Geschichte und Entwicklung - Dorfmuseum Sehestedt
Geschichte und Entwicklung - Dorfmuseum Sehestedt
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GUTSHOF SEHESTEDT<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
Der Gutshof <strong>Sehestedt</strong> findet erst malig<br />
im Jahr 1282 urk<strong>und</strong>liche Erwähnung.<br />
Erster bekannter Besitzer war Reimer von<br />
<strong>Sehestedt</strong>, dessen Familie den Namen<br />
des umliegenden Ortes annahm. Noch<br />
bis in das Jahr 1503 verblieb das Gut im<br />
Besitz der Familie von <strong>Sehestedt</strong>. Seither<br />
hat es mehrmals den Eigentümer gewechselt.<br />
1929 wurde der Gutshof von Familie<br />
Ahlmann erworben, der das Gut bis heute<br />
gehört.<br />
Siegel des Reimer von <strong>Sehestedt</strong>, 1411<br />
Das hintere Herrenhaus wurde in<br />
den Jahren 1728/29 errichtet <strong>und</strong> im<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>ert wiederholt umgebaut. Ein<br />
1902 geplanter Turmaufbau hätte das Gut<br />
zum dominierenden Gebäude <strong>Sehestedt</strong>s<br />
gemacht. Damit wäre die herrschende<br />
Stellung des Gutes <strong>und</strong> des Gutsherrn<br />
auch äußerlich sichtbar demonstriert<br />
worden.<br />
Bemerkenswert sind neben dem Herrenhaus<br />
auch die Scheunen, die heute noch in<br />
ihrer ursprünglichen Form erhalten sind.<br />
Der Gutshof war immer der politische,<br />
soziale <strong>und</strong> verwaltungstechnische<br />
Mittelpunkt des Dorfgeschehens.<br />
GRÖSSE, ENTWICKLUNG UND<br />
BEWIRTSCHAFTUNG<br />
Die Fläche des Gr<strong>und</strong>besitzes hat sich<br />
nur wenig geändert, weil die zur Pacht<br />
vergebenen Ländereien des Umlandes<br />
stets in enger Bindung zum Gut verblieben.<br />
Angebaut wurden bis Mitte des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts vor allem Hafer , Roggen<br />
<strong>und</strong> Buchweizen.<br />
Die frühere Milchwirtschaft des Gutshofes<br />
wurde ab Beginn des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
mehr <strong>und</strong> mehr von den sogenannten<br />
„Holländern“ übernommen. Auf<br />
der Mühlenkoppel zwischen Gutshof<br />
<strong>und</strong> Kirche wurde im Jahre 1835 eine<br />
Gutsmeierei errichtet, die „Holländerei“.<br />
Hier arbeiteten neben den Holländern<br />
auch Handwerker wie die „Böttcher“,<br />
die Fässer, Wannen <strong>und</strong> Eimer für die<br />
Butter <strong>und</strong> die anderen Milchprodukte<br />
herstellten. Die Meierei in <strong>Sehestedt</strong><br />
bestand über 100 Jahre, bis 1996 die<br />
Milcherzeugung eingestellt wurde.<br />
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde<br />
ein Großteil der Arbeit auf dem Gut von<br />
Kriegsgefangenen <strong>und</strong> Zwangsarbeitern<br />
geleistet:<br />
20.02.1940 – 08.05.1940<br />
13 Polen (Zivilpolen)<br />
08.05.1940 – 14.06.1941<br />
12 Polen (Kriegsgefangene)<br />
14.06.1941 – 25.10.1941<br />
16 Serben (Kriegsgefangene)<br />
25.10.1941 – 23.05.1945<br />
16 Franzosen (Kriegsgefangene)<br />
26.05.1942 – Juni 1945 11 Zivilrussen<br />
28.07.1943 – Juni 1945 1 Polenfamilie<br />
11.07.1944 – Juni 1945 1 Polenfamilie<br />
Quelle: Manfred Jessen-Klingenberg/Karl Heinrich Pohl (Hrsg.):<br />
<strong>Sehestedt</strong> aus regionalgeschichtlicher Perspektive. Ein Beitrag zu<br />
einer modernen Ortsgeschichte. Hamburg 2007. S.121<br />
Bildunterschrift???<br />
Weitere Informationen können am Infostand unter Gutshof <strong>Sehestedt</strong>,<br />
Abschnitt: <strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Entwicklung</strong> eingesehen werden.
GUTSHOF SEHESTEDT<br />
Soziale Gruppen <strong>und</strong> Leibeigene<br />
Auf dem Gut <strong>Sehestedt</strong> gab es im<br />
18. Jahrh<strong>und</strong>ert folgende soziale Gruppen:<br />
die Gutsherrenfamilie, die leibeigenen<br />
Bewohner <strong>und</strong> die Freien.<br />
DER GUTSHERR<br />
Der Gutsherr war mehr als nur der landwirtschaftliche<br />
Arbeitgeber. Er besaß<br />
eine Fülle von weiteren Rechten gegenüber<br />
seinen Untertanen, hatte aber auch<br />
die Verantwortung für das Wohlergehen<br />
seine Untertanen zu tragen.<br />
Er war Gerichtsherr, besaß das Land,<br />
das Vieh, die Höfe der Hufner, die Katen<br />
<strong>und</strong> Kohlhöfe der Insten, zum Teil die<br />
Arbeitsgeräte, <strong>und</strong> er bestimmte über<br />
deren Verteilung. Als Kirchenpatron entschied<br />
er über den Prediger <strong>und</strong> das<br />
Schulwesen, d.h. er konnte den Prediger,<br />
den Lehrer <strong>und</strong> sogar den Schulstoff<br />
auswählen.<br />
Auf der anderen Seite hatte der<br />
Gutsherr seinem Landesherrn<br />
Kontributionszahlungen (Steuern) zu<br />
entrichten. Gegenüber den Leibeigenen<br />
war er zur Konservation verpflichtet. Das<br />
bedeutete, falls der Leibeigene unverschuldet<br />
in eine Notlage geriet, hatte der<br />
Gutsherr ihn zu unterstützen.<br />
LEIBEIGENE BEWOHNER DES GUTES<br />
HUFNER<br />
Bei einer Hufe handelt es sich um ein<br />
Stück Land, das dem jeweiligen Gutsherrn<br />
gehörte. Ursprünglich war es so groß,<br />
dass eine Familie es bebauen <strong>und</strong> von<br />
den Erträgen leben konnte. Je nach<br />
Qualität des Bodens variierte die Fläche.<br />
In <strong>Sehestedt</strong> umfasste eine Hufe etwa 30<br />
bis 40 Hektar. Der Hufner bewirtschaftete<br />
das Land <strong>und</strong> bewohnte den dazugehörigen<br />
Hof.<br />
INSTEN<br />
Die Insten verfügten im Gegensatz zu den<br />
Hufnern über kein Land, das sie bebauen<br />
konnten. Ihnen wurde vom Gutsherrn eine<br />
kleine, ärmliche Wohnung oder eine Kate<br />
<strong>und</strong> ein kleiner Garten, der sogenannten<br />
Kohlhof, zugewiesen.<br />
Als Gegenleistung arbeiteten der Inste<br />
<strong>und</strong> seine Frau ein bis zwei Tage pro<br />
Woche für den Gutsherrn auf dem Feld<br />
oder im Garten.<br />
KNECHTE & MÄGDE<br />
Die Knechte waren in der Regel zwischen<br />
20 <strong>und</strong> 30 Jahren alt. Sie hatten meist<br />
Pflügen<br />
Magd in der Holländerei<br />
schon als Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in der<br />
Landwirtschaft gearbeitet. Sie arbeiteten<br />
<strong>und</strong> wohnten bei den Hufnern <strong>und</strong> wurden<br />
auch von ihnen verpflegt. Sie leisteten<br />
jedoch auch Hofdienste bei der<br />
Gutsherrschaft.<br />
HOLLÄNDER UND ANDERE FREIE<br />
Die Bezeichnung Holländer geht auf<br />
das 17. Jahrh<strong>und</strong>ert zurück. Damals<br />
waren die niederländischen Bauern führend<br />
in der Herstellung von Käse <strong>und</strong><br />
Butter. Einige Niederländer kamen nach<br />
Schleswig-Holstein <strong>und</strong> pachteten von<br />
den Gutsherren Milchviehbestände, um<br />
selbständig Milchprodukte herzustellen<br />
<strong>und</strong> zu verkaufen.<br />
Auf Gut <strong>Sehestedt</strong> waren seit 1619 verschiedene<br />
Holländer tätig. Da sie keine<br />
Leibeigenen waren, stand es ihnen jederzeit<br />
frei, auf einem anderen Gut tätig zu<br />
werden.<br />
Auch andere Freie waren auf dem Gutshof<br />
beschäftig. Dazu zählten Schmiede,<br />
Rademacher, Sattler, Jäger <strong>und</strong> Gärtner.<br />
Links: Mähen <strong>und</strong> Ernte<br />
Weitere Informationen können am Infostand unter Gutshof <strong>Sehestedt</strong>,<br />
Abschnitte: Soziale Gruppen <strong>und</strong> Leibeigene eingesehen werden.
GUTSHOF SEHESTEDT<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
Das Sozialgefüge des Gutes war durch<br />
große Unterschiede zwischen den sozialen<br />
Gruppen, durch herrschende<br />
Abhängigkeiten <strong>und</strong> durch eine klare<br />
Hierarchie geprägt.<br />
Das Gut war Wohnort, Arbeitsplatz <strong>und</strong><br />
zugleich eine rechtliche <strong>und</strong> religiöse<br />
Einheit, da der Gutsherr gleichzeitig<br />
Gerichtsherr <strong>und</strong> Kirchenpatron war.<br />
Die Gutsherrschaft repräsentierte die<br />
Oberschicht des Gutes <strong>und</strong> des Dorfes.<br />
Trotz der dargestellten Machtposition<br />
war der Gutsherr aber auch bis zu einem<br />
gewissen Grade von seinen Leibeigenen<br />
abhängig, da er ihre Hofdienste brauchte.<br />
Die Hufner bildeten den „Mittelstand“.<br />
Sie waren zwar auch Leibeigene, hatten<br />
jedoch vom Gutsherrn zugeteiltes eigenes<br />
Land, das sie bebauten. So konnten sie,<br />
bei richtiger Bewirtschaftung, auskömmlich<br />
leben. Sie mussten den Forderungen<br />
aus zwei Richtungen gerecht werden,<br />
denen des Gutsherrn (Abgaben <strong>und</strong><br />
Hofdienste) <strong>und</strong> denen ihrer Knechte <strong>und</strong><br />
Mägde (Lohn, Kost <strong>und</strong> Unterbringung).<br />
Die Insten bildeten die Unterschicht<br />
des Gutes. Sie lebten oft in ärmsten<br />
Verhältnissen. Ihr Lohn wurde vom<br />
Gutsherrn bestimmt.<br />
DIE LEIBEIGENSCHAFT<br />
Die Leibeigenschaft bestand in Schleswig-Holstein<br />
seit etwa dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Die Leibeigenen waren in fast<br />
allen Belangen des täglichen Lebens von<br />
ihrem Gutsherrn abhängig <strong>und</strong> konnten<br />
ihr Leben nicht selbst bestimmen.<br />
Sie durften weder ihren Beruf frei wählen<br />
noch das Gut verlassen. Wollten sie<br />
heiraten , benötigten sie die Zustimmung<br />
des Gutsherrn. Darüber hinaus mussten<br />
sie sich zum unbedingten Gehorsam<br />
verpflichten. Wenn das Gut, auf dem sie<br />
lebten, verkauft wurde, verkaufte man<br />
auch die Leibeigenen.<br />
Die Leibeigenschaft auf dem Gut<br />
<strong>Sehestedt</strong> wurde 1800 aufgehoben. Fortab<br />
öffnete sich das Gesellschaftssystem. Die<br />
Arbeitsbedingungen wurden nun häufig in<br />
Verträgen festgehalten.<br />
Weitere Informationen können am Infostand unter Gutshof <strong>Sehestedt</strong>,<br />
Abschnitt: Soziale Beziehungen eingesehen werden.