Vorbemerkung - Labour History Resources
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<strong>Vorbemerkung</strong><br />
VORBEMERKUNG<br />
I.<br />
In ihren kinderschuhen war die vorliegende bibliographie die bestandsliste eines<br />
kleinen archivs. Die arbeit mit dem archiv und die suche nach publikationen, die für<br />
eine auseinandersetzung mit der geschichte des bewaffneten widerstands in der<br />
BRD von nutzen sind, ist nicht nur erschwert durch die tatsache, daß ein guter teil<br />
der linksradikalen diskussion zwangsläufig auf dem grauen und schwarzen<br />
literaturmarkt stattfindet. Oft behindern neben der verstreutheit und unzugänglichkeit<br />
der texte auch so banale umstände wie unvollständige oder irreführende literaturangaben.<br />
Herkömmliche hilfsmittel des buchhandels und der bibliotheken<br />
sind hier selten brauchbar. Es lag also nahe, von der archivliste ausgehend eine<br />
bibliographie zu erarbeiten, die sich als praktische ergänzung zu einer mittlerweile<br />
zwanzigjährigen politischen diskussion versteht, eine facette bei der aufarbeitung<br />
der eigenen linken geschichte ist.<br />
Von der große anzahl der publikationen, die zu diesem thema erschienen sind,<br />
kann nicht auf die ernsthaftigkeit der auseinandersetzung geschlossen werden.<br />
Oft haben hier bürgerlichen medien bloß das "spektakuläre" ausgeplündert - nicht<br />
nur aus profit interesse sondern auch mit der strategie, zu denunzieren und eine<br />
politische diskussion in eine bestimmte richtung zu lenken. Die vorliegende<br />
bibliographie konzentriert sich daher auf linke diskussion und berücksichtigt dabei<br />
besonders die graue und schwarze literatur.<br />
Dabei ist der inhaltliche bogen von stadtguerilla zu bewaffnetem kampf über die<br />
theoretischen differenzen hinweg sehr weit geschlagen: texte der Bewegung 2.<br />
Juni, der Roten Zora, der Revolutionären ZeUen und der RAF, strategische<br />
schriften der gruppen, kommandoerklärungen, briefe und texte zur auseinander<br />
setzung der politischen gefangenen mit justiz und knast stehen in dem kapitel<br />
authentische texte (kap. 11.)mit dem bewußtsein, daß die verfasserinnen nach<br />
teils sehr unterschiedlichen politischen konzepten handeln. Um aberdie bandbreite<br />
der auseinandersetzung um bewaffneten kampf als teil einer revolutionären<br />
strategie in der BRD nachvollziehen zu können, müssen sie hier gleichberechtigt<br />
nebeneinanderstehen. Dabei mag es vielleicht von nutzen sein, sich einen der<br />
ursprünglichen ansätze ins gedächtnis zu rufen:<br />
"Das Konzept Stadtguerilla stammt aus Lateinamerika. Esist dort, was es auch hier nur sein<br />
kann: Die revolutionäre Interventionsmethode von insgesamt schwachen revolutionären<br />
Kräften.<br />
Stadtguerilla geht davon aus, daß es die preußische Marschordnung nicht geben wird, in<br />
der viele sogenannte Revolutionäre das Volk in den revolutionären Kampf führen möchten.<br />
Geht davon aus, daß dann, wenn die Situation reif sein wird für den bewaffneten Kampf, es<br />
zu spät sein wird, ihn erst vorzubereiten. Daß es ohne revolutionäre Initiative in einem Land,<br />
dessen Potential an Gewalt so groß, dessen revolutionäre Traditionen so kaputt und so<br />
schwach sind wie in der Bundesrepublik,auch dann keine revolutionäre Orientierung geben<br />
wird, wenn die Bedingungen für den revolutionären Kampfgünstiger sein werden, als sie es<br />
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<strong>Vorbemerkung</strong><br />
jetzt schon sind - aufgrund der politischen und ökonomischen Entwicklung des Spätkapitalismus<br />
selbst. (...)<br />
Stadtguerilla ist bewaffneter Kampf, insofern es die Polizei ist, die rOcksichtslos von der<br />
Schußwaffe Gebrauch macht, und die Klassenjustiz, die Kurras freispricht und die Genossen<br />
lebendig begräbt, wenn wir sie nicht daran hindern. Stadtguerilla heißt, sich von der<br />
Gewalt des Systems nicht demoralisieren lassen.<br />
Stadtguerilla zielt darauf, den staadichen Herrschaltsapparat an einzelnen Punkten zu<br />
destruieren, stellenweise außer Kraft zu setzen, den Mythos von der Allgegenwart des Systems<br />
und seiner Unverletzbarkeit zu zerstören. (...)<br />
Unser ursprüngliches Organisationskonzept beinhaltete die Verbindung von Stadtguerilla<br />
und Basisarbeit. Wir wollten, daß jeder von uns gleichzeitig im Stadtteil oder im Betrieb in<br />
den dort bestehenden sozialistischen Gruppen mitarbeitet, den Diskussionsprozeß mit<br />
beeinftußt, Erfahrungen macht, lernt. Es hat sich gezeigt, daß das nicht geht. Daß die<br />
Kontrolle, die die politische Polizei über diese Gruppen hat, ihre Treffen, ihre Termine, ihre<br />
Diskussionsinhalte schonjetzt so weit reicht, daß man dort nicht sein kann, wenn man auch<br />
noch unkontrolliert sein will. Daß der einzelne die legale Arbeit nicht mit der illegalen<br />
verbinden kann."<br />
(RAF: Das Konzept Stadtguerilla. In: Alex Schubert: Stadtguerilla. Berlin 1971, S. 122 f.)<br />
Die diskussion in der linken, solidarisierung, entsolidarisierung und die auseinandersetzungen<br />
mit repression und knast sind für eine aneignung der geschichte des<br />
widerstands ebenso wichtig wie authentische texte, wenn eine eigene politische<br />
perpektive entwickelt werden soll.<br />
Das kapitel diskussion (kap. 11I.)enthält somit bücher und broschüren aus dem<br />
antiimperialistischen widerstand, von autonomen, anarchistischen und feministischen<br />
positionen bis hin zu reformistischen strategien und ihrem verhältnis zu<br />
stadtguerilla und bewaffnetem kampf. In einem unterkapitel sind veröffentlichungen<br />
ehemaliger mitglieder der stadtguerilla zusammengefaßt.<br />
Repression gegen die kämpfenden bewaffneten gruppen und die ausweitung der<br />
repression gegen teile der linken sind thema des kapitels staatsgewalt (kap. IV).<br />
Eine aufteilung erfolgte unter den gesichtspunkten gesinnungsverfolgung und<br />
zensur einerseits, justiz und knast andererseits, sowie texten zu polizei, BGS<br />
und geheimdiensten, soweit die publikationen mit stadtguerilla und bewaffnetem<br />
kampf in inhaltlichem zusammenhang stehen.<br />
Für das verständnis der entstehung von stadtguerilla, bewaffnetem kampf und der<br />
innerlinken diskussion ist es notwendig, auch auf die geschichtlichen wurzeln und<br />
den theoretischen zusammenhang einer sich internationalistisch begreifenden<br />
diskussion einzugehen.<br />
Um eine historische kontinuität sichtbar werden zu lassen, enthält das kapitel<br />
außerparlamentarische opposition (kap. I.) eine auswahl von basistexten der<br />
ende der sechziger jahre entstehenden neuen linken und publikationen aus dieser<br />
zeit, die aufschluß geben über die diskussion der internationalen solidarität, die<br />
sich verschärfende staatliche repression und die gewaltdebatte in der zeit vor der<br />
konstitution der RAF. Auf nachträgliche aufarbeitungen wurde dabei weitgehend<br />
verzichtet.<br />
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