Stahlhausen, Goldhamme - Alte Schmiede
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Liesl Ujvary, Kommentar<br />
„Geht es um Imagination oder um so genannte Fakten?“, fragt Florian Neuner an anderer Stelle in<br />
seinem Text „Dérive I: <strong>Stahlhausen</strong>, <strong>Goldhamme</strong>“ und man ist versucht zu antworten, natürlich um<br />
beides. Neuner hat es sich in seinem „Ruhrtext-Projekt“ zur Aufgabe gemacht, das Ruhrgebiet –<br />
diese riesige Industriebrache – in seiner gegenwärtigen desolaten Erscheinungsform und seiner<br />
überall spürbaren heroischen Vergangenheit, als eines der fortschrittlichsten Industriegebiete<br />
Europas, zu dokumentieren. In einem Gestus teilnehmender Beobachtung durchstreift er die<br />
Strassenzüge, Kneipen und Bibliotheken der Region und bietet uns ein sprachlich exaktes und<br />
detailliertes Abbild der Wirklichkeit, wie sie sich ihm darbietet. Seine Schilderungen sind durchaus<br />
auch gefühlvoll und mit gesellschaftskritischen Zwischenrufen versehen, ohne je ideologisch zu<br />
erstarren. Verwahrlost sind ja im Ruhrgebiet nicht nur die riesigen stillgelegten Zechen und<br />
Industrieanlagen, nicht nur die Fassaden der Häuser, verwahrlost und heruntergekommen sind auch<br />
die Perspektiven der Bewohner. Und niemand spricht darüber. Florian Neuners dokumentarische<br />
Prosa entwirft etwas, was vor ihm keiner so intensiv und beharrlich probiert hat: Das exemplarische<br />
Porträt einer für Deutschland früher massgeblichen Industrielandschaft samt ihrem menschlichem<br />
Inventar, die heute beide nicht mehr gebraucht werden.