong>der</strong>n auch<br />

Menschenfreund<br />

ist. „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Riesenmenschenfreund.<br />

auffüllen.<br />

Haben sich<br />

über die Jahre<br />

die allgeme<strong>in</strong>en Ernährungsschwerpunkte<br />

verlagert? Wird gegenwärtig<br />

zum Beispiel weniger<br />

Fleisch gegessen als noch vor<br />

zehn Jahren?<br />

Ohne jetzt e<strong>in</strong>e detaillierte Statistik zur<br />

Hand zu haben, würde ich das so unterschreiben.<br />

Dabei essen nicht weniger<br />

Menschen Fleisch son<strong>der</strong>n die Fleischesser<br />

essen weniger, also seltener Fleisch.<br />

Und das meist auch bewusster. Es kommen<br />

oft Gäste <strong>in</strong> die Küche und unterhalten<br />

sich über Lebensmittel und die Herkunft<br />

<strong>der</strong> Produkte mit den Köchen. Neuseeland-L<strong>am</strong>m<br />

sorgt mitunter für Fragen,<br />

wieso es denn aus Neuseeland kommen<br />

muss. Auch exotische Fleischsorten<br />

Ich b<strong>in</strong> überzeugter Pazifist, ich mache bei<br />

vielen Projekten mit, ich rate den Kids von<br />

Drogen ab und versuche immer, e<strong>in</strong> gutes<br />

Vorbild zu se<strong>in</strong>.“ Dass sich etwa Frauen und<br />

Schwule von se<strong>in</strong>en Texten nicht durchweg<br />

befreit fühlen, hält er für e<strong>in</strong> Missverständnis:<br />

„Das ist voll oft auch nur Schwachs<strong>in</strong>n, was<br />

man da erzählt. Dass ich auf e<strong>in</strong>er Party b<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong>e Frau lässt mich nicht ran und ich b<strong>in</strong> voll<br />

abgefuckt und lass die von den Türstehern<br />

rausschmeißen, das ist totaler Uns<strong>in</strong>n. Das<br />

soll e<strong>in</strong> bisschen lustig se<strong>in</strong> für die Leute, die<br />

so e<strong>in</strong>en ähnlichen asozialen Humor haben.<br />

Ich habe nichts gegen Frauen. Me<strong>in</strong>e besten<br />

Freunde s<strong>in</strong>d Frauen.“ Savas jedenfalls lebt bis<br />

auf die Fleischfreiheit „schon relativ ungesund“<br />

und ist großer Fan von Fleischersatzprodukten.<br />

„Was me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> gerne macht, ist so e<strong>in</strong>e<br />

Curry-Ananas-Sauce, <strong>in</strong> die eigentlich Hühnchen<br />

re<strong>in</strong>kommt. Da gibt es so vegetarische<br />

Chicken-Nuggets bei Real, die kann man stattdessen<br />

re<strong>in</strong>tun, das schmeckt optimal.“ Und<br />

Armand? „<strong>Veggie</strong>burger. Ich war schon immer<br />

Sandwichfan.“<br />

Der neue Messias ist sowieso e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>er.<br />

Jonathan Safran Foer wurde 2002 für se<strong>in</strong>en<br />

Debütroman Alles ist erleuchtet<br />

als literarisches<br />

Wun<strong>der</strong>k<strong>in</strong>d gefeiert. Inzwischen ist <strong>der</strong> Amerikaner<br />

Mitte 30 und junger Vater, was ihn veranlasst<br />

hat, se<strong>in</strong>en eigenen Essgewohnheiten<br />

auf die Spur zu gehen – und das ganze selbstverständlich<br />

<strong>in</strong> Buchform festzuhalten. Tiere<br />

essen<br />

beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> Frage, ob <strong>der</strong> Thanks-<br />

giv<strong>in</strong>g-Truthahn e<strong>in</strong>e wichtige Tradition ist,<br />

die an den Sohn weitergegeben gehört – o<strong>der</strong><br />

ob vielleicht doch etwas dagegenspricht. Der<br />

Autor macht sich auf durch Mastbetriebe und<br />

Schlachthäuser, trifft e<strong>in</strong>e Tierbefreier<strong>in</strong> und<br />

e<strong>in</strong>e vegetarische R<strong>in</strong><strong>der</strong>bäuer<strong>in</strong>, bombardiert<br />

se<strong>in</strong>e Leser mit Zahlen und Fakten und ist <strong>am</strong><br />

Ende selbst Vegetarier. Über das Buch lässt sich<br />

streiten: Etwa darüber, warum Foer die eigenen<br />

Ausführungen zu Kuhqual und Eifabriken<br />

nicht überzeugt haben, gleich ganz Veganer<br />

zu werden. O<strong>der</strong> über se<strong>in</strong>e unterschwellige<br />

Überzeugung, dass es so etwas wie „humane“<br />

Fleischproduktion geben könnte. O<strong>der</strong> darüber,<br />

dass er an<strong>der</strong>e Beweggründe zum Vegetarismus<br />

– Ethik, Religion, Gesundheit – an<strong>der</strong>s<br />

als zig Schreiber vor ihm außen vor lässt. Fest<br />

steht aber, dass gerade fast je<strong>der</strong> jemanden<br />

kennt, <strong>der</strong> nach dem Lesen die Bärchenwurst<br />

vom E<strong>in</strong>kaufszettel gestrichen hat.<br />

Fast ist es ironisch, dass Foer, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong><br />

Interviews schon darüber beschwert hat,<br />

dass junge Bands es leichter hätten<br />

als junge Schriftsteller und<br />

<strong>der</strong> sich seit Jahren<br />

öffentlich<br />

(Strauß, Emu,<br />

Bison) s<strong>in</strong>d von den<br />

Wunschlisten komplett<br />

verschwunden. Beson<strong>der</strong>s Gäste<br />

aus den USA wählen sehr häufig Fischgerichte<br />

statt Fleisch - gern auch schonend<br />

gegart, pochiert o<strong>der</strong> gedünstet. Man<br />

könnte schon sagen, dass Fisch so etwas<br />

wie das neue Hühnchen ist.<br />

INTERVIEW: JAN SCHWARZKAMP<br />

42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 62 18.01.11 15:36


Weiterhören<br />

Das Mixtape zum Fleischverzicht.<br />

Von roh bis well done.<br />

SEITE A – BLUMEN ESSEN<br />

THE SMITHS Meat Is Mur<strong>der</strong><br />

MANIC STREET PREACHERS<br />

Small Black Flowers That Grow In The Sky<br />

BRILLIANT SINS Fur Is Dead<br />

DIE ÄRZTE Ich ess Blumen<br />

REINHARD MEY<br />

Die Würde des Schwe<strong>in</strong>s ist unantastbar<br />

JENS FRIEBE Theke mit den Toten<br />

NINA HAGEN & LENE LOVICH<br />

Don’t Kill The Animals<br />

PRINCE Animal K<strong>in</strong>gdom<br />

GONJASUFI Sheep<br />

ERYKAH BADU Green Eyes<br />

A TRIBE CALLED QUEST H<strong>am</strong> N Eggs<br />

DEAD PREZ Be Healthy<br />

PROMOE Long Distance Runner<br />

SVENSKA AKADEMIEN Prote<strong>in</strong>pornografi<br />

wünscht, mit se<strong>in</strong>en Büchern so zu berühren wie<br />

an<strong>der</strong>e mit Songs, zum Popstar geworden ist,<br />

dessen E<strong>in</strong>fluss Musikfans aller Genres genauso<br />

erreicht wie spars<strong>am</strong>e Lokalradiohörer. „Alles<br />

Vegetarismusbezogene, dass bei den Massen ankommt,<br />

ist e<strong>in</strong> Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung“,<br />

f<strong>in</strong>det Amanda. „Solange die Leute <strong>in</strong>formiert<br />

werden, können sie im Supermarkt und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Küche bessere Entscheidungen treffen. Vielleicht<br />

wird nicht je<strong>der</strong> gleich vegan, aber es br<strong>in</strong>gt die<br />

Leute zum Nachdenken.“ Und warum macht<br />

Musik das nicht genauso?<br />

G<strong>in</strong>ge es hier nur um Musik, dann hätten wir<br />

Amanda, Mille, Armand und Savas nie an e<strong>in</strong>en<br />

Tisch geholt. Aber weil sie ihre Teller ähnlich füllen,<br />

passen sie plötzlich wun<strong>der</strong>bar zus<strong>am</strong>men. Ist<br />

Musik mit ihrem Rattenschwanz aus Geschichte<br />

<strong>am</strong> Ende h<strong>in</strong><strong>der</strong>lich, wenn es um Überzeugungen<br />

gehen soll? Haben Hippies und Punks e<strong>in</strong>en Fehler<br />

gemacht, als sie die gute Sache für sich vere<strong>in</strong>nahmten?<br />

S<strong>in</strong>d Schlachthausvideos und blutige<br />

Fakten doch das universellere Mittel, wenn man<br />

Menschen über Genregrenzen h<strong>in</strong>weg erreichen<br />

will? „Ich glaube, beides ist wichtig“, sagt Amanda.<br />

„Manche Leute brauchen e<strong>in</strong>en Song, <strong>der</strong> sie<br />

<strong>in</strong>spiriert, an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e krasse Erfahrung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

herzzerreißendes Video und wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>fach<br />

e<strong>in</strong> gutes Gespräch.“<br />

SEITE B – MEAT MY ASS!<br />

Bleibt die Frage, ob man es hört. Wer will, kann<br />

<strong>in</strong> so gut wie jeden Kreator-Text über Qual, Tod<br />

und Ver<strong>der</strong>ben Anspielungen auf die Massentier-<br />

SILVERCHAIR Spawn Aga<strong>in</strong><br />

SKINNY PUPPY Testure<br />

FEAR FACTORY Crash Test<br />

EARTH CRISIS Biomach<strong>in</strong>es<br />

REFUSED The Slayer<br />

MOST PRECIOUS BLOOD<br />

Diet For A New America<br />

GOOD CLEAN FUN In Defense Of All Life<br />

GORILLA BISCUITS Cats And Dogs<br />

GOLDFINGER Beh<strong>in</strong>d The Mask<br />

BAMBIX Balaclava Boy<br />

RANDY You Are What You Fight For<br />

ANTILLECTUAL Some Of My Best Friends<br />

Are Meat Eaters<br />

haltung h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>lesen. „Ich versuche mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en<br />

PROPAGANDHI Meat Is Still Mur<strong>der</strong><br />

Texten eher subtil als plakativ über diese Themen<br />

auszulassen“, sagt Mille. Es handele aber weitaus<br />

nicht je<strong>der</strong> Song davon. In <strong>der</strong> Musik von Amanda<br />

Für Fans von:<br />

Rogers geht es um Liebe, Freiheit und die Natur.<br />

Ihre Lie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d freundlicher Klavierpop, e<strong>in</strong> bisschen<br />

Jazz und Blues, liebevoll. „Für me<strong>in</strong>e Platten<br />

musste ke<strong>in</strong> Tier sterben. Ich hoffe, dass man<br />

Fleischlego<br />

me<strong>in</strong>e mitfühlende Lebensweise den Songs e<strong>in</strong><br />

bisschen anhört.“ E<strong>in</strong>en krasseren Gegensatz<br />

als den zu Kreators Geprügel kann es kaum<br />

geben. Trotzdem steckt auch hier e<strong>in</strong> Stück Veganismus<br />

dr<strong>in</strong>, sagt Mille. „Die Musik, die ich<br />

Die fünf unvege-<br />

tarischsten Momente<br />

mache, for<strong>der</strong>t von mir e<strong>in</strong>e Menge Energie<br />

<strong>der</strong> Musikgeschichte<br />

und e<strong>in</strong>en wachen Geist. Durch gute Ernährung<br />

und e<strong>in</strong>en guten Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsplan br<strong>in</strong>gt<br />

1966:<br />

Yesterday And Today von<br />

man Körper, Geist und Seele <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang,<br />

den Beatles ersche<strong>in</strong>t mit<br />

die Lebensqualität verbessert sich und<br />

dem „Butcher Cover“<br />

somit auch die Musik. Für mich bed<strong>in</strong>gt<br />

1982:<br />

das e<strong>in</strong>e das an<strong>der</strong>e.“ Kool Savas hält sich<br />

Ozzy Osbourne beißt auf <strong>der</strong><br />

noch weiter raus. „Ich weiß nicht, ob ich<br />

Bühne e<strong>in</strong>er Fle<strong>der</strong>maus<br />

das will, dass das über me<strong>in</strong>e Musik<br />

den Kopf ab<br />

läuft. Ich glaube fast, dass ich da gar<br />

2003:<br />

ke<strong>in</strong>en Bock drauf habe. Schlechtes<br />

Skigebiete und Ballermänner<br />

Gewissen ist ja generell schlecht für<br />

tanzen DJ Ötzis Burger Dance<br />

an die Chartsspitze<br />

den Körper, und deshalb sollte man<br />

auch nur Sachen machen, h<strong>in</strong>ter<br />

2010:<br />

Lady Gaga trägt e<strong>in</strong> Kleid aus<br />

denen man steht. Aber ich glaube<br />

(täuschend echtem Silikon-)Fleisch<br />

nicht, dass ich bessere Musik<br />

2011:<br />

mache, weil ich e<strong>in</strong> besseres Gewissen<br />

den Tieren gegenüber<br />

s<strong>in</strong>d Aufnahmen e<strong>in</strong>es Schlacht-<br />

habe. Nee.“<br />

schwe<strong>in</strong>s zu<br />

Auf One Pig von Matthew Herbert<br />

hören<br />

ILLUSTRATION: THOMAS STUMPE<br />

FOTO: GETTY IMAGES<br />

42-49 <strong>Veggie</strong>_<strong>Special</strong>.<strong>in</strong>dd 63 18.01.11 15:36

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