31.12.2013 Aufrufe

15. Dezember - Gemeinde Gottes

15. Dezember - Gemeinde Gottes

15. Dezember - Gemeinde Gottes

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

uns? Verkaufe deine Brezeln und Wecken,<br />

wo du willst!“<br />

Der so Angefahrene, ein etwa elfjähriger<br />

Junge, bat noch einmal in flehentlichem<br />

Ton: „Kaufen Sie mir doch<br />

etwas ab!“ - Die jungen Leute lachten<br />

auf. „Wenn du dich nicht weg machst,<br />

gibt’s Prügel. - Kellner, bringen Sie<br />

doch den Bengel hinaus!“ Der Kellner<br />

kam auch rasch herbei und fasste den<br />

zitternden Knaben am Arm.<br />

„Halt, Jean, lassen Sie den Jungen<br />

gehen! Wer wird sich an einem armen<br />

Kinde vergreifen?“ rief da Elkan, und<br />

zu dem Jungen gewandt fuhr er fort:<br />

„Komm her, Kind, ich kaufe dir etwas<br />

ab.“<br />

Ängstlich nahm der Knabe seinen<br />

Korb und setzte ihn vor Elkan nieder.<br />

Dieser betrachtete ihn eine Weile aufmerksam.<br />

Es war ein schmächtiger<br />

Junge mit sympatischen Gesichtszügen.<br />

Aus den blassen, eingefallenen Wangen<br />

und matten Augen sprach viel Elend und<br />

große Armut, mehr als aus der dünnen<br />

abgetragenen Kleidung.<br />

Der Kleine fing an zu weinen. „Weine<br />

nicht, Kind,“ sagte Elkan freundlich,<br />

„es tut dir hier kein Mensch etwas. Wie<br />

heißt du eigentlich?“ -„Ich heiße Karl.“<br />

-„Was ist denn dein Vater?“<br />

„Vater ist krank, und mein Brüderchen<br />

ist noch klein. Mutter muss<br />

immer waschen gehen, und ich trage<br />

Brötchen und Brezeln aus.“ -„Auch<br />

schon morgens?“ - Ja, ich stehe um<br />

halb sechs Uhr auf und muss um sechs<br />

beim Bäcker sein. Dann trage ich Brötchen<br />

bis ich zur Schule muss.“ -„Und<br />

abends?“ -„Abends muss ich bis zwölf<br />

Uhr betteln.“ - „Armer Junge, - aber<br />

wie heißt denn dein Vater?“ -„Karl<br />

Battenfeld.“ - „Wie?“ Erregt sprang<br />

Elkan auf. „Battenfeld sagst du, und<br />

dein Vater ist krank? Was hat dein Vater<br />

denn früher getan, als er noch nicht<br />

krank war?“ -„Er hat geschrieben...“<br />

„Gott sei Dank, er ist’s! - Sag, Junge,<br />

was kostet das ganze Körbchen da?“<br />

-„Zwei Mark fünfzig.“<br />

„Hier hast du das Geld, und die<br />

Brötchen und Brezeln noch dazu. Aber<br />

du musst mich gleich zu deinem Vater<br />

führen.“<br />

Voll Freude ergriff der Junge wieder<br />

seinen Korb. Elkan zog seinen Mantel<br />

an, und die beiden verließen eilig, zur<br />

Verwunderung der zurückgebliebenen<br />

Gäste, die Gaststätte. Draußen fragte<br />

Elkan den Knaben nach seines Vaters<br />

Wohnung. „Weidengässchen Nr. 28,<br />

oben in den Dachräumen.“<br />

Das war allerdings mitten in der<br />

Stadt, aber im elendesten Viertel, das<br />

sich denken ließ. Hier hatte sich allerhand<br />

Gesindel zusammengefunden.<br />

Der alte Herr half dem Knaben den<br />

Korb tragen, und so schritten beide<br />

rasch voran. Je mehr Elkan den Jungen<br />

nach seines Vaters Verhältnissen<br />

ausfragte, desto sicherer wurde er,<br />

dass er den lang gesuchten Buchhalter<br />

vor sich habe.<br />

Es war schon nach elf Uhr, als sie in<br />

dem schmalen Gässchen und vor dem<br />

dunklen Hause ankamen. Da ergriff<br />

der Knabe Elkans Hand und leitete ihn<br />

die enge Treppe hinauf. Kein Licht und<br />

keine reine Luft herrschten hier. Endlich<br />

waren sie oben. Der Kleine öffnete eine<br />

Tür, und sie traten ein.<br />

„Wer ist da?“ tönte es leise. -„Vater,<br />

ich bins’s, Karl; ich bin bereits zu Hause,<br />

denn ich habe schon alles verkauft.“<br />

-„Leg dich ruhig zu Willy ins Bett.“<br />

-„Nein, Vater! Ich muss zuerst Licht<br />

machen; es ist noch jemand mit mir.“<br />

Der Kleine hatte rasch eine Lampe<br />

herbeigebracht, und nun sah Elkan erst,<br />

dass er sich in einem niedrigen Raum<br />

befand, ohne jedes Fenster, nur ein<br />

Oberlicht war an der schrägen Wand der<br />

Decke. In der Ecke stand ein großes Bett<br />

und daneben noch ein kleineres. Außer<br />

einem Tisch und einigen Stühlen, sowie<br />

einem Ofen, war auch sonst nichts in<br />

der Kammer.<br />

Mühsam erhob sich von dem Bett ein<br />

Mann. Entsetzt blickte er den Eingetretenen<br />

an. „Elkan, Sie? Was wollen Sie<br />

von mir? - Ich bin kein Dieb; ich habe<br />

das Geld nicht genommen!“<br />

Der Alte trat näher. „Battenfeld,<br />

mein lieber Battenfeld, nein Sie sind<br />

kein Dieb! Das Geld hat sich gefunden,<br />

und ich komme, um Ihnen die Freudenbotschaft<br />

zu bringen und Sie wieder<br />

zurückzuholen.“<br />

Er fasste die beiden Hände des bleichen<br />

Mannes, der heftig zitterte und<br />

sich dann plötzlich stöhnend auf das<br />

Bett fallen ließ.<br />

Elkan richtete ihn liebevoll auf.<br />

„Kommen Sie, alle Not, alles Elend<br />

ist vorüber, der Chef bittet Sie um<br />

Verzeihung.“<br />

Da faltete Battenfeld die Hände:<br />

„Gott im Himmel, ich danke dir für<br />

deine Gnade! Deine Wege sind wunderbar!“<br />

Er umfasste seinen Knaben, der<br />

sich an ihn schmiegte und schluchzte<br />

laut auf.<br />

Elkan war tief ergriffen; Tränen<br />

glänzten in seinen Augen. Er reichte<br />

Battenfeld beide Hände. Dann erzählte<br />

er ihm von der Auffindung des verlorenen<br />

Geldscheines. „Dank, herrlichen<br />

Dank, lieber Freund,“ sagte Battenfeld.<br />

„Wie wird sich meine arme Frau<br />

freuen! Sie ist heute Abend in einem<br />

Restaurant als Tellerwäscherin beschäftigt.<br />

O, sie haben mich so lieb, meine<br />

Frau und meine Kinder! Sie haben für<br />

mich gearbeitet, als ich in schwerer<br />

Krankheit, an der ich jetzt noch leide,<br />

darniederlag. Wie oft habe ich mir den<br />

Tod gewünscht. Nun aber will ich leben<br />

und für meine Lieben arbeiten!“<br />

Da regte es sich in dem kleinen Bettchen.<br />

Battenfeld hob den erwachenden<br />

Kleinen empor und drückte ihn an sein<br />

Herz. „Vater, ist’s schon Neujahr?“<br />

fragte das Kind.<br />

„Ja, es ist Neujahr geworden, ein<br />

neues Jahr ist angebrochen - für uns<br />

alle!“ sagte Elkan tief ergriffen. Die<br />

beiden Männer reichten sich tiefbewegt<br />

die Hand. -<br />

Gott gebe uns und allen Menschen<br />

ein glückliches neues Jahr!<br />

<strong>15.</strong> <strong>Dezember</strong> 2009<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!