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Predigt zu Richter 3, 7-11 - EKG Freiberg

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<strong>Predigt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Richter</strong> 3, 7-<strong>11</strong><br />

Gott ist... geduldiger als wir!<br />

Plumps. Ich bücke mich und hebe den Apfel auf. Plumps. Das war jetzt das 7. Mal. Plumps.<br />

Nummer 8. Plumps. Nummer 9. Timea, bitte iss deinen Apfel doch und schmeiß ihn nicht<br />

runter. Plumps Nummer 10. Plumps Nummer <strong>11</strong>. Ich würde jetzt gerne das selige Lächeln<br />

meiner Tochter imitieren und das glückliche Krakeelen, wenn der Apfel schon wieder fällt.<br />

Plumps. Nummer 12. Und irgendwann habe ich dann einfach keine Geduld mehr. Der Apfel<br />

bleibt wo er ist, ich esse weiter. Und das selige Lächeln verzerrt sich <strong>zu</strong> einem Schmollen, <strong>zu</strong><br />

einem enttäuschten Weinen. Warum hat der Papa nur so wenig Geduld?<br />

An Einstiegsbeispielen für diese <strong>Predigt</strong> hat es mir wahrlich nicht gemangelt. Sei es nun<br />

meine Tochter mit dem fallenden Apfel, ich hätte auch diverse Geschichten meines Sohnes<br />

nehmen können, Episoden über überdrehte Jungscharler, aufmüpfige Teens, die alles tun, nur<br />

nicht der Andacht folgen, sondern meine Mühsam erarbeiteten Arbeitsblätter <strong>zu</strong><br />

Papierfliegern verarbeiten. Ich könnte erzählen, wie mir regelmäßig der Geduldsfaden bei so<br />

kleinen Fitzelarbeiten reißt und die Dinge durchs Zimmer fliegen, wenn es nicht so klappt wie<br />

ich es mir wünsche.<br />

Man könnte <strong>zu</strong> dem Schluss kommen, dass ich kein sonderlich geduldiger Mensch bin. Ich<br />

denke, dass es immer eine Frage des Vergleichspunktes ist. Aber eines steht zweifelsfrei fest:<br />

Meine Geduld ist endlich. Irgendwann ist Schluss. Und ich glaube, dass dies bei jedem<br />

Menschen so ist. Jedem reißt irgendwann die Hutschnur. Bei einem Choleriker ist das eher<br />

der Fall, er verliert eher die Geduld, beruhigt sich vielleicht aber auch wieder schneller.<br />

Andere haben die sprichwörtliche Engelsgeduld, wenn sie aber mal ausgeht, na dann gute<br />

Nacht. Das war auch bei meinen Eltern so angelegt. Meine Mutter ist recht schnell an die<br />

Decke gegangen. wir Kinder wussten dann: Für 5 Minuten verziehen, dann ist wieder alles<br />

gut. Mein Vater ist viel, viel länger ruhig geblieben. Aber wehe, wenn ihm dann der<br />

Geduldsfaden riss. So viel Grips hatten wir dann nach einiger Zeit, dass wir wussten, das<br />

sollten wir vermeiden.<br />

Wie sieht das ganze bei Gott aus? Hat auch Gottes Geduld ein Ende? Wie lange ist der<br />

Geduldsfaden Gottes? Ist Gottes Geduld unbegrenzt, lässt er uns immer alles durchgehen? In<br />

der Bibel gibt es da ja ganz unterschiedliche Zeugnisse: Gott schickt die Sintflut, weil es ihm<br />

reicht mit den Menschen. Oder Gott schickt Israel eine Plage mit über 24000 Toten, weil es<br />

ihm stinkt, dass sie sich schon wieder mit den Nachbarvölkern einlassen. Auf der anderen<br />

Seite fordert Jesus, seinem Nächsten nicht 3, nicht 7, sondern 7 mal 70 mal <strong>zu</strong> vergeben – also<br />

faktisch endlos. Und dann ist da noch diese Geschichte von Golgatha, wo Gott sich selbst<br />

opfert, weil er die Menschen trotz ihrer unzähligen Verfehlungen trotzdem noch retten will.<br />

Wie also sieht es aus mit Gottes Geduld?<br />

Ich habe heute einen Text dabei, der beide Seiten Gottes aufgreift – seinen Zorn ebenso wie<br />

seine unglaubliche Geduld. Der heutige <strong>Predigt</strong>text steht in <strong>Richter</strong> 3, die Verse 7 bis <strong>11</strong> und<br />

ich möchte ihn euch jetzt vorlesen.<br />

7 Die Leute von Israel taten, was dem Herrn missfällt: Sie vergaßen den Herrn, ihren Gott,<br />

und beteten <strong>zu</strong> den Göttern der Kanaaniter, dem Baal und der Aschera.<br />

8 Da wurde der Herr zornig auf sie und gab sie in die Hand Kuschan-Rischatajims, eines<br />

Königs im oberen Mesopotamien. Acht Jahre lang wurden sie von ihm unterdrückt.<br />

9 Da schrien die Israeliten <strong>zu</strong>m Herrn um Hilfe und er ließ ihnen einen Retter erstehen:<br />

Otniel, den jüngeren Bruder Kalebs, einen Sohn von Kenas.<br />

10 Der Geist des Herrn nahm Besitz von ihm und machte ihn <strong>zu</strong>m <strong>Richter</strong> und Anführer des<br />

Volkes. Er zog gegen Kuschan-Rischatajim in den Kampf, und der Herr half ihm, sodass er<br />

dem König von Mesopotamien eine schwere Niederlage beibrachte.<br />

<strong>11</strong> Otniel lebte danach noch 40 Jahre und in dieser ganzen Zeit hatte das Land Ruhe vor<br />

Feinden.<br />

1


1. Geschichtliches<br />

Das Buch der <strong>Richter</strong>, aus dem unser heutiger <strong>Predigt</strong>text stammt, gehört nicht <strong>zu</strong> den<br />

bekanntesten Texten unserer Bibel. Das zeigt sich schon alleine daran, dass ich heute, nach<br />

fast 5 Jahren in <strong>Freiberg</strong>, <strong>zu</strong>m ersten Mal über einem Text aus diesem Buch predige.<br />

Das Buch der <strong>Richter</strong> gehört <strong>zu</strong> den sogenannten Geschichtsbüchern des Alten Testaments. Es<br />

beschreibt eine Zeit vor ungefähr 4000 Jahren. Worum geht es in dem Buch?<br />

Das Volk Israel hat es endlich geschafft, sie sind in das gelobte Land eingezogen. 40 Jahre<br />

Irren durch die Wüste ist endlich vorbei, sie sind drin. Aber auch ein wenig führungungslos.<br />

Mose starb schon bevor das Volk ins Land hinein durfte, und auch sein Nachfolger Josua<br />

stirbt am Anfang des Buches. Worum es im Folgenden geht, lässt sich am besten mit dem<br />

Wort „Landnahme“ beschreiben. Es werden die Versuche und Unternehmungen des Volkes<br />

Israel beschrieben, sich das Land, das Gott ihnen geben wollte, <strong>zu</strong> Eigen <strong>zu</strong> machen. Denn das<br />

Land war nicht leer, sondern es waren noch andere Bewohner da, die vertrieben werden<br />

sollten. Hier war Gott sehr genau. Sein Volk sollte sich nicht neben diesen Völkern ansiedeln,<br />

sondern sie töten oder vertreiben. Und Gott wusste schon, warum er diese in unseren Augen<br />

sehr grausame Anweisung gegeben hat. Denn da, wo sich das Volk Israel nicht an diese<br />

Anweisung Gottes hält, passiert genau das, was Gott befürchtet hat, was ihn <strong>zu</strong> dieser<br />

Anweisung bewegt hat: die Israeliten bekommen mit, dass die Menschen um sie herum ganz<br />

andere Götter haben. Und wie so oft ist immer das interessant, was man selber nicht hat: „Wir<br />

haben nur einen Gott – die haben sooo viele. Das ist doch toll, oder? Da hat jeder Gott seine<br />

eigene Zuständigkeit, der eine das Wetter, der andere die Ernte, die können sich<br />

spezialisieren, das kann unserer nicht. Und außerdem haben die diese netten Götterstatuen.<br />

Die kann man aufstellen, anbeten, <strong>zu</strong>r Not auch mal mitnehmen. Da haste was in der Hand!<br />

Das ist bei uns ja strikt verboten! Und sowieso, unser Gott ist ja doch eher... prüde. Wenn ich<br />

sehe, was bei denen hier im Tempel abgeht... huiuiui, da kann einem ja schon ganz anders<br />

werden...“ Und es kam wie es kommen musste: Da wo sich Israel nicht an die Anweisungen<br />

Gottes hielt fielen sie von Gott ab und liefen den Götzen hinterher. Und das kann Gott ja gar<br />

nicht ab... Die Folgen hieraus zeige ich dann nachher noch aus, da kommen wir dann nämlich<br />

<strong>zu</strong>m Thema der heutigen <strong>Predigt</strong>.<br />

Warum aber heißt dieses Buch <strong>Richter</strong>? Israel war damals, <strong>zu</strong>mindest in der Theorie, von der<br />

Staatsform her eine Theokratie. Also Gott war der Staatschef, alles hörte auf ihn, seine Gebote<br />

waren gleichzeitig die Gesetze des Staates. Wie gesagt, theoretisch. Das funktionierte in der<br />

Praxis nämlich nicht wirklich, Israel war immer auf starke Männer angewiesen, die es geführt<br />

haben, hießen sie nun Mose, Aaron oder Josua. Und als diese charismatischen<br />

Leiterpersönlichkeiten nicht mehr da waren, merkte Gott schnell, dass das Volk in<br />

Krisensituationen Leiter braucht – und installierte die <strong>Richter</strong>. Die hatten nicht wie bei uns<br />

nur rechtssprechende Aufgaben, sondern waren vor allem politische und militärische<br />

Herrscher. Immer, wenn es Israel dreckig ging, und das war, wie wir nachher sehen werden,<br />

öfters der Fall, kamen diese <strong>Richter</strong> um Israel aus der Krise <strong>zu</strong> führen.<br />

Genauer gesagt, waren die <strong>Richter</strong> nur Heerführer eines Teiles des Volkes Israel. Nie war ein<br />

<strong>Richter</strong> so anerkannt oder allgemein gültiger Führer des ganzen Volkes wie ein Mose oder ein<br />

Josua. Die <strong>Richter</strong> werden meist nur von einem der 12 Stämme anerkannt und führen diesen<br />

Teil des Volkes. So auch in unserem Text. Kuschan-Rischatajim war ein weltgeschichtlich<br />

vollkommen unbedeutender König, heute würde man ihm wahrscheinlich noch nicht einmal<br />

König sondern eher Stammesfürst nennen. Aber er war anscheinend stark genug, um dem<br />

Volk Gottes gehörig <strong>zu</strong><strong>zu</strong>setzen.<br />

Das <strong>Richter</strong>buch endet dann damit, dass das Volk es auch nach einigen Jahrhundert immer<br />

noch nicht auf die Reihe kriegt, so <strong>zu</strong> leben, wie Gott es gefällt. Samuel ist der letzte <strong>Richter</strong>,<br />

er inthronisiert dann mit Saul den ersten König Israels – übrigens gegen den Willen Gottes.<br />

Die Zeit der <strong>Richter</strong> ist vorbei, die Zeit der Könige hat begonnen. Die, bis auf wenige<br />

Ausnahmen, auch nicht viel glorreicher wird als die Zeit der <strong>Richter</strong>...<br />

2


2. Immer das Gleiche...<br />

Schön und gut, jetzt wissen wir also, hoffentlich, etwas mehr über das Buch der <strong>Richter</strong>. Was<br />

aber hat dieses Buch, dieser Text mit unserem heutigen Thema „Gott ist... geduldiger als wir“<br />

<strong>zu</strong> tun? Um das <strong>zu</strong> verstehen, muss man im <strong>Richter</strong>buch etwas weiter schmökern. Dann wird<br />

man nämlich das ein oder andere Dejavu haben. Denn das, was wir hier in unserem Text<br />

lesen, ist das sogenannte <strong>Richter</strong>-Schema. Die Vorstellung der einzelnen <strong>Richter</strong> läuft immer<br />

und immer wieder nach dem gleichen Prinzip ab – mal etwas ausführlicher mal etwas knapper<br />

als bei unserem Text.<br />

1. Teil: Israel wird ungehorsam und betet andere Götter an. 2. Teil: Gott wird sauer und<br />

schickt andere Völker <strong>zu</strong>r Bestrafung Israels, durch die das Volk Gottes unterdrückt wird. 3.<br />

Teil: Israel kann nicht mehr, hat unser diesen Bedrückern <strong>zu</strong> lange <strong>zu</strong> leiden und schreit <strong>zu</strong><br />

Gott um Hilfe. Teil 4: Gott erbarmt sich und schickt einen <strong>Richter</strong> als Retter, der Israel dann<br />

wieder befreit. So ein Zyklus Abfall – Unterdrückung – Hilfeschrei - Rettung dauert dann je<br />

nach dem zwischen10 und 90 Jahren. Unser Text ist der Auftakt hier<strong>zu</strong>, das erste Mal, dass<br />

das <strong>Richter</strong>schema auftaucht. Es folgen 13 weitere Texte nach diesem Schema. 14-mal<br />

dasselbe! 14-mal fällt das Volk von Gott ab. 14-mal Untreue. Das zieht sich über mehrere<br />

Jahrhunderte dahin. Immer wieder rennt das Volk fremden Göttern nach, immer wieder straft<br />

Gott sie, immer wieder ist er barmherzig. Ist das noch normal?<br />

Was auf den ersten Blick fast schon grotesk wirkt („Ja, wollen die das denn einfach nicht<br />

kapieren?“) ist in meinen Augen nur <strong>zu</strong> menschlich. Das ist unser tiefstes Wesen. Wir sind in<br />

uns selbst verkrümmt, drehen uns nur um uns selbst und rennen vor Gott weg – und holen uns<br />

dabei die eine oder andere blutige Nase. Dieses Schema des Weglaufens findet sich nicht nur<br />

im Buch <strong>Richter</strong>, sondern auch in anderen Teilen der Bibel, in der Kirchengeschichte und<br />

manchmal wohl auch in unserem Leben.<br />

Und wenn ich diese Texte so lese, dann kann man ja schon auf komische Ideen kommen.<br />

Nämlich, dass man Gott nicht wirklich versteht. Dass ich vielleicht erheblich früher erheblich<br />

krasser dazwischen gegangen wäre. Wenn das Volk <strong>zu</strong>m ersten, zweiten, dritten Mal davon<br />

läuft, ok, da kann man noch nen <strong>Richter</strong> schicken. aber danach? Irgendwann ist es doch mal<br />

gut. Irgendwann hat sich’s dann auch mit <strong>Richter</strong>n. Dann geht Gott dazwischen und dann war<br />

es das mit dem Volk. Dann müssen sie eben sehen, wie sie <strong>zu</strong>recht kommen! Irgendwann ist<br />

die Geduld doch überstrapaziert. Irgendwann ist es gut. Irgendwann reicht es. Und bei mir<br />

wäre es nicht erst nach 14 Mal <strong>zu</strong> spät – sondern erheblich früher!<br />

Aber <strong>zu</strong>m glück bin ich nicht Gott. Denn der macht noch nicht mal nach 14 Mal Schluss. Der<br />

geht noch weiter mit. Denn am Ende der <strong>Richter</strong>zeit wird das Volk mit der Gesamtsituation<br />

un<strong>zu</strong>frieden. Mal wieder lassen sie ihren Blick schweifen, schauen, was denn die Nachbarn so<br />

haben, und mal wieder will man genau das, was man selber nicht hat: Einen König! In etwa<br />

könnte man den Dialog zwischen Gott uns seinem Volk so wiedergeben:<br />

Volk: Boah, alle anderen haben einen König. Nur wir nicht. Das ist so ungerecht! Wir wollen<br />

auch einen König haben! Sofort!<br />

Gott (leicht ungläubig): Ihr wollt was? Einen König? So einen wie die Heiden haben?<br />

Volk (voller Inbrunst): Ja genau! Genau so einen wie die Heiden haben!<br />

Gott (irgendwas zwischen genervt und resignierend): Ihr wisst schon, dass die Könige der<br />

Heiden unfähig, ungerecht, korrupt, gottlos und unfähig sind, oder? Und so jemand soll euch<br />

führen?<br />

Volk (voller Begeisterung): JAAAAA! Genau so einen König wollen wir haben!<br />

Gott (abwinkend): Na gut, ihr müsst mit den Folgen klarkommen. Ihr sollt euren König<br />

bekommen!<br />

Dieser Dialog ist nicht ausgedacht, er findet sich wirklich in der Bibel, nach<strong>zu</strong>lesen in 1.<br />

Samuel 8, hier wird Gott sogar noch ausführlicher und malt den Israeliten vor Augen, was ein<br />

König alles mit ihnen machen wird, aber das muss ich aus Zeitgründen leider weglassen.<br />

3


Aber der Kern bleibt: Der immer wieder auftauchende Ungehorsam Israels ist nicht auf die<br />

Zeit der <strong>Richter</strong> beschränkt, sondern setzt sich fort in der Königszeit und im Exil – und noch<br />

darüber hinaus!<br />

Und Gott bleibt geduldig. Er vernichtet sein Volk nicht. Er lässt es nicht links liegen und<br />

sucht sich ein neues. Im Gegenteil. Er holt sie aus dem Exil <strong>zu</strong>rück. Er lässt den Tempel<br />

wieder aufbauen. Und als Krönung schickt er seinen Sohn auf die Erde um sein Volk <strong>zu</strong><br />

erlösen und wieder in die echte Gemeinschaft <strong>zu</strong> ihm <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen, <strong>zu</strong> der er sie eigentlich<br />

geschaffen hat. Und was macht sein Volk: es lehnt den Retter in großen Teilen ab. Und tat<br />

was dem Herrn missfiel. Und so geht das über Jahrhunderte weiter.<br />

Und Gott? Geht mit. Ist geduldig. Und gibt dem Volk nach 2000 Jahren sein Land <strong>zu</strong>rück. Ich<br />

möchte mich jetzt nicht in politische Diskussionen über Israel heute ergehen. Aber eines muss<br />

ich sagen: ich kann nicht glauben, dass es ein Zufall ist, dass es heute wieder einen Staat<br />

Israel gibt. Dieser Fakt ist ein Wunder. Ein Zeichen der Treue Gottes. Man muss sich das mal<br />

vorstellen: Babylon. Assur. Persien. DAS waren Weltreiche. Und welche davon gibt es heute<br />

noch? Keines. Alle von der Landkarte verschwunden. Und dieser kleine Ministaat,<br />

vollkommen irrelevant für die damalige Weltpolitik, den gibt es heute noch. Gott ist viel<br />

geduldiger als wir!<br />

Was wir hier lesen und sehen, angefangen bei Mose, über die <strong>Richter</strong> mit ihrem Schema hier<br />

bei uns im Text, über die Kirchengeschichte hinweg ist eine 6000 Jahre währende Geschichte<br />

der Geduld Gottes. Meine Geduld reicht manchmal nur ein paar Minuten. Gottes Geduld<br />

reicht für die Jahrtausende. Obwohl es immer wieder dasselbe ist mit seinem Volk!<br />

3. Und wir heute?<br />

Gott hat sich also in der Geschichte als geduldiger Gott erwiesen. Das ist doch auch richtig<br />

toll für uns heute. Denn wenn er das nicht wäre, und aus Frust mit der Menschheit Schluss<br />

gemacht hätte, gäbe es uns ja auch gar nicht. Und außerdem macht uns das Mut für unsere<br />

Beziehung <strong>zu</strong> Gott. Denn wenn er sich in der Geschichte als geduldig erwiesen hat, dann<br />

besteht doch berechtigte Hoffnung, dass er diese Eigenschaft auch bei uns an den Tag legt!<br />

Und diese berechtige Hoffnung kann auch eine Gefahr beinhalten. Nämlich die, dass Gottes<br />

Geduld in uns auslöst, Sünde klein <strong>zu</strong> reden. Und wie sagte schon der gute Paulus? Das sei<br />

ferne!<br />

Sünde bleibt Sünde. Egal wie geduldig Gott mit unseren Verfehlungen, unserer Lauheit,<br />

unserer Lieblosigkeit, unserem Geiz oder was auch immer wir den lieben langen Tag so<br />

begehen, umgeht, diese Dinge bleiben Sünde. Gott hasst sie. Und sie bleiben absolut tödlich.<br />

Paulus sagt in Römer 6: der Sünde Sold ist der Tod. Sünde ist tödlicher als das stärkste Gift.<br />

Und darum sollten wir versuchen, Sünde <strong>zu</strong> meiden wo es nur geht. Denn auch wenn Gottes<br />

Gnade größer ist, wenn seine Geduld kein Ende hat, wäre es trotzdem gelten dämlich, sich<br />

den bitteren Giftcocktail freiwillig hinter die Binde <strong>zu</strong> gießen, frei nach dem Motto: Klar ist<br />

das tödlich, macht Bauchkrämpfe, mir wird tagelang Übel sein – aber egal, sterben werde ich<br />

ja nicht, ich habe ja das Gegengift!<br />

Sünde bleibt Sünde. Und gerade Gottes Geduld sollte uns von ihr wegtreiben. Wenn ich<br />

verstehe, dass Gott Sünde nicht gutheißt, sonder dass er TROTZDEM geduldig ist, dann sollte<br />

es mein Bestreben sein, so <strong>zu</strong> leben, dass er gar nicht geduldig sein muss – weil ich ihn liebe,<br />

weil ich dankbar bin, weil ich weiß, dass seine Gebote gut für mich und die Menschen um uns<br />

herum sind!<br />

Denn was auch noch ganz wichtig für uns heute <strong>zu</strong> begreifen ist: dieses <strong>Richter</strong>-Schema, diese<br />

Wiederholungen, aber auch innerhalb eines Zyklus, dass Gott überhaupt einen <strong>Richter</strong> berufen<br />

muss – das ist ja alles nur nötig, weil Israel sich eben nicht an die Gebote Gottes hält. Gott hat<br />

keinen Spaß an diesem Schema, er ist trotzdem geduldig, er ist trotzdem barmherzig. Lieber<br />

wäre es ihm sicherlich gewesen, Israel hätte sich nie mit den Götzen und Kulten der Völker<br />

um sich herum eingelassen. Und ich bin sicher, dass Gott auch heute noch lieber auf ein<br />

solches Schema verzichtet. Dass er lieber Freude zeigt, wenn seine Kinder seinen Willen tun,<br />

4


dass sie liebevoll miteinander umgehen, dass sie einander vergeben, dass sie füreinander da<br />

sind, dass sie ihn in den Mittelpunkt stellen. Das macht er sicherlich lieber als die Augen<br />

verdrehen, die Hände über den Kopf <strong>zu</strong>sammenschlagen und sagen: Ach Chris, doch nicht<br />

schon wieder. Du weißt es doch besser. Also, noch mal von vorne... Denn auch wenn Gott<br />

geduldig ist und uns unsere Schuld bedingungslos vergibt, immer wieder, der leichtere Weg<br />

ist es, seine Geduld nicht <strong>zu</strong> überanspruchen. Nicht, weil wir Repressalien von Gott<br />

befürchten müssten. Sondern weil wir die Konsequenzen für unsere Sünde selber tragen<br />

müssen. Also, Gottes Geduld nicht nutzen müssen ist der einfachere und bessere Weg! Es gibt<br />

ein schönes Lobpreislied mit einer tollen Textzeile, auch wenn der Reim nicht ganz so astrein<br />

ist: Wo meine Sünde mächtig war, ist deine Gnade mächtiger. Und das ist es, was diesen Text<br />

gut <strong>zu</strong>sammenfasst: Unsere Sünde, unsere Verfehlung ist mächtig, hat Macht – aber Gott ist<br />

größer, Gott ist geduldiger. Da kann man richtig froh drüber sein!<br />

Und einen letzten Aspekt habe ich noch, der diesen Text für uns heute wichtig macht. Der<br />

Autor des <strong>Richter</strong>buches legt mit dem <strong>Richter</strong>schema eine Sache ganz klar dar: Rettung gibt<br />

es für Israel nur durch Gott. Ohne Gott haben sie im neuen Land keine Chance <strong>zu</strong> überleben.<br />

Nach anfänglichen Eroberungserfolgen stellt sich mehr und mehr heraus, dass sie den Völkern<br />

um sich her unterlegen sind. Ihre einzige Chance ist das Eingreifen Gottes. Etwas flapsig<br />

könnte man formulieren: An Gottes Segen ist alles gelegen. Aber für Israel ist das elementar.<br />

Ohne die Hilfe Gottes sind sie als Volk nicht denkbar, sind sie <strong>zu</strong>m Tode verurteilt. Der<br />

<strong>Richter</strong> kann nur helfen, weil er von Gott berufen und befähigt wird. Sie sind ganz von der<br />

Gnade und Hilfe Gottes abhängig.<br />

Und das gilt auch für uns heute. Unser Leben, unser Sein liegt ganz in der Hand Gottes.<br />

Unsere Rettung liegt allein bei ihm. Ohne Gott, ohne Jesus können wir nur scheitern. Echtes<br />

Leben, echte Heilung, echtes Heil finden wir nur bei ihm.<br />

Und ich weiß, dass sich das manchmal anders anfühlt. Da schaut man um sich herum und<br />

ähnelt dabei den Israeliten: Man hat das Gefühl, all den Leuten um einen herum geht es<br />

besser. Die haben mehr, schöner oder besser. Da haben es andere Menschen, die ohne Gott<br />

leben, besser im Beruf, die sind vielleicht gesünder, haben mehr Geld, eine glücklichere<br />

Familie... und so weiter. Ich denke, fast jeder hat sich diese Frage schon gestellt: Warum geht<br />

es denen so gut, wo es doch angeblich nur in Jesus volles Leben gibt?<br />

Ohne jetzt tief darauf eingehen <strong>zu</strong> wollen: Diese Frage ist nicht neu, die Psalmen <strong>zu</strong>m<br />

Beispiel sind voll davon. Ich denke, trotz dieser Eindrücke ist es trotzdem wahr, was die Bibel<br />

uns hier sagt: Echtes Glück, echtes Heil, echte Rettung gibt es nur bei Jesus. Ich weiß auch oft<br />

nicht, warum Gott seinen Kindern manchmal mehr <strong>zu</strong>mutet als anderen. Oder warum er es<br />

uns nicht besser gehen lässt. Aber: er hat uns kein Leben in Saus und Braus versprochen.<br />

Auch kein problem- oder schmerzfreies Leben. Im Gegenteil, er hat Anfechtung und Leid<br />

gerade<strong>zu</strong> angekündigt. Aber was er uns an Positivem versprochen hat, hält er: Sicheren Halt<br />

in allen Situationen, bedingungslose Liebe und Annahme, Vergebung aller Sünden, ewiges<br />

Leben in Gemeinschaft mit Gott. Und, aktuell <strong>zu</strong> Pfingsten, als Unterpfand für das alles,<br />

seinen Heiligen Geist, der in uns wohnt. All das gibt es nur bei Jesus. Weil Gott geduldig ist.<br />

Auch heute noch!<br />

Ich hoffe, dass Gott das <strong>Richter</strong>schema nicht bei uns als Gemeinde anwenden muss. Dass es<br />

nicht heißt, „und die <strong>EKG</strong> <strong>Freiberg</strong> tat wiederum, was dem Herrn missfiel...“. Das ist nicht so<br />

das Zeugnis, das ich über uns gerne hören würde. Dann wäre es mir doch viel lieber, wenn<br />

das, was über die Urgemeinde <strong>zu</strong> Pfingsten gesagt wird mehr und mehr auch für uns gilt:<br />

„Was das Leben der Christen prägte, waren die Lehre, in der die Apostel sie unterwiesen, ihr<br />

Zusammenhalt in gegenseitiger Liebe und Hilfsbereitschaft, das Mahl des Herrn und das<br />

Gebet.“ Denn auch wenn Gott geduldig ist, viel geduldiger als wir – dann doch lieber so als<br />

bei den <strong>Richter</strong>n, oder?<br />

Amen!<br />

5

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