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Triebunterdrückung, zerstörte Selbstregulierung und ... - Bernd Senf

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angenommen <strong>und</strong> die Augen schließlich nach oben weggedreht. Auch die übrige<br />

Muskulatur der oberen Kopfhälfte, bei Psychotikern ohnehin schon außerordentlich<br />

stark gepanzert, wurde während des psychotischen Schubs vollkommen starr. Reich<br />

vermutet, daß diese extreme Panzerung der oberen Kopfhälfte, nach seinen<br />

Erfahrungen der Kern der schizophrenen Struktur, zurückgeht bis auf die für das Kind<br />

schmerzhafte <strong>und</strong> traumatisch verlaufene Geburt.<br />

Wird in einer für die Mutter zu schmerzhaften Situation mit medizinischen Mitteln<br />

künstlich eingegriffen, z. B. durch Betäubung oder Kaiserschnitt, so ergibt sich für das<br />

Kind zusätzlich ein emotionaler Schock: In einer so wichtigen Phase wie der der Geburt,<br />

wo das Kind die mehr oder weniger geborgene, weiche, warme <strong>und</strong> schützende<br />

Umgebung des Mutterleibs verläßt <strong>und</strong> den Weg hin zur körperlichen Abnabelung <strong>und</strong><br />

zur eigenen Individualität geht, bricht der emotionale Kontakt zwischen Mutter <strong>und</strong><br />

Kind zusammen. Das Kind fühlt sich in einer solchen Situation emotional vollständig<br />

verlassen <strong>und</strong> zieht sich in sich zurück.<br />

Dabei scheint dem emotionalen Rückzug über die Augen - vermittelt über eine<br />

Blockierung der Augenmuskulatur - eine besondere Bedeutung zuzukommen. Reich<br />

<strong>und</strong> seine Mitarbeiter 7 vermuten, daß die Augen bei der emotionalen Kontaktaufnahme<br />

des Kindes mit der Außenwelt eine wichtige Rolle spielen. Die Augen sind demnach<br />

nicht nur Sinnesorgane, die in der Lage sind, optische Eindrücke wahrzunehmen,<br />

sondern darüberhinaus auch emotionale Sinnesorgane, sozusagen bioenergetische<br />

Sender <strong>und</strong> Empfänger. Das Kind erblickt mit den Augen nicht nur »das Licht der Welt«,<br />

sondern tritt mit ihnen auch in einen bioenergetischen Kontakt zu seiner Umgebung.<br />

Wenn es aber durch die furchtbaren Erfahrungen bei der Geburt oder auch kurz<br />

danach den emotionalen Rückzug antritt, kommt es nur zu einer sehr<br />

eingeschränkten bioenergetischen Kontaktaufnahme über die Augen. Die Augen<br />

werden blockiert, ihr emotionaler Ausdruck strahlt nichts aus, sondern der Blick zieht<br />

sich nach innen zurück.<br />

Diese Tendenz wird verstärkt durch eine Umgebung bei der Geburt, die vom Kind als<br />

kalt, starr, künstlich, störend <strong>und</strong> schmerzhaft erlebt wird. Die übliche Atmosphäre in<br />

den Entbindungsstationen der meisten Kliniken wird von den Neugeborenen als<br />

furchtbarer Schock erlebt - selbst dann, wenn sie ansonsten ohne größere<br />

Komplikationen geboren wurden: Gleißendes Licht, weiße Kittel, weiße Wände, sterile<br />

Umgebung, oft starre <strong>und</strong> lieblose Augen, tote Apparate. Nichts, was die Sinnlichkeit des<br />

Kindes anregen könnte. Stattdessen schnelle Abnabelung von der Mutter, Zerreißen<br />

des emotionalen <strong>und</strong> Körperkontakts, Aufhängen an den Füßen, Schlagen auf den<br />

Po, Einträufeln von Silbernitratlösung in die Augen, was sehr schmerzhaft ist 8 . Die<br />

Augen, diese sinnlichen Organe der ersten Kontaktaufnahme mit der Umwelt, werden<br />

emotional <strong>und</strong> körperlich schockiert <strong>und</strong> gequält. Und dann folgt oft das Wegreißen von<br />

der Mutter: Im Mutterleib noch der totale Hautkontakt, das totale Gestreicheltwerden <strong>und</strong><br />

die damit verb<strong>und</strong>ene bioenergetische Erregung, <strong>und</strong> jetzt auf einmal nichts mehr, kein<br />

Hautkontakt mehr, eingewickelt werden, isoliert werden, in einem anderen Raum, oft<br />

st<strong>und</strong>enlang, endlos lang...<br />

Alle diese Einflüsse kommen zusammen <strong>und</strong> führen dazu, daß das Kind sich von dieser<br />

furchtbaren Welt, in die es hineingeboren <strong>und</strong> von der es auf so schreckliche Art<br />

empfangen wurde, zurückzieht. Zurück in den Mutterleib geht nicht, woandershin<br />

fliehen geht auch nicht, es bleibt nur der emotionale Rückzug nach innen, die Flucht<br />

vor der äußeren Realität. Die Forschungen von Reich <strong>und</strong> seinen Mitarbeitern,<br />

insbesondere im Zusammenhang mit der Behandlung von Schizophrenen, deuten<br />

http://www.berndsenf.de/pdf/emotion6Triebunterdrueckung.pdf 8

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