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<strong>Lehrveranstaltung</strong><br />

Titel der LV: Einführung in die Ökosystemmodellierung<br />

LV-Nr. : 63-719<br />

6. Vorlesung: „Stickstoffkreislauf<br />

- Prozesse“<br />

Zentrum für Marine und<br />

Atmosphärische Wissenschaften<br />

01.12.2008


Modellierung mariner<br />

Ökosysteme<br />

Wilfried Kühn<br />

• ein paar Grundbegriffe (Wdh.)<br />

• Stickstoff-Kreislauf


• Was ist ein Ökosystem?<br />

‣ Teilsystem der Biosphäre, umfasst alle biotischen und<br />

abiotischen Konstituenten und ihre komplexe Wechselwirkung<br />

‣ Charakteristika:<br />

- offen (im Energie- und Stoffaustausch mit Umgebung)<br />

- dynamisch (meist nicht im Gleichgewichtszustand)<br />

- komplex (viele Elemente und Wechselwirkungen)<br />

‣ wichtigste abiotische (physikalische) Zustandsgrößen<br />

(eines marinen Ökosystems):<br />

- Turbulenz<br />

- Strömung<br />

- Licht<br />

- Temperatur<br />

- Salinität


• Charakteristika von Modellen mariner Ökosysteme<br />

- System von (partiellen) Differentialgleichungen<br />

mit Randbedingungen<br />

- in der Regel 3-dimensional<br />

(nur für spezielle Situationen – welche? – und<br />

für besondere Studien 1- oder 2-dimensional)<br />

- beschreiben Stofftransfer (Stoffkreisläufe) in<br />

Form von Mengen ausgewählter Elemente (C, N,<br />

P,...) (engl. ‚currency‘)


Warum sind viele Ökosystem-Modelle stickstoff-basiert<br />

bzw. enthalten in der Regel N als eine der ‚Währungen‘?<br />

• essentielles Element in allen Lebewesen<br />

(Aminosäuren, Proteine, Nukleinsäuren)<br />

• Stickstoffkonzentrationen im Wasser<br />

limitieren häufig Wachstum des Phytoplanktons,<br />

d.h. die Primärproduktion<br />

typische Konzentration (Größenordnung):<br />

10 μmol/l (1 mol N = 14 g; 1 mol O 2 = 32 g)


• Problem der Einheiten<br />

- mmol X/m 3 , μM (=µmol/l) mg/l ; g Y m -2 a -1 , Gt Z yr -1 ...,<br />

- Frage:<br />

Über einen Schnitt findet ein Volumentransport<br />

von 1 Sv statt (Jahresmittel). Das Wasser<br />

habe eine Stickstoff-Konzentration von<br />

10 μmol/l.<br />

Wieviel Stickstoff wird im Laufe eines Jahres<br />

über diesen Transect transportiert?<br />

- Antwort: 4.42 Mt N/yr


ex. sehr viele Stickstoffverbindungen,<br />

da N als Element der V. Hauptgruppe<br />

über zahlreiche Oxidationsstufen<br />

verfügt<br />

‚Abgabe‘ von<br />

Elektronen = Oxidation =<br />

Erhöhung der Oxidationszahl<br />

Aufnahme von<br />

Elektronen = Reduktion =<br />

Verringerung der Oxidationszahl<br />

Oxidationsstufe (= Oxidationszahl):<br />

gibt an, wie viele Elementarladungen<br />

ein Atom innerhalb einer Verbindung<br />

formal aufgenommen bzw. abgegeben<br />

hat, z. B. bei einer Redoxreaktion.


Terrestrischer Stickstoff-Kreislauf<br />

Atmosphäre<br />

Erdoberfläche<br />

Boden


Wichtigste Pozesse<br />

im marinen Stickstoff-Kreislauf<br />

1. NO 3 - & NH 4<br />

+<br />

2. N org NH 4<br />

+<br />

N org<br />

N-Assimilation<br />

Remineralisierung<br />

(Ammonifizierung)<br />

3. NH 4<br />

+<br />

4. NO 3<br />

-<br />

NO 3<br />

-<br />

N 2<br />

Nitrifizierung<br />

Denitrifizierung<br />

5. N 2 NH 4<br />

+<br />

6. NH 4 + & NO 2<br />

-<br />

N 2<br />

N-Fixierung<br />

Anammox (anaerobe<br />

Ammoniumoxidation)


Zu 1.) Stickstoff-Assimilation<br />

• Phytoplankton kann NO 3 und NH 4 assimilieren<br />

(energetisch günstiger: NH 4 , da N bereits in reduziertem<br />

Zustand; Nitrat-Assimilation erfordert Enzym Nitratreduktase):<br />

106 CO 2 +16 NH 4 +H 3 PO 4 + 106 H 2 O<br />

(CH 2 O) 106 (NH 4 ) 16 H 3 PO 4 + 106 O 2<br />

• dementsprechend unterscheidet man<br />

- neue Produktion (NO 3 –basiert)<br />

- regenerierte Produktion (NH 4 –basiert)<br />

P ges = P neu + P reg<br />

• f-ratio: frat = P neu /P ges


Beispiel: Nordatlantik<br />

[Oschlies 2005]


Beispiel: Nordsee (Ökosystemmodell ECOHAM)<br />

1995


Zu 2.) Stickstoff-Remineralisierung<br />

• Recycling (Rückführung org. Stickstoffs in anorg.)<br />

(CH 2 O) 106 (NH 4 ) 16 H 3 PO 4 + 106 O 2<br />

106 CO 2 +16 NH 4 +H 3 PO 4 + 106 H 2 O<br />

• zu unterscheiden: pelagische und benthische R.<br />

• geschieht über Stoffwechselprozesse heterotropher<br />

Organismen (z.B. Abbau von Eiweißen)


Zu 3.) Nitrifizierung<br />

- Oxidation von Ammonium zu Nitrat<br />

- durch aerobe autotrophe Bakterien<br />

- Zweistufen-Prozess:<br />

1. Ammonium – Oxidation (Nitrosomonas)<br />

NH 4 + + 3/2 O 2 NO 2<br />

-<br />

+ 2H + + H 2 0 + Energie<br />

2. Nitrit – Oxidation (Nitrobacter)<br />

NO 2<br />

-<br />

+ 1/2 O 2 NO 3<br />

-<br />

+ Energie


Nitrifizierende<br />

Bakterien<br />

Nitrosomonas<br />

Nitrobacter


Zu 4.) Denitrifizierung<br />

- Reduktion von Nitrat zu N 2 (über verschiedene<br />

Zwischenstufen):<br />

NO 3 NO 2 NO N 2 0 N 2<br />

(Nitrat) (Nitrit) (Stickstoff- (Lachgas)<br />

monoxid)<br />

- durch heterotrophe Bakterien, die über geeignete<br />

Enzyme (Reduktasen) verfügen, zum Zweck der<br />

Energiegewinnung beim Abbau organischer Substanz<br />

- findet vorzugsweise in suboxischem bzw. anoxischem<br />

Milieu statt (an Stelle des Sauerstoffs wird Nitrat als<br />

Elektronenakzeptor genutzt – ‚Nitratatmung‘)<br />

- zu unterscheiden: pelagische und benthische<br />

Denitrifizierung (oft beides gekoppelt: Nitrifizierung/<br />

Denitrifizierung: NH 4 NO 3 N 2 )


Beispiel: Nordsee (Ökosystemmodell ECOHAM)<br />

1995


Zu 5.) Stickstoff-Fixierung<br />

- Umwandlung des inerten Luftstickstoffs N 2<br />

in reaktiven, bioverfügbaren Stickstoff:<br />

N 2<br />

+ 8H + + 8e - → 2NH 3<br />

+ H 2<br />

durch ‚diazotrophe‘ prokaryotische Organismen,<br />

die über das Enzym Nitrogenase verfügen (sehr<br />

energieaufwendig!)<br />

- findet auch in terrestrischen Ökosystemen statt<br />

(Knöllchenbakterien – Symbionten von Leguminosen =<br />

Hülsenfrüchtler, wie Erbsen, Bohnen, …)<br />

- in gewaltigem Ausmaß aber auch industriell u. durch<br />

andere menschliche Aktivitäten


Marine Stickstofffixierer:<br />

Blaualgen (Cyanobakterien),<br />

wie Trichodesmium oder die<br />

toxische Nodularia (Ostsee)<br />

Trichodesmium<br />

Nodularia


Gotland<br />

Bornholm<br />

Cyanobacterien-Blüte in der Ostsee<br />

August, 1999


Global Annual Nitrogen Fixation<br />

[ Tg N/a ]<br />

ANTHROPOGENIC SOURCES<br />

Fertilizer 80<br />

Legumes and other plants 40<br />

Fossil fuels 20<br />

Biomass burning 40<br />

Wetland draining 10<br />

Land clearing 20<br />

Total 210<br />

NATURAL SOURCES<br />

Soil bacteria, algae,<br />

lightning, etc. 210<br />

(1 Tg = Teragramm = 10 12 g = 1 Mt)


Zukünftige Entwicklung der<br />

anthropogenen Stickstoff- Fixierung<br />

[Tg N/a]<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

?<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

1750 1800 1850 1900 1950 2000 2050 2100<br />

0<br />

Humans, millions<br />

Total Nr Fixed, Tg N<br />

Possible trajectories of future N react creation<br />

after Galloway and Cowling, 2002


Zu 6.) Anammox<br />

• anaerobe Ammonium-Oxidation:<br />

NH 4 + + NO 2 − → N 2 + 2 H 2 O<br />

• von bestimmten Bakterien bewerkstelligt<br />

• in den 1980er Jahren in Kläranlagen entdeckt,<br />

seitdem auch in limnischen und ozeanischen<br />

Ökosystemen<br />

• von Bedeutung als ‚Stickstoff-Senke‘ für den Ozean<br />

(neben der Denitrifikation)


Externe Quellen von Stickstoff<br />

• Flussfrachten (und lokale Einleitungen) von<br />

anorganischem und organischem Stickstoff:<br />

DIN – dissolved inorganic nitrogen<br />

DON – dissolved organic nitrogen<br />

PON – particulate organic nitrogen<br />

• atmosphärische Einträge (Deposition) von<br />

anorganischem und organischem Stickstoff<br />

• der überwiegende Teil heute: anthropogen<br />

(Kfz-Verkehr, Industrie, Landwirtschaft)


Nitrogen Deposition<br />

Past and Present<br />

[mg N/m 2 /yr]<br />

5000<br />

2000<br />

1000<br />

750<br />

500<br />

250<br />

100<br />

50<br />

25<br />

5<br />

1860 1993<br />

-in 133 Jahren etwa Zunahme um<br />

Faktor 3 - 4<br />

[Galloway and Cowling, 2002; Galloway et al., 2002b]


Prognose: 2050<br />

5000<br />

2000<br />

1000<br />

750<br />

500<br />

250<br />

100<br />

50<br />

25<br />

5


Atmosphärische Stickstoff-Deposition Nordsee<br />

• sowohl als NO x und NH y (unklar, ob auch DON?)<br />

• über Trocken- und Nassdeposition<br />

•~400 kt N/yr ≅ 1/3 der gesamten N-Einträge von Land<br />

in die Nordsee<br />

• durchaus relevant; muss in Stickstoff-Modellen<br />

für die Nordsee berücksichtigt werden


North Sea<br />

Atmospheric nitrogen<br />

load (2000) *) :<br />

382 kt N/a<br />

≅ 750 mg N /m 2 /yr<br />

*) Daten von EMEP


Stickstoff-Bilanz – globaler Ozean<br />

in Tg N/yr<br />

*)<br />

110-330<br />

287-507<br />

*) Codispoti et al., 2001


Zusammenfassung<br />

• Stickstoff-Kreislauf von elementarer Bedeutung für<br />

alle Ökosysteme<br />

• daher: notwendiger Bestandteil von Ökosystem-<br />

Modellen<br />

• eng verbunden mit Kohlenstoff-Kreislauf (Limitationsfunktion)<br />

• N-Kreislauf stark beeinflusst (gestört?) durch<br />

menschliche Aktivitäten<br />

• deshalb besonders wichtig, Konsequenzen der<br />

anthropogenen Aktivitäten für Ökosysteme und<br />

Mensch abzuschätzen und Szenarien (z.B. für<br />

Reduktionen der Stickstoff-Einträge mit Modellen) zu<br />

simulieren

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