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Schrift "Po und Rhein" in der deutschen Presse im Jahre 1859

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lnge Schliebe<br />

,~ezensionen zu Engels' <strong>Schrift</strong> "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>" <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>deutschen</strong> <strong>Presse</strong> <strong>im</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>1859</strong><br />

'''<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>' ist e<strong>in</strong> vorzUglicher E<strong>in</strong>fall, <strong>der</strong> sofort <strong>in</strong>s Werk gesetzt werden muß. Du<br />

mußt gleich andie Sache gehn, da Zeit hier alles ist"I, lautete Marx' Antwort an<br />

Engels auf dessen Vorschlag, <strong>in</strong> die politischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen Anfang <strong>1859</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>er eigenen Veröffentlichung <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>zugreifen.<br />

Die italienische Krise spitzte sich damals zu e<strong>in</strong>em Krieg Sard<strong>in</strong>ien-Piemont <strong>im</strong> BUndnÖ$<br />

mit Napo/eon 111. gegen Österreich zu. Unter dem Vorwand, die Bestrebungen <strong>in</strong> Italien<br />

fUr e<strong>in</strong>e nationa/staatliche E<strong>in</strong>igung <strong>und</strong> Unabhllngigkeit zu unterstUtzen: <strong>und</strong> die lombardei<br />

<strong>und</strong> Venetien von Österreich zu befreien, verfolgte die bonapartistische <strong>Po</strong>litik eigene,<br />

annexionistische Ziele. Sie wollte die fUr sie gefllhrliche Volksbewegung <strong>in</strong> Italien unterdrUcken,<br />

um die schwankenden Mochtpositionen Napoleon 111. <strong>im</strong> eigenen lande zu<br />

festigen. Im spllteren Vorfrieden von Villafranca wurde se<strong>in</strong>e Taktik offenbar: Frankreich<br />

<strong>und</strong> Österreich e<strong>in</strong>igten sich aus Furcht vor e<strong>in</strong>er demokratischen revolutionllren Volksbewegung<br />

- unter Ausschluß von Sard<strong>in</strong>ien-Piemont.<br />

Marx <strong>und</strong> Engels sahen diese Entwicklung voraus. Deshalb kam es ihnen zu Beg<strong>in</strong>n des<br />

<strong>Jahre</strong>s <strong>1859</strong> vor allem darauf an, den Standpunkt <strong>der</strong> proletarischen Bewegung zu dieser<br />

sche<strong>in</strong>bar nur tagespolitischen Frage darzulegen. Die italienischen Angelegenheiten b~.­<br />

e<strong>in</strong>flußten auch den damaligen Aufschwung <strong>der</strong> nationalen Bewegung <strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong><br />

stellten die Frage nach e<strong>in</strong>er notionalstaatlichen E<strong>in</strong>igung <strong>und</strong> Unobhllngigkeit Deutschlands<br />

erneut auf die Tagesordnung. Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> verschiedenen Auffassungen von den<br />

Wegen zur E<strong>in</strong>igung wurde allgeme<strong>in</strong> uber die Stellung Preußens <strong>in</strong> <strong>der</strong> nationalen Bewegung<br />

debattiert, gleichzeitig aber auch Uber die preußische Außenpolitik llngesichts <strong>der</strong><br />

italienischen Krise. Es war deshalb notwendig, die italienische Frage richtig <strong>in</strong> die<br />

europllische <strong>Po</strong>litik e<strong>in</strong>zuordnen <strong>und</strong> sie vom Standpunkt <strong>der</strong> proletarischen Bewegung<br />

politisch umfassend e<strong>in</strong>zuschIltzen. Die <strong>Po</strong>litik Frankreichs <strong>und</strong> Österreichs mußte als<br />

109


eaktion1ir <strong>und</strong> volksfe<strong>in</strong>dlich entlarvt werden, ebenso Preußens sogenannte neutrale Haltung,<br />

die sich aus se<strong>in</strong>er Innenpolitik erklHren ließ. Engels unterZog sich dieser Aufgabe<br />

geme<strong>in</strong>sam mit Marx, um die fortschrittlichen Kräfte auf den revolutionClr-demokratischen<br />

Weg fUr e<strong>in</strong>e nationalstaatliche E<strong>in</strong>igung zu orientieren. In <strong>der</strong> damaligen Situation konnte<br />

das von ihrer Seite aus nur anonym geschehen, anhand militClrstrategisched.Ä>erlegungen,<br />

lesbar fUr e<strong>in</strong> breites Publikum.<br />

Engels schrieb die Arbeit <strong>im</strong> Februar <strong>und</strong> MtJrz <strong>1859</strong> nie<strong>der</strong>. Am 10. Mtlrz bestCltigte <br />

Marx den Empfang: "Die Brochure erhalten. Werden ungef1ihr 4 Druckbogen se<strong>in</strong>, wenn <br />

nicht mehr, bei <strong>der</strong> Art wie Brochuren gedruckt werden. Durchgesehen; exeed<strong>in</strong>gly <br />

clever; auch das <strong>Po</strong>litische famos behandelt, was verdammt schwer war. The pamphlet <br />

will have 0 great success. ,,2<br />

Marx sandte das Manuskript umgehend an den liberalen Berl<strong>in</strong>er Verleger Franz Duncker,<br />

<strong>der</strong> zu dieser Zeit auch Marx' Werk" Zur Kritik <strong>der</strong> <strong>Po</strong>litischen Ökonomie" verlegte.<br />

Marx hatte uber Lassalle se<strong>in</strong>e nach Itlngerer Unterbrechung wie<strong>der</strong>aufgenommenen Beziehungen<br />

zu e<strong>in</strong>em Verleger <strong>in</strong> Deutschland ausgenutzt,um Engels' <strong>Schrift</strong> dort so rasch wie<br />

3<br />

möglich legal verbreiten zu können. "Ich habe Dir <strong>im</strong> 'Vorwort' e<strong>in</strong>ige honneurs ge­<br />

macht; <strong>und</strong> so ist es um so besser, wenn Du gleich darauf selbst auf die Buhne trittst", <br />

schrieb Marx an Engels. 4 <br />

Am 5. April <strong>1859</strong> erschien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Auflage von 1000 Exemplaren die 64 Seiten starke<br />

Broschure, gedruckt bei Trowitzsch <strong>und</strong> Sohn, Berl<strong>in</strong>. Wie Marx geraten hatte, blieb <strong>der</strong><br />

Verfasser anonym. Das Publikum sollf13 zuntlchst glauben, "e<strong>in</strong> großer General sei <strong>der</strong> Verfasser,,5,<br />

wie es dann auch tats1ichlich von Rezensenten angenommen wurde. Die <strong>Schrift</strong><br />

wurde sofort nach ihrem Ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> zeitgenössischen <strong>Presse</strong> beachtet. Am<br />

31. Mai <strong>1859</strong> schrieb Duncker an Engels: "Von <strong>der</strong> BroschUre ' <strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>' s<strong>in</strong>d mir<br />

allerd<strong>in</strong>gs verschiedene, <strong>im</strong> ganzen sehr gUnstige Rezensionen zugekommen, doch bedaure<br />

ich, Ihnen dieselben <strong>im</strong> Augenblick nicht senden zu können, da ich sowohl wie<br />

me<strong>in</strong> Personal gerade allzusehr beschtlftigt s<strong>in</strong>d, dieselben herauszusuchen. ,,6<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich me<strong>in</strong>te Duncker e<strong>in</strong>ige von den neun Rezensionen, die <strong>im</strong> "Börsenblatt<br />

fUr den Deutschen Buchhandel", Jahrgang <strong>1859</strong>, ermittelt werden konnten <strong>und</strong> hier<br />

wie<strong>der</strong>veröffentlicht werden. Acht Zeitungen bzw. Zeitschriften stellten Engels' <strong>Schrift</strong><br />

noch <strong>im</strong> April <strong>und</strong> <strong>im</strong> Mai <strong>1859</strong> <strong>in</strong> ihren Rubriken Uber Neuersche<strong>in</strong>ungen vor. Nur die<br />

Rezension <strong>in</strong> <strong>der</strong> "Deutschen Allgeme<strong>in</strong>en Zeitung", Leipzig, erschien spHter als jene<br />

Mitteilung <strong>in</strong> Nr. 5 <strong>der</strong> Londoner Zeitung "Dos Volk" vom 4. Juni, wor<strong>in</strong> Engels als Ver­<br />

110<br />

fasser angegeben wurde. Dennoch sche<strong>in</strong>t auch dem Leipziger Rezensenten <strong>der</strong> Verfasser<br />

von "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>" unbekannt gewesen zu se<strong>in</strong>.<br />

Fast alle Kritiker waren davon Uberzeugt, daß e<strong>in</strong> "MilitHr" se<strong>in</strong>e flAe<strong>in</strong>ung dargelegt<br />

hat; "Die Reform" nahm sagar an, "daß Herr RUstow die Broschure geschrieben hat,<br />

wenigstens trCigt sie das Gepr1:lge e<strong>in</strong>es scharfen Geistes <strong>und</strong> zeugt von grUndlichen Fachkenntn<br />

isse n •••".<br />

Stlmtliche anonymen Rezensenten hoben den Kern <strong>der</strong> Engelsschen Arbeit hervor, <strong>der</strong><br />

besagt, daß fUr e<strong>in</strong>e nationalstaatliche E<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Besitz fremden Bodens nicht nBtig<br />

ist. Sie polemisierten direkt dagegen o<strong>der</strong> bek<strong>und</strong>eten alle<strong>in</strong> durch die Auswahl <strong>der</strong><br />

Zitate ihre Haltung dazu, die von Ablehnung uber Unentschlossenheit bis zur Zust<strong>im</strong>mung<br />

reichte. Letzteres ist <strong>im</strong> Leipziger "Grenzboten" <strong>der</strong> Fall. Als e<strong>in</strong> <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e propreußisches<br />

Blatt zitierte es Engels' Satz, <strong>der</strong> die <strong>in</strong>ternationalistische Pflicht <strong>der</strong> proletarischen<br />

Partei ondeutet: "Statt unsere StHrke <strong>im</strong> Besitz fremden Bodens zu suchen <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> UnterdrUckung e<strong>in</strong>er fremden Nationalittlt, <strong>der</strong> nur das Vorurteil die ZukunftsfHhigkeit<br />

absprechen kann, werden wir besser tun, dafUr zu sorgen, daß wir <strong>in</strong> unserm eignen<br />

Hause e<strong>in</strong>s <strong>und</strong> stark s<strong>in</strong>d."<br />

Der Kezensent <strong>in</strong> den "Hamburger Nachrichten" sympathisierte offensichtlich ebenfalls<br />

mit Engels' Auffassungen, wenn er auch am Schluß <strong>der</strong> Rezension se<strong>in</strong>e zust<strong>im</strong>mende<br />

Me<strong>in</strong>ung wie<strong>der</strong> zurUcknahm. Als bemerkenswert unterstrich er Engels' Unterscheidung<br />

zwischen <strong>der</strong> augenblicklichen - milit!:lrischen - <strong>und</strong> <strong>der</strong> zukUnftigen Bedeutung <strong>der</strong><br />

oberitalienischen Gebiete fUr Deutschland.<br />

E<strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt bejahendes Urteil fand "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>" <strong>in</strong> <strong>der</strong> libera,len Hamburger<br />

Zeitschrift "Die Reform". In wenigen Worten wurde <strong>der</strong> Inhalt skizziert <strong>und</strong> die<br />

"lebendig <strong>und</strong> anschaulich geschriebene Flugschrift" empfohlen: "sie sche<strong>in</strong>t uns dos<br />

Richtige zu treffen" - Engels' Stellungnahme gegen den Bonapartismus.<br />

Gegenteilig reagierte die "Berl<strong>in</strong>er Revue", e<strong>in</strong>e St<strong>im</strong>me rechter konservativer KrHfte.<br />

Sie lehnte Engels' Schlußfolgerungen r<strong>und</strong>weg ab. Zitate aus verschiedenen Abschnitten<br />

<strong>der</strong> <strong>Schrift</strong>, versehen mit entsprechenden Kommentaren, sollten Wi<strong>der</strong>sprUche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Darstellung<br />

beweisen; sie bewiesen jedoch nur die reoktion!:lre chauv<strong>in</strong>istische Tendenz <strong>der</strong><br />

Zeitschrift. Immerh<strong>in</strong> besche<strong>in</strong>igte <strong>der</strong> Rezensent dem Verfasser von "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>",<br />

"dem politischen Bekenntnis nach e<strong>in</strong> ganz gewaltiger Demokrat" zu se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>en Ton sch!:lrfer mißbilligte die "Aachener Zeitung" die "politischen Schlußfolgerungen"<br />

<strong>der</strong> <strong>Schrift</strong>. Die Besprechung wurde dazu benutzt, gegenUber Italien offene<br />

chauv<strong>in</strong>istische MachtansprUche geltend zu machen.<br />

ll1


Die "Berl<strong>in</strong>ischen Nachrichten von Staals- <strong>und</strong> gelehrten Sachen" r6umten "<strong>Po</strong> <strong>und</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>" nur e<strong>in</strong>e farblose Notiz e<strong>in</strong>. Ähnlich wrfuhr die "Deulsche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung"<br />

<strong>in</strong> Leipzig. Es wurde jedoch wrmerkt, daß <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schrift</strong> die italienische Frage von<br />

e<strong>in</strong>em neuen Standpunkt aus betrachtet wird. Und: "Das <strong>Schrift</strong>ehen sche<strong>in</strong>t auf jeden<br />

Fall Beachtung zu wrdienen."<br />

Interessant <strong>und</strong> aufschlußreich s<strong>in</strong>d die Rezensionen <strong>in</strong> den von gem6ßigten Liberalen um<br />

den Historiker Max Duncker herausgegebenen "Preußischen Jahrbuchern" <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Augsburger "Allgeme<strong>in</strong>en Zeitung", <strong>in</strong> welcher österreichische Macht<strong>in</strong>teressen wrtreten<br />

wurden. Der Rezensent <strong>in</strong> den "JahrbUcher" erlHuterte ausfuhrlieh Engels' <strong>Schrift</strong>. Er<br />

ruhmte das "nicht ger<strong>in</strong>ge Verdienst <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en <strong>Schrift</strong>, daß sie ••• die falsche Vermischung<br />

politischer <strong>und</strong> militHrischer Gesichlspunkte abweist". Insgesamt hielt <strong>der</strong> Kritiker<br />

se<strong>in</strong>e eigene fok<strong>in</strong>ung zurUck. Er wollte augensche<strong>in</strong>lich neutral bleibeni er schloß auch<br />

anstelle e<strong>in</strong>es Resumees mit <strong>der</strong> "Ansicht des Verfassers" • Alle<strong>in</strong> die Wahl e<strong>in</strong>es Zitates<br />

uber die Nutzlosigkeit <strong>der</strong> M<strong>in</strong>cio-L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Oberitalien fUr e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung Deulschlands<br />

bedeutete genaugenommen e<strong>in</strong>e Zust<strong>im</strong>mung.<br />

Die "Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung" hat die BroschUre fUr so bedeutend gehalten, daß sie ihrer<br />

ausfUhrlichen Besprechung Platz <strong>in</strong> zwei Nummern gew6hrte. Die militHrstrategischen AusfUhrungen<br />

wurden begrUßt <strong>und</strong> akzeptiert, die pol itischen Aussagen aus großdeulscher<br />

Sicht jedoch wrworfen,<br />

Wie richtig die Taktik von Marx <strong>und</strong> Engels war, ihren politischen Standpunkt <strong>in</strong> milit!lrstrategische<br />

Beweisfuhrungen zu kleiden, zeigt die' Art <strong>und</strong> Weise, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Engels'<br />

<strong>Schrift</strong> besprochen wurde, Zunttchst <strong>in</strong>teressierten die vor<strong>der</strong>grUndigen militttrischen<br />

Probleme - alle<strong>in</strong> schon vom Titel her. Ke<strong>in</strong> Rezensent konnte jedoch die politische Aussage<br />

ignorieren; je<strong>der</strong> mußte sich mit ihr ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest andeutungsweise<br />

auf sie ei ngehen,<br />

Die vorliegenden zeitgenÖSsischen Rezensionen zu "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>" werden <strong>in</strong> chronologischer<br />

Reihenfolge vollstttndig nach dem Orig<strong>in</strong>al wie<strong>der</strong>gegeben, nur die e<strong>in</strong>gefUgten<br />

l!lngeren Zitate aus Engels' <strong>Schrift</strong> wurden gekurzt.<br />

3 Siehe Marx an Ferd<strong>in</strong>and Lassalle, 25. Februar <strong>1859</strong>. A. a. 0., S. 580/581. .: Marx<br />

an Engels, 25. Februar <strong>1859</strong>. Ebenda, S. 401.<br />

4 Marx an Engels, 25. Februar <strong>1859</strong>. A. Q. 0., S. 401.<br />

5 Ebenda.<br />

6 Franz Duncker an Morx, 31. Mai <strong>1859</strong>. Zitiert nach: Werner Blumenberg: Morx' <strong>und</strong><br />

Engels' Briefwechsel mit Franz Duncker. In: International Review of Sodal History ,<br />

Amsterdam, Vol. X (1965), Part I, S. 117.<br />

Anmerkungen~<br />

Marx an Engels, 25. Februar <strong>1859</strong>. In: MEW, Bd. 29, S. 401.<br />

2 Marx an Engels, 10. MlIrz <strong>1859</strong>. A. a, 0" S. 409.<br />

112<br />

113


Die Grenzboten. Zeitschrift fUr <strong>Po</strong>litik <strong>und</strong> Literatur. Hrsg. von Gustav Freytog <strong>und</strong><br />

Julian Schmidt. Verantw. Red.: D. M:>ritz Busch. - Leipzig, 18. Jg. (<strong>1859</strong>), I. Semester,<br />

11. Bd. [H. 1~7, S. 159 - 160, Rubrik: <strong>Po</strong>litische Literatur.<br />

M<strong>in</strong>cio mehr; unser I Genie' wird wie<strong>der</strong> se<strong>in</strong> I zu attakiren', <strong>und</strong> es gibt noch e<strong>in</strong>ige<br />

faule Flecke, wo dies nöthig se<strong>in</strong> wird,"<br />

<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe <strong>in</strong>. - Berl<strong>in</strong>, Franz Duncker. - Der Verfasser, offenbar e<strong>in</strong> Milit1ir,<br />

beweist mit viel Scharfs<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Sachkenntnis, die Ansicht vieler <strong>Po</strong>litiker, <strong>der</strong> <strong>Po</strong>, d. h.<br />

die Lombardei <strong>und</strong> Venedig, sei e<strong>in</strong> unentbehrliches strategisches Complement Deutschlands,<br />

beruhe auf e<strong>in</strong>em völligen Mi ßverst1<strong>in</strong>dnis; daß hier nicht von Deutschland, son<strong>der</strong>n<br />

von Oestreich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er gegenwärtigen Gestalt, das auf eigne Faust <strong>in</strong> Italien Kriege<br />

fuhrt, die Rede se<strong>in</strong> kann. "Oberitalien ist e<strong>in</strong> Anh1:lngsel, das Deutschland unter allen<br />

Umst1<strong>in</strong>den nur <strong>im</strong> Kriege nutzen, <strong>im</strong> Frieden aber nur schdden kann. Die zu se<strong>in</strong>er Nie<strong>der</strong>haltung<br />

nöthigen Armeen s<strong>in</strong>d seit 1820 <strong>im</strong>mer stl:lrker geworden, <strong>und</strong> Ubersteigen seit<br />

1844 <strong>im</strong> tiefste.,. Frieden 70,000 Mann, die sich fortwl:lhrend wie <strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>des Land bef<strong>in</strong>den.<br />

Der Krieg 1848 <strong>und</strong> 49 <strong>und</strong> die Occupation Itoliens bis heute trotz <strong>der</strong> piemontesischen<br />

Kriegscontributition, tratz den wie<strong>der</strong>hol ten lombardischen Contributitionen, Zwangsanleihen<br />

<strong>und</strong> Extrasteuern, hat Oestreich weit mehr gekostet als ihm Italien seit 1848 e<strong>in</strong>gebracht<br />

hat. Und doch ist von 1848 bis 54 das Land systematisch als e<strong>in</strong>e blos provisorische<br />

Besitzung behandel t worden, aus <strong>der</strong> man zieht soviel mon kann, ehe man sie rl:lumt."<br />

"Statt unsere Stl:lrke <strong>im</strong> Besitz fremden Bodens zu suchen <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterdrückung e<strong>in</strong>er<br />

fremden Nationalität, <strong>der</strong> nur das Vorurtheil die Zukunftsfl:lhigkeit absprechen kann,<br />

werden wir besser thun, dafur zu sorgen, daß wir <strong>in</strong> unserm eignen Hause e<strong>in</strong>s <strong>und</strong> stark<br />

s<strong>in</strong>d." "Die Theorie <strong>der</strong> natürlichen Grenzen macht <strong>der</strong> schleswig-holste<strong>in</strong>ischen Frage<br />

mit dem e<strong>in</strong>e n Ruf e<strong>in</strong> Ende: Danemark bis zur Ei<strong>der</strong>. n Was verlangen denn die<br />

D3nen an<strong>der</strong>s als ihren <strong>Po</strong> <strong>und</strong> M<strong>in</strong>cio, <strong>der</strong> Ei<strong>der</strong> heißt? ihr M:>ntua, genannt Friedrichstadt?<br />

Die Theorie <strong>der</strong> natürlichen Grenzen verlangt mit demselben Recht, auf das<br />

Deutschland sich am <strong>Po</strong> stützt, fUr Rußland Galizien <strong>und</strong> die Bukow<strong>in</strong>a usw." "Das Endresultat<br />

dieser ganzen Untersuchung ist, daß wir Deutsche e<strong>in</strong>en ganz ousgezeichneten<br />

Handel machen wUrden, wenn wir den <strong>Po</strong>, den M<strong>in</strong>cio, die Etsch <strong>und</strong> den ganzen italienischen<br />

Pl<strong>und</strong>er vertauschen könnten gegen die E<strong>in</strong>heit, die uns vor e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>holung von<br />

Warschau <strong>und</strong> BronzeIl schutzt, <strong>und</strong> die alle<strong>in</strong> uns nach Innen <strong>und</strong> Außen stark machen<br />

kann. Haben wir diese E<strong>in</strong>heit, so kann die Defensive aufhören. Wir brauchen dann ke<strong>in</strong>en<br />

114<br />

115


Preußische JahrbUcher. Hrsg. von R. Haym. - Berl<strong>in</strong>, 3. Bd. (<strong>1859</strong>), ~7, S. 493 ­<br />

494, Rubrik: Zur Tagesliteratur • <br />

<strong>Po</strong>frage mit <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>frage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nerliche Verb<strong>in</strong>dung. Dieselben Gründe, so weist er<br />

noch, die man fUr die Behauptung des <strong>Po</strong> <strong>und</strong> M<strong>in</strong>eio geltend macht, mativiren das Verlangen<br />

<strong>der</strong> Franzosen nach <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>grenze. Diese beiden Fragen s<strong>in</strong>d<br />

correlat. Die<br />

Bedrohung des Rhe<strong>in</strong>s Seitens <strong>der</strong> Franzosen ist nicht die blaße Alternative, zu <strong>der</strong> Wendung<br />

gegen Oesterreich <strong>in</strong> Italien; die ungewisse Spannung vielmehr,- <strong>in</strong> welcher<br />

Napoleon die Weit über das Ziel se<strong>in</strong>es Angriffs <strong>und</strong> über die Tragweite se<strong>in</strong>er Absichten<br />

I!ißt, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache begrUndet. . Diejenigen, welche von dem Gedanken<br />

<strong>der</strong> mitteleuropllischen Großmachtspolitik aus den Rhe<strong>in</strong> am Pa vertheidigt wissen<br />

.,. Was es mit dem Stichwort auf sich habe, welches von Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> gegenwtlrtigen Verwickelung<br />

<strong>in</strong>sbesondre van österreichischen Fe<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Umlauf gesetzt worden ist, mit dem<br />

Stichwart, daß "<strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong> am <strong>Po</strong> vertheidigt werden müsse", daruber versucht vom militClrischen<br />

Standpunkt aus neuerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e (Berl<strong>in</strong>, bei Franz Duncker erschienene)<br />

Braschüre: "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>" zu verst!<strong>in</strong>digen. Wir müssen <strong>im</strong> E<strong>in</strong>zelnen die Prufung <strong>der</strong> AusfUhrungen<br />

des Verfassers sachk<strong>und</strong>igeren Beurtheilern überlassen; ihr Resultat jedoch<br />

wollen - sie vertheidigen ihn, wie unser Autor sich ausdrUckt,<br />

st<strong>im</strong>mt so vielfach mit demjenigen ubere<strong>in</strong>, welches durch re<strong>in</strong> polmsche ErwClgungen an<br />

die Hand gegeben wird, daß wir den Gedankengang unsrer Broschüre <strong>in</strong> Kurzem skizziren<br />

mUssen. Daß vorkommenden Falls Deutschland die Pasition, die es durch Oesterreich am<br />

<strong>Po</strong> hat, vertheidigen müsse, stellt natUrlich <strong>der</strong> Verfasser nicht <strong>in</strong> Abrede: aber er Illugnet<strong>im</strong><br />

Gegensatz zu <strong>der</strong> Ansicht, wie sie namentlich du(ch die Autorittlt des Herrn vo n<br />

Radow i tz zum popultlren Vorurtheil geworden - daß die lombardei <strong>und</strong> Venedig e<strong>in</strong><br />

vnentbehrliches strategisches Complement <strong>und</strong> somit e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegriren<strong>der</strong> Theil Deutschlands<br />

sei. Wohlgemerkt, Deutschlands. Die Rede ist also nicht van jenem Phantasiestaat, jener<br />

"mitteleuroptlischen Großmacht", die ihren Schwerpunkt <strong>in</strong> Oesterreich ftlnde. Die Rede<br />

ist auch nicht von Oesterreich als selbststtlndigem ·Staat, als europtlischer Großmacht, unabhtlngig<br />

von Deutschland betrachtet. Dieses Oesterreich allerd<strong>in</strong>gs "muß entwe<strong>der</strong> den<br />

nur fUr die Franzose<br />

n. Man möge bei ihm selbst nachlesen, welche weiteren Consequenzen, strategische<br />

wie politische er aus diesem Sachverhl.1ltnis ableitet. Strategische. Die Franzosen<br />

befestigten Paris als sie die Rhe<strong>in</strong>grenze aufgeben mußten: <strong>in</strong> I.1hnlicher Weise <strong>und</strong> durch<br />

Clhnliche Mittel haben auch wir uns auf den Moment vorzubereiten, wo wir Italien aufgeben<br />

werden. Und politische. Auch die Partei <strong>der</strong> Ei<strong>der</strong>dl.1nen verlangt nichts An<strong>der</strong>es<br />

als ihren <strong>Po</strong> <strong>und</strong> M<strong>in</strong>eio gegen Deutschland. Es ist <strong>im</strong> Uebrigen gerade dies e<strong>in</strong> nicht<br />

ger<strong>in</strong>ges Verdienst <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en <strong>Schrift</strong>, daß sie ebensowohl die <strong>Po</strong>litik durch die Strategie<br />

erläutert, als sie andrerseits die falsche Vermischung politischer <strong>und</strong> militllrischer Gesichtspunkte<br />

abweist. Mon hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> That <strong>in</strong> dieser ganzen Frage e<strong>in</strong>en militllrischen<br />

Ehrenpunkt geflissentlich zu dem alle<strong>in</strong> maaßgebenden gemacht. Die Art <strong>und</strong> Weise wie<br />

hier Beides ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gehalten wird, ist hoffentlich ebenso versöhnend, wie sie ohne<br />

M<strong>in</strong>cio <strong>und</strong> unteren <strong>Po</strong> beherrschen, o<strong>der</strong> auf die Vertheidigung Tyrols verzichten", <strong>und</strong><br />

Zweifel versttlndig ist. GegenUber<br />

Napoleon, so wie<strong>der</strong>holt unsre <strong>Schrift</strong> zum<br />

jenes Phantasiedeutschland allerd<strong>in</strong>gs mUßte <strong>in</strong> Italien herrschen, wie es die Nie<strong>der</strong>lande,<br />

<strong>und</strong> was nicht sonst noch, sich e<strong>in</strong>verleiben mUßte. Van Deutschland ist die Rede, von<br />

Deutschland als e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>igen Macht, <strong>der</strong>en milittlrische <strong>und</strong> nationale Krl::lfte von e<strong>in</strong>em<br />

Centrum aus geleitet wUrden. FUr dieses Deutschland ist <strong>der</strong> Besitz <strong>der</strong> M<strong>in</strong>cio- <strong>und</strong><br />

Etschl<strong>in</strong>ie ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e Nothwendigkeit. Es WUrde mit dem Aufgeben <strong>der</strong>selben zwar<br />

e<strong>in</strong>er starken Defensivposition, aber ke<strong>in</strong>er zur Sicherung se<strong>in</strong>er SUdgrenze unentbehrlichen<br />

entsagen. Diese <strong>Po</strong>sition wird aber um so entbehrlicher, je st!irker sich Deutschland <strong>in</strong><br />

sich selbst consolidirt. "Ob wir die lombardei haben, o<strong>der</strong> nicht, " so faßt <strong>der</strong> Verfasser<br />

se<strong>in</strong>e Betrachtungen zusammen, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en strategisches D~tail wir ihm, wie gesagt, nicht<br />

Schluß, handel,! es sich zUnCIchst um die e<strong>in</strong>fache Behauptung e<strong>in</strong>er Prov<strong>in</strong>z, die man nur<br />

gezwungen abtritt, e<strong>in</strong>er militl::lrischen <strong>Po</strong>sition, die man nur räumt, wenn man sie nicht<br />

mehr holten kann - werden wir angegriffen, sa wehren wir uns. Alle<strong>in</strong> die politische<br />

Frage ist damit nicht identisch. Wenn <strong>der</strong> militllrischen Ehre <strong>im</strong> Kriege genUgt ist, so<br />

wird es die Aufgabe des Friedens se<strong>in</strong>, den wahren BedUrfnissen <strong>der</strong> Staaten gerecht zu<br />

se<strong>in</strong>. Und alsdann stellt sich die Frage für Deutschland an<strong>der</strong>s. Es ist die Ansicht des Verfassers,<br />

daß wir Deutsche alsdann e<strong>in</strong>en unverächtlichen Handel mochen wUrden, wenn<br />

wir den <strong>Po</strong>, den M<strong>in</strong>cio, die Etsch vertauschen könnten gegen die E<strong>in</strong>heit, die uns vor<br />

e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>holung von Warschau <strong>und</strong> Bronzelt schUtzte. "Haben wir diese E<strong>in</strong>heit" so<br />

folgen können: "e<strong>in</strong>en bedeutenden E<strong>in</strong>fluß <strong>in</strong> Italien werden wir <strong>im</strong>mer haben,<br />

so<br />

schließt er, "sa kann die Defensive aufhören. Wir brauchen dann ke<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>cio mehr,<br />

longe wir zu Hause stark s<strong>in</strong>d." Und unser Strategikerbr<strong>in</strong>gt sofort die<br />

""unser Genie"" wirdwie<strong>der</strong>se<strong>in</strong> ""zu attakiren.... ; - <strong>und</strong> es giebt noch e<strong>in</strong>ige faule Flecke,<br />

116<br />

wo dies nClthig genug se<strong>in</strong> wird. 11<br />

117


"-~'-'--_'-'-_:__ Social-politische Wochenschrift. Redigirt von Hermann Keipp. Berl<strong>in</strong>,<br />

17. Bd., (<strong>1859</strong>1. 2. Quartal I-Nr. 10/. S. 445 - 448, Rubrik: Zur Kriegs-Literatur.<br />

<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rh e<strong>in</strong>. Der anonyme Verfasser geht <strong>der</strong> seit Anfang dieses <strong>Jahre</strong>s oft <br />

wie<strong>der</strong>holten llehauptunq <strong>der</strong> <strong>Po</strong> mUsse am Rhe<strong>in</strong> vertheidigt werden, <br />

mlichtig <strong>und</strong> schorf zu Leibe. Der Herr Verfasser s<strong>in</strong>d dem politischen Bekenntnis nach <br />

e<strong>in</strong> ganz gewaltiger Demokrat; wir wollen hier nicht gegen die politische Seite <strong>der</strong> <br />

<strong>Schrift</strong> wie: "Die nationale Bewegung <strong>in</strong> Italien ist seit 1820<br />

aus je<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage ve~jungt <strong>und</strong>.gewaltiger hervorgegangen," lassen eben ke<strong>in</strong>e Discussion<br />

zu, weil zu <strong>der</strong> Gegenbehauptung, die ober ganz ebenso berechtigt ist: "Die<br />

revolutionlire Bewegung <strong>in</strong> Italien ist gar ke<strong>in</strong>e nationale mehr!" ke<strong>in</strong>e Brucke fuhrt. Mag<br />

Oestreich <strong>in</strong> Italien politisch gesUndigt haben <strong>in</strong> noch größerem Modle, als es ihm <strong>der</strong><br />

Anonymus schuldgiebt, wir wollen', jetzt dah<strong>in</strong>gestellt se<strong>in</strong> lassen <strong>und</strong> nur die miliHlrische<br />

Seite se<strong>in</strong>er <strong>Schrift</strong> betrachten, die uns e<strong>in</strong>e k<strong>und</strong>ige Hand verrlith. Zuerst wird gebilligt,<br />

daß <strong>der</strong> <strong>Po</strong> jetzt vertheidigt werde, weil <strong>im</strong> Kriege - kurz <strong>und</strong> gut, alle Vortheile gelten<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Verfasser Italien fUr den Sack hlllt, auf den Louis Napoleon schlligt, wlihrend<br />

Deutschland den Esel vorstellen soll, den er me<strong>in</strong>t. Der Rhe<strong>in</strong> wird jetzt also wirklich am<br />

<strong>Po</strong> vertheidigt. Ganz verschieden davon aber ist, nach <strong>der</strong> Ansicht des Verfassers <strong>und</strong><br />

auch nach <strong>der</strong> unsrigen, die Ansicht, <strong>der</strong> <strong>Po</strong>, d. h. die Lombardei <strong>und</strong> Venedig, sei e<strong>in</strong><br />

unentbehrliches strategisches Complement, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegriren<strong>der</strong> Theil von Deutschland.<br />

General von Radowitz hot diese Ansicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Paulskirche verfochten, <strong>in</strong>dem er ausfUhrte,<br />

daß, wenn Oestreichs Grenze h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Etsch llige, so wUrde sich Deutschland<br />

von Anfang an <strong>in</strong> <strong>der</strong> Loge bef<strong>in</strong>den, wie jetzt erst noch e<strong>in</strong>em verlorenen Feldzuge. Der<br />

Verfasser macht sich uber die militlirische E<strong>in</strong>sicht <strong>der</strong> Paulskirchenml<strong>in</strong>ner lustig, noch<br />

<strong>der</strong>en Maaß Radowitz wohl se<strong>in</strong>e Behauptung e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>und</strong> bemerkt schlagend, daß<br />

e<strong>in</strong>e noch <strong>in</strong>tacte Armee an <strong>der</strong> Etschgrenze doch nicht mit e<strong>in</strong>er geschlagenen <strong>und</strong> durch<br />

e<strong>in</strong>en unglUcklichen Feldzug desorganisirten verglichen werden könne. Auch General von<br />

Willisen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Italil<strong>in</strong>ischen Feldzuge des <strong>Jahre</strong>s 1848 <strong>und</strong> <strong>der</strong> baierische General<br />

von Hailbronner <strong>in</strong> <strong>der</strong> "A. A. Ztg." haben fUr diese Ansicht geschrieben. Unser Anonymus<br />

ist an<strong>der</strong>er Ansicht <strong>und</strong> behauptet, daß Deutschland durch die Ptlsse, welche von Karfreith<br />

bis zum Stilfser Joch uber dos Gebirge nach Italien fuhren, strategisch so gUnstig<br />

stehe, daß es ihmganz gleichgultig se<strong>in</strong> kQnne, wer <strong>im</strong> Besitz <strong>der</strong> Ebene bis zum <strong>Po</strong>. Es<br />

118<br />

giebt ke<strong>in</strong>e Stellung dar<strong>in</strong>, die nicht von Tyroler <strong>und</strong> GraubUndtner P/lssen aus <strong>in</strong> die<br />

Flanke o<strong>der</strong> <strong>im</strong> RUcken genommen werden könne. Es wird dos durch zahlreiche Beispiele<br />

belegt <strong>und</strong> daraus die Conclusion gemocht: " •.• so sehe~ wir, daß <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluß e<strong>in</strong>er<br />

französischen Umgehung durch die Alpen e<strong>in</strong>erseits, <strong>und</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>er <strong>deutschen</strong> an<strong>der</strong>erseits,<br />

bis an den Tess<strong>in</strong> reicht. Wenn ober die Deutschen am Tess<strong>in</strong>, wenn sie nur bei Piacenza<br />

<strong>und</strong> Cremona stehen, so verlegen sie den Franzosen den Landweg nach <strong>der</strong> italiönischen<br />

Halb<strong>in</strong>sel. Mit an<strong>der</strong>en Worten: wenn Frankreich Piemont dom<strong>in</strong>irt, so dom<strong>in</strong>irt Deutschland<br />

dos ganze ubrige Italien."<br />

Ueber die deutsche Operationsl<strong>in</strong>ie gegen Italien sagt <strong>der</strong> Anonymus:<br />

"So lange die Schweiz neutral bleibt, ist also Tyrol, <strong>und</strong> sobald die NeutralitClt <strong>der</strong><br />

Schweiz aufhört, ist Groub<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Tyrol (dos Innthal <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>thaI) <strong>der</strong> geradeste<br />

Weg fUr e<strong>in</strong> deutsches Heer, dos gegen Italien operirt. Auf dieser L<strong>in</strong>ie drangen die<br />

Hohenstaulen noch [talien; auf ke<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>n kann e<strong>in</strong>, militarisch wie e<strong>in</strong> Staat<br />

agirendes, Deutschland mit raschen Schlligen entscheidend <strong>in</strong> Italien wirken. FUr diese<br />

L<strong>in</strong>ie ober ist nicht Inneröstreich, son<strong>der</strong>n Oberschwaben <strong>und</strong> Boiern, vom Bodensee bis<br />

Salzburg, die Operotionsbasis. Im ganzen Mittelalter hot dies gegolten. Erst als Oestreich<br />

sich an <strong>der</strong> Mitteldonau consolidirte, als Wien<br />

<strong>der</strong> Monarchie wurde,<br />

als das deutsche Reich zerfiel <strong>und</strong> <strong>in</strong> Italien nicht mehr deutsche, s0n<strong>der</strong>n nur noch<br />

ÖSfreichische Kriege gefuhrt wurden, erst da wurde die alte, kurze, gerade L<strong>in</strong>ie von<br />

Inspruck auf Verona <strong>und</strong> von L<strong>in</strong>clou auf Moiland verlassen, erst da trat die longe, krumme,<br />

schlechte L<strong>in</strong>ie von Wien Uber Klagenfurt <strong>und</strong> Treviso auf Vicenza on ihre Stelle, e<strong>in</strong>e<br />

l<strong>in</strong>ie, auf die sich frUhor e<strong>in</strong>e deutsche Armee nur <strong>im</strong> liußersten Nothfall des bedrohten<br />

RUckzuges, nie aber fur den Angriff verlassen hlitte." - Dann heißt es weiter:<br />

"So lange dos deutsche Reich als e<strong>in</strong>e wirkliche Militllrmacht bestand, so longe es demgemöß<br />

se<strong>in</strong>e Angriffe gegen Italien auf Oberschwaben <strong>und</strong> Boiern bosirte, so longe mochte<br />

es die Unterwerfung Oberitaliens aus politischen Gründen anstreben, nie aber aus re<strong>in</strong><br />

militl:lrischen. In den langen Kl<strong>im</strong>pfen um Italien ist die Lombardei bald deutsch, bald<br />

unabhängig, bald spanisch, bald östre ichisch gewesen; die Lombardei aber, was nicht zu<br />

vergessen ist, War von Venedig getrennt, <strong>und</strong> Venedig war unabhClngig. Und obwohl die<br />

Lombardei Mantua besaß, so schloß sie doch gerade die M<strong>in</strong>ciol<strong>in</strong>ie <strong>und</strong> dos Gebiet<br />

zwischen M<strong>in</strong>cio <strong>und</strong> [sonzo aus, ohne dessen Besitz, wie uns ietzt versichert wird,<br />

Deutschland nicht ruhig schlafen kann. Deutschland (durch Vermittelung Oestreichs)<br />

ist erst seit 1814 <strong>in</strong> den vollen Besitz <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ciol<strong>in</strong>ie gekommen. Und wenn auch Deutschland,<br />

als pol itischer Körper, <strong>im</strong> siebenzehnten <strong>und</strong> achtzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert eben nicht<br />

119


die brillanteste Rolle gespielt hat, so war doch <strong>der</strong> mangelnde Besitz <strong>der</strong> M<strong>in</strong>ciol<strong>in</strong>ie<br />

jedenfalls nicht schuld daran."<br />

Indessen giebt <strong>der</strong> Verfasser auch wie<strong>der</strong> zu, daß fUr Oestreich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigen Gestaltdie<br />

M<strong>in</strong>cio-l<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Lebensfrage sei. Oestreich, sagt er, als selbst~ndiger<br />

Staat, <strong>der</strong> als europl:lische Großmacht auch unabhl:lngig von<br />

Deutschland agiren will, muß entwe<strong>der</strong> den M<strong>in</strong>cio <strong>und</strong> untern<br />

<strong>Po</strong> beherrschen, o<strong>der</strong> auf die Vertheidigung Tyrols verzichten.<br />

T yrol wl.lre sonst noch bei den Seiten umgangen <strong>und</strong> nur durch den toblocher Paß mit dem<br />

Rest <strong>der</strong> Monarchie verb<strong>und</strong>en.<br />

Dieses Zugestl:lndnis des Verfassers ist fUr uns aber die Hauptsache, denn da wir vorl/jufig<br />

Oestreich noch als "selbstl.lndigen Staat" <strong>und</strong> als "europl.lische Großmacht" betrachten<br />

<strong>und</strong> behalten wollen, da wir, vorbehalten manchen Wunsch, es fUr unpatriotisch<br />

halten, jetzt, wo Oestreich von e<strong>in</strong>em gefl.lhrlichen Gegner angegriffen ist, ihm irgendwie<br />

Zurnuthungen zu machen, die uns unter I:Ihnlichen Umstllnden sehr unbequem se<strong>in</strong><br />

wUrden, so gesellen wir uns mit unsern Sympathien zu den topfern Kriegern Oestreichs,<br />

die den Rhe<strong>in</strong> am <strong>Po</strong> vertheidigen, wenn wir freilich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie dem Verfasser wohl<br />

zugeben mUSsen, daß e<strong>in</strong> starkes concentrirtes e<strong>in</strong>iges Deutschland (mit e<strong>in</strong>em Convent <strong>in</strong><br />

Frankfurt vielleicht?) auch ohne die M<strong>in</strong>cio-l<strong>in</strong>ie wUrde ruhig schlafen kl:lnnen, wenn es<br />

nllmlich nicht an<strong>der</strong>e D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ruhe störten.<br />

Schließlich geben wir hier noch, was <strong>der</strong> milit/jrisch gewiß k<strong>und</strong>ige Verfasser Uber die<br />

M<strong>in</strong>cio-l<strong>in</strong>ie sogt, uber die wir oben schon zwei Urtheile beigebracht haben.<br />

"Die zweite <strong>Po</strong>sition, die fUr das Venetianische dasselbe <strong>und</strong> noch viel mehr gegen<br />

Angriffe aus Westen leistet, was Alessandria fUr Piemont, ist die des M<strong>in</strong>cio <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Etsch. Aus dem Gardasee heraustretend, fließt <strong>der</strong> M<strong>in</strong>cio vier Meilen weit, bis<br />

Mantua, <strong>in</strong> sUdlicher Richtung, erleidet bei Mantua e<strong>in</strong>e seeartig von SUmpfen umgebene<br />

Ausbuchtung, <strong>und</strong> fließt dann <strong>in</strong> sUdöstlicher Richtung dem <strong>Po</strong> zu. Die Flußstrecke unterhalb<br />

<strong>der</strong> Mantuaner SUmpfe bis zur M<strong>und</strong>ung ist zu kurz, um e<strong>in</strong>er Armee zum Uebergang<br />

zu dienen, <strong>in</strong>dem <strong>der</strong> aus Mantua debouchirende Fe<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> den Rucken nehmen <strong>und</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>er Schlacht unter den ungUnstigsten Umstllnden zw<strong>in</strong>gen k!lnnte. E<strong>in</strong>e Umgehung von<br />

SUden her mUßte weiter ausholen <strong>und</strong> bei Revere o<strong>der</strong> Ferrara uber den <strong>Po</strong> gehen. Von<br />

Norden ist die Stellung am M<strong>in</strong>cio durch den Gardasee auf weith<strong>in</strong> vor Umgehung geschUtzt,<br />

so daß die wirklich zu vertheidigende l<strong>in</strong>ie des M<strong>in</strong>cio von Peschiera bis<br />

Mantua, nur vier Meilen lang ist <strong>und</strong> an jedem Flugei sich an e<strong>in</strong>e Festung anlehnt,


Berl<strong>in</strong>ische Nachrichten von Stoats- <strong>und</strong> gelehrten Sachen. In <strong>der</strong> Haude <strong>und</strong><br />

Spenerschen Zeitungs-Expedition. Red.: Alexis Schmidt. - Barl<strong>in</strong>, (<strong>1859</strong>), Nr. 88 vom<br />

14. April, Rubrik: Wissenschaftliche <strong>und</strong> Kunst-Nachrichten.<br />

<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rh e<strong>in</strong>. Barl<strong>in</strong> <strong>1859</strong>. Franz Duncker. Der Verfasser steht ungefähr auf dem<br />

Stondpunkte, von welchem die BroschUre "Preußen <strong>und</strong> die itoliänische Frage" ausgegangen<br />

ist. Er hält die Lombardei ke<strong>in</strong>eswegs fOr so wichtig <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Interesse, als es<br />

die Fre<strong>und</strong>e Oesterreichs darzustellen suchen. Sie sey es we<strong>der</strong> <strong>in</strong> militärischer noch <strong>in</strong><br />

politischer H<strong>in</strong>sicht, <strong>in</strong> militärischet nicht, weil jedes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lombardei bef<strong>in</strong>dliche Heer<br />

von den liroler Alpen aus mit Vortheil angegriffen werden könne, <strong>in</strong> politischer nicht,<br />

weil <strong>der</strong> Vortheil den Oesterreich aus <strong>der</strong> Lombardei ziehe, <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Verhtlltnis zu dem<br />

fanatischen Haß stehe, den es dadurch von Seiten <strong>der</strong> ltoliäner zuziehe. Am wenigsten<br />

geglUckt ist <strong>der</strong> Beweis vom milittlrischen Stondpunkte, denn es ist doch <strong>im</strong>mer besser,<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Stellung <strong>in</strong>ne haben, als sie verhtlltnismtlßig nicht erobern können. Was<br />

die politische Seite <strong>der</strong> Frage betrifft, so mag es wichtig seyn, daß ltolien, wenn es unabhängig<br />

wl:lre, sich wahrsche<strong>in</strong>lich viel mehr Deutschland als Frankreich zuneigen wUrde,<br />

aber e<strong>in</strong>e ernstljafte <strong>Po</strong>litik kann nicht so gewagte Exper<strong>im</strong>ente machen <strong>und</strong> unter den<br />

jetzigen Verhältnissen wäre e<strong>in</strong> ZvrUckweichen aus ltolien ohne Schwertstreich noch<br />

schl<strong>im</strong>mer als e<strong>in</strong> verlornes ltolien. Mit vieler Schtlrfe zeichnet <strong>der</strong> Verfasser dagegen<br />

die falsche <strong>Po</strong>litik, welche Oesterreich gegenUber Italien seit se<strong>in</strong>er Herrschaft befolgt<br />

<strong>und</strong> welche dieser Herrschaft e<strong>in</strong>en <strong>im</strong>mer gewaltsameren Charakter gegeben hat <strong>und</strong><br />

schließlich doch ihr Ende herbeifUhren muß.<br />

122<br />

Hamburger Nachrichten. Hrsg., redigirt, verlegt u. gedr. von Hermann's Erben. ­<br />

Hamburg, (<strong>1859</strong>), Nr. 91 vom 16. April, Margenausg., Rubrik: Kle<strong>in</strong>e Mittheilungen.<br />

<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e bei Franz Duncker <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> erschienene Flugschrift betrachtet die<br />

gangbare Frage, ob <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong> von Deutschland am <strong>Po</strong> vertheidigt werden mUsse. Allerd<strong>in</strong>gs,<br />

lautet die Antwort des ungenannten Verfassers darauf: allerd<strong>in</strong>gs, <strong>in</strong> so fern die<br />

bonapartistischen RUstungen ltolien zum nl:lchsten Gegenstonde, die Rhe<strong>in</strong>grenze aber<br />

zum Ziele haben, - <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> That, was Louis Napoleon unter <strong>der</strong> Befreiung ltoliens<br />

me<strong>in</strong>t, das dUrfte <strong>in</strong> Deutschland nicht mißverstonden werden. Seien wir also jetzt von<br />

e<strong>in</strong>em Angriff Frankreichs bedroht, so wUrde die Stellung am <strong>Po</strong> mit dem Aufgebot aller<br />

Mittel, als unsere stärkste militairische <strong>Po</strong>sition vertheidigt werden mUssen. "Aber",<br />

fahrt die Broschure fort, "diese Art, den Rhe<strong>in</strong> am <strong>Po</strong> zu vertheidigen, ist sehr zu unterscheiden<br />

von <strong>der</strong> Tendenz vieler deutscher Militoirs <strong>und</strong> <strong>Po</strong>litiker, den <strong>Po</strong>, d. h. die<br />

Lombardei <strong>und</strong> Venedig, fUr e<strong>in</strong> unentbehrliches strategisches Complement, <strong>und</strong> so zu<br />

sagen fUr e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegrirenden Thei! Deutschlands zu erkll:lren." Die Betrachtung <strong>der</strong><br />

itolienischen Feldzuge seit <strong>der</strong> ersten französischen Revolution br<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Verfasser vielmehr<br />

auf e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>es Ergebniß. Er unterscheidet nI:Imlich die augenbiickliche Bedeutung,<br />

welche <strong>der</strong> Besitz <strong>der</strong> Lombardei fUr die strategische Lage Deutschlands hat, von<br />

den dauernden Zustl:lnden, die dieser Besitz bed<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> die we<strong>der</strong> durch die Autorität<br />

e<strong>in</strong>es Radowitz beschönigt werden, noch <strong>in</strong> den Folgerungen Willisens, Hailbronners<br />

u. A. haltbar ersche<strong>in</strong>en könnten. Ne<strong>in</strong>, Oberitolien ist dem Verfasser e<strong>in</strong> Anhl:lngsel,<br />

das Deutschland unter allen Umstl:lnden nur <strong>im</strong> Kriege nutzen, <strong>im</strong> Frieden aber blos<br />

schaden kann. Die zu se<strong>in</strong>er Nie<strong>der</strong>halthung nöthigen Armeen s<strong>in</strong>d seit 1820 <strong>im</strong>mer<br />

stärker geworden <strong>und</strong> ubersteigen seit 1848 <strong>im</strong> tiefsten Frieden 70,000 Mann, die sich<br />

fortwährend wie <strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>des Land bef<strong>in</strong>den, jeden Augenblick auf Angriffe gefaßt se<strong>in</strong><br />

mUssen. Es kostet den Oesterreichern weit mehr, als es ihnen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt, es nöthigt sie zu<br />

tvlaßregeln, <strong>der</strong>en Mitverantwortlichkeit Deutschland nicht tragen mag, es ist die Quelle<br />

unausgesetzter politischer Schwierigkeiten. Ferner sucht die Flugschrift darzuthun, daß<br />

wenn wir von ltolien den <strong>Po</strong> <strong>und</strong> den M<strong>in</strong>cio zum Schutz, nicht sowohl gegen die ltoliener,<br />

als gegen die Franzosen verlangen, wir uns auch nicht w<strong>und</strong>ern dUrften, wenn die Franzosen<br />

ebenfalls Flußl<strong>in</strong>ien zum Schutz gegen uns <strong>in</strong> Anspruch nl:lhmen. Frankreich liege<br />

offen mit se<strong>in</strong>er Nordgrenze gegen Belgien. WofUr uns <strong>der</strong> <strong>Po</strong> von jener mitteleuropäischen<br />

123


<strong>Po</strong>litik ausgegeben werde, das sei <strong>in</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong> fur die Franzosen. Aber um<br />

sich das mangelnde Schutzmittel e<strong>in</strong>er natUrlichen Grenze ,gegen Deutschland zu ersetzen,<br />

so habe Frankreich Paris befestigt. Aehnlich seien die Belgier verfahren neuerd<strong>in</strong>gs,<br />

dem Drucke Frankreichs ge genuber • Sie schleiften alle die Festungen, die die<br />

Weisheit des Wiener Congresses dem Lande octroyirt hatte, als vollständig nutzlos gegen<br />

Frankreich, <strong>und</strong> errichteten um Antwerpen e<strong>in</strong> verschanztes Lager, graß genug, die ganze<br />

Armee aufzunehmen, <strong>und</strong> dort, <strong>im</strong> Falle e<strong>in</strong>er französischen Invasion, englischen o<strong>der</strong><br />

<strong>deutschen</strong> Succurs abwarten zu können. In se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren E<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit<br />

se<strong>in</strong>es Hande<strong>in</strong>s hat Deutschland se<strong>in</strong>e Stärke zu suchen <strong>und</strong> nicht am <strong>Po</strong> <strong>und</strong> an <strong>der</strong><br />

Etsch. Darauf läuft endlich die Iv\e<strong>in</strong>ung des Verfassers h<strong>in</strong>aus, die freilich, auch wenn<br />

sie sich Geltung verschafft, die Ussung <strong>der</strong> gegenwärtigen Verwickelungen nicht son<strong>der</strong>lich<br />

zu för<strong>der</strong>n vermag.<br />

124<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung. - Augsburg, (<strong>1859</strong>), Nr. 109 vom 19. April, Beilage; Nr. 111 vom<br />

21. April, Beilage.<br />

<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>.<br />

I.<br />

Die preußische Publicistik hat die politische Seite <strong>der</strong> italienischen Frage sehr fleißig<br />

bearbeitet, <strong>und</strong> dabei selbstversff<strong>in</strong>dlich viel Intelligenz <strong>und</strong> politische Erudition bewiesen.<br />

Daß die Ges<strong>in</strong>nung dabei <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zu sehr specifisch preußisch war, ist zu<br />

beklagen,. aber psychologisch leicht zu erklären. Mit Vergnugen begegnen wir nun e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Schrift</strong> welche die große Frage vorzugsweise militl:lrisch beurthellt. Es geschieht dieß <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> soeben bei Franz Duncker <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> anonym erschienen Broschure "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>." Der<br />

Verfasser ist offenbar Mi! itHr vom Fach. Er kennt den Schauplatz <strong>der</strong> Frage nicht bloß<br />

aus kriegsgeschichtlichen Werken, son<strong>der</strong>n aus eigener Anschauung. Es ist von hohem<br />

Interesse alle die Gebirgspl:iasse, ThHler, Ebenen <strong>und</strong> Flußl<strong>in</strong>ien, welche aller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

nach wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schauplatz e<strong>in</strong>es jener Kämpfe seyn werden, die dort<br />

<strong>im</strong> Laufe von Jahrh<strong>und</strong>erten schon oft getobt haben, <strong>im</strong> Detail geschil<strong>der</strong>t <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrer<br />

strategischen Bedeutung gewurdigt zu sehen.<br />

Der miliffirische Inhalt <strong>der</strong> <strong>Schrift</strong> ist anziehend <strong>und</strong> lehrreich; nicht so glucklich ist<br />

<strong>der</strong> Verfasser als <strong>Po</strong>litiker. Auch er ist <strong>in</strong> dem Dualismus befangen welcher die preußische<br />

Publicistik Uberhaupt kennzeichnet. Auch er sieht nicht das ganze Deutschland, son<strong>der</strong>n<br />

Deutschland <strong>und</strong> Oesterreich, <strong>und</strong> er kommt <strong>im</strong> ganzen Verlauf se<strong>in</strong>er <strong>Schrift</strong> nicht mit<br />

sich selbst <strong>in</strong>s klare, ob die schwebende italienische Frage bloß e<strong>in</strong>e ästerreichische, o<strong>der</strong><br />

denn doch auch e<strong>in</strong>e deutsche Frage sey. Der Verfasser schadet sich dadurch selber am<br />

meisten. Der politische Dualismus zerreißt ihm se<strong>in</strong> fest geglie<strong>der</strong>tes miliffirisches<br />

Raisonnement, <strong>und</strong> wo <strong>der</strong> strategische Scharfblick <strong>und</strong> das soldatische Ehrgefuhl das<br />

Richtige erfaßt haben, da krHnkelt <strong>der</strong> kräftige Ausdruck an <strong>der</strong> Blässe des krankhaften<br />

kle<strong>in</strong><strong>deutschen</strong> Gedankens.<br />

Der Verfasser leitet die <strong>Schrift</strong> durch die irrige Behauptung e<strong>in</strong>, daß <strong>der</strong> Satz: "<strong>der</strong><br />

Rhe<strong>in</strong> mUsse am <strong>Po</strong> vertheidigt werden," erst seit Anfang dieses <strong>Jahre</strong>s zum Stichwort<br />

e<strong>in</strong>es großen Theils <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Presse</strong> geworden sey. Dessenungeachtet vertheidigt er<br />

diesen Satz selber mit folgenden kretftigen Worten:<br />

"Dieses Stichwort hat se<strong>in</strong>e volle Berechtigung gegenUber den Bonaparte 'schen RUstun­<br />

125


gen <strong>und</strong> Drohungen. Mit richtigem Inst<strong>in</strong>ct wurde es <strong>in</strong> Deutschland herausgefUhlt, daß,<br />

wenn <strong>der</strong> <strong>Po</strong> fUr Louis Napoleon <strong>der</strong> Vorwand war, <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong> unter allen UrT'IStllnden se<strong>in</strong><br />

Endziel seyn mußte. Nur e<strong>in</strong> Krieg um die Rhe<strong>in</strong>grllnze kann mtlglicherweise den Blitzableiter<br />

abgegeben gegen die beiden den Bonoportismus <strong>im</strong> Innern Frankreichs bedrohenden<br />

Elemente: die patriotische "lJeberkraft" <strong>der</strong> revolutionllren Massen <strong>und</strong> das gIlhrende<br />

Mißbehagen <strong>der</strong> "Bourgeoisie." Den e<strong>in</strong>e gabe er nationale Beschäftigung, den a.n<strong>der</strong>n die<br />

Aussicht auf e<strong>in</strong>en neuen Markt. Das Gerede von <strong>der</strong> Befreiung Italiens konnte daher <strong>in</strong><br />

Deutschland nicht mißverstanden werden. Es war <strong>der</strong> Fall des alten Spruchwarts: man<br />

schh:lgt den Sack, <strong>und</strong> me<strong>in</strong>t den Esel. Fand Italien sich veranlaßt den Sack vorzustellen,<br />

so hatte doch Deutschland dießmal ke<strong>in</strong>e Lust den Esel abzugeben.<br />

Die Behauptung des <strong>Po</strong> hatte als.o <strong>im</strong> varliegenden Fall e<strong>in</strong>fach die Bedeutung: daß<br />

Deutschland, bei dem es sich <strong>in</strong> letzter Instanz um den Besitz e<strong>in</strong>iger se<strong>in</strong>er besten Prov<strong>in</strong>zen<br />

handelte, <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise daran denken konnte e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er stllrksten, ja geradezu<br />

se<strong>in</strong>e stärkste militärische <strong>Po</strong>sition ohne Schwertstreich aufzugeben. In diesem S<strong>in</strong>n war<br />

allerd<strong>in</strong>gs ganz Deutschland bei <strong>der</strong> Vertheidigung des <strong>Po</strong> <strong>in</strong>teressirt. Am Vorabend e<strong>in</strong>es<br />

Kriegs wie <strong>im</strong> Krieg selbst besetzt man jede benutzbare Stellung, von <strong>der</strong> aus man den<br />

Fe<strong>in</strong>d bedrohen <strong>und</strong> ihm schaden kann, ohne moralische Reflexionen daruber anzustellen,<br />

ob dieß mit <strong>der</strong> ewigen Gerechtigkeit <strong>und</strong> dem Nationalitlltspr<strong>in</strong>cip vere<strong>in</strong>bar ist. Man<br />

wehrt sich eben se<strong>in</strong>er Haut."<br />

Mit dieser schtlnen Stelle wllre eigentlich alles gesagt, aber <strong>der</strong> Verfasser schreibt nun<br />

noch vier Bogen, um zu beweisen daß obige Art, den Rhe<strong>in</strong> am <strong>Po</strong> zu vertheidigen, sehr<br />

zu unterscheiden sey von <strong>der</strong> Tendenz vieler deutscher Miliffirs <strong>und</strong> <strong>Po</strong>litiker, den <strong>Po</strong>,<br />

d. h. die Lombardei <strong>und</strong> Venedig fUr e<strong>in</strong> unentbehrliches strategisches Complement <strong>und</strong><br />

so zu sagen fUr e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegrirenden Thei! Deutschlands zu erkltlren. Dieser varzuglich von<br />

Radowitz, Willisen <strong>und</strong> Hailbronner vertheidigten Ansicht glaubt unser Verfasser entschieden<br />

entgegentreten zu mUssen. Er schil<strong>der</strong>t die Bedeutung des <strong>Po</strong>- <strong>und</strong> Etschthales<br />

<strong>und</strong> die gUnstige Lage <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Gr!lnze wie folgt:<br />

"Noch mehr als Belgien ist Oberitalien seit Jahrh<strong>und</strong>erten das Schlachtfeld, auf dem<br />

Deutsche <strong>und</strong> Franzosen ihre Kriege gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ausgefochten haben. Der Besitz<br />

Belgiens <strong>und</strong> des <strong>Po</strong>-Thais, fUr den Angreifer, ist nothwendige Bed<strong>in</strong>gung, sey es e<strong>in</strong>er<br />

<strong>deutschen</strong> Invasion Frankreichs, sey es e<strong>in</strong>er franz1l5ischen Invasion Deutschlands; erst<br />

dieser Besitz sichert vollstl:!ndig Flanken <strong>und</strong> Rucken <strong>der</strong> Invasion. Nur <strong>der</strong> Fall e<strong>in</strong>er<br />

ganzen sicheren Neutralitm dieser Ll:!n<strong>der</strong> könnte e<strong>in</strong>e Ausnahme bilden, <strong>und</strong> dieser Fall<br />

hat bis jetz nie existirt.<br />

\26<br />

"Wenn auf den Schlachtfel<strong>der</strong>n des <strong>Po</strong>-Thales <strong>in</strong>direct <strong>und</strong> mittelbar das Geschick<br />

Frankreichs <strong>und</strong> Deutschlands seit dem Tage von Pavia entschieden wurde, so wurde das<br />

Geschick Italiens dart gleichzeitig direct <strong>und</strong> unmittelbar entschieden. Mit den großen<br />

stehenden Heeren <strong>der</strong> neueren Zeit, mit <strong>der</strong> wachsenden Macht Frankreichs <strong>und</strong> Deutschlands,<br />

mit dem politischen Zerfallen Italiens verlor das eigentliche alte Italien, sudlich<br />

des Rubicon, alle milit!lrische Bedeutung, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Besitz des olten cisalp<strong>in</strong>ischen<br />

Galliens zog die Herrschaft uber die schmale langgestreckte Halb<strong>in</strong>sel unvermeidlich<br />

nach sich. In den Bass<strong>in</strong>s des <strong>Po</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Etsch, an <strong>der</strong> genuesischen, romagoolischen <strong>und</strong><br />

venezianischen KUste saß die dichteste Bevölkerung, concentrirte sich <strong>der</strong> bluhendste<br />

Ackerbau, die thtltigste Industrie, <strong>der</strong> lebhafteste Handel Italiens. Die Halb<strong>in</strong>sel,<br />

Neapel <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kirchenstaat blieben verhllltnißmtlßig stationllr <strong>in</strong> ihrer gesellschaftlichen<br />

Entwicklung; ihre Kriegsmacht hatte seit Jahrh<strong>und</strong>erten nicht mehr gezllhlt. Wer das<br />

Pathal besaß, schnitt die Landverb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Halb<strong>in</strong>sel mit dem ubrigen Festland ob, <strong>und</strong><br />

konnte sie gelegentlich mit leichter Muhe unterwerfen. So die Franzosen zwe<strong>im</strong>al <strong>im</strong> Revolutionskriegs,<br />

so die Oesterreicher zwe<strong>im</strong>al <strong>in</strong> diesem Jahrh<strong>und</strong>ert. Daher hat nur das<br />

Bass,n des <strong>Po</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Etsch Bedeutung fUr den Krieg.<br />

"E<strong>in</strong>gefaßt auf drei Seiten von <strong>der</strong> ununterbrochenen Gebirgskette <strong>der</strong> Alpen <strong>und</strong><br />

Apenn<strong>in</strong>en, <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> vierten, von Aquileja bis R<strong>im</strong><strong>in</strong>i, vom adriatischen Meer, bildet<br />

dieß Bass<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en von <strong>der</strong> Natur sehr scharf markirten Bodenabschnitt , den <strong>der</strong> <strong>Po</strong> von<br />

West nach Ost durchitluft. Die sUdliche o<strong>der</strong> apenn<strong>in</strong>ische Ab9rllnzung hat ke<strong>in</strong> Interesse<br />

fUr uns hier; die nl:irdliche o<strong>der</strong> alp<strong>in</strong>ische desto mehr. Ihr schneebedeckter RUcken ist nur<br />

an wenigen Stellen auf chaussirten Wegen zu possiren; selbst die Zahl <strong>der</strong> Fahr- <strong>und</strong> Saumwege<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Fußpfad ist beschrllnkt; langgestreckte Thaldefileen fuhren ZU den pl:Issen<br />

uber das Hochgebirg. <br />

"Die deutsche Grllnze umfoßt Narditalien von <strong>der</strong> M<strong>und</strong>ung des bonzo bis zum Stilfser <br />

Jach; von da bis Genf reicht die Grllnze <strong>der</strong> Schweiz; von Genf bis zur M<strong>und</strong> un 9 des Var <br />

stößt Frankreich an. Vom adriatischen Meere bis zum Stilfser Joch, nach Westen gerechnet, <br />

fuhrt je<strong>der</strong> folgende Paß <strong>im</strong>mer tiefer <strong>in</strong>s Herz des <strong>Po</strong>bass<strong>in</strong>s, umgeht also alle weiter i:SSt­<br />

Iich liegenden Stellungen e<strong>in</strong>er italienischen o<strong>der</strong> franz6Sischen Armee. Die Grllnzl<strong>in</strong>ie <br />

des Isonzo wird gleich durch den ersten Paß, van Karfreith (Caporetto) auf Cividale um­<br />

gangen. Der Paß von <strong>Po</strong>ntafel umgeht die Stellung am Tagliamento, die auch noch von <br />

zwei nicht chaussirten P1lssen aus Kllrnthen <strong>und</strong> Cadore <strong>in</strong> die Flanke genommen wird. Der <br />

Brenner-Paß umgeht die Plave-L<strong>in</strong>ie durch den Pentelst-Paß von Brunneckenl auf Cort<strong>in</strong>a <br />

d'Ampezzo <strong>und</strong> 8elluno, die Brenta-I:<strong>in</strong>ie durch die Val Sugana auf Bassano, die Etsch­<br />

127


L<strong>in</strong>ie durch das Etsch-Thai, den Chiese durch Judicarien, den Oglio auf nichtchaussirten<br />

Wegen über den Tooole, <strong>und</strong> endlich alles Gebiet 1::IStlich <strong>der</strong> Adda über das Stilfser<br />

Joch <strong>und</strong> durch das Veltl<strong>in</strong>."<br />

Aus dieser günstigen strategischen lage zieht <strong>der</strong> Verfasser dann den Schluß, "daß <strong>der</strong><br />

wirkliche Besitz <strong>der</strong> Ebenen bis zum <strong>Po</strong> uns Deutschen ziemlich gleichgültig seyn<br />

könnte."(!) Um dieß noch deutlicher darzuthun, wird dann mit großer Sach- <strong>und</strong> Geschichtskenntniß<br />

<strong>der</strong> Beweis geführt, daß alle aus Deutschland nach Italien führend!l,n<br />

Hachptlsse fast zu je<strong>der</strong> <strong>Jahre</strong>szeit für Kriegszwecke praktikabel s<strong>in</strong>d. Es wird an<br />

M:1cdonalds W<strong>in</strong>tercampagne (1794) am Splugen <strong>und</strong> Tonale, an den Alpenübergang<br />

Napoleons <strong>und</strong> auch an Suworoffs beruhmten Zug er<strong>in</strong>nert, "wo das russische Bajonnett<br />

durch die Alpen drang. 11 Wenn nun solche ZUge schon vor 60 <strong>Jahre</strong>n mtlglich waren, um<br />

wieviel mehr erst jetzt, wo wir <strong>in</strong> den meisten Ptlssen die schönsten Chausseen haben? Aus<br />

dieser ganzen Betrachtung wird dann gefolgert daß ke<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>dliche Armee sich gegen e<strong>in</strong><br />

Uber die Alpen vordr<strong>in</strong>gendes deutsches Heer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ebene behaupten kann, daß also<br />

Deutschland von dort nichts zu furchten, folglich an dem Besitz des <strong>Po</strong>thals ke<strong>in</strong> Interesse<br />

hat.<br />

Aber die militi:lrische Consequenz ist m/lchtiger als die aus dem politischen Dualismus<br />

fließende Spitzf<strong>in</strong>digkeit. Unmittelbar nachdem unser Verfasser weitltlufig zu beweisen<br />

gesucht daß die <strong>Po</strong>-Ebene den Deutschen "ziemlich gleichgUltig" seyn könnte, zw<strong>in</strong>gt<br />

ihn se<strong>in</strong> milittlrisches Gewissen die hohe Bedeutung dieses Gebiets fur die neuere Kriegsführung<br />

wie<strong>der</strong> anzuerkennen. Wir werden diesen erfreulichen Wi<strong>der</strong>spruch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

zweiten Artikel betrachten. (Ostd. <strong>Po</strong>st.)<br />

<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>.<br />

11.<br />

M:1n sollte es nicht fUr möglich halten, daß <strong>in</strong> dem streng <strong>und</strong> straff milittlrisch organisirten<br />

Preußen e<strong>in</strong> milittlrisch Gebildeter aus Anlaß e<strong>in</strong>er unmittelbar vorliegenden <strong>deutschen</strong><br />

Defensivfroge rühmend auf die MJlittlrverfassung weiland des heiligen römischen Reichs<br />

deutscher Nation zurückkommen könnte. In dem Verfasser von "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>" aber ist<br />

die Abneigung gegen die bestehende Organisation Deutschlands so stark, daß sie ihn<br />

wirklich zu e<strong>in</strong>er solchen historischen <strong>und</strong> milittlrischen Versündigung h<strong>in</strong>reißt. Er sagt:<br />

"Solange dos deutsche Reich als e<strong>in</strong>e wirkliche Militörmacht bestand, solange es dem<br />

gemtlß se<strong>in</strong>e Angriffe gegen Italien auf Oberschwaben <strong>und</strong> Bayern basirte, so lange machte<br />

es die Unterwerfung Oberitaliens aus pol Hischen Gründen anstreben."<br />

Wahrlich, die An<strong>im</strong>osittlt gegen Oesterreich wird Itlcherlich, wenn sie dazu verleitet<br />

128<br />

das deutsche Reich als e<strong>in</strong>e "wirkliche Milittlrmacht" darzustellen. Wie viel auch die<br />

Wehrverfassung des <strong>deutschen</strong> B<strong>und</strong>es noch zu wünschen übrig Itlßt, <strong>im</strong> Vergleich mit <strong>der</strong><br />

.<br />

alten Reichsverfassung stellt sie jedenfalls e<strong>in</strong>en bedeutenden fortschritt dar. Der B<strong>und</strong><br />

hat allerd<strong>in</strong>gs als Milittlrmacht erst se<strong>in</strong>e Probe zu bestehen, wir hegen jedoch die feste<br />

Ueberzeugung, daß er sie jedenfalls besser bestehen wird als vor sechzig <strong>Jahre</strong>n das<br />

Reich. Wir hoffen sagar von dem militl:lrischen Talent <strong>und</strong> Charakter unsers Verfassers,<br />

daß er <strong>im</strong> Augenblick des Hande<strong>in</strong>s aus den Schl<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Rabulisterei heraustreten werde,<br />

<strong>in</strong> die er sich jetzt bei <strong>der</strong> theoretischen Betrachtung verstrickt. Se<strong>in</strong> Blick kann nur<br />

wl:lhrend <strong>der</strong> schwankenden Debatte durch die Mißgunst gegen Oesterreich so verblendet<br />

seyn die Behauptung Oberitaliens für politisch geboten zu halten wenn Oberschwaben <strong>und</strong><br />

Bayern, nicht aber wenn Tirol, Kra<strong>in</strong> <strong>und</strong> das adriatische Kustengebiet die Basis <strong>der</strong><br />

de.utschen Operationen bilden!<br />

Setzen wir nun die abgebrochene Special betrachtung fort. Unser Verfasser hat behauptet,<br />

daß Deutschland sich mit dem Besitz <strong>der</strong> Wasserscheiden <strong>und</strong> Gebirgsp/lsse begnUgen<br />

könne, die Ebenen, die flußl<strong>in</strong>ien dagegen nicht brauche. Unmittelbar darauf<br />

aber zw<strong>in</strong>gt ihn se<strong>in</strong> praktischer S<strong>in</strong>n zu folgen<strong>der</strong> Betrachtung:<br />

"Allerd<strong>in</strong>gs ist die strategische Arrondirung <strong>der</strong> Staaten <strong>und</strong> ihre Begränzung durch<br />

vertheidigungsftlhige L<strong>in</strong>ien mehr <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> getreten, seit die französische Revolution<br />

<strong>und</strong> Napoleon beweglichere Armeen geschaffen <strong>und</strong> mit diesen Armeen Europa <strong>in</strong><br />

allen Richtungen durchzogen haben. War <strong>im</strong> siebenjährigen Krieg noch das Operationsfeid<br />

e<strong>in</strong>er Armee auf e<strong>in</strong>e bloße Prov<strong>in</strong>z beschr/lnkt, drehten sich M:1nate lange M:1növer<br />

um e<strong>in</strong>zelne Festungen, Stellungen o<strong>der</strong> Operationsbase", so kommt heute <strong>in</strong> iedem Krieg<br />

die Terra<strong>in</strong>configuaration ganzer Ll:ln<strong>der</strong> <strong>in</strong> Betracht, <strong>und</strong> die Wichtigkeit die früher an<br />

e<strong>in</strong>zelne taktische <strong>Po</strong>sitionen geknUpft war, klebt jetzt nur noch an großen festungsgruppen,<br />

langen flußl<strong>in</strong>ien o<strong>der</strong> hohen stark ausgesprochenen Gebirgsketten. Und <strong>in</strong> dieser<br />

Beziehung s<strong>in</strong>d l<strong>in</strong>ien wie die des M<strong>in</strong>cio <strong>und</strong> <strong>der</strong> Etsch allerd<strong>in</strong>gs von weit größerer Bedeutung<br />

als früher.<br />

"Sehen wir uns also diese l<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>mal an.<br />

"Alle flUSse, die, östlich vom S<strong>im</strong>plon, von den Alpen <strong>in</strong> die oberitalienische Ebene<br />

zum <strong>Po</strong>, o<strong>der</strong> direct zum adriatischen Meer fließen, bilden mit dem <strong>Po</strong> o<strong>der</strong> alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

nach Osten concaven Bogen. Sie s<strong>in</strong>d dadurch <strong>der</strong> Vertheidigung e<strong>in</strong>er <strong>im</strong> Osten stehenden<br />

Armee günstiger als <strong>der</strong> e<strong>in</strong>er <strong>im</strong> Westen stehenden. M:1n sehe den Tess<strong>in</strong>, die Adda, den<br />

Oglio, den Chiese, den M<strong>in</strong>cio, die Etsch, die Brenta, die Piove, den Tagliamenta<br />

darauf an; ie<strong>der</strong> fluß alle<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mit dem anstoßenden Thei! des <strong>Po</strong> zusammen bildet e<strong>in</strong>en<br />

129


Kreisbogen, dessen Centrvm nach Osten zuliegt. Dadurch wird die auf dem l<strong>in</strong>ken (öStlichen)<br />

Ufer' stehende Armee befahigl e<strong>in</strong>e Centralstellung rUckwarts zu nehmen, von <strong>der</strong><br />

aus sie jeden ernsthaft angegriffenen Punkt des Flußlaufs <strong>in</strong> verhtll tnismßig kurzer Zeit<br />

erreichen kanlli sie hält die Jom<strong>in</strong>i'sche '<strong>in</strong>nere L<strong>in</strong>ie', sie marschirt auf dem Radius o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Sehne, wahrend <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> langeren Peripherie manövriren muß. So s<strong>in</strong>d also<br />

die lombardisch-venetianischen Flußl<strong>in</strong>ien durchaus fUr e<strong>in</strong>e deutsche Armee <strong>in</strong> Defensive<br />

<strong>und</strong> Offensive gUnstig, fUr e<strong>in</strong>e italienisch-franzöSische Armee ungfJnstig."<br />

Der Verfasser betrachtet hierauf die lombardischen Flußl<strong>in</strong>ien genauer, <strong>und</strong> f<strong>in</strong>del.sie<br />

<strong>in</strong> strategischer Beziehung meist sehr unbedeutend <strong>und</strong> zur ernsthaften Vertheidigung wenig<br />

geeignet. Abgesehen vom <strong>Po</strong> selbst, f<strong>in</strong>den sich <strong>im</strong> ganzen Becken nur zwei fUr Frankreich<br />

o<strong>der</strong> Deutschland wirklich bedeutende <strong>Po</strong>sitionen, die auch von den betreffenden Generalsttlben<br />

richtig <strong>in</strong> ihrer Starke erfaßt <strong>und</strong> befestigt worden s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> <strong>im</strong> ntlchsten Krieg unbed<strong>in</strong>gt<br />

die entscheidende Rolle spielen werden. Es s<strong>in</strong>d Alessandria <strong>und</strong> Mantua. Die herrliche<br />

<strong>und</strong> gewaltige <strong>Po</strong>sition Mantua's schildet <strong>der</strong> preußische Stratege <strong>in</strong> folgen<strong>der</strong><br />

Weise:<br />

"Die zweite <strong>Po</strong>sition, die fUr das Venetianische dasselbe, <strong>und</strong> r10ch viel mehr, gegen<br />

Angriffe aus Westen leistet was Alessandria fUr Piemont, ist die des M<strong>in</strong>cio <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Etsch. Aus dem Gardasee heraustretend, fließt <strong>der</strong> M<strong>in</strong>cio vier Meilen weit bis Mantua <strong>in</strong><br />

sudlicher Richtung, erleidet bei Mantua e<strong>in</strong>e seeartig von SUmpfen umgebende Ausbuchtung,<br />

<strong>und</strong> fließt dann <strong>in</strong> sUdöStlicher Richtung dem <strong>Po</strong> zu. Die Flu&trecke unterhalb <strong>der</strong><br />

Mantuaer SUmpfe bis zur M<strong>und</strong>ung ist zu kurz um e<strong>in</strong>er Armee zum Uebergang zu dienen,<br />

<strong>in</strong>dem <strong>der</strong> aus Mantua debouchirende Fe<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> den RUcken nehmen <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />

Schlacht unter den ungUnstigsten Umsttlnden zw<strong>in</strong>gen könnte. E<strong>in</strong>e Umgehung von Suden<br />

her mUßte weiter ausholen <strong>und</strong> bei Revere o<strong>der</strong> Ferrara uber den <strong>Po</strong> gehen. Von Norden<br />

ist die Stellung am M<strong>in</strong>cio durch den Gardasee auf weith<strong>in</strong> vor Umgehung geschutzt, so<br />

daß die wirklich zu vertheidigende L<strong>in</strong>ie des M<strong>in</strong>cio von Peschiera bis Mantua nur vier<br />

Meilen lang ist <strong>und</strong> an jedem FlUgel sich an e<strong>in</strong>e Festung anlehnt, die e<strong>in</strong> Debouc~ auf<br />

das rechte Ufer sichert. Der M<strong>in</strong>cio selbst ist ke<strong>in</strong> betrllchtliches H<strong>in</strong><strong>der</strong>niß, <strong>und</strong> die Ufer<br />

uberhöhen sich je nach <strong>der</strong> Localittlt wechselseitig; hierdurch war die L<strong>in</strong>ie vor 1848 e<strong>in</strong>igermaßen<br />

<strong>in</strong> Verruf gekommen, <strong>und</strong> wenn sie Richt durch e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>n Umstand bedeutend<br />

versttlrkt wUrde, so hatte sie sJ;hwerl ich je große Beruhmthei I erlangt. Dieser beson<strong>der</strong>e<br />

Umstand Ist aber <strong>der</strong>: daß vier Meilen weiter rUckwarts <strong>der</strong> zweite Fluß Oberitaliens,<br />

die Etsch, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mit dem M<strong>in</strong>cio <strong>und</strong> untern <strong>Po</strong> ziemlich parallelen Bogen Itlufl, <strong>und</strong> so<br />

e<strong>in</strong>e zweite, starkere Stellung bildet, die durch die beiden Etschfestungen Verona <strong>und</strong><br />

13)<br />

Legnd'go verstarkt wird. Die beiden Flußl<strong>in</strong>ien aber, mit ihren vier Festungen, bl""'" .11<br />

sammen fUr e<strong>in</strong>e deutsche o<strong>der</strong> öSterreichisch, von Italien o<strong>der</strong> Frankreich ang4tgrlf",.<br />

Armee e<strong>in</strong>e so starke Defensivposition, daß ke<strong>in</strong>e zweite <strong>in</strong> Europa ihr an die S.I,. ...<br />

setzt werden kann, <strong>und</strong> daß e<strong>in</strong>e Armee die nach Abgabe <strong>der</strong> Garnison noch <strong>im</strong> F.ld uuf<br />

zutreten vermag ruhig dem Angriff e<strong>in</strong>er doppelt so starken Macht <strong>in</strong> dieser Stellung G"I<br />

gegensehen dar. Was diese <strong>Po</strong>sition leistet, hat Radetzky 1848 bewiesen.<br />

"Mantua alle<strong>in</strong> war <strong>im</strong> Stand <strong>im</strong> Jahr 1797 die siegreiche Armee des Generals Boooparte<br />

aufzuhalten. Nur zwe<strong>im</strong>al <strong>im</strong>panirte ihm e<strong>in</strong>e Festung: Mantua <strong>und</strong> zehn <strong>Jahre</strong><br />

spater Danzig. Der ganze zweite Thei! <strong>der</strong> Campagne von 1797, Castiglione, Medola,<br />

Calliaoo, Bassena, Arcole, Rivoli, alles dreht sich um Mantua, <strong>und</strong> erst nachdem<br />

diese Festung gefallen, wagt <strong>der</strong> S leger nach Osten <strong>und</strong> ober den Isonzo vorzudr<strong>in</strong>gen."<br />

(Ostd. <strong>Po</strong>st.)<br />

131


Die Reform. E<strong>in</strong> Volksblatt fUr Hamburg <strong>und</strong> den Norden. Redigirt unter Verantwortlichkeit<br />

des Verlegers. Verlag von J. F. Richter. -+tamburg, 12. Jg. (<strong>1859</strong>), Nr. 48 vom<br />

20. April, Rubrik: Feuilleton <strong>der</strong> Reform. Büchertisch •<br />

"<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe i n" ist <strong>der</strong> Titel e<strong>in</strong>er sehr <strong>in</strong>teressanten Flugschrift, welche <strong>im</strong> Verlage<br />

von Fr. Duncker zu Berl<strong>in</strong> so eben erschien. Dieselbe ist unverkennbar aus militairischer<br />

Fe<strong>der</strong> geflossen, denn sie entwickelt mit großer Sachkenntniß <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er auch für den<br />

Laien verstl:lndlichen Weise die wahre strategische Bedeutung des Satzes "daß man am <strong>Po</strong><br />

den Rhe<strong>in</strong> vertheidige." Davon will <strong>der</strong> Verfasser nichts wissen; er sucht nachzuweisen,<br />

daß Oesterreich freilich e<strong>in</strong> Interesse an <strong>der</strong> Behauptung <strong>der</strong> Lombardei habe,<br />

nicht aber D e u ts chi a nd <strong>und</strong> daß dieses, wenn es die Tic<strong>in</strong>ol<strong>in</strong>ie fur sich <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehme, gerade so berechtigt dazu sei, wie Frankreich, wenn es se<strong>in</strong>e "naturliche Rhe<strong>in</strong>grenze"<br />

verlange. Sehr <strong>in</strong>teressante Anknupfungspunkte fur Betrachtungen Uber den zukunftigen<br />

Krieg geben Darstellungen aus den oberitalienischen Feldzugen zu<br />

Suwarows <strong>und</strong> Bonapartes Zeiten, welche den LeserUberdieWichtigkeit<strong>der</strong><br />

verschiedenen Alpenpl:lsse <strong>und</strong> die Wehrhaftigkeit <strong>der</strong> betreffenden Festungswerke genUgend<br />

aufkll:lren. Der Verfasser ist <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, Oesterreich könne vorll:lufig e<strong>in</strong>en Angriff<br />

Frankreichs ruhig abwarten, denn Mantua z. B. habe schon Napoleon Schwierigkeiten<br />

genug geboten, die se<strong>in</strong> Neffe schwerlich leichter als <strong>der</strong> große Ohe<strong>im</strong> uberw<strong>in</strong>den<br />

wurde. Wir empfehlen die lebendig <strong>und</strong> anschaulich geschriebene Flugschrift<br />

bestens; sie sche<strong>in</strong>t uns das Richtige zu treffen, <strong>in</strong>dem sie auffor<strong>der</strong>t, fUr Oesterreichs<br />

I nte gri tl:l t e<strong>in</strong>zustehen, weil dasselbe augenblicklich e<strong>in</strong> Gegengewicht ,gegen fran­<br />

ZöSisches Cl:lsarenthum bilde, nicht aber fUr Oesterreichs <strong>Po</strong>l itik, die <strong>in</strong> Italien,<br />

wie an<strong>der</strong>swo oft, e<strong>in</strong>e beklagenswerthe gewesen sei. Wir möchten be<strong>in</strong>ahe glauben,<br />

daß Herr RUs t ow die BroschUre geschrieben habe, wenigstens trtigt sie das Gepr1:lge<br />

e<strong>in</strong>es scharfen Geistes <strong>und</strong> zeugt von gründlichen Fachkenntnissen, die ihm ia bekanntlich<br />

eigen s<strong>in</strong>d.<br />

Aachener Zeitung. Verleger: Beaufert u. Mayer. Verantw. Red.: Louis Lax. - Aachen,<br />

(<strong>1859</strong>), Nr. 117 vom 28. April. Rubrik: Deutschland.<br />

Koblenz, 24. April. Unter dem Titel <strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe i n ist <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (bei F. Duncker)<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Schrift</strong> erschienen, welche bereits eben so viel Lob als Tadel gef<strong>und</strong>en hat. Dies beweist<br />

wenigstens rur ihre Bedeutung. Schon <strong>der</strong> Titel zeigt, daß sie e<strong>in</strong> augenblickliches<br />

Interesse <strong>in</strong> Anspruch n<strong>im</strong>mt. Ihr Verfasser sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Militair zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong><br />

dieser Beziehung ist sie reich an Aper~us, welche zur Aufklärung <strong>der</strong> Situation dienen<br />

können. Ddgegen wird man mit den politischen Folgerungen, welche hier gezogen werden,<br />

ke<strong>in</strong>esweges überall e<strong>in</strong>verstanden se<strong>in</strong> können, überhaupt <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong> Schwanken<br />

bemerken, welches die vorgefaßte Me<strong>in</strong>ung mit den SchlUssen, welche von selbst aus<br />

den aufgestellten Vor<strong>der</strong>satzen folgen zu müssen sc;he<strong>in</strong>en, <strong>in</strong> Konflikt gerathen laßt.<br />

Dies zeigt sich wie<strong>der</strong>holt, beson<strong>der</strong>s wo es sich von <strong>der</strong> Nutzlosigkeit Italiens fUr Deutschland<br />

handelt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Satz ausgesprochen wird, Deutschland gewönne, wenn es dafür die<br />

E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>tauschen könne. Man sieht nicht ab, warum Deutschland nicht e<strong>in</strong>ig se<strong>in</strong> könne,<br />

auch wenn es e<strong>in</strong> Stück Italien besitzt. Es ist freilich leichter e<strong>in</strong>ig zu se<strong>in</strong>, wenn man<br />

recht kle<strong>in</strong> ist, aber es ist wenig würdig, sich selbst erst dafür e<strong>in</strong> StUck vom Leibe abzuschneiden.<br />

Deutschland braucht den <strong>Po</strong> <strong>und</strong> den Rhe<strong>in</strong>, <strong>und</strong> wird, selbst wenn es den<br />

ersten verlöre, woran wir hoffentlich nicht denken, ihn <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu erobern suchen<br />

müssen. Deutschland kann e<strong>in</strong>stweilen noch ruhig zusehen, aber es würde doch sehr ernst<br />

dare<strong>in</strong> zu sprechen haben, wenn man an e<strong>in</strong>e neue Karte von Italien denken wollte. Und<br />

es wUrde sich Gehör verschaffen, wie groß auch, zu groß, <strong>der</strong> Verfasser die Kraft<br />

Frankreichs anschl1:lgt.<br />

132<br />

133


Deutsche Allgeme<strong>in</strong>e Zeil1Jn!\!. (Veranlw. Red.: Eduard Brackhaus.) - leipzig, (<strong>1859</strong>),<br />

Nr. 178 vom 3. August, Rubrik: Die FluQ<strong>Schrift</strong>enliteratur ober die Tagesfrage. 111.<br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Frage, die ebenfalls jetzt recht praktisch geworden, ist die Frage von <strong>der</strong><br />

"M<strong>in</strong>ciol<strong>in</strong>ie", als <strong>der</strong> notUrlichen Militi:lrgrenze Oesterreichs <strong>und</strong> Deutschlands <strong>im</strong> Suden<br />

gegen Frankreich. E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e, vom re<strong>in</strong> mililtlrischen Standpunkt aus wie uns sche<strong>in</strong>t mit<br />

Sachkenntniß <strong>und</strong> Scharfs<strong>in</strong>n geschriebene Broschure, unter dem Titel "<strong>Po</strong> <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>"<br />

(Berl<strong>in</strong>, F. Duncker), stellt diese Frage auf e<strong>in</strong>en ganz neuen Standpunkt. Der Verfasser<br />

behauptet nHmlich: we<strong>der</strong> die <strong>Po</strong>- o<strong>der</strong> Tic<strong>in</strong>o- nach die M<strong>in</strong>ciol<strong>in</strong>ie sei fUr uns zu<br />

unserer militi:lrischen Deckung nach SUdwesten schlechth<strong>in</strong> nothwendig. Die Behaupl1Jng\<br />

des Gegentheils sei gefCihrlich, denn mit demselben, ja größerem Recht könnten dann die<br />

Franzosen behaupten: fUr die Sicherheit von Paris sei ihnen <strong>der</strong> Besitz des l<strong>in</strong>ken Rhe<strong>in</strong>ufers,<br />

nomentlich des vorspr<strong>in</strong>genden W<strong>in</strong>kels, <strong>im</strong> Nordwesten, <strong>der</strong> ihre nBrdliche<br />

Grenze flankire, unentbehrlich. Die Franzosen hCitten das richtige Auskunftsmittel ergriffen,<br />

<strong>in</strong>dem sie Paris befestigten; damit hCitten sie gewissermaßen selbst auf jenes<br />

politisch-strategische Argument fUr ihre Sucht noch <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>grenze verzichtet. Die<br />

neuere Strategie weise uns an, e<strong>in</strong> Gleiches zu thun <strong>und</strong> durch Anlegung großer befestigter<br />

WaffenplCitze <strong>im</strong> Sudwesten Deutschlands den Weg nach Wien <strong>und</strong> <strong>in</strong>s Herz Deutschlands<br />

dem Fe<strong>in</strong>de sicherer zu verlegen als durch die schwierige Behauptung e<strong>in</strong>er so entfernten<br />

Deckung, wie Tic<strong>in</strong>o o<strong>der</strong> M<strong>in</strong>cio seien. Das <strong>Schrift</strong>chen sche<strong>in</strong>t ouf jeden Fall<br />

Beachl1Jng zu verdienen.<br />

Publikationen zur MEGA<br />

(August 1975 - Dezember 1977)<br />

Die nachfolgende Bibliographie verzeichnet <strong>in</strong> alphabetischer Reihenfolge die seit Ersche<strong>in</strong>en<br />

<strong>der</strong> ersten MEGA-Bllnde publizierten Beitr!lge ober die Marx-Engels-Gesamtausgabe,<br />

soweit sie uns zur Kenntnis gelangt s<strong>in</strong>d.<br />

Adamo, Hans: E<strong>in</strong>e außergewöhnl iche Geme <strong>in</strong>schaftsarbe it sozial istischer Wissenschaftl er.<br />

Zum Ersche<strong>in</strong>en <strong>der</strong> ersten BC<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Marx-Engels-Gesamtausgabe. In: Unsere Zeit,<br />

Essen, 22. August 1975.<br />

Aus dem handschriftlichen Nachlaß von Karl Marx. Zur Erstveröffentlichung <strong>der</strong> Hefte I<br />

bis V des Manuskripts "Zur Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie (1861 - 1863)" <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sprache des Orig<strong>in</strong>ols. Hannelore Drohla, Bernd Fischer, JOrgen Jungnickel, Manfred<br />

Muller. In: Wirtschaftswissenschaft, BerHn, 24 (1976), 11, S. 1634 - 1659.<br />

Badia, Gilbert: les premiers volumes de I'~dition complt!!te de Marx-Engels (nouvelle<br />

MEGA). In: La Pe~e, Paris, 1975, 179, S. 138 ­ 140.<br />

-- Les deux premiers volumes de la nouvelle MEGA. (OEuvres compl~tes de Marx-Engels).<br />

In: La Pens6e, Paris, 1976, 188, S. 128 - 130.<br />

-- "La nouvelle MEGA" (OEuvres complMes de Morx-Engels). En caurs de publication a<br />

Berl<strong>in</strong>. In: L'Humanit6, Paris, 25. November 1976.<br />

Bandur, Gernot: Das literarische Werk <strong>der</strong> Begr<strong>und</strong>er des wissenschaftlichen Kommunismus.<br />

Zum Ersche<strong>in</strong>en <strong>der</strong> ersten BClnde <strong>der</strong> Morx-Engels-Gesamtausgobe. In: Bibi iothekar,<br />

Leipzig, 30 (1976), 4, S. 269 - 272.<br />

Bergemann, Waltraud; Richard Sperl: Marx-Engels-Gesamtausgabe <strong>in</strong> 100 Bänden. In:<br />

FDGB-R<strong>und</strong>schau, Berl<strong>in</strong>, 1975, 8, S. 25 - 27 (ersche<strong>in</strong>t sechssprachig).<br />

134<br />

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