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Teil 1 Allgemeine Grundrechtslehren - Grundkurs-staatsrecht.de

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Juristische Fakultät • Priv.-Doz. Dr. Christian von Coelln<br />

<strong>Teil</strong> 1<br />

<strong>Allgemeine</strong><br />

<strong>Grundrechtslehren</strong>


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die historische Entwicklung <strong>de</strong>r Grundrechte<br />

Vorläufer in an<strong>de</strong>ren Rechtsordnungen<br />

• Magna Carta Libertatum 1215<br />

• Habeas Corpus 1679<br />

• Bill of Rights 1689<br />

• Bill of Rights of Virginia 1776<br />

• Bill of Rights - Amendments zur Bun<strong>de</strong>sverfassung <strong>de</strong>r USA 1791<br />

• Déclaration <strong>de</strong>s droits <strong>de</strong> l‘homme et du citoyen 1789<br />

• Unterschiedlich weite Grundrechtsverbürgungen in <strong>de</strong>n französischen<br />

Verfassungen von 1791, 1793 und 1795<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 2


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die historische Entwicklung <strong>de</strong>r Grundrechte<br />

Die Entstehung von Grundrechten in Deutschland<br />

• Einzelne Rechteverbürgungen in süd<strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>sverfassungen im<br />

19. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

• Paulskirchenverfassung 1848/49<br />

• Preußische Verfassungsurkun<strong>de</strong> 1850<br />

• Nicht: Nord<strong>de</strong>utsche Bun<strong>de</strong>sverfassung 1867, Reichsverfassung 1871<br />

• Weimarer Reichsverfassung 1919<br />

• Grundgesetz 1949<br />

• knüpft im Grundrechtsteil vielfach an die WRV an<br />

• aber: Grundrechtsbindung aller drei Staatsgewalten, Art. 1 III GG<br />

• aber: Zurückhaltung bei sozialen Garantien<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 3


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Der Begriff „Grundrechte“<br />

• Subjektive Rechte <strong>de</strong>s einzelnen Menschen<br />

• Adressat ist <strong>de</strong>r Staat<br />

• Verfassungsrang - in <strong>de</strong>r Normenpyrami<strong>de</strong> „ganz oben“<br />

• Staat muß sich für Einschränkungen rechtfertigen<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 4


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Der normative Standort <strong>de</strong>r Grundrechte<br />

• Die Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />

• Art. 1 bis 19 GG<br />

• Grundrechtsgleiche Rechte außerhalb <strong>de</strong>s ersten Abschnitts<br />

Hilfestellung im Gesetzestext: Art. 93 I Nr. 4 a GG<br />

• Die Grundrechte etlicher Lan<strong>de</strong>sverfassungen<br />

• Unterscheidung Vollverfassungen - Organisationsstatute<br />

• Grundgesetzliche „Regelung“ <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgrundrechte: Art. 142 GG<br />

• Beachten: Unterschiedliche Geltungsbereiche von Bun<strong>de</strong>s- und<br />

Lan<strong>de</strong>sgrundrechten<br />

• Außer<strong>de</strong>m beachten: Bun<strong>de</strong>sgrundrechte sind Prüfungsmaßstab <strong>de</strong>s<br />

BVerfG, Lan<strong>de</strong>sgrundrechte sind Prüfungsmaßstab <strong>de</strong>s jeweiligen LVerfG<br />

• Son<strong>de</strong>rproblem: Bindung von Lan<strong>de</strong>sorganen, die Bun<strong>de</strong>srecht anwen<strong>de</strong>n,<br />

an Grundrechte ihrer Lan<strong>de</strong>sverfassung?<br />

Grundlegend - aber letztlich unzutreffend - dazu BVerfGE 96, 345 ff.<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 5


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Beispiel für ein „spezielles“ Lan<strong>de</strong>sgrundrecht:<br />

Art. 141 III BayVerf.<br />

Der Genuss <strong>de</strong>r Naturschönheiten und die Erholung in <strong>de</strong>r freien Natur,<br />

insbeson<strong>de</strong>re das Betreten von Wald und Bergwei<strong>de</strong>, das Befahren <strong>de</strong>r<br />

Gewässer und die Aneignung wildwachsen<strong>de</strong>r Waldfrüchte in<br />

ortsüblichem Umfang ist je<strong>de</strong>rmann gestattet. Dabei ist je<strong>de</strong>rmann<br />

verpflichtet, mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen. Staat und<br />

Gemein<strong>de</strong>n sind berechtigt und verpflichtet, <strong>de</strong>r Allgemeinheit die<br />

Zugänge zu Bergen, Seen und Flüssen und sonstigen landschaftlichen<br />

Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen <strong>de</strong>s<br />

Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wan<strong>de</strong>rwege und Erholungsparks<br />

anzulegen.<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 6


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Der normative Standort <strong>de</strong>r Grundrechte<br />

• Die Rechte <strong>de</strong>r Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

• EMRK und EGMR<br />

• Geltung <strong>de</strong>r EMRK in Deutschland im Rang einfachen Bun<strong>de</strong>srechts<br />

• Grundlegend zur Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r EMRK bei <strong>de</strong>r Auslegung und Anwendung<br />

nationalen Rechts und zum Verhältnis <strong>de</strong>r EMRK zu <strong>de</strong>n Grundrechten <strong>de</strong>s<br />

Grundgesetzes BVerfGE 111, 307 ff.<br />

• Gemeinschaftsgrundrechte<br />

• Nicht im EGV geregelt, aber aus <strong>de</strong>n Verfassungstraditionen <strong>de</strong>r<br />

Mitgliedsstaaten entwickelt und allgemein anerkannt<br />

• Europäische Grundrechtecharta: Derzeit noch nicht in Kraft<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 7


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Grundrechtsfunktionen und -dimensionen<br />

Grundrechte als subjektive Rechte<br />

Unterscheidung objektives Recht - subjektive Rechte<br />

• Je<strong>de</strong>s subjektive Recht ist zugleich <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s objektiven Rechts.<br />

Aber nicht je<strong>de</strong>m objektiven Rechtssatz korrespondiert ein subjektives Recht.<br />

• An<strong>de</strong>rs formuliert: Es kann Pflichten geben, ohne daß jemand berechtigt ist, die<br />

Erfüllung dieser Pflichten zu verlangen.<br />

Aber es kann keinen Anspruch ohne Verpflichteten geben.<br />

Grundrechte = subjektive Rechte<br />

• Es gibt einen Inhaber/Träger <strong>de</strong>s Grundrechts<br />

• Er kann sein Recht gerichtlich durchsetzen<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 8


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Grundrechtsfunktionen und -dimensionen<br />

Grundrechte als subjektive Rechte<br />

Die „Statuslehre“ Georg Jellineks<br />

• status negativus<br />

-> Freiheit vom Staat; Grundrecht als Abwehrrecht<br />

• status positivus<br />

-> Freiheit durch <strong>de</strong>n Staat; Grundrecht als Schutz-, <strong>Teil</strong>habe-, Leistungs- u.<br />

Verfahrensrecht<br />

Abwehr- und Leistungsdimension können sich überschnei<strong>de</strong>n<br />

• status activus<br />

-> Freiheit im und für <strong>de</strong>n Staat; Grundrecht als Mitwirkungsrecht<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 9


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Grundrechtsfunktionen und -dimensionen<br />

Objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte<br />

• Überblick<br />

• Grundrechte als Einrichtungsgarantien<br />

• Institutsgarantien<br />

-> Privatrechtliche Institute<br />

• Institutionelle Garantien<br />

-> öffentlich-rechtliche Einrichtungen<br />

• Grundrechte als objektive Wertentscheidungen<br />

Grundlegend: Lüth-Entscheidung (BVerfGE 7, 198 ff.)<br />

Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Passagen: S. 203 ff. (lesen!)<br />

• Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren<br />

• Grundrechtliche Schutzpflichten<br />

• Ausgangspunkt: 1. Abtreibungsentscheidung (BVerfGE 39, 1 ff.)<br />

• Erfüllung <strong>de</strong>r Schutzpflicht i.d.R. mit Eingriff in Grundrechte Dritter verbun<strong>de</strong>n<br />

• Regelmäßig korrespondieren<strong>de</strong>s Schutzrecht<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 10


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Grundrechtsfunktionen und -dimensionen<br />

Grundrechtsadressaten<br />

• Der Staat als Grundrechtsadressat<br />

• alle drei Staatsgewalten<br />

• Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>sstaatsgewalt (an<strong>de</strong>rs natürlich bei Lan<strong>de</strong>sgrundrechten!)<br />

• nur <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Staat<br />

• unabhängig von <strong>de</strong>r Handlungsform<br />

Stichwort: „Keine Flucht ins Privatrecht“<br />

• Private als Grundrechtsadressat?<br />

Problem <strong>de</strong>r „Drittwirkung“<br />

• keine unmittelbare Drittwirkung<br />

• aber: Grundrechte wirken auf die Anwendung und Auslegung an<strong>de</strong>rer<br />

Vorschriften einschließlich privatrechtlicher Vorschriften -> sog. „mittelbare<br />

Drittwirkung“<br />

• im praktischen Fall Problematik regelmäßig durch Beteiligung eines<br />

Hoheitsträgers (Gericht) entschärft<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 11


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

Überblick und Terminologie<br />

• Die Stufen <strong>de</strong>r Grundrechtsprüfung<br />

• Schutzbereich <strong>de</strong>s Grundrechts eröffnet?<br />

• Eingriff in <strong>de</strong>n Schutzbereich?<br />

• Eingriff gerechtfertigt?<br />

• Terminologische und prüfungstechnische Konsequenzen:<br />

• Die Grundrechtsverletzung ist <strong>de</strong>r nicht gerechtfertigte Eingriff in <strong>de</strong>n<br />

Schutzbereich eines Grundrechts.<br />

• Der Begriff „Grundrechtseingriff“ ist juristisch nicht negativ belegt,<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>utet er nicht auf die Rechtswidrigkeit staatlichen Han<strong>de</strong>lns<br />

hin?<br />

• Fragestellung genau beachten:<br />

• „Kann sich XY auf Grundrechte berufen?“ = Schutzbereich eröffnet?<br />

• „Beeinträchtigt die Maßnahme XY in seinen Grundrechten?“ = Eingriff?<br />

• „Verletzt die Maßnahme XY in seinen Grundrechten?“ = Nicht<br />

gerechtfertigter Eingriff?<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 12


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

Der Schutzbereich<br />

Begriff: Der grundrechtlich geschützte Lebensbereich<br />

• Sachlicher Schutzbereich:<br />

Wird das fragliche Verhalten vom Schutzbereich erfaßt?<br />

• Persönlicher Schutzbereich:<br />

Kann sich <strong>de</strong>r Betreffen<strong>de</strong> auf das Grundrecht berufen?<br />

• Deutschengrundrechte und Menschen-/Je<strong>de</strong>rmannrechte<br />

• Der unterschiedlich weite persönliche Schutzbereich<br />

• Die Rechtsstellung von Auslän<strong>de</strong>rn im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Deutschengrundrechte<br />

• Keine Berufung auf dieses Grundrecht<br />

• Aber ggf. einfach-rechtliche Rechtsstellung, die <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Deutschen<br />

entspricht<br />

• Zu<strong>de</strong>m regelmäßig Schutz durch Art. 2 I GG<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 13


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

Noch: Der persönliche Schutzbereich<br />

• Deutschengrundrechte und Menschen-/Je<strong>de</strong>rmannrechte<br />

• Son<strong>de</strong>rproblem: EU-Bürger als Träger von Deutschengrundrechten?<br />

• Hintergrund: Diskriminierungsverbot gem. Art. 12 EGV<br />

• 1. Lösungsmöglichkeit: „Deutsche“ wird gelesen als „Deutsche und<br />

an<strong>de</strong>re Unionsbürger“<br />

• 2. Lösungsmöglichkeit: Schutz von EU-Auslän<strong>de</strong>rn „nur“ über Art. 2 I<br />

GG, aber mit <strong>de</strong>m Schutzniveau <strong>de</strong>s Deutschengrundrechts<br />

• Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen<br />

• Regelung: Art. 19 III GG<br />

Merkmale:<br />

• Juristische Person<br />

• inländisch<br />

• wesensmäßige Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Grundrechts<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 14


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

Art. 19 III GG im einzelnen<br />

• Juristische Person<br />

Personenmehrheiten und Vermögensmassen, die nach einfachem Recht<br />

• rechtsfähig<br />

• o<strong>de</strong>r teilrechtsfähig sind<br />

Begriff also weiter als im einfachen Recht!<br />

• Inländisch<br />

Maßgeblich ist <strong>de</strong>r Sitz = Schwerpunkt <strong>de</strong>r Tätigkeit (nicht: Registersitz)<br />

• Wesensmäßige Anwendbarkeit<br />

Fehlt, soweit das Grundrecht an Qualitäten und Fähigkeiten anknüpft, die <strong>de</strong>m<br />

Menschen als solchen eignen<br />

Gegeben, wenn das Grundrecht auch kollektiv bzw. von einem Konstrukt <strong>de</strong>r<br />

Rechtsordnung ausgeübt wer<strong>de</strong>n kann<br />

Argumentationstopoi:<br />

• „Personales Substrat“<br />

• „Grundrechtstypische Gefährdungslage“<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 15


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

Son<strong>de</strong>rproblem bei Art. 19 III GG: Juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

• Grundsatz: Bei juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts fehlt es an <strong>de</strong>r<br />

wesensmäßigen Anwendbarkeit von Grundrechten<br />

Argumente:<br />

• Es fehlt das personale Substrat und damit die grundrechtstypische<br />

Gefährdungslage<br />

• Konfusionsargument<br />

• Tätigwer<strong>de</strong>n auf Grund von Kompetenzen, nicht in Wahrnehmung<br />

grundrechtlicher Freiheit<br />

• Im Konflikt mit <strong>de</strong>m Bürger könnten sich Grundrechte gegen <strong>de</strong>n Bürger<br />

wen<strong>de</strong>n<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 16


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

noch: Son<strong>de</strong>rproblem bei Art. 19 III GG: Juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

• Ausnahmen: Wenn juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts ein bestimmter<br />

grundrechtlicher Lebensbereich unmittelbar zugeordnet ist, in <strong>de</strong>m sie staatsunabhängig<br />

o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st staatsdistanziert tätig sind.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re:<br />

• Universitäten/Fakultäten -> Art. 5 III GG<br />

• Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten -> Art. 5 I 2 GG<br />

(s. aber auch BVerfGE 107, 299 ff.)<br />

• Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften -> Art. 4 GG und an<strong>de</strong>re Grundrechte<br />

Außer<strong>de</strong>m: Geltung <strong>de</strong>r Justizgrundrechte für juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 17


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

Der Grundrechtseingriff<br />

• Begriff<br />

Grundrechtseingriff liegt vor, wenn <strong>de</strong>m einzelnen ein Verhalten, das vom<br />

Schutzbereich <strong>de</strong>s Grundrechts umfaßt wird, durch <strong>de</strong>n Staat unmöglich gemacht<br />

o<strong>de</strong>r wesentlich erschwert wird.<br />

• Eingriff und Ausgestaltung/Konkretisierung von Grundrechten<br />

• Kein Eingriff bei wirksamem Grundrechtsverzicht<br />

• Aktuelle Problematik: Staatliche Warnungen<br />

BVerfGE 105, 252 ff. (Glykol); 105, 279 ff. (Jugendsekten)<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 18


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

Die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs<br />

Grundgedanke, zugleich mögliche Formulierung <strong>de</strong>s Obersatzes:<br />

Der Eingriff ist gerechtfertigt, wenn er von <strong>de</strong>n Schranken <strong>de</strong>s Grundrechts<br />

unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Schranken-Schranken ge<strong>de</strong>ckt ist.<br />

• Grundrechtsschranken<br />

• Gesetzesvorbehalt<br />

• einfach<br />

• qualifiziert<br />

• Regelungsvorbehalt<br />

• „<strong>Allgemeine</strong> Gesetze“<br />

• „Schrankentrias“<br />

• Verfassungsimmanente Schranken<br />

• Grundrechte Dritter<br />

• Sonstige Güter von Verfassungsrang<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 19


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Freiheitsgrundrechte<br />

noch: Die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs<br />

• Schranken-Schranken (Eingriffskautelen)<br />

• Formelle Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s einschränken<strong>de</strong>n Gesetzes<br />

Sog. „Elfes-Konstruktion“, BVerfGE 6, 32 ff.<br />

• Kompetenz<br />

• Verfahren<br />

• Verbot <strong>de</strong>s Einzelfallgesetzes, Art. 19 I 1 GG<br />

• Zitiergebot, Art. 19 I 2 GG<br />

• Parlamentsvorbehalt<br />

• Bestimmtheitsgrundsatz<br />

• Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot)<br />

• Geeignetheit<br />

• Erfor<strong>de</strong>rlichkeit<br />

• Verhältnismäßigkeit i.e.S. (Angemessenheit/Zumutbarkeit)<br />

• Wesensgehaltsgarantie, Art. 19 II GG<br />

• Ggf. Übereinstimmung mit sonstigen verfassungsgestalten<strong>de</strong>n<br />

Grun<strong>de</strong>ntscheidungen<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 20


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Rechtfertigung eines Eingriffs<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip (= Übermaßverbot)<br />

Die Folgen eines vom Staat eingesetzten Mittels dürfen zum angestrebten Zweck<br />

nicht außer Verhältnis stehen: Zweck-Mittel-Abwägung<br />

Keine pauschalen Gerechtigkeitserwägungen, son<strong>de</strong>rn exakte juristische Prüfung<br />

Mittel und Zweck müssen klar benannt wer<strong>de</strong>n<br />

Prüfungsschritte:<br />

• [Verfassungslegitimer Zweck]<br />

Zweck darf nicht von <strong>de</strong>r Verfassung verboten sein<br />

• Geeignetheit<br />

Eingesetztes Mittel muß <strong>de</strong>n angestrebten Zweck zumin<strong>de</strong>st för<strong>de</strong>rn<br />

• Erfor<strong>de</strong>rlichkeit<br />

Eingesetztes Mittel muß das mil<strong>de</strong>ste aller gleich wirksamen Mittel sein<br />

• Angemessenheit (= Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)<br />

Zwischen Mittel und Zweck darf kein unerträgliches Mißverhältnis bestehen; die<br />

staatliche Maßnahme muß für die Betroffenen zumutbar sein<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 21


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Prüfung eines Freiheitsgrundrechtes<br />

Überblick für Eingriffe durch Gesetz bzw. aufgrund Gesetzes<br />

I. Eröffnung <strong>de</strong>s Schutzbereichs<br />

II. Eingriff in <strong>de</strong>n Schutzbereich<br />

III. Rechtfertigung <strong>de</strong>s Eingriffs<br />

1. Überprüfung <strong>de</strong>s eingreifen<strong>de</strong>n (bzw. zum Eingriff ermächtigen<strong>de</strong>n)<br />

Gesetzes<br />

a) Schranken<br />

b) Schranken-Schranken<br />

Bei Eingriff aufgrund Gesetzes:<br />

2. Überprüfung <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s Gesetzes im Einzelfall<br />

a) Erfüllung <strong>de</strong>r tatbestandlichen Voraussetzungen <strong>de</strong>s Gesetzes<br />

b) Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>s Ausführungsakts<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 22


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Die Struktur <strong>de</strong>r Gleichheitsrechte<br />

Überblick<br />

• „Dreiecksbeziehung“ Staat - Grundrechtsträger - Dritter<br />

• Mögliche Fragestellungen:<br />

• Kann Ungleichbehandlung trotz Vergleichbarkeit gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n?<br />

• Kann Gleichbehandlung trotz Unvergleichbarkeit gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n?<br />

• Mehrere Möglichkeiten <strong>de</strong>r Behebung eines Gleichheitsverstoßes<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 23


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Grundrechtskonkurrenzen und Grundrechtskollisionen<br />

Konkurrenzen<br />

• Begriff: Verhalten eines Grundrechtsträgers fällt in <strong>de</strong>n Schutzbereich von<br />

min<strong>de</strong>stens zwei Grundrechten<br />

• Formen <strong>de</strong>r Konkurrenz: Gesetzeskonkurrenz („unechte Konkurrenz“) und<br />

I<strong>de</strong>alkonkurrenz („echte Konkurrenz“)<br />

• I<strong>de</strong>alkonkurrenz als Normalfall<br />

• Frage praktisch relevant bei schrankendivergenten Grundrechten<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 24


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Grundrechtskonkurrenzen und Grundrechtskollisionen<br />

Kollisionen<br />

• Begriff: Konflikt zwischen unterschiedlichen Grundrechtsträgern, <strong>de</strong>ren<br />

jeweiliges Verhalten grundrechtlichen Schutz genießt<br />

• Kollisionslösung in erster Linie durch <strong>de</strong>n Gesetzgeber<br />

• Der systematische Standort kollidieren<strong>de</strong>n Verfassungsrechts: Tatbestandso<strong>de</strong>r<br />

Rechtfertigungsebene?<br />

• Folgefragen <strong>de</strong>r Berücksichtigung kollidieren<strong>de</strong>n Verfassungsrechts auf <strong>de</strong>r<br />

Rechtfertigungsebene<br />

• Verfassungsimmanente Schranken bei Grundrechten unter<br />

Gesetzesvorbehalt?<br />

• Problem <strong>de</strong>r Bestimmung <strong>de</strong>r Güter von Verfassungsrang<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 25


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Beispielsfall: Demonstration in <strong>de</strong>r Bannmeile<br />

Das bayerische Bannmeilengesetz<br />

Gesetz über die Befriedung <strong>de</strong>s Landtagsgebäu<strong>de</strong>s<br />

Art. 1 (1) Innerhalb <strong>de</strong>s befrie<strong>de</strong>ten Bannkreises <strong>de</strong>s Landtagsgebäu<strong>de</strong>s dürfen<br />

Versammlungen unter freiem Himmel und Umzüge nicht stattfin<strong>de</strong>n. Das in Art. 113<br />

<strong>de</strong>r Verfassung und in Art. 8 <strong>de</strong>s Grundgesetzes gewährleistete Grundrecht <strong>de</strong>r<br />

Versammlungsfreiheit wird insoweit eingeschränkt.<br />

(2) Ausnahmen können vom Staatsministerium <strong>de</strong>s Innern im Einvernehmen mit<br />

<strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Landtags zugelassen wer<strong>de</strong>n.<br />

Art. 2 Den befrie<strong>de</strong>ten Bannkreis <strong>de</strong>s Landtagsgebäu<strong>de</strong>s bestimmt das<br />

Staatsministerium <strong>de</strong>s Innern im Einvernehmen mit <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s<br />

Landtags. Der Halbmesser <strong>de</strong>s Bannkreises um das Landtagsgebäu<strong>de</strong> darf 1 km<br />

nicht überschreiten.<br />

...<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 26


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Beispielsfall: Demonstration in <strong>de</strong>r Bannmeile<br />

VO zur Durchführung <strong>de</strong>s Bannmeilengesetzes<br />

Verordnung zur Durchführung <strong>de</strong>s Gesetzes über die Befriedung <strong>de</strong>s<br />

Landtagsgebäu<strong>de</strong>s<br />

Auf Grund <strong>de</strong>s Art. 2 Satz 1 <strong>de</strong>s Gesetzes über die Befriedung <strong>de</strong>s<br />

Landtagsgebäu<strong>de</strong>s wird im Einvernehmen mit <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Landtags<br />

bestimmt:<br />

§ 1 (1) Der befrie<strong>de</strong>te Bannkreis <strong>de</strong>s Landtagsgebäu<strong>de</strong>s umfasst das nachfolgend<br />

umgrenzte Gebiet: Max-Weber-Platz, Innere Wiener Straße, Wiener Platz, Innere<br />

Wiener Straße, Am Gasteig, Ludwigsbrücke, Westufer <strong>de</strong>r Isar,<br />

Prinzregentenbrücke, südliches Ron<strong>de</strong>ll am Frie<strong>de</strong>nsengel, Prinzregentenstraße,<br />

Ismaninger Straße, Max-Weber-Platz.<br />

(2) Die angeführten Straen und Plätze sind nicht <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s befrie<strong>de</strong>ten<br />

Bannkreises.<br />

...<br />

PD Dr. Christian von Coelln # 27


<strong>Teil</strong> 1: <strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundrechtslehren</strong><br />

Beispielsfall: Demonstration in <strong>de</strong>r Bannmeile<br />

Die Bannmeile um das Maximilianeum<br />

Quelle: http://www.bayern.landtag.<strong>de</strong><br />

PD Dr. Christian von Coelln # 28

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