Wolfgang Lecher - Rainer Hampp Verlag
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270 <strong>Lecher</strong>: Europäische Betriebsräte - Erfahrungen und Perspektiven<br />
ein engerer Ausschuß einzurichten ist. Der dänische Umsetzungsentwurf sieht einen<br />
engeren Ausschuß ab 15, der deutsche ab 9 Mitgliedern des EBR vor.<br />
3. Beispiele freiwilliger Vereinbarungen<br />
Wenden wir uns nun einigen ausgewählten Beispielen von freiwillig vereinbarten<br />
EBR in drei Ländern zu, die interessante Aufschlüsse über deren Struktur bieten<br />
und zugleich Anregungen für die Arbeitsweise der zukünftig nach der nationalen<br />
Implementierung einzurichtenden Gremien geben.<br />
3.1 Frankreich: Bull<br />
Eine der ältesten Einrichtungen mit entsprechend langer Praxis (gegründet 1988)<br />
ist bei dem französischen Computer-Konzern Bull angesiedelt (Europäischer Metallgewerkschaftsbund<br />
1996). 28 Delegierte aus 16 Ländern treffen sich zweimal im Jahr<br />
(also doppelt so häufig als die EBR-Richtlinie anregt), um sich von der Konzernleitung<br />
informieren zu lassen und Empfehlungen für die Unternehmensentscheidungen<br />
abzugeben. Diese Empfehlungen müssen zwar von der Unternehmensleitung nicht<br />
befolgt (was ja einem faktischen Vetorecht und echter Mitbestimmung gleich käme),<br />
sie müssen aber in jedem Fall beantwortet werden, was der Praxis der französischen<br />
Comité d'Entreprise entspricht. Die zweimal pro Jahr stattfindenden Treffen finden<br />
zweitägig am Sitz des Konzerns in Paris statt, wo ein „Büro“ aus sieben gewählten<br />
Vertretern die Sitzungen vorbereitet, wobei der Vorsitzende und Präsident der Bull-<br />
Gruppe der Gastgeber des Euro-Komitees ist. Auch dies entspricht den französischen<br />
Gepflogenheiten, wonach die Geschäftsführung bzw. ein Vertreter des Managements<br />
dem Comité d'Entreprise vorsitzt. Allerdings ist sichergestellt, daß sich am ersten der<br />
beiden Tage des Treffens die Arbeitnehmervertreter alleine zusammensetzen und ihre<br />
Probleme bzw. ihren Diskussionsbedarf vorbesprechen.<br />
Inzwischen geht die Informationspraxis des Unternehmens über die halbjährlich<br />
stattfindenden offiziellen Treffen hinaus. Alle Mitglieder des Komitees erhalten den<br />
monatlichen Kurzreport des Managements. Auf der anderen Seite ist aber auch klar,<br />
daß das Management wertvolle Informationen über das Komitee bezüglich des Zustandes<br />
der Arbeitsbeziehungen und der Arbeitsmotivation erhält. Im Euro-Komitee<br />
findet also ein direktes „Feedback“ statt, es dient beiden Seiten als Antenne, Verstimmungen,<br />
Akzeptanzen und sich zusammenbrauende Problemlagen frühzeitig zu<br />
erkennen.<br />
Neue Arbeitsinhalte wurden bisher allerdings kaum aufgenommen. Dies nicht<br />
zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Interessenvertretungskulturen in den einzelnen<br />
Ländern. So tun sich Delegierte, die national traditionell in starker Konfliktsituation<br />
zur Arbeitgeberseite stehen, schwer, Probleme qualifiziert und konsensorientiert mit<br />
dem Management zu beraten. Daher hat sich das Euro-Gremium als nächsten Schritt<br />
vorgenommen, die Stellung der Personalvertretungen bei Bull in ganz Europa zu<br />
harmonisieren und zwar auf einem möglichst hohen Niveau. Damit soll der Versuch<br />
gemacht werden, das Verhältnis von Personalmanagement und Arbeitnehmervertre-