15. Dezember - Gemeinde Gottes
15. Dezember - Gemeinde Gottes
15. Dezember - Gemeinde Gottes
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uns? Verkaufe deine Brezeln und Wecken,<br />
wo du willst!“<br />
Der so Angefahrene, ein etwa elfjähriger<br />
Junge, bat noch einmal in flehentlichem<br />
Ton: „Kaufen Sie mir doch<br />
etwas ab!“ - Die jungen Leute lachten<br />
auf. „Wenn du dich nicht weg machst,<br />
gibt’s Prügel. - Kellner, bringen Sie<br />
doch den Bengel hinaus!“ Der Kellner<br />
kam auch rasch herbei und fasste den<br />
zitternden Knaben am Arm.<br />
„Halt, Jean, lassen Sie den Jungen<br />
gehen! Wer wird sich an einem armen<br />
Kinde vergreifen?“ rief da Elkan, und<br />
zu dem Jungen gewandt fuhr er fort:<br />
„Komm her, Kind, ich kaufe dir etwas<br />
ab.“<br />
Ängstlich nahm der Knabe seinen<br />
Korb und setzte ihn vor Elkan nieder.<br />
Dieser betrachtete ihn eine Weile aufmerksam.<br />
Es war ein schmächtiger<br />
Junge mit sympatischen Gesichtszügen.<br />
Aus den blassen, eingefallenen Wangen<br />
und matten Augen sprach viel Elend und<br />
große Armut, mehr als aus der dünnen<br />
abgetragenen Kleidung.<br />
Der Kleine fing an zu weinen. „Weine<br />
nicht, Kind,“ sagte Elkan freundlich,<br />
„es tut dir hier kein Mensch etwas. Wie<br />
heißt du eigentlich?“ -„Ich heiße Karl.“<br />
-„Was ist denn dein Vater?“<br />
„Vater ist krank, und mein Brüderchen<br />
ist noch klein. Mutter muss<br />
immer waschen gehen, und ich trage<br />
Brötchen und Brezeln aus.“ -„Auch<br />
schon morgens?“ - Ja, ich stehe um<br />
halb sechs Uhr auf und muss um sechs<br />
beim Bäcker sein. Dann trage ich Brötchen<br />
bis ich zur Schule muss.“ -„Und<br />
abends?“ -„Abends muss ich bis zwölf<br />
Uhr betteln.“ - „Armer Junge, - aber<br />
wie heißt denn dein Vater?“ -„Karl<br />
Battenfeld.“ - „Wie?“ Erregt sprang<br />
Elkan auf. „Battenfeld sagst du, und<br />
dein Vater ist krank? Was hat dein Vater<br />
denn früher getan, als er noch nicht<br />
krank war?“ -„Er hat geschrieben...“<br />
„Gott sei Dank, er ist’s! - Sag, Junge,<br />
was kostet das ganze Körbchen da?“<br />
-„Zwei Mark fünfzig.“<br />
„Hier hast du das Geld, und die<br />
Brötchen und Brezeln noch dazu. Aber<br />
du musst mich gleich zu deinem Vater<br />
führen.“<br />
Voll Freude ergriff der Junge wieder<br />
seinen Korb. Elkan zog seinen Mantel<br />
an, und die beiden verließen eilig, zur<br />
Verwunderung der zurückgebliebenen<br />
Gäste, die Gaststätte. Draußen fragte<br />
Elkan den Knaben nach seines Vaters<br />
Wohnung. „Weidengässchen Nr. 28,<br />
oben in den Dachräumen.“<br />
Das war allerdings mitten in der<br />
Stadt, aber im elendesten Viertel, das<br />
sich denken ließ. Hier hatte sich allerhand<br />
Gesindel zusammengefunden.<br />
Der alte Herr half dem Knaben den<br />
Korb tragen, und so schritten beide<br />
rasch voran. Je mehr Elkan den Jungen<br />
nach seines Vaters Verhältnissen<br />
ausfragte, desto sicherer wurde er,<br />
dass er den lang gesuchten Buchhalter<br />
vor sich habe.<br />
Es war schon nach elf Uhr, als sie in<br />
dem schmalen Gässchen und vor dem<br />
dunklen Hause ankamen. Da ergriff<br />
der Knabe Elkans Hand und leitete ihn<br />
die enge Treppe hinauf. Kein Licht und<br />
keine reine Luft herrschten hier. Endlich<br />
waren sie oben. Der Kleine öffnete eine<br />
Tür, und sie traten ein.<br />
„Wer ist da?“ tönte es leise. -„Vater,<br />
ich bins’s, Karl; ich bin bereits zu Hause,<br />
denn ich habe schon alles verkauft.“<br />
-„Leg dich ruhig zu Willy ins Bett.“<br />
-„Nein, Vater! Ich muss zuerst Licht<br />
machen; es ist noch jemand mit mir.“<br />
Der Kleine hatte rasch eine Lampe<br />
herbeigebracht, und nun sah Elkan erst,<br />
dass er sich in einem niedrigen Raum<br />
befand, ohne jedes Fenster, nur ein<br />
Oberlicht war an der schrägen Wand der<br />
Decke. In der Ecke stand ein großes Bett<br />
und daneben noch ein kleineres. Außer<br />
einem Tisch und einigen Stühlen, sowie<br />
einem Ofen, war auch sonst nichts in<br />
der Kammer.<br />
Mühsam erhob sich von dem Bett ein<br />
Mann. Entsetzt blickte er den Eingetretenen<br />
an. „Elkan, Sie? Was wollen Sie<br />
von mir? - Ich bin kein Dieb; ich habe<br />
das Geld nicht genommen!“<br />
Der Alte trat näher. „Battenfeld,<br />
mein lieber Battenfeld, nein Sie sind<br />
kein Dieb! Das Geld hat sich gefunden,<br />
und ich komme, um Ihnen die Freudenbotschaft<br />
zu bringen und Sie wieder<br />
zurückzuholen.“<br />
Er fasste die beiden Hände des bleichen<br />
Mannes, der heftig zitterte und<br />
sich dann plötzlich stöhnend auf das<br />
Bett fallen ließ.<br />
Elkan richtete ihn liebevoll auf.<br />
„Kommen Sie, alle Not, alles Elend<br />
ist vorüber, der Chef bittet Sie um<br />
Verzeihung.“<br />
Da faltete Battenfeld die Hände:<br />
„Gott im Himmel, ich danke dir für<br />
deine Gnade! Deine Wege sind wunderbar!“<br />
Er umfasste seinen Knaben, der<br />
sich an ihn schmiegte und schluchzte<br />
laut auf.<br />
Elkan war tief ergriffen; Tränen<br />
glänzten in seinen Augen. Er reichte<br />
Battenfeld beide Hände. Dann erzählte<br />
er ihm von der Auffindung des verlorenen<br />
Geldscheines. „Dank, herrlichen<br />
Dank, lieber Freund,“ sagte Battenfeld.<br />
„Wie wird sich meine arme Frau<br />
freuen! Sie ist heute Abend in einem<br />
Restaurant als Tellerwäscherin beschäftigt.<br />
O, sie haben mich so lieb, meine<br />
Frau und meine Kinder! Sie haben für<br />
mich gearbeitet, als ich in schwerer<br />
Krankheit, an der ich jetzt noch leide,<br />
darniederlag. Wie oft habe ich mir den<br />
Tod gewünscht. Nun aber will ich leben<br />
und für meine Lieben arbeiten!“<br />
Da regte es sich in dem kleinen Bettchen.<br />
Battenfeld hob den erwachenden<br />
Kleinen empor und drückte ihn an sein<br />
Herz. „Vater, ist’s schon Neujahr?“<br />
fragte das Kind.<br />
„Ja, es ist Neujahr geworden, ein<br />
neues Jahr ist angebrochen - für uns<br />
alle!“ sagte Elkan tief ergriffen. Die<br />
beiden Männer reichten sich tiefbewegt<br />
die Hand. -<br />
Gott gebe uns und allen Menschen<br />
ein glückliches neues Jahr!<br />
<strong>15.</strong> <strong>Dezember</strong> 2009<br />
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