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Donwload PDF - Frankreich erleben

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E 3<br />

unterwegs in <strong>Frankreich</strong> Elsass<br />

Mailied<br />

(aus den « Sesenheimer Liedern »)<br />

N166<br />

<br />

N12/E50<br />

65/E60<br />

Die Kirche hat seit dem 18. Jahrhundert viele Umbauten erfahren. Dörfliche Idylle mit Goethe-Scheune. Privatsammlung in der Auberge Au Bœuf.<br />

erahnen lassen, welch Monate voll Glück Goethe in Sesenheim<br />

erlebt haben muss. Den 22-jährigen Studenten und<br />

die 19-jährige Friederike verband bald eine Beziehung, die<br />

von der Außenwelt, aber sicher auch von Friederike selber,<br />

als sehr ernst angesehen wurde. Die Hochzeitsglocken<br />

wollten gar manche schon hören, zumal Goethe kurz vor<br />

dem Abschluss seines Studiums und somit kurz vor der ersten<br />

Anstellung stand.<br />

Derselbige aber fühlte sich bald eingeengt. Schon während<br />

der Arbeit an seiner Promotion bestand der Kontakt<br />

nach Sesenheim hauptsächlich aus langen Briefen, die Besuche<br />

wurden seltener. Im Sommer 1771 wollte der frischgebackene<br />

Absolvent der Rechtswissenschaft nach Frankfurt<br />

zurückkehren – und zwar ohne eine Ehefrau. Berüchtigt ist<br />

die Verabschiedung von Friederike, der er vom Pferde aus gerade<br />

mal geneigt war, die Hand herunterzureichen. Die Maid<br />

ward zurückgelassen und dem Dichter schmerzte das Herz,<br />

die tränenvollen Augen seiner doch so Angebeteten sehen zu<br />

müssen. Eine Woche später, von Frankfurt aus, kommt dann<br />

der Brief mit<br />

<br />

<br />

der endgültigen Lösung der Verbindung.<br />

<br />

Das Sesenheimer Pfarrhaus steht längst nicht mehr,<br />

schon damals war ein Um- oder Neubau der altersschwachen<br />

Pfarre häufiges Gesprächsthema zwischen Goethe<br />

und Friederikes Vater. Auch die Brionsche Kirche hat in<br />

den letzten 200 Jahren mehrere Umbauten erlebt, so dass<br />

nur noch wenig an das Original erinnert. Wozu also nach<br />

<br />

Sesenheim reisen, außer um auf dem gleichen Boden zu stehen,<br />

über den auch des Dichters Füße schritten? Abgesehen<br />

<br />

von dem Mythos der Liebesgeschichte wären andere Orte<br />

doch sicherlich beeindruckender dafür.<br />

Eine Fahrt nach Sesenheim lohnt sich aber dennoch und<br />

A84 / E401<br />

N137<br />

das liegt an der Auberge Au Bœuf. Dieser Gasthof liegt<br />

gleich gegenüber der Brionschen Kirche, wenige Schritte<br />

<br />

vom Marktplatz und dem Goethe-Tempel <br />

entfernt. In den<br />

<br />

1950er-Jahren begann ihr Besitzer mit einer bewundernswerten<br />

Akribie alles zu sammeln, was mit Goethe <br />

und der<br />

<br />

Liebschaft von Sesenheim zusammenhängt. Aus den Ex-<br />

<br />

ponaten entstand ein kleines Museum in den Hinterstuben<br />

des Gasthauses, das heute von den Nachfahren liebevoll ge-<br />

<br />

<br />

<br />

A 81 / E 50<br />

<br />

66 · <strong>Frankreich</strong> <strong>erleben</strong> · September / Oktober 2008<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

A 11<br />

<br />

A29<br />

<br />

A13<br />

A 11 / E 50<br />

<br />

A 10 / E 60<br />

A 10 / E 5<br />

<br />

<br />

A 71<br />

<br />

A 26 / E 15<br />

A 25<br />

A 1 / E 15<br />

A 1 / E 17<br />

A 27<br />

A 23<br />

<br />

<br />

<br />

N 77<br />

D 965<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

A26 / E17<br />

<br />

pflegt und erweitert wird. Wenn man Glück und die Wirtin<br />

gerade nicht zu viel zu tun hat, bekommt der Gast sogar<br />

eine kleine Privatführung durch die Vitrinen mit Original-<br />

Handschriften von Goethe, Friederike und dem Pfarrer<br />

Brion. Dieses sympathische Privatmuseum lässt mit seinen <br />

Devotionalien der Goethe-Verehrung mehr von der Zeit der<br />

<br />

Sesenheimer Liebschaft erahnen als die Goethe-Scheune,<br />

das Memorial und die Friederiken-Ruh zusammen.<br />

Friederike übrigens war nach der unrühmlichen Trennung<br />

durch Goethe eine gebrochene Frau. Sie trauerte<br />

<br />

<br />

noch Jahre ihrer Liebe nach und auch das spätere Werben<br />

des Dichters Jakob Michael Heinrich Lenz, den Goethe in<br />

<br />

Sesenheim eingeführt hatte und der dem Charme Friederikens<br />

sofort erlegen war, hatte keinen Erfolg. Pikanterweise<br />

<br />

sah Goethe Lenz damals als den einzigen seiner Kollegen<br />

<br />

an, der ihm an Geist und Talent überlegen sein konnte,<br />

und es wird kolportiert, dass Goethe später in Weimar die<br />

Lenzschen Gedichte absichtlich schlecht besprochen habe,<br />

<br />

um den Konkurrenten aus dem Weg zu haben. Möglicherweise<br />

war es Goethe also ganz recht, dass Lenz die Brion<br />

<br />

nicht bekommen hat. Denn der Schmerz und die Schmach,<br />

die Geliebte so treulos verlassen<br />

<br />

zu haben, soll auch bei ihm <br />

noch lange tief gesessen haben. Einige der berühmtesten<br />

Frauenfiguren in seinen Dramen<br />

<br />

sollen seiner Bekanntschaft<br />

mit Friederike entlehnt sein. Die Marie in « Clavigo »<br />

soll dazu gehören und manche meinen gar das Gretchen des<br />

Dr. Faust in ihr wiederzuentdecken.<br />

Während Goethe Zeit seines Lebens zur Damenwelt<br />

einen innigen Bezug gehabt hatte, sollte die Liebe zu<br />

Goethe Friederikes einzige Liebe bleiben. Sie war ihr Leben<br />

lang unverheiratet und lebte bis zu ihrem Tode 1813<br />

<br />

bei ihren Geschwistern. Das Erscheinen von « Dichtung<br />

<br />

und Wahrheit » ein Jahr später erlebte sie nicht mehr und<br />

<br />

auch nicht den Rummel, der seitdem um die aller Welt bekannt<br />

gemachte Liebesgeschichte einsetzte. Denn es muss<br />

<br />

wirklich eine Sensation gewesen sein, was<br />

<br />

der 70-jährige<br />

Goethe da ausgeplaudert hatte. Jedenfalls war zu Beginn<br />

des 19. Jahrhunderts die Liebe von Goethe und Friederike<br />

eine allgegenwärtige Geschichte, wegen der ein Besucheransturm<br />

nach Sesenheim einsetzte,<br />

der bis heute nicht abgeebbt ist und dem<br />

wir so skurrile « Sehenswürdigkeiten »<br />

zu verdanken haben, wie eine Goethe-<br />

Scheune und ein Goethe-Memorial.<br />

1860, auf dem Höhepunkt der Friederiken-Verehrung,<br />

setzte man ihr auf<br />

Anreise<br />

<br />

Auto: Sesenheim liegt nur wenige Kilometer von<br />

<br />

der deutschen Grenze entfernt und lässt sich bequem<br />

über die Autobahn A35, die man bei der<br />

Ab fahrt Nr. 54 verlässt, von Straßburg aus erreichen.<br />

Straß burg-Sesenheim ca. 35 km.<br />

Flugzeug: Der nächste große Flughafen ist<br />

auf französischer Seite in Straßburg und auf<br />

deutscher Seite in Karlsruhe/Baden-Baden.<br />

Auch der elsässische Airport Mulhouse/Basel<br />

ist nicht weit entfernt.<br />

<br />

Zug: Von Straßburg aus verkehren Vorort züge<br />

nach Sesenheim. Die Fahrtzeit be trägt eine<br />

gute halbe Stunde.<br />

<br />

A5 / E17 - E54<br />

A4 / E50<br />

<br />

A 31<br />

<br />

<br />

<br />

A31/ E21<br />

<br />

A 31<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

A 4<br />

<br />

<br />

N57<br />

<br />

D 955<br />

ihrem Grab im badischen Meißenheim<br />

ein kleines Denkmal. Darauf stehen die<br />

Worte: « Ein Strahl der Dichtersonne<br />

fiel auf sie, so reich, daß er Unsterblichkeit<br />

ihr lieh! » Dieser Satz, so scheint es,<br />

könnte auch für Sesenheim ganz passend<br />

sein.<br />

N 74<br />

<br />

<br />

Sesenheim im Internet<br />

www.sessenheim.net<br />

Auberge Au Bœuf<br />

1, rue de l’Eglise<br />

67770 Sesenheim<br />

Telefon: +33 (0)3 88 86 97 14<br />

www.auberge-au-boeuf.com<br />

Montag und Dienstag Ruhetag<br />

Menüs für 28, 45 und 58 €<br />

N 4<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

A 36 / E 60<br />

A 4 / E 25<br />

<br />

A 35 / E 25<br />

<br />

<br />

<br />

A 35 / E 25<br />

<br />

<br />

<br />

Wie herrlich leuchtet<br />

Mir die Natur!<br />

Wie glänzt die Sonne!<br />

Wie lacht die Flur!<br />

Es dringen Blüten<br />

Aus jedem Zweig<br />

Und tausend Stimmen<br />

Aus dem Gesträuch.<br />

Und Freud ’ und Wonne<br />

Aus jeder Brust.<br />

O Erd ’, o Sonne!<br />

O Glück, o Lust!<br />

O Lieb’, o Liebe!<br />

So golden schön,<br />

Wie Morgenwolken<br />

Auf jenen Höhn!<br />

Du segnest herrlich<br />

Das frische Feld,<br />

Im Blütendampfe<br />

Die volle Welt.<br />

O Mädchen, Mädchen,<br />

Wie lieb’ ich dich!<br />

Wie blickt dein Auge!<br />

Wie liebst du mich!<br />

So liebt die Lerche<br />

Gesang und Luft,<br />

Und Morgenblumen<br />

Den Himmelsduft,<br />

Wie ich dich liebe<br />

Mit warmem Blut,<br />

Die du mir Jugend<br />

Und Freud› und Mut<br />

Zu neuen Liedern<br />

Und Tänzen gibst.<br />

Sei ewig glücklich<br />

Wie du mich liebst!<br />

<strong>Frankreich</strong> <strong>erleben</strong> · September / Oktober 2008 · 67

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