"Der Anti- Paparazzo"
Photographie, Ausgabe Januar 2014
Photographie, Ausgabe Januar 2014
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Bil<strong>Der</strong> & GeScHicHten<br />
Stars and Vibes<br />
<strong>Der</strong> <strong>Anti</strong>-<br />
PAPArAzzo<br />
Prominente, ganz bei sich, nah wie nie: <strong>Der</strong> Schweizer People-<br />
Fotograf Maurice Haas ist ein Mann der leisen töne. Gerade deshalb<br />
hallen seine Bilder lange nach. Porträt eines Porträtierers.<br />
Text: Peter Schuffelen Fotos: Maurice Haas<br />
© Maurice Haas<br />
Kleine Idee, große Wirkung:<br />
Bruno Ganz beim Blick durch<br />
das Autofenster des Fotografen.<br />
52 PhotograPhie 1-2 | 2014<br />
1-2 | 2014 PhotograPhie 53<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 52 21.11.13 18:42 PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 53 21.11.13 18:42
Tilda Swinton, links mit ihrem<br />
Buch vor dem Zürichsee, rechts<br />
im Laub eines Zürcher Parks.<br />
Bil<strong>Der</strong> & GeScHicHten<br />
Am 28. September 2011 um 17.50 Uhr verlässt<br />
Sean Penn sein Zimmer im mondänen, am Ufer des<br />
Zürichsees gelegenen Hotel Baur au Lac. <strong>Der</strong> zweifache<br />
Oscar-Preisträger will zu einer Pressekonferenz<br />
– er hat gerade den Golden Icon des Zurich<br />
Film Festival für sein Lebenswerk erhalten, eine<br />
Fragerunde und ein Fotoshooting mit den Pressevertretern<br />
stehen auf der Agenda. Im Treppenflur<br />
auf halber Strecke zum Konferenzsaal wartet der<br />
Fotograf Maurice Haas auf den auf seine Privatsphäre<br />
bedachten Schauspieler, der bei allzu aufdringlichen<br />
Paparazzi auch schon mal handgreiflich<br />
werden kann. Doch das Zusammentreffen auf dem<br />
Flur ist unverfänglich (es ist mit Penns PR-Manager<br />
abgesprochen) und birgt nur eine Gefahr für Haas –<br />
die des Scheiterns. Penn kommt um die Ecke, Haas<br />
begrüßt ihn und bittet ihn in einem Atemzug hinaus<br />
auf die Feuertreppe des Hotels – und damit<br />
ins Tageslicht. <strong>Der</strong> Fotograf und der Hollywood-<br />
Star wechseln noch ein paar knappe Worte, Haas<br />
presst sich mit seiner Canon EOS 1Ds Mark III dicht<br />
an das Metallgitter des engen Fluchtwegs, trotzdem<br />
ist er mit seinem 85-mm-Objektiv kaum<br />
einen Meter von Penns Gesicht entfernt. Haas<br />
sagt: „Could you please turn your head a little?!“,<br />
dann löst er aus. Ein Dutzend Mal schnalzt der<br />
Verschluss, da tippt ihm Penns Bodyguard bereits<br />
auf die Schulter: That’s it, man! Haas drückt noch<br />
„Natürlich beschäftige<br />
ich mich vorher<br />
intensiv mit den<br />
Menschen, die ich<br />
fotografiere.“<br />
© Maurice Haas<br />
einige Male auf den Auslöser, dann verabschiedet<br />
sich der Star und verschwindet mit seiner Entourage<br />
durch die Feuerschutztür. „Ich wusste, dass<br />
ich nicht viel Zeit haben würde, aber mit so wenig<br />
hatte ich nicht gerechnet“, sagt Haas, der später<br />
anhand der Metadaten der Bilddateien rekonstruiert,<br />
dass die komplette Begegnung exakt 61<br />
Sekunden gedauert hat.<br />
Technisch gesehen ist der Shot, den Haas am Ende<br />
auswählt, keineswegs perfekt: Die Schärfentiefe<br />
erstreckt sich gerade einmal auf Penns linkes, kamerafernes<br />
Auge, und das nicht einmal vollständig.<br />
Doch der Eindringlichkeit des schwarzweißen Bilds<br />
tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil: <strong>Der</strong> Star<br />
wirkt in sich gekehrt, ganz bei sich – und ist dem Betrachter<br />
damit nah wie nie; ein Ausnahmeporträt,<br />
das aus den vielen Bildern, die man von dem Star<br />
kennt, hervorsticht. Wie erzeugt man eine solche<br />
Nähe, eine solche Intimität unter derart schwierigen<br />
Bedingungen? Haas überlegt, dann sagt er: „Mit<br />
guten Bildern ist es manchmal wie mit Diamanten:<br />
Sie entstehen unter großem Druck.“<br />
Visuelle essays statt<br />
fotografischer Meterware<br />
Wenig Zeit, widrige Shooting-Bedingungen, der<br />
Versuch, einen exklusiven Shot zu landen: Die Umstände,<br />
unter denen Haas‘ Star-Porträts entstehen,<br />
ähneln denen, die auch in der People-Fotografie<br />
für Promi-Illustrierte vorherrschen. Und doch sind<br />
die Bilder des Schweizers anders; die meisten<br />
würden den auflagenfixierten Kriterien der Bildredakteure<br />
von Gala & Co. wohl nicht standhalten:<br />
zu ernst, zu essayistisch, nicht glamourös genug.<br />
Haas ist eben kein Heckenschütze und auch kein<br />
klassischer Pressefotograf; das verstohlen Paparazzohafte<br />
liegt ihm ebenso fern wie die fotografische<br />
Meterware, die entsteht, wenn Stars für die<br />
Kamera posieren und einstudierte Mimik-Phrasen<br />
abspulen. Es gehe ihm weniger um den maximalen<br />
Effekt, sondern vielmehr um Momente des Einvernehmens,<br />
des Erkennens, sagt Haas. Doch<br />
54 PhotograPhie 1-2 | 2014<br />
1-2 | 2014 PhotograPhie 55<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 54 21.11.13 18:42<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 55 21.11.13 18:42
„Mit guten Bildern<br />
ist es manchmal wie<br />
mit Diamanten: Sie<br />
entstehen unter<br />
großem Druck.“<br />
Bil<strong>Der</strong> & GeScHicHten<br />
Are you serious, Mr. DeVito?<br />
Haas fotografierte den melancholischen<br />
Hollywood-Clown durch<br />
eine Glasscheibe.<br />
© Maurice Haas<br />
wie die abgenutzten Posen und Gesichtsausdrücke<br />
vermeiden, wenn die Menschen auf den roten<br />
Teppichen und in den präzise choreografierten PR-<br />
Konferenzen nur diese anbieten?<br />
Haas hat sich die Frage gestellt – und kam auf eine<br />
geniale Idee: „Das Zurich Film Festival war bis vor<br />
wenigen Jahren noch eine vergleichsweise überschaubare<br />
Veranstaltung. Ich hatte die Aufgabe,<br />
die Atmosphäre vor Ort zu dokumentieren, und<br />
konnte die Festival-Leiterin davon überzeugen,<br />
dass es sinnvoll wäre, die Stars auch außerhalb<br />
der Pressekonferenzen einzufangen. Das war mein<br />
persönlicher Schlüssel zu den Exklusiv-Shots.“<br />
Innerhalb und außerhalb des Festivals hat Haas<br />
eine ganze Reihe von Promi-Porträts produziert,<br />
die eine ähnliche Intensität ausstrahlen wie das<br />
von Sean Penn: ein nachdenklicher Danny de Vito,<br />
fotografiert durch eine Glasscheibe, in der sich die<br />
Kamera des Fotografen spiegelt; die Schauspielerin<br />
Tilda Swinton, die wie eine verarmte Mona<br />
Lisa im mausgrauen Wollkleid vor dem Zürichsee<br />
steht; Swinton, wie sie mit geschlossenen Augen<br />
im Laub liegt, ihre Haare strahlen wie die Sonne<br />
auf einer Kinderzeichnung – ein Effekt, den Haas<br />
mithilfe eines Damenstrumpfs vor dem Objektiv<br />
erzeugte. Und dann ist da noch jenes außerordentliche<br />
Porträt von Bruno Ganz. „Es war an einem<br />
kalten Tag Mitte Dezember“, erinnert sich Haas.<br />
„<strong>Der</strong> Redakteur der Sonntagszeitung, die mir den<br />
Auftrag erteilt hatte, war noch in Ganz‘ Haus am<br />
Zürichsee, also fuhr ich die Umgebung ab, um nach<br />
einer geeigneten Location zu suchen, fand aber<br />
nichts, was nur halbwegs attraktiv war. Die zündende<br />
Idee kam mir, als ich in Gedanken durch die<br />
von Streusalz verkrustete Scheibe meines Wagens<br />
blickte. Als Ganz dann durch den Schnee auf mich<br />
zustapfte in diesem fantastischen Mantel und mit<br />
dieser Wollmütze, begrüßte ich ihn und bat ihn,<br />
56 PhotograPhie 1-2 | 2014<br />
1-2 | 2014 PhotograPhie 57<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 56 21.11.13 18:42 PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 57 21.11.13 18:42
Die Gunst des Moments<br />
ergreifen: Gräfin Setsuko de<br />
Rola im Licht der Dezemberabendsonne.<br />
Bil<strong>Der</strong> & GeScHicHten<br />
Intimität schaffen, auf die<br />
Schnelle: Für das Sean-Penn-<br />
Porträt blieben Haas gerade mal<br />
61 Sekunden.<br />
durch das Fenster ins Wageninnere zu schauen<br />
und so zu tun, als suche er etwas. Sein Atem beschlug<br />
die Scheibe, mir war sofort klar: Das ist es.“<br />
<strong>Der</strong> Augenblick ist alles<br />
Das Porträt von Bruno Ganz ist typisch für Haas’<br />
Verständnis von Fotografie. Mit wenigen, gezielten<br />
Regieanweisungen und minimalem Aufwand<br />
schafft er eine Nähe und Intimität, die hochinszenierten<br />
Aufnahmen oft abgeht. Das gilt auch für<br />
seine Reportagen, die er für Magazine fertigt. Mit<br />
Gespür für den besonderen Augenblick, für aussagekräftige<br />
Details und die besondere Wirkung des<br />
changierenden Tageslichts fängt Haas die Essenz<br />
von Ort und Personen atmosphärisch dicht ein. So<br />
wie bei der Homestory über die Gräfin Setsuko de<br />
Rola, Witwe des berühmten Malers Balthus. Haas<br />
besuchte sie im Grand Chalet de Rossinière, dem<br />
größten Holzhaus der Schweiz, das sie auch nach<br />
dem Tod ihres Ehemanns weiter bewohnt. „Zu<br />
Beginn unserer eineinhalbstündigen Begegnung<br />
war sie sehr zurückhaltend“, sagt Haas, der für das<br />
englische Modeheft Another Magazine vor Ort war.<br />
„Als sie merkte, dass ich nicht hascherisch agiere,<br />
taute sie zusehends auf und führte mich schließlich<br />
in Balthus‘ Atelier, in dem die Farbtuben und die<br />
Zigarettenstummel noch herumlagen, als wäre er<br />
nur kurz einen Kaffee holen gegangen. Dann saßen<br />
wir in der Küche, und auf einmal war da dieser magische<br />
Moment, wie man ihn nur selten erlebt: Die<br />
Dezembersonne brach durch die Wolken, fiel durch<br />
die alten, mundgeblasenen Fensterscheiben und<br />
projizierte deren zauberhafte Oberflächenstruktur<br />
auf dieses beeindruckende Gesicht.“<br />
Ein letzter Sonnenstrahl, der im richtigen Moment<br />
durch das richtige Fenster fällt: Das klingt mehr<br />
nach der Gunst des Augenblicks als nach einem<br />
perfekt geplanten Shooting. Ist das das Geheimnis<br />
hinter Haas‘ Bildern – das Loslassen, das sich Einlassen<br />
auf den Augenblick? „Natürlich beschäftige<br />
ich mich vorher intensiv mit den Menschen, die ich<br />
fotografiere“, sagt Haas. „Aber ich tue das weniger,<br />
indem ich über sie recherchiere, sondern vor<br />
allem, indem ich über sie nachdenke. Sie sind Teil<br />
meines Tages, noch ehe ich sie kennenlerne. Das<br />
eigentliche Shooting aber lässt sich ohnehin nicht<br />
vorausplanen. Man kann seinen Willen nicht über<br />
die Situation stellen. Das Wichtigste ist, dass man<br />
sich zu 100 Prozent auf das einlässt, was gerade<br />
geschieht – und dann sein Bestes gibt.“<br />
MAurice HAAS<br />
Maurice Haas wurde 1974<br />
in Chur (Schweiz) geboren,<br />
assistierte nach einer<br />
Lehre als Hochbauzeichner<br />
ab Ende der 1990er-<br />
Jahre bei mehreren<br />
Fotografen (darunter dem<br />
bekannten Werbe- und<br />
Modefotografen Hannes Schmid). Seit 2001<br />
arbeitet Haas als freier Fotograf – unter anderem<br />
für Zeitschriften wie Architectural Digest, GQ, International<br />
Watch Magazine (IWC), Another Magazine,<br />
Wallpaper, Das Magazin des Tagesanzeigers,<br />
Stern, Spiegel, Süddeutsches Magazin, Manager<br />
Magazin und Swiss Magazine und Unternehmen<br />
wie AXA Versicherungen, Helvetia Versicherung,<br />
Migros, UBS, Sanitas oder die Schwyzer Kantonalbank.<br />
Haas lebt und arbeitet in Zürich.<br />
www.mauricehaas.ch<br />
www.bmr-fotografen.ch<br />
www.bildhalle.ch<br />
© Maurice Haas<br />
„Kraftraubend wie eine Passquerung auf dem Rennrad“<br />
Herr Haas, wie lockt man einen Hollywood-Star<br />
aus der reserve?<br />
Da gibt es kein Rezept. Mir geht es ohnehin nicht<br />
so sehr darum, die Stars zu demaskieren, sondern<br />
mehr darum, den Menschen im wahrsten<br />
Sinne des Wortes zu „treffen“, also eine echte<br />
Begegnung abzubilden. Das ist auch der Grund,<br />
warum ich meist ohne Assistenten arbeite.<br />
Wichtig ist, dass man sich nicht einschüchtern<br />
lässt von dem Super-Ego, das vielen Stars zueigen<br />
ist. Natürlich bin ich nervös, wenn ich auf<br />
Celebrities vom Kaliber eines Sean Penn treffe.<br />
Meiner Erfahrung nach ist es aber gut, sich ganz<br />
normal zu verhalten und sich auf Augenhöhe zu<br />
begegnen.<br />
Das klingt ja fast nach einer leichten Übung ...<br />
Nicht wirklich, es bleibt eine ziemlich nervenaufreibende<br />
Angelegenheit. Auch wenn Shootings<br />
nur Minuten dauern, fühle ich mich manchmal<br />
so, als hätte ich mit meinem Rennrad einen<br />
Alpenpass überquert. Das geht wirklich an die<br />
Kräfte, vor allem weil man emotional sehr viel<br />
gibt. Zugleich entsteht aber auch ein großes<br />
Glücksgefühl – man muss aufpassen, dass man<br />
nicht süchtig danach wird.<br />
Ausgesprochen gut gefällt uns ihr Porträt von<br />
Danny DeVito, weil es diesen Klamauk-König<br />
nachdenklich zeigt. Wie macht man das? Man<br />
kann einem DeVito doch schlecht sagen: Jetzt<br />
guck doch mal etwas ernster!<br />
Doch, genau das habe ich gemacht. DeVito war<br />
sehr nett und lustig drauf. Ich habe ihn dann gebeten,<br />
an irgendetwas Ernstes zu denken. Als ich<br />
ihm später das Kameradisplay hinhielt, machte<br />
er einen ziemlich zufriedenen Eindruck. <strong>Der</strong><br />
Shoot war aus einem anderen Grund schwierig:<br />
DeVito konnte meine Anweisungen nur mit Mühe<br />
verstehen, weil ich ihn aus gestalterischen<br />
Gründen durch eine Panzerglasscheibe fotografiert<br />
habe.<br />
Sie arbeiten mit einer canon 1Ds Mark iii. Welche<br />
objektive nutzen Sie am häufigsten?<br />
Ich schieße fast immer so offenblendig wie<br />
möglich und besitze überhaupt nur vier Profi-<br />
Objektive: das Canon EF 1,4/50 mm, das 1,8/85<br />
mm, das 2,8/24-70 mm und das 2,8/70-200<br />
mm. Letzteres setze ich am häufigsten ein – eine<br />
Bomben-Optik!<br />
zum look: Wie erzeugen Sie diese träumerische<br />
Stimmung in ihren Bildern?<br />
Früher habe ich viel geblitzt, aber inzwischen fotografiere<br />
ich eigentlich nur noch bei Tageslicht.<br />
Am liebsten ist mir weiches Nordlicht, das ich<br />
manchmal über Spiegel oder silberne Aufheller<br />
noch etwas biege. Hin und wieder verstärke ich<br />
den träumerischen Touch mit ganz banalen Dingen,<br />
die ich vor das Objektiv halte – einem Glas,<br />
einer Blume oder einem Stück Plastik. Mit der digitalen<br />
Fotografie ist für meinen Geschmack ohnehin<br />
alles viel zu scharf und glatt geworden.<br />
58 PhotograPhie 1-2 | 2014<br />
1-2 | 2014 PhotograPhie 59<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 58 21.11.13 18:42<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 59 21.11.13 18:42
Gespür für den richtigen Moment:<br />
Jean Reno, lesend, auf<br />
einer Pressekonferenz.<br />
Bil<strong>Der</strong> & GeScHicHten<br />
Nur die Sonne ist Zeuge: das<br />
Schweizer Topmodel Nadine<br />
Strittmatter, Zürich, 2010.<br />
© Maurice Haas<br />
Die Postproduktion spielt also keine große rolle<br />
bei der „Formulierung“ der Bilder?<br />
Nein, da bin ich ganz ein Mann der alten Schule.<br />
Früher, beim Fotografieren auf Negativfilm,<br />
musste man den Look ja auch weitgehend während<br />
der Aufnahme definieren. Ich bin bei dieser<br />
Arbeitsweise geblieben. Das Hinbiegen des<br />
Looks in der Post gefällt mir einfach nicht, und<br />
Capture one und Photoshop nutze ich praktisch<br />
nur für die „Entwicklung“ der RAW-Datei und<br />
die leichte Anpassungen bei Kontrast und Farbe.<br />
Sie sind gelernter Bauzeichner. Wie sind Sie zu<br />
ihrem jetzigen Beruf gekommen?<br />
Schon zu Beginn meiner Ausbildung wurde mir<br />
klar, dass mir die Bauzeichnerei im Hinblick auf<br />
das Ergebnis zu langatmig ist. Also habe ich mir<br />
von meinen 250 Franken Lohn eine Hasselblad<br />
zusammengespart, ein Fotolabor in meinem<br />
ehemaligen Kinderzimmer eingerichtet und angefangen,<br />
Bilder zu entwickeln. Ab da wusste<br />
ich: Das ist es! Also bin ich nach Zürich, habe<br />
bei mehreren Fotografen gejobbt und bekam<br />
irgendwann das Angebot, bei Hannes Schmid<br />
zu assistieren (Schweizer Werbe- und Modefotograf,<br />
bekannt vor allem für seine Marlboro-<br />
Werbekampagnen, Anm. d. Red.). Es war eine<br />
Wahnsinnszeit mit Shootings weltweit. Zurück<br />
möchte ich aber trotzdem nicht in dieses Jetset-<br />
Leben. Jetzt bin ich viel freier in meiner Arbeit,<br />
außerdem würde mir auf Dauer der Kontakt zur<br />
Natur fehlen.<br />
in Deutschland ist der Markt für editorielle Fotografie<br />
ziemlich angespannt. Wie sieht es in<br />
der Schweiz aus?<br />
Es ist alles andere als leicht, gerade für Neueinsteiger,<br />
weil sehr viele junge Leute Fotograf<br />
werden möchten und die Barriere dank der digitalen<br />
Fotografie gesunken ist. Hinzu kommt:<br />
Zürich – die einzige Schweizer Stadt, in der fotografisch<br />
wirklich etwas passiert – ist extrem<br />
teuer. Ich selbst versuche, meine Kosten gering<br />
zu halten, teile mir ein Büro mit anderen Kreativen<br />
und komme ohne eigenes Studio aus.<br />
lernt man nach 15 Jahren im People-Fotobusiness<br />
noch etwas dazu?<br />
Das hoffe ich zumindest. Klar ist: Meine Fotografie<br />
sah vor zehn Jahren definitiv anders aus. Inzwischen<br />
habe ich das Gefühl, dass da jetzt wirklich<br />
eine Linie drin ist. Ich weiß aber auch, dass<br />
ich irgendwann weitermuss. Insgesamt bin ich<br />
ziemlich selbstkritisch, was meine Bilder angeht,<br />
das ist oft hinderlich und kostet Kraft. Auf Dauer<br />
glaube ich aber, dass dieser verschlungene Weg,<br />
der viel mit Selbstzweifeln und Durchhaltewillen<br />
zu tun hat, ein sehr produktiver sein kann.<br />
„Hin und wieder<br />
verstärke ich den<br />
träumerischen Touch<br />
mit ganz banalen<br />
Dingen, die ich vor<br />
das Objektiv halte –<br />
einem Glas, einer<br />
Blume oder einem<br />
Stück Plastik.“<br />
60 PhotograPhie 1-2 | 2014<br />
1-2 | 2014 PhotograPhie 61<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 60 21.11.13 18:42<br />
PH1-2_052_061_MauriceHaas_OK.indd 61 21.11.13 18:42