SOZIALE TECHNIK 4/13
SOZIALE TECHNIK ist die einzige Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, die über umwelt- und sozialwissenschaftliche Technikforschung berichtet. Die Themen umfassen Technologie & Politik, Umwelt & Energie, Neue Biotechnologien und Frauen & Technik. SOZIALE TECHNIK informiert seit mehr als 20 Jahren über aktuelle Themen in den Bereichen umwelt- und sozialverträgliche Technikgestaltung, Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung.
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Europäische Landwirtschaftspolitik<br />
zu ernähren, nachkommen und dürfe nicht<br />
produktive Flächen „stilllegen“, so wurde<br />
argumentiert. Den Kassandrarufen wurde<br />
Gehör geschenkt: Auf den nur mehr 5%<br />
„Ökologischen Vorrangflächen“ dürfen<br />
auch Eiweißpflanzen wie Soja, Ackerbohnen<br />
und Erbsen angebaut werden. Zudem<br />
scheint es dort möglich zu sein, Pestizide<br />
und Handelsdünger einzusetzen. Von „ökologisch“<br />
kann in diesem Fall wohl keine<br />
Rede mehr sein. Die ungleiche Verteilung<br />
der Fördergelder – 80% der Betriebe bekommen<br />
20% der Zahlungen und vice versa –<br />
war Vertreter_innen der kleinbäuerlichen<br />
Landwirtschaft schon lange ein Dorn im<br />
Auge. Auch das EU-Parlament forderte eine<br />
ausgewogenere Zuteilung der Direktzahlungen.<br />
Auf Betreiben der Agrarlobbies aber<br />
wurden die Umverteilungsbestrebungen von<br />
Parlament und Kommission zu einem zahnund<br />
wirkungslosen Feigenblatt „wegverhandelt“.<br />
Betriebe mit mehr als 150.000 €<br />
Direktzahlungen werden 5% weniger bekommen.<br />
Löhne und auch ein Gehalt für<br />
den Betriebsführer können vor der Berechnung<br />
abgezogen werden. Der Kreis der Betroffenen<br />
dürfte daher überschaubar sein.<br />
Mit seinem Versuch, das Missverhältnis bei<br />
den FörderungsempfängerInnen zu entschärfen,<br />
ist Agrarkommissar Ciolos demnach,<br />
wie schon seine Amtsvorgängerin<br />
Mariann Fischer-Boel, an den Mitgliedstaaten<br />
gescheitert.<br />
Die Hoffnung stirbt zuletzt?<br />
Viele Bäuer_innen, aber auch kritische Bürger_innen,<br />
Umweltschützer_innen und<br />
Wissenschafter_innen haben hohe Erwartungen<br />
an diese GAP-Reform geknüpft. So,<br />
wie es jetzt aussieht, war dies vergeblich.<br />
Mittels immensem Aufwand für die Verwaltung<br />
dürfte ein neues System eingeführt<br />
werden, das letztendlich keine nennenswerten<br />
Änderungen im Sinne einer nachhaltigen<br />
Landbewirtschaftung oder aber auch<br />
adäquaten Aufteilung der Fördergelder<br />
schaffen wird. Allerdings hängt noch einiges<br />
von der nationalen Umsetzung ab. Die<br />
Mitgliedstaaten können Verbesserungen erzielen,<br />
wenn sie willens sind. Ohne nennenswerten<br />
gesellschaftlichen Druck und<br />
vor allem ohne Widerstand bzw. Forderungen<br />
von Seiten der Bäuer_innen wird diese<br />
Reform eine verpasste Chance sein.<br />
Literatur<br />
• Berthelot, J.: Käse aus Kenia. Die ärmsten<br />
Länder haben nur dann eine Chance, wenn<br />
sie ihre Landwirtschaft genauso schützen<br />
wie die EU und USA. In: Le Monde diplomatique,<br />
November 2009, S. 9.<br />
• Choplin, G. et al. (Hrsg.): Ernährungssouveränität.<br />
Für eine andere Agrar- und Lebensmittelpolitik<br />
in Europa. Wien: Mandelbaum<br />
2011.<br />
• Salzer, I.: Die Reform der Gemeinsamen<br />
Agrarpolitik. Großer Wu rf oder Kosmetik?<br />
In: Arche Noah Magazin 2/12.<br />
• Salzer, I.: Die Agrarhandelsstrategie der EU<br />
und das Recht auf Nahrung. Policy Paper der<br />
Taskgroup Recht auf Nahrung. Wien 2011.<br />
• Wiggerthale, M.: Die EU exportiert – die<br />
Welt hungert. Warum die EU-Agrarpolitik<br />
auf Kosten armer Länder geht. Oxfam<br />
Deutschland 2011. ■<br />
Soziale Technik 4/20<strong>13</strong><br />
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