Die Vermessung der Wärme - PTB
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Das Ohr als Schwarzer Strahler<br />
<strong>Die</strong> <strong>PTB</strong> kalibriert auch berührungslos messende Fieberthermometer.<br />
Derartige Instrumente nutzen die Tatsache aus, dass das menschliche<br />
Innenohr fast wie ein Schwarzer Körper wirkt: Man schaut hinein<br />
und kann die dort herrschende Temperatur messen. Damit dies mit<br />
<strong>der</strong> nötigen Genauigkeit geschieht, haben Forscher an <strong>der</strong> <strong>PTB</strong> ein<br />
„Kunstohr“ entwickelt, das in einem Wasserbad auf eine genau definierte<br />
Temperatur erwärmt wird. Mit diesem lassen sich dann handelsübliche<br />
Fieberthermometer vergleichen.<br />
Foto: mauritius images / Image Source<br />
und <strong>der</strong> nur eine kleine Öffnung nach außen hat“, sagt<br />
<strong>PTB</strong>-Wissenschaftler Klaus Anhalt. „<strong>Die</strong> Strahlung, die<br />
dort entweicht, entspricht in sehr guter Näherung <strong>der</strong><br />
Schwarzkörperstrahlung.“ Je nach Temperatur besteht sie<br />
aus einer Mischung von Infrarot-, Licht-, UV- o<strong>der</strong> gar<br />
Röntgenstrahlen – alles elektromagnetische Strahlung,<br />
aber mit unterschiedlicher Wellenlänge.<br />
Derartige Schwarze Körper entwickeln Anhalt und<br />
seine Kollegen in <strong>der</strong> <strong>PTB</strong> heute zum Kalibrieren von<br />
sogenannten Sekundärnormalen, wobei sie genau diese<br />
charakteristische Mischung von Wellenlängen nutzen. <strong>Die</strong><br />
Geräte dienen anschließend den Herstellern von Strahlungsthermometern<br />
und <strong>Wärme</strong>bildkameras als Normale.<br />
„Seit <strong>der</strong> Entwicklung des ersten Schwarzen Körpers hier<br />
im Haus haben wir unsere Spitzenstellung nie verloren“,<br />
freut sich Jörg Hollandt. „<strong>Die</strong> <strong>PTB</strong> kann heute lückenlos<br />
von minus 170 Grad bis 3000 Grad Celsius berührungslos<br />
mit kleinster Messunsicherheit messen. Das gibt es in<br />
Europa sonst nirgendwo.“ Gerade bei hohen Temperaturen<br />
oberhalb des Schmelzpunktes von Kupfer bei 1085 Grad<br />
Celsius ist es schwierig, Materialien zu finden, die dort<br />
stabile Fixpunkte ausbilden, die man zum Kalibrieren<br />
benutzen kann. Intensive Entwicklungsarbeit hat aber in<br />
den letzten Jahren auch dort Erfolge gebracht.<br />
<strong>Die</strong> Industrie ist darauf angewiesen, denn Strahlungsthermometer<br />
werden heute in vielen Branchen eingesetzt:<br />
in <strong>der</strong> Kunststoff-, Glas- und Metallverarbeitung, in<br />
<strong>der</strong> Lebensmittelindustrie ebenso wie beim Teeren von<br />
Straßen. Selbst Fahrzeuge für den Straßen-Winterdienst<br />
messen berührungslos die Temperatur <strong>der</strong> Straßenoberfläche<br />
und dosieren danach die nötige Salzmenge, die sie<br />
streuen. Ein an<strong>der</strong>es Gebiet ist die Autoindustrie, wo man<br />
beispielsweise in den Lackierstraßen die Temperatur des<br />
Lacks überwacht.<br />
Messungen von Flugzeugen o<strong>der</strong> Fernerkundungssatelliten<br />
aus stellen noch einmal ganz beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Denn dort müssen die Geräte die Vibrationen des Starts<br />
überstehen, müssen große Temperaturschwankungen und<br />
ionisierende Strahlung aushalten und dabei immer stabil<br />
messen, oft bis zu zehn Jahre lang. Um das zu gewährleisten,<br />
gibt man ihnen eigene kleine Sekundärnormale mit<br />
an Bord, an denen sie sich immer wie<strong>der</strong> justieren können.<br />
„Das sind meist kleine Hohlraumstrahler. Wir entwickeln<br />
mit unseren Kooperationspartnern aber auch sogenannte<br />
Pyramidenfel<strong>der</strong>“, sagt Christian Monte, <strong>der</strong> ebenfalls als<br />
Wissenschaftler an <strong>der</strong> Strahlungsthermometrie arbeitet.<br />
„Man kann sie sich vorstellen wie eine Fläche, die bedeckt<br />
ist mit kleinen geschwärzten Tannenbäumen. Wenn man<br />
von oben darauf schaut, sieht man eine Fläche, die fast<br />
perfekt schwarz ist. Dabei handelt es sich um den Versuch,<br />
einen Schwarzen Körper an<strong>der</strong>s zu realisieren als über<br />
einen Hohlraum.“<br />
Monte und sein Team ermitteln für die unterschiedlichsten<br />
Proben unter genau definierten Bedingungen,<br />
wie viel Strahlung sie jeweils emittieren und wie viel sie<br />
reflektieren. Das hängt jeweils von <strong>der</strong> Temperatur, vom<br />
Material und von <strong>der</strong> Beschaffenheit <strong>der</strong> Oberfläche ab.<br />
So absorbiert etwa Gasbeton ganz an<strong>der</strong>e Wellenlängen<br />
als Metall o<strong>der</strong> Stein. Erst wenn man diese Werte kennt,<br />
kann man beispielsweise das Foto einer <strong>Wärme</strong>bildkamera<br />
daraufhin analysieren, welche Farbe welcher<br />
Temperatur entspricht. „Man muss da sehr vorsichtig<br />
sein“, sagt Monte, „es kann vielleicht eine Fuge wie ein<br />
Hohlraumstrahler wirken und viel Strahlung emittieren,<br />
aber das bedeutet noch lange nicht, dass dort ein <strong>Wärme</strong>leck<br />
sitzt.“<br />
Auch diese Arbeiten dienen <strong>der</strong> Fernerkundung in <strong>der</strong><br />
Atmosphäre, aber ebenfalls <strong>der</strong> Planetenforschung: Wenn<br />
die Raumsonde BepiColombo in einigen Jahren zum Merkur<br />
fliegt, wird sie dort die Strahlungseigenschaften <strong>der</strong><br />
Oberfläche vermessen und mit Werten vergleichen, die<br />
in <strong>der</strong> <strong>PTB</strong> ermittelt wurden. So will man herausfinden,<br />
woraus die Oberfläche unseres Nachbarplaneten besteht.<br />
Gleichzeitig kann man mit den Verfahren <strong>der</strong> <strong>PTB</strong> aber<br />
auch die Temperaturverteilung in unseren eigenen Weltmeeren<br />
ermitteln und damit den Klimaforschern endlich<br />
zuverlässigere Daten zur Verfügung stellen.<br />
Brigitte Röthlein<br />
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