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Focus, Vitznau: Ein neuer Stern - Park Hotel Vitznau

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<strong>Focus</strong>, <strong>Vitznau</strong>: <strong>Ein</strong> <strong>neuer</strong> <strong>Stern</strong><br />

Das Restaurant: Die Lage direkt am See, die Berge, die sich daraus erheben – schon das Setting<br />

ist grandios. Das eben eröffnete „<strong>Park</strong>hotel <strong>Vitznau</strong>“ ist ein Schmuckstück, und wenn man es sich<br />

näher anschaut, kommt einem der Satz, den John Hammond (gespielt von Richard Attenborough)<br />

in „Jurassic <strong>Park</strong>“ immer wieder sagt, in den Sinn: „Ich habe keine Kosten gescheut.“ Den Satz<br />

könnte auch der erfolgreiche österreichische Unternehmer Peter Pühringer gesagt haben, der das<br />

„<strong>Park</strong>hotel“ als halbe Ruine gekauft hat und zu <strong>neuer</strong> Blüte führen will. Die unglaublich aufwendig<br />

gestalteten Suiten, die sechs Wein- und Champagnerkeller mit einem Inventarwert von 23 Millionen<br />

Franken, der Spa und natürlich die beiden Restaurants „Prisma“ und „<strong>Focus</strong>“ gehören zu diesem<br />

Luxusressort am Vierwaldstättersee.<br />

Im „<strong>Focus</strong>“ kocht mit Nenad Mlinarevic einer der talentiertesten jungen Köche des Landes (Entdeckungs<br />

des Jahres 2011 im „Gault Millau“). Er war Souschef von Andreas Caminada, hatte einen<br />

fulminanten Start in der „Neuen Blumenau“ in Lömmenschwil SG, wo er sich einen Michelin-<strong>Stern</strong><br />

erkochte, bevor er für das Gourmetrestaurant im „<strong>Park</strong>hotel“ angeworben wurde. Mlinarevic hat<br />

bei Top-Chefs auf der ganzen Welt hospitiert, auch sein Souschef Sven Wassmer hat bei einigen der<br />

Besten lernen dürfen (u.a. „Noma“, „Oud Sluis“).<br />

Das Essen: Im <strong>Focus</strong> gibt es keine A-la-Carte-Gerichte sondern ein Menü von insgesamt neun<br />

Gängen, aus denen man die Menge auswählen kann, die dem persönlichen Hungergefühl entspricht.<br />

Wobei die Küche druchaus in der Lage ist, Gästen, die öfter vorbeikommen, immer wieder etwas<br />

Neues zu bieten. Es soll niemand zweimal mit dem gleichen Gericht gelangweilt werden.


Die Vorstellung beginnt mit einem Gänseleber-“Donut“ im dunklen Schokolademantel, dazu etwas<br />

Brioche-Crumble und eine Pilzcreme. Das ist relativ schlicht, aber sehr gut gemacht und mit viel<br />

Geschmack. Schon das zweite von insgesamt fünf (!) Amuse Bouches ist ein echtes Highlight und<br />

ein komplettes kleines Gericht: Konfierter Entenschenkel mit geröstetem Reis, Sojasprossen und<br />

einem kräftigen Jus – ebenfalls mit Soja. Es schmeckt kräftig, salzig und abwechslungsreich durch<br />

die verschiedenen Konsistenzen, das weiche Fleisch, die knackigen Sprossen und der knusprige<br />

Reis ergänzen sich schön am Gaumen.<br />

Das junge Führungsduo in der Küche hat nicht nur ein gutes Gefühl für kräftige Aromen sondern<br />

auch für die Dramaturgie, nach dem warmen, eher dunklen Gang, kommt ein heller, frischer: Etwas<br />

roh marinierte Makrele mit Dill und Radieschen und Meerrettichschnee, der die belebende fein<br />

dosierte Schräfe der kleinen Komposition hervorhebt – grossartig.<br />

Auch der vierte Teil der <strong>Ein</strong>stiegssequenz ist ausgezeichnet: leicht sautierte Calamari mit fein gehobeltem<br />

Fenchel, Algen und einem Sepia-Pürree. Zum Schluss dieses grossartigen Auftakts, der<br />

zum Besten gehört, was uns als Start in ein Menü in letzter Zeit serviert wurde, gibt es eine schöne<br />

Variation des Themas „Tomaten und Basilikum“, bestehend aus einem würzigen Tomatenragout,<br />

einem luftigen weissen Tomatenschaum und einem intensiven Basilikum-Sorbet. Das ist gleichzeitig<br />

warm, kalt, süss, würzig und wie oft an diesem Abend, wird hier der Spannungsbogen durch<br />

Konsistenzen, Texturen und Aromen weit gespannt.<br />

Der erste Gang des Menüs ist wieder relativ schlicht, aber geschmackvoll: Weisser Spargel (gebraten<br />

und gekocht) auf einer etwas neutralen Brunnenkresse-Emulsion und dazu feine Streifen eines<br />

ausgezeichneten Rauchschinkens vom Wollschwein, etwas Zwiebeln, die süssliche Röstaromen beitragen<br />

und knuspriges Brot. Manchmal, hier zum Beispiel, muss man nicht viel mit Dingen machen,<br />

damit sie gut schmecken.<br />

Aufwendiger und gross im Geschmack ist dann das glasierte Sot l‘y laisse mit einer Petersiliencreme,<br />

geräucherter Kartoffel, Haselnuss-Espuma und einem Hühnerhaut-Chip. Auch dieses Gericht<br />

hat Kraft druch die Aromen und Spannung durch die verschiedenen Konsistenzen und Zubereitungsarten.


Das gilt für fast alles, was wir an diesem Abend serviert bekommen. Die sanft gegarte, saftige<br />

Dorade, die es als nächstes gibt, wird ergänzt mit knusprigen frittierten Artischocken, einer Tomatencreme<br />

mit schöner Säure, leicht gegarten Tomaten und feinen Ahnungen von Zitronenthymian.<br />

Erstaunlicherweise sorgt ein Tropfen von Balsamico, der auf etwas Olivenöl am Grund des Tellers<br />

liegt, durch seine spitze Essignote für Irritation. Das ist deshalb erwähnenswert, weil Mlinarevic<br />

gerne kräftig (aber gekonnt) würzt und trotzdem kann ein einzelner Tropfen am falschen Ort stören.<br />

Überzeugend sind auch die relativ übersichtlichen Teller, die meist zentral angerichtet sind, warme<br />

Speisen transportieren und nicht durch ausufernde Beigaben auffallen wollen. Der in Olivenöl<br />

konfierte Kabeljau ist wunderbar glasig und fest und wird mit Zitronen (Confit, eingesalzen) sowie<br />

frittiertem bzw. pürriertem Broccoli und einigen Tupfen von schwarzem Knoblauch sowie einem<br />

Knoblauchjus serviert. Trotz der Kraft des Knoblauchs bleibt das Gericht in Balance, die Zitrone<br />

gleicht das wieder aus und das Spiel mit den Texturen wirkt gekonnt.<br />

Es folgt die in einem mehrstufigen Verfahren hergestellte Spanferkel-Schnitte aus zartem, festem<br />

Fleisch und einer knusprigen, karamellisierten Fettschicht, ergänzt mit einem intensiven Schweinejus<br />

sowie Weisskohl, Blumenkohl (karamellisiert und als Püree) und einer Senfvinaigrette. Das<br />

schmeckt toll und trotz aufwendiger Kochtechnik wirkt die Komposition bodenständig und passt<br />

zur Gegend.<br />

Der Hauptgang, wenn man so will, aus einem zarten Rindsfilet mit Markschaum, grilliertem grünen<br />

Spargel, Rollgerste mit Bärlauch sowie Morcheln überzeugte nicht in jedem Detail. Der Markschaum<br />

und der Rinderjus zusammen haben zuviel Salz, die Morcheln fielen in diesem kraftstrotzendem<br />

Ensemble von tiefem Jus und den Röstaromen der Spargeln etwas ab. Würden wir Noten<br />

verteilen, wäre das gut gewesen, während die andern Gänge meistens sehr gut bis ausgezeichnet<br />

waren.<br />

Der Übergang zu den Dessert markiert ein minimalistischer Käseteller, bestehend aus „Bergfichte“,<br />

Alpkäse vom Stoos und einem Blue Jersey, dazu etwas Bündner Nusstorte, Sanddorngel und<br />

ein Dörrbirnenpürree. Das schmeckt ausgezeichnet zusammen, und ich mag solche kleinen Teller.<br />

Wenn nach einem knappen Dutzend Gerichten hingegen noch ein überladener Käsewagen vorgefahren<br />

wird, fühle ich hingegen oft ein leichtes Gefühl der Überforderung in mir aufsteigen.<br />

Nach einem keinen, frischen Vorspiel aus Gurke und Apfel ist das erste Dessert ein prachtvoller<br />

Anblick: ein bunter Teller in leuchtenden Farben, bei dem ein „Früchtetee“ sozusagen in seine fest-


stofflichen Bestandteile zurückversetzt wurde: Früchte, Blüten und Kresse mit Mandarinensorbet<br />

und einem Zitronengras-Eis sowie einem Erdbeerjus ergänzen sich perfekt zu einem süss-saurenfruchtigen<br />

Ensemble, das über den Abend hinaus beeindruckt.<br />

Das zweite Dessert fiel da auf hohem Niveau leicht ab, vor allem, weil der Rhabarber der als Buttereis<br />

und eingelegt die Hauptrolle spielen sollte, geschmacklich nicht richtig wirken konnte, weil<br />

er zu stark seiner Säure beraubt worden war. Das dazu arrangierte luftige Frischkäsemousse, ein<br />

Holunderbaiser und Granola (ein Knuspermüsli) waren gut und sorgten dafür, dass die Komposition<br />

nicht zu süss wurde.<br />

Fazit: Nur rund einen Monat nach dem Start liefert das Duo Mlinarevic/Wassmer schon eine beeindruckende<br />

Haute-Cuisine-Show ab. Der gekonnte Umgang mit Aromen und Gewürzen, Techniken<br />

und die spannenden Kompositionen überzeugen auch erfahrene Esser. Serviert wird eine junge,<br />

zeitgemässe Küche mit avantgardistischen Noten, aber trotzdem mit Bodenhaftung. Klug erscheint<br />

die Entscheidung, das Restaurant nur abends zu öffnen und eine relativ kleine Karte anzubieten, so<br />

kann die Arbeit auf das Wesentliche konzentriert werden, was offensichtlich ausgezeichnet gelingt.<br />

Manches wird sich noch entwickeln, wird verbessert und perfektioniert, aber wenn nicht alles<br />

täuscht, ist da in <strong>Vitznau</strong> ein <strong>neuer</strong> <strong>Stern</strong> am aufgehen.<br />

Atmosphäre: Am frühen Abend, wenn der Blick nach draussen auf den See geht, ist das „<strong>Focus</strong>“<br />

ein besonderer Ort. Der langgezogene Restaurant-Raum wirkt einerseits elegant, allerdings auch<br />

ziemlich offen und etwas kühl, was möglicherweise der (handwerklich beeindruckende) Boden aus<br />

mit Kunstharz aufgegossenen kleinen Steinen bewirkt. Der Service ist angenehm – jung, schnell,<br />

freundlich und kompetent, die Weinbegleitung von Ex-“Schauenstein“ Sommelière Amanda Massot<br />

Bulgin wirkt durchdacht und spannend.<br />

Wie im „Noma“ in Kopenhagen sieht man auch im „<strong>Focus</strong>“ während des Abends immer mal wieder<br />

einen Koch am Tisch, der einen Jus angiesst und ein Gericht präsentiert. Diese niederschwellige<br />

Kommunikation zwischen Küche und Gast ist eine einfache, aber wirkungsvolle und sympathische<br />

Massnahme für eine gute Stimmung.<br />

Preis: Mit Fr. 215.- für 9 Gänge (plus 5 Auftakt-Snacks) liegt das „<strong>Focus</strong>“ preislich im Rahmen.<br />

6 Gänge gibt es für 170.-, die grosse Weinbegleitung kostet 133.-.

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