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SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />

Keine Gefangenen<br />

SPD gegen SPD: Die Kieler Oberbürgermeisterin Susanne<br />

Gaschke liefert sich eine persönliche Fehde mit<br />

Ministerpräsident Albig. Bis zum letzten bitteren Akt.<br />

Innenausschuss im Kieler Landtag, das<br />

Wort hat Andreas Breitner, SPD. Der<br />

Innenminister liest vom Blatt, Namen,<br />

Daten, die Chronik einer Fehde. Sie hat<br />

mit einer Lokalposse begonnen, dem umstrittenen<br />

Gewerbest<strong>eu</strong>er-Rabatt, den die<br />

Stadt Kiel einem Augenarzt gewährt hat.<br />

Aber jetzt geht es um viel mehr: um die<br />

bekanntesten Gesichter der Landes-SPD,<br />

um die Frage, wer sein Gesicht verliert.<br />

Die Oberbürgermeisterin von Kiel? Der<br />

Ministerpräsident von Schleswig-Holstein?<br />

Breitner selbst? Und so kommt der In -<br />

nenminister in der Sitzung am vorigen<br />

Mittwoch auch auf einen Brief vom<br />

23. September zurück, von Susanne Gaschke,<br />

der Oberbürgermeisterin. Den habe er<br />

dann beantwortet, „kurz und verletzend“.<br />

Kurz und verletzend? Nicht kurz und<br />

verlässlich, kurz und verbindlich, hat<br />

Breitner tatsächlich kurz und verletzend<br />

gesagt? Ja, hat er, und nein, es war kein<br />

Versprecher. Es gilt das gepfefferte Wort.<br />

Die kalte Wut ist wieder zurück in<br />

Schleswig-Holstein. Sie bricht alle paar<br />

Jahre wie ein Virus in der Landespolitik<br />

aus, warum immer hier, weiß kein<br />

Mensch. Aber der Verlauf der Epidemie<br />

ist stets derselbe: Sie hört erst auf, wenn<br />

einer der Anführer politisch am Ende,<br />

nein, politisch vernichtet ist.<br />

„Gefangene werden nicht gemacht“,<br />

sagt einer aus dem Kieler Rathaus resi -<br />

gniert; so war es bei den gefallenen Spitzenl<strong>eu</strong>ten<br />

Uwe Barschel (CDU), Björn<br />

Engholm (SPD), Heide Simonis (SPD),<br />

Christian von Boetticher (CDU). Und so<br />

sah es Ende voriger Woche wieder aus:<br />

Im ausg<strong>eu</strong>ferten Streit um den St<strong>eu</strong>ernachlass<br />

von 3,7 Millionen Euro, den die<br />

Stadt einem Arzt mit Luxus-Lebensstil<br />

im Juni eingeräumt hat, spricht vieles dafür,<br />

dass die Kieler Oberbürgermeisterin<br />

den Kampf politisch nicht überleben wird.<br />

Einen Kampf, den sie, typisch Schleswig-<br />

Holstein, aber nicht in erster Linie mit<br />

der Rathaus-Opposition führt, sondern<br />

gegen die Spitzen der eigenen Landespartei:<br />

gegen Ministerpräsident Torsten<br />

Albig, gegen Innenminister Breitner. An<br />

ihrer Seite hat sie nur ihren Mann, Hans-<br />

Peter Bartels, Bundestagsabgeordneter.<br />

Breitner hat den Generalstaatsanwalt<br />

in Schleswig eingeschaltet, weil ihn<br />

Gaschke und Bartels genötigt haben sollen.<br />

Von „frei erfundenen“ Behauptungen<br />

spricht dagegen Bartels; das Ehepaar<br />

hat einen Anwalt beauftragt, um Breitner<br />

solche Aussagen verbieten zu lassen.<br />

Seine Frau, sagte Bartels, sei kein „gepanzerter<br />

Mensch“. Die frühere Journalistin,<br />

bis zu ihrer Wahl Ende 2012 bei der<br />

„Zeit“, habe einen anderen Politikstil wagen<br />

wollen, einfühlsamer, offener für die<br />

Bürger. Dafür müsse sie aber den Preis<br />

zahlen, dass „jeder Dreck direkt bis zu<br />

ihr durchkommt“. Und sie mitnimmt. Das<br />

erklärt einiges, wenn auch nicht alles.<br />

Wozu Gaschkes Empfindsamkeit führt,<br />

war schon im August zu spüren. Die CDU<br />

wollte sie dafür grillen, dass sie per Eilentscheid,<br />

und damit am Rat vorbei, den<br />

St<strong>eu</strong>ernachlass für den Augenarzt Detlef<br />

Uthoff beschlossen hatte. Gaschkes Begründung:<br />

Im Gegenzug stottere der angeblich<br />

klamme Mediziner zumindest<br />

noch 4,1 Millionen an St<strong>eu</strong>erschulden ab.<br />

Die CDU zweifelte ihre Fähigkeit an,<br />

die „Angelegenheiten der Stadt verantwortlich<br />

zu regeln“ – nur ein Allerweltsfoul<br />

in der Politik, erst recht kurz vor<br />

einer Bundestagswahl. Aber Gaschke<br />

schluchzte sich im Rat durch eine erregte<br />

Rede, sie fragte den CDU-Fraktionschef,<br />

was wohl sein Vater von so einem Angriff<br />

halten würde, ein Politikprofessor.<br />

Schon da hätten alle in der SPD alarmiert<br />

sein müssen, für die Politik nach<br />

Spielregeln, auch Ritualen abzulaufen hat.<br />

Gaschke nimmt Politik persönlich.<br />

Am 17. September bekam Gaschke eine<br />

SMS aufs Handy, von Ministerpräsident<br />

Albig. Der Ton kumpelhaft: Sie solle die<br />

Nachricht wegwerfen, „wenn es dich<br />

nervt“, aber es sehe nun mal so aus, als<br />

sei ihr Umgang mit dem umstrittenen St<strong>eu</strong>erfall<br />

Uthoff angreifbar. Sowohl der Weg,<br />

die Eilentscheidung ohne Ratsversammlung,<br />

als auch in der Sache, das St<strong>eu</strong>er -<br />

geschenk. Das werde wohl die schon eingeschaltete<br />

Kommunalaufsicht „leider bestätigen“.<br />

Und deshalb würde er ihr raten,<br />

lieber den Fehler selbst schnell einzuräumen<br />

mit dem Hinweis, sie habe sich doch<br />

nur auf die Vorlage aus der Rathaus-Verwaltung<br />

verlassen. „Lieben Gruß T.“<br />

Ein kluger Rat, für Realpolitiker. Ein<br />

hundsgemeiner, so wie ihn die Emotionspolitikerin<br />

Gaschke verstand, vielleicht<br />

auch mit einer Portion Paranoia: Denn<br />

Albig war nie ihr Fr<strong>eu</strong>nd, warum dann<br />

diese fr<strong>eu</strong>ndschaftliche SMS? Und: Albig<br />

war ihr Vorgänger im OB-Zimmer des<br />

Kieler Rathauses. Er hatte den Fall schon<br />

auf dem Tisch gehabt. Und war selbst im<br />

CARSTEN REHDER / DPA (L.); MAJA HITIJ / DPA (R.)<br />

Kieler Oberbürgermeisterin Gaschke, Innenminister Breitner, Regierungschef Albig: Virus der Landespolitik<br />

DER SPIEGEL 41/2013 35

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