Lehreinheit 20
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Lehreinheit 20
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<strong>20</strong>. <strong>Lehreinheit</strong>:<br />
Primäre Leistungs- und Sekundärpflichten, leistungsbezogene und andere Pflichten<br />
In den folgenden <strong>Lehreinheit</strong>en geht es um die Vertragsdurchführung, die Durchführung des<br />
Vereinbarten, einschließlich der Frage, ob sie noch verlangt werden kann (<strong>20</strong>.-24. <strong>Lehreinheit</strong>),<br />
und sodann die Reaktionsmöglichkeiten bei Nichtdurchführung des Vereinbarten. Grundlegend<br />
ist die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundäransprüchen.<br />
1. Primär- und Sekundäransprüche<br />
- Primär(leistungs)ansprüche: Die Ansprüche, das Vereinbarte selbst zu erhalten, nicht nur<br />
seinen Wert<br />
- Sekundäransprüche: Die Ansprüche, die an die Stelle von Primär(leistungs)ansprüchen treten,<br />
wenn diese nicht oder nicht vollständig/ordnungsgemäß durchgeführt werden<br />
2. Inhalte der Primäransprüche<br />
a) § 241: Unterscheidung leistungsbezogen / nicht leistungsbezogen<br />
- leistungsbezogene Ansprüche (Abs. 1)<br />
- alle Handlungen, die den Erfolg, den der Vertrag bringen soll, fördern<br />
- früher wurde unterschieden zwischen Haupt- und Nebenleistungspflichten; dies hat heute<br />
allenfalls noch peripher Bedeutung<br />
- wichtig noch heute teils: Gewicht der jeweiligen Handlung (vgl. etwa § 323 Abs. 5 S. 2)<br />
- auch Unterlassen (S. 2)<br />
- das Unterlassen muss den Erfolg, den der Vertrag bringen soll, fördern (ist<br />
leistungsbezogene Pflicht)<br />
- Beispiel: etwa Unterlassen von Konkurrenzhandeln im Rahmen eines Verkaufs des<br />
Kundenstamms<br />
- kann auch allein stehen: zwei benachbarte Händler verständigen sich, dass der eine ein<br />
bestimmtes Segment nicht mehr bearbeitet, der andere ein anderes (Kartell)<br />
- nicht leistungsbezogene Pflichten<br />
- bezieht sich auf alle Handlungen, die das Vermögen des Vertragspartners im weiten Sinne<br />
tangieren (auch "Interessen"), das unabhängig vom Vertragsschluss besteht.<br />
- Pflicht hier: dieses Vermögen nicht zu mindern<br />
- auch hier Unterlassungspflichten: etwa Pflicht, gefährliche Handlungen im Anwesen des<br />
Kunden zu unterlassen; diese sind nicht die in § 241 Abs. 1 S. 2 angesprochenen<br />
Unterlassungspflichten.<br />
- heutzutage geht man davon aus, dass zumindest alle Schutzpflichten, die nach<br />
Deliktsrecht geschuldet sind, zugleich auch im Vertrags- und Sonderrechtsverhältnis dem<br />
Partner nach § 241 Abs. 2 geschuldet sind.<br />
- aus diesem Grunde gibt es nicht nur Primärleistungsansprüche, sondern auch nicht<br />
leistungsbezogene Primäransprüche; freilich sind erstere ungleich wichtiger.<br />
- Unterscheidung immer wieder wichtig, etwa §§ 281 f.<br />
b) Spezifikation durch Abrede bzw. durch Gesetz (bezieht sich vor allem auf leistungsbezogene<br />
Pflichten)<br />
- Primär aus der Abrede
- Grundlage ist die Abrede (§ 311 Abs. 1)<br />
- die Abrede muss zumindest die Essentialia negotii klären<br />
- sie kann jeden weiteren Punkt zum Inhalt der Primärpflicht machen, auch in Abweichung<br />
von dispositivem Recht<br />
- sekundär: Vertragstypspezifische Klärung (objektives Recht)<br />
- jeweils im ersten Paragraphen zu jedem Vertragstyp.<br />
- also etwa: Abrede muss nicht spezifizieren, dass Verkäufer Übergabe, Übereignung und<br />
Vertragsmäßigkeit der Leistung schuldet (§ 433 Abs. 1).<br />
- außerdem sekundär: Vertragstypunabhängige Klärung (objektives Recht)<br />
- vor allem §§ 243, 269-271 (vgl. 21. <strong>Lehreinheit</strong>)<br />
c) Allgemeine Abrundung nach § 242<br />
- Auslegung des Vertrags mit Rücksicht auf Verkehrssitte schon in § 157<br />
- rundet Pflichtenkanon mit Rücksicht auf die Verkehrssitte ("was allgemeinen erwartet wird")<br />
ab, und zwar hinsichtlich der Handlungs- ebenso wie der Unterlassungspflichten<br />
- Besondere Gehalte des § 242:<br />
- Verbot des Rechtsmissbrauchs<br />
- eigentlich auch Auslegungsfrage<br />
- Beispiele: unverhältnismäßige Durchsetzung, Verhalten im Widerspruch zum eigenen<br />
Verhalten, unredliches Verhalten<br />
- alle auch an anderer Stelle im Gesetz (etwa §§ 162, 323 Abs. 5 S. 2, 326 Abs. 2)<br />
- Verwirkung<br />
- Erweckung des Anscheins, dass ein Recht nicht mehr geltend gemacht werden wird<br />
- hierbei Zeitablauf wichtiges Indiz, jedoch nicht allein ausschlaggebend<br />
- Rechtsfolge: Recht verwirkt (entfällt)<br />
- Unterfall des widersprüchlichen Verhaltens<br />
- früher zusätzliche Gehalte, die als Ausfluss von § 242 gesehen wurden:<br />
- Wegfall der Geschäftsgrundlage (jetzt § 313)<br />
- ebenfalls eine "Abrundung" und zwar:<br />
- der Unmöglichkeits- (§ 313 Abs. 1) und der Irrtumslehre (§ 313 Abs. 2), vgl. jeweils<br />
dort (23. bzw. 15. <strong>Lehreinheit</strong>)<br />
- culpa in contrahendo (jetzt § 311 Abs. 2)<br />
3. Grundlage der Primäransprüche<br />
- Normalfall: Abrede (§ 311 Abs. 1)<br />
- also: der vertragliche Primäranspruch setzt nicht mehr als eine Abrede voraus<br />
- daher reduziert sich die ganze Prüfung bei der Frage, ob ein bestimmter vertraglicher<br />
Primäranspruch besteht, auf die Fragen:<br />
- ist ein Vertrag, der den gewünschten Anspruch zum Inhalt, (wirksam) durch<br />
übereinstimmende Willenserklärungen (Abrede) entstanden?<br />
- ist er nicht später wieder entfallen?<br />
- es muss für den vertraglichen Primäranspruch also einzig allein der Vertrag und sein<br />
Fortbestand geprüft werden, daher die Zweiteilung bisher: I. Entstehen des Vertrags, II.<br />
Entfallen des Vertrags;<br />
- dieses Prüfungsschema ist speziell auf den vertraglichen Primäranspruch bezogen<br />
- beim Sekundäranspruch kommen weitere Voraussetzungen hinzu (vgl. ab 24./25.<br />
<strong>Lehreinheit</strong>)
- Zusätzlich: ohne Abrede<br />
- zwei Konstellationen<br />
- noch keine Abrede (Abs. 2)<br />
- Abrede nicht mit diesem Partner (Abs. 3)<br />
- Abs. 2: gilt nur für die nicht leistungsbezogene Pflicht, das bereits vorhandene<br />
Vermögen des Partners (im weiten Sinne) in seiner Integrität unangetastet zu lassen<br />
- Leitfall: Linoleumsrollenfall (RGZ 78, 239)<br />
- denn es ist gerade nicht zur Abrede gekommen, die die Pflicht, einen Erfolg<br />
entsprechend der Abrede herbeizuführen, erst trägt<br />
- Voraussetzung: zumindest Anbahnung der Abrede, der Zugriffsmöglichkeiten auf<br />
Vermögen gibt (etwa stärkere Gefährdung der Gesundheit [Bananenschalen],<br />
größere Nähe zum Eigentum [Vase in der Wohnung] oder auch zu den Interessen<br />
[Einblick ins Geschäft])<br />
- Abs. 3: gilt selbst ebenfalls nur für die nicht leistungsbezogene Pflicht, das bereits<br />
vorhandene Vermögen des Partners (im weiten Sinne) in seiner Integrität unangetastet<br />
zu lassen<br />
- Beispiel: Partner des Mieters<br />
- aber: anders als bei Abs. 2, auch leistungsbezogene Pflichten gegenüber Drittem<br />
möglich (Vertrag zugunsten Dritter, § 328, im Gegensatz zum bloßen Vertrag mit<br />
Schutzwirkung gegenüber Dritten, § 311 Abs. 3).<br />
4. Inhalte der Sekundäransprüche (Grobstruktur, genauer <strong>Lehreinheit</strong> 24 ff.)<br />
- Wert, den man sich vom Vereinbarten erwartet hat (Schadensersatz, positives Interesse)<br />
- Rückerhalt des Wertes, den die eigene Leistung hatte (Rücktritt): hier wird man so gestellt,<br />
als wäre der Vertag nicht zustande gekommen ("Abstandnehmen vom ganzen Geschäft")<br />
- Kombinationen denkbar<br />
5. Bedeutung der Unterscheidungen für die Inhalte der nächsten <strong>Lehreinheit</strong>en<br />
Nach dieser Übersicht werden im Folgenden nacheinander drei Komplexe näher behandelt:<br />
- Inhalte der Primärleistung<br />
- Durchführung der Primärleistung (Vergleich des Ist-Zustands mit dem Soll-Zustand)<br />
- Ersatz durch Sekundäransprüche<br />
- Zusammenhang zwischen den letzten beiden Punkten: der Entfall der Pflicht, die<br />
Primärleistung durchzuführen (Primär(leistungs)anspruch), ist in vielen Fällen auch<br />
Voraussetzung für einen Anspruch auf Ersatz (Sekundäranspruch). Dies ist dadurch<br />
deutlich zu machen, dass nicht die gleiche Prüfung nochmals durchgeführt wird, sondern<br />
auf die schon einmal vorgenommene Prüfung verwiesen wird. Beispiele später.