Bericht: Praktikum an der Stadtbibliothek und Besuch des ASIS&T ...
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<strong>Bericht</strong>: <strong>Praktikum</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadtbibliothek</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Besuch</strong> <strong>des</strong> ASIS&T-Workshops <strong>an</strong> <strong>der</strong> Åbo<br />
Akademi in Turku, Finnl<strong>an</strong>d, 3.-7. Juni 2013<br />
Anna Kasprzik<br />
Referendarin <strong>an</strong> <strong>der</strong> Bibliothek <strong>der</strong> Universität Konst<strong>an</strong>z<br />
<strong>an</strong>na.kasprzik@uni-konst<strong>an</strong>z.de<br />
21. Juni 2013<br />
Im Vorfeld<br />
Ich habe seit vielen Jahren eine starke Verbindung zu Finnl<strong>an</strong>d. Ich war im<br />
Winter <strong>des</strong> Jahres 2004 als Erasmus-Austauschstudentin in Helsinki, hatte<br />
davor schon Finnisch gelernt <strong>und</strong> seither versucht, meine Kenntnisse stetig<br />
auszubauen, indem ich mir in Deutschl<strong>an</strong>d finnische Sprachpartner gesucht<br />
<strong>und</strong> das L<strong>an</strong>d möglichst oft bereist habe.<br />
ImRahmenmeinesBibliotheksreferendariats <strong>an</strong><strong>der</strong>UniversitätKonst<strong>an</strong>z<br />
bot sich ein Ausl<strong>an</strong>dspraktikum <strong>an</strong>, <strong>und</strong> da mit Fug <strong>und</strong> Recht behauptet<br />
werden k<strong>an</strong>n, dass das finnische Bibliothekssystem eine Vorbildfunktion für<br />
g<strong>an</strong>z Europa einnimmt, habe ich mich schnell für Finnl<strong>an</strong>d entschieden.<br />
Mir war es wichtig, die finnische Bibliotheksl<strong>an</strong>dschaft aus <strong>der</strong> Innenperspektive<br />
kennenzulernen, was für mich auch bedeutete, dass ich das g<strong>an</strong>ze<br />
<strong>Praktikum</strong> komplett auf Finnisch ablegen wollte. Dies ist mir gelungen, <strong>und</strong><br />
in <strong>der</strong> Rückschau fühle mich bestätigt in meiner Ansicht, dass Menschen viel<br />
freier <strong>und</strong> informativer in ihrer Muttersprache über ihre Tätigkeit erzählen,<br />
selbst wenn die Englischkenntnisse <strong>der</strong> meisten Finnen im europäischen Vergleich<br />
überdurchschnittlich gut sind. Aus demselben Gr<strong>und</strong> wollte ich nicht<br />
in die Hauptstadt, son<strong>der</strong>n weiter ins L<strong>an</strong>d hinein (<strong>und</strong> immerhin ist Turku<br />
die ehemalige Hauptstadt <strong>des</strong> L<strong>an</strong><strong>des</strong>).<br />
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Die Wahl <strong>des</strong> Zeitraumes 3.-7. Juni 2013 <strong>und</strong> auch <strong>des</strong> Ortes ergab sich<br />
dadurch, dass am 5. <strong>und</strong>6. Juni <strong>an</strong><strong>der</strong> Åbo Akademi inTurku ein internationaler<br />
Workshop zum bibliotheksrelev<strong>an</strong>ten Thema “Information Science <strong>an</strong>d<br />
Technology” stattf<strong>an</strong>d, welcher mich inhaltlich interessiert hat <strong>und</strong> auch, um<br />
die Konferenzkultur in Finnl<strong>an</strong>d noch besser kennenzulernen.<br />
Zur Vorbereitung habe ich die Koordinatorin <strong>der</strong> <strong>Stadtbibliothek</strong> in Turku<br />
<strong>an</strong>geschrieben <strong>und</strong> formlos um ein dreitägiges <strong>Praktikum</strong> gebeten. Da ich<br />
in einer wissenschaftlichen Bibliothek ausgebildet werde, wollte ich vor allem<br />
einengenerellen Überblick über dieAngeboteeiner finnischen öffentlichen Bibliothek<br />
erhalten, habe aber als Informatikerin bei <strong>der</strong> Formulierung meiner<br />
Interessen auch einen Schwerpunkt auf IT-Aspekte gelegt. Außerdem habe<br />
ich darum gebeten, als eine g<strong>an</strong>z neue Erfahrung einen Tag im Bücherbus<br />
mitfahrenzudürfen. DieKommunikationwar unkompliziert <strong>und</strong>bereitwillig.<br />
Für den Workshop habe ich mich über den üblichen Weg registriert.<br />
Ich informierte mich d<strong>an</strong>n über Fin<strong>an</strong>zierungsmöglichkeiten <strong>und</strong> erfuhr<br />
von Referendarskollegen vom Bestreben <strong>des</strong> Fachverb<strong>an</strong><strong>des</strong> Bibliothek & Information<br />
Deutschl<strong>an</strong>d (BID), den beruflichen Nachwuchs durch Ausl<strong>an</strong>dsaufenthalte<br />
zu för<strong>der</strong>n, <strong>und</strong> bekam auf eine Bewerbung hin die För<strong>der</strong>ung<br />
d<strong>an</strong>kenswerterweise auch zugesagt.<br />
Die <strong>Stadtbibliothek</strong> Turku<br />
Die <strong>Stadtbibliothek</strong> Turku wurde vor 110 Jahren (1903) gegründet, <strong>der</strong> Bau<br />
<strong>des</strong> alten <strong>und</strong> altehrwürdigen Bibliotheksgebäu<strong>des</strong> wurde von einem Tabakhersteller<br />
fin<strong>an</strong>ziert. Im Jahre 2007 jedoch wurde dieses durch einen weitläufigen<br />
<strong>und</strong> hochmo<strong>der</strong>nen Neubau erweitert, entworfen von dem Architekten<br />
Asmo Jaaksi. Das Gebäude ist seither ein Touristenmagnet.<br />
Die Bibliothek hat einen eigenen Etat für den Kauf von Werken lokaler<br />
Künstler <strong>und</strong> stellt diese auch aus, beispielsweise sind im Moment diverse<br />
Videoinstallationen zu sehen. Die Bibliothek ist auch sonst in zahlreiche kulturelle<br />
Aktivitäten involviert <strong>und</strong> sieht sich als Kulturzentrum für (kostenlose!)<br />
Events, Ausstellungen, Kammermusik- <strong>und</strong> nächtliche Rockkonzerte,<br />
Lesungen <strong>und</strong> Lesegruppen. Der Bibliotheksausweis berechtigt <strong>des</strong> Weiteren<br />
zu diversen Vorteilen bei <strong>an</strong><strong>der</strong>en kulturellen Ver<strong>an</strong>staltungen in <strong>der</strong> Stadt.<br />
ZentralfürdiePhilosophie <strong>der</strong><strong>Stadtbibliothek</strong> ist<strong>der</strong> sozialeAspekt –die<br />
Bürger sollen die Bibliothek als ihr zweites Wohnzimmer begreifen, <strong>und</strong> als<br />
einen willkommenen Treffpunkt vor allem in den dunklen Wintermonaten.<br />
2
Wissenaustausch ist nicht <strong>an</strong> Bücher geb<strong>und</strong>en, son<strong>der</strong>n spielt sich zwischen<br />
Menschen ab. Die Bibliothek bietet Bibliothekseinführungen <strong>und</strong> Fortbildungen<br />
für verschiedene Bevölkerungsgruppen <strong>und</strong> Interessenten <strong>an</strong>, so etwa für<br />
die Mitarbeiter von Firmen, aber auch für L<strong>an</strong>gzeitarbeitslose.<br />
Ich persönlich muss sagen, dass die Umsetzung <strong>des</strong> Wohnzimmerged<strong>an</strong>kens<br />
in Turku vortrefflich gelungen ist. Das Gebäude ist lichtdurchflutet <strong>und</strong><br />
klimatisiert (was während meines Aufenthaltes aufgr<strong>und</strong> einer für Finnl<strong>an</strong>d<br />
erstaunlichen Hitzewelle hochwillkommen war) <strong>und</strong> relativ kleinteilig in verschiedene<br />
Bereiche mit vielfältigen bequemen Sitzgelegenheiten eingeteilt,<br />
von denen je<strong>der</strong> zu einem <strong>an</strong><strong>der</strong>em Modus <strong>der</strong> Konzentration o<strong>der</strong> Entsp<strong>an</strong>nung<br />
einlädt, so dass m<strong>an</strong> sich von Station zu Station bewegen <strong>und</strong> sich<br />
tatsächlich den g<strong>an</strong>zen Tag in <strong>der</strong> Bibliothek aufhalten k<strong>an</strong>n. In Deutschl<strong>an</strong>d<br />
habe ich zugegebenermaßen eine Stadtbücherei so nie benutzt, aber<br />
hier trugen mich meine Füße immer wie<strong>der</strong> in die Bibliothek, über meine<br />
<strong>Praktikum</strong>szeiten hinaus. Der Wohlfühlfaktor ist hoch, m<strong>an</strong> fühlt sich <strong>an</strong> eine<br />
Wellnessl<strong>an</strong>dschaft erinnert, <strong>und</strong> eine exzellente Cafeteria <strong>und</strong> kostenloses<br />
WLAN für die Nutzer tun ein Übriges.<br />
3
Die <strong>Stadtbibliothek</strong> Turku ist die bestbesuchte öffentliche Bücherei (ÖB)<br />
in Finnl<strong>an</strong>d mit 1 Million <strong>Besuch</strong>ern pro Jahr – zum Vergleich: Die Gesamtbevölkerung<br />
Finnl<strong>an</strong>ds beträgt 5 Millionen. Ausleihe <strong>und</strong> Rückgabe laufen<br />
fast vollständig über Selbstbedienungsterminals <strong>und</strong> mit RFID-Technologie.<br />
Verwendet wird das Ausleihsystem Aurora <strong>der</strong> finnischen Firma Axiell, katalogisiert<br />
wird im Format MARC 21, <strong>und</strong> die Bücher sind nach <strong>der</strong> für<br />
finnische ÖBs üblichen Systematik YKL (“Allgemeine Klassifikation für Bibliotheken”)<br />
aufgestellt. Die <strong>Stadtbibliothek</strong> Turku ist Pflichtbibliothek für<br />
regionale Kin<strong>der</strong>bücher <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>buchklassiker, von denen jeweils ein Exemplar<br />
in <strong>der</strong> Originalsprache, eines in Finnisch <strong>und</strong> eines in Schwedisch, <strong>der</strong><br />
zweiten Amtssprache Finnl<strong>an</strong>ds, vorgehalten wird.<br />
Die Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendabteilung<br />
Die Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendabteilung ist eingeteilt in den Bereich “Saaga” (engl.<br />
“saga”) für Kin<strong>der</strong> bis ca. 13 Jahre <strong>und</strong> “Stoori” (engl. “story”) für Jugendliche,<br />
die Namensgebung geht auf einen Benennungswettbewerb zurück. Im<br />
Kin<strong>der</strong>bereich gibt es sogen<strong>an</strong>nte “Häuser” (im Quadrat <strong>an</strong>geordnete Regalteile)<br />
verschiedener Höhe, die den sukzessiven Fortschritt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> darstellen<br />
sollen, <strong>und</strong> als Roboter gestaltete Ausleih- <strong>und</strong> Rückgabeautomaten.<br />
4
Auch hier finden viele Ver<strong>an</strong>staltungen statt, Puppentheater, Lesungen mit<br />
Diashow, Lesewettbewerbe, die sich über den g<strong>an</strong>zen Sommer ziehen, etc. Es<br />
gibt viele liebevoll gestaltete Glasschaukästen mit Szenen aus Büchern <strong>und</strong><br />
Filmen, <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong> können auch selbst eine kleine Ausstellung entwerfen,<br />
wenn sie dafür einen Schaukasten reserviert haben.<br />
Die Erwachsenenabteilungen<br />
Im alten Bibliotheksgebäude ist die Belletristik (auch Hörbücher) <strong>und</strong> die<br />
Kunst <strong>an</strong>gesiedelt, also Architektur, T<strong>an</strong>z, Theater, Literaturwissenschaft,<br />
Essays. Finnische, schwedische <strong>und</strong> englische Bücher stehen durchein<strong>an</strong><strong>der</strong>,<br />
einige <strong>an</strong><strong>der</strong>e Fremdsprachen sind ebenfalls vertreten, <strong>und</strong> Bücher in ein paar<br />
exotischen Sprachen werden als Dauerleihgabe von <strong>der</strong> <strong>Stadtbibliothek</strong> Helsinki<br />
bezogen (<strong>und</strong> monatlich ausgetauscht). Unterhalb dieses Gebäudeteils<br />
liegt das weitläufige <strong>und</strong> verwinkelte Magazin inklusive <strong>der</strong> Buchtr<strong>an</strong>sportier<strong>an</strong>lage<br />
<strong>und</strong> einem Magazingespenst.<br />
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Im Obergeschoss <strong>des</strong> neuen Gebäu<strong>des</strong> findet sich die Sachbuchabteilung,<br />
eingeteilt in die Bereiche “Gesellschaft”, “Völker <strong>und</strong> Kulturen” <strong>und</strong> “Natur<br />
<strong>und</strong> Hobby”. Im Hintergr<strong>und</strong> arbeiten 16 Fest<strong>an</strong>gestellte <strong>und</strong> insgesamt 25<br />
Personen. Deren Hauptaufgaben umfassen:<br />
• Beschaffung<br />
• K<strong>und</strong>enservice (je<strong>der</strong> Mitarbeiter macht 2h Auskunft pro Woche)<br />
• Katalogisierung<br />
• (etwas weniger) Buchauswahl<br />
• Führungen<br />
• Web-2.0-Pflege (Facebook-Auftritt, Blogs, etc.)<br />
• Ausstellungen<br />
• Ver<strong>an</strong>staltungen<br />
• Pflege <strong>des</strong> Zeitungs- <strong>und</strong> Zeitschriftenbest<strong>an</strong><strong>des</strong><br />
• Fortbildungen für <strong>an</strong><strong>der</strong>e Bibliotheken.<br />
Für die Nutzer stehen unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em Mikrofilmgeräte bereit, von denen<br />
m<strong>an</strong> auch Papierausdrucke machen k<strong>an</strong>n, <strong>und</strong> es können Ebook-Lesegeräte,<br />
Lesebrillen, Kopfhörer, Adapter <strong>und</strong> Fernbedienungen ausgeliehen werden.<br />
Die Auskunft k<strong>an</strong>n per Email um die Bereitstellung eines Mediums gebeten<br />
werden, spätestens am Folgetag ist es abholbar. Das Personal <strong>an</strong> <strong>der</strong> Auskunft<br />
bearbeitet ebenfalls die Sach<strong>an</strong>fragen <strong>des</strong> Internet<strong>an</strong>gebotes “Ask a<br />
librari<strong>an</strong>”, welches die Anfragen regional nach Relev<strong>an</strong>z verteilt. Jede Woche<br />
gibt es den sogen<strong>an</strong>nten “stillen Dienstag”, <strong>an</strong> dem we<strong>der</strong> Ver<strong>an</strong>staltungen<br />
noch Führungen stattfinden, um eine ruhige Atmosphäre zu gar<strong>an</strong>tieren.<br />
AufEbookskonntein<strong>der</strong><strong>Stadtbibliothek</strong>TurkubisherüberdenAnbieter<br />
Ellibs zugegriffen werden. Hierin enthalten waren vor allem Sachbücher auf<br />
Finnisch <strong>und</strong> auf Englisch, keine Belletristik. Auf ein Ebook konnten beliebig<br />
viele Personen gleichzeitig zugreifen. Kürzlich wurde dieser Best<strong>an</strong>d um den<br />
amerik<strong>an</strong>ischen Anbieter OverDrive erweitert, welcher vor allem Bestseller,<br />
Hörbücher <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendbücher bereitstellt. Diese sind nur im<br />
EPub-Format verfügbar, es k<strong>an</strong>n immer nur eine Person auf dasselbe Ebook<br />
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zugreifen, <strong>und</strong> die Anzahl <strong>der</strong> gleichzeitig entliehenen Ebooks ist auf vier pro<br />
Person begrenzt. Die Erweiterung bedeutete jedoch einen Anstieg von ca.<br />
150 auf über 1000 <strong>an</strong>gebotene Titel.<br />
Die Bibliothek ist mit einigen Mitarbeitern am Projekt “Kirjasampo”<br />
(www.kirjasampo.fi) beteiligt, einer Kooperation <strong>der</strong> Städte Helsinki, Turku<br />
<strong>und</strong> Vaasa. Hierbei h<strong>an</strong>delt es sich um eine online verfügbare Nationalbibliographie<br />
für in Finnl<strong>an</strong>d erschienene Belletristik, wobei ältere Bücher auch in<br />
digitalisierter Form als Volltext vorliegen. Auf <strong>der</strong> Seite <strong>des</strong> entsprechenden<br />
Webauftrittsk<strong>an</strong>nm<strong>an</strong>sich registrieren, eineigenes Regal <strong>an</strong>legen, esmit <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
teilen, Kommentare hinterlassen <strong>und</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>e Web-2.0-Funktionen nutzen.<br />
Es gibt Siehe-auch-Tips, einen Literatur-Eventkalen<strong>der</strong> <strong>und</strong> ein Archiv<br />
zum Nachhören o<strong>der</strong> -schauen von Literatursendungen im Radio <strong>und</strong> Fernsehen.<br />
Ebenfalls implementiert ist eine Suchfunktion mit Thesaurus, Word<br />
Cloud <strong>und</strong> Facettensuche <strong>und</strong> eine Umschlagsuche (die Anfrage “blau Blumen”<br />
beispielsweise liefert alle Bücher, <strong>der</strong>en Umschlag in Blau <strong>und</strong> mit<br />
Blumen gestaltet ist). Die Sem<strong>an</strong>tic-Web-Technologie dazu wird von einem<br />
Mitarbeiter <strong>an</strong> <strong>der</strong> Alvar-Aalto-Universität in Espoo programmiert.<br />
DasobereStockwerk<strong>des</strong>altenBibliotheksgebäu<strong>des</strong> beherbergtschließlich<br />
die Musikbibliothek, die von 8 Personen, einigen Praktik<strong>an</strong>ten <strong>und</strong> einem Zivildienstleistenden<br />
betrieben wird. In <strong>der</strong> Musikabteilung finden sich Noten,<br />
Partituren, Musikliteratur <strong>und</strong> CD-Son<strong>der</strong>boxen, die m<strong>an</strong> sich als Privatperson<br />
nicht so ohne Weiteres leisten k<strong>an</strong>n. Außerdem gibt es eine Digitalisierungs<strong>an</strong>lage<br />
für LPs, VHS, Kassetten usw., <strong>an</strong> <strong>der</strong> m<strong>an</strong> in Selbstbedienung<br />
Medien auf einen USB-Stick o<strong>der</strong> einen mitgebrachten Rohling digitalisieren<br />
k<strong>an</strong>n. Dieses Angebot wird täglich von ca. 1–3 Personen genutzt.<br />
Die Bücherbusabteilung<br />
Am letzten Tag meiner Woche in Turku (Freitag) durfte ich die dort stationierten<br />
Bücherbusse kennenlernen. In Finnl<strong>an</strong>d gibt es ca. 140 Bücherbusse,<br />
vor ein paar Jahrzehnten waren es noch um die 200. Schon <strong>der</strong> allererste<br />
Bücherbus in Finnl<strong>an</strong>d fuhr von Turku aus in die umliegende Gegend. Heutzutage<br />
ist <strong>der</strong> Bücherbus für einige Bevölkerungsgruppen umso wichtiger<br />
geworden, da einige Stadtteilbibliotheken aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> doch recht teuren<br />
Neubaus <strong>an</strong> <strong>der</strong> Hauptstelle geschlossen worden sind. Fin<strong>an</strong>ziert wird das<br />
Angebot mit 35% vom Staat <strong>und</strong> 65% von <strong>der</strong> Gemeinde.<br />
Von Montag bis Freitag sind zwei Bücherbusse unterwegs, einer im Stadtgebiet<br />
<strong>und</strong> einer über L<strong>an</strong>d. Die Bücherbusabteilung umfasst sieben Perso-<br />
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nen, alleBibliothekare haben auch denBusführerschein <strong>und</strong>sind in <strong>der</strong> Regel<br />
allein mit dem Bus unterwegs, seltener zu zweit. Eine <strong>der</strong> Mitarbeiterinnen<br />
war früher professionelle Busfahrerin <strong>und</strong> hat d<strong>an</strong>n dar<strong>an</strong> die Bibliothekarsausbildung<br />
<strong>an</strong>geschlossen.<br />
Die K<strong>und</strong>schaft besteht hauptsächlich aus Familien mit Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Senioren.DerBusbringtBücher,Zeitungen,Filme<strong>und</strong>Musik,65%Belletristik,<br />
35% Sachliteratur, 40% Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> 60% Erwachsenenliteratur, fast alles ist<br />
auf Finnisch. Tr<strong>an</strong>sportiert werden ca. 8000 Medien gleichzeitig, was recht<br />
viel ist, in <strong>an</strong><strong>der</strong>en Städten <strong>und</strong> Län<strong>der</strong>n wird <strong>an</strong>scheinend mehr Wert auf<br />
den Wohn- <strong>und</strong> Spielzimmercharakter im Bus gelegt. Die Inneneinrichtung<br />
<strong>der</strong> Busse habendieBibliothekare selbst entworfen <strong>und</strong>d<strong>an</strong>nvoneiner Firma<br />
umsetzen lassen. Für Rollstühle steht eine Hebebühne zur Verfügung.<br />
Medien können auchperEmail o<strong>der</strong> Telefonbestellt werden, diese werden<br />
d<strong>an</strong>n vom Bücherbus ausgeliefert. Wenn das Medium im Bücherbusbest<strong>an</strong>d<br />
nicht vorh<strong>an</strong>den ist, aber in einer <strong>an</strong><strong>der</strong>en Zweigstelle <strong>der</strong> <strong>Stadtbibliothek</strong>,<br />
k<strong>an</strong>nes gegen eine Gebühr von 1 Euro ebenfalls bestellt werden. DieAusleihe<br />
erfolgt mit RFID-Technologie <strong>und</strong> online, also in Echtzeit, da <strong>der</strong> Bücherbus<br />
über eine Internetverbindung verfügt.<br />
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Stationiert sind dieBusse ineinem Magazinim Industriegebiet amHafen.<br />
Der diensthabende Bibliothekar findet sich dort ca. 1-2 St<strong>und</strong>en vor Abfahrt<br />
ein, um den Bücherbus fertig zu bestücken <strong>und</strong> zu kontrollieren. Ein Tag pro<br />
Woche ist für Büroarbeit reserviert, Vormerkungen, Best<strong>an</strong>dsaufbau u.A.<br />
Ungefähr 35% <strong>der</strong> Arbeitszeitressourcen gehen in die Logistik, also den Hin<strong>und</strong>Hertr<strong>an</strong>sport<strong>der</strong>Bücher.10%<strong>der</strong>ArbeitszeitwirdmitFahrenverbracht.<br />
Im Stadtgebiet Turku gibt es etwa 19 Bücherbushaltestellen, im Herbst<br />
<strong>und</strong> Winter werden zusätzlich viele Schulen <strong>und</strong> Heime <strong>an</strong>gefahren, <strong>und</strong> das<br />
ist d<strong>an</strong>n auch die Zeit <strong>der</strong> lebhaftesten Benutzung. Für Schulen bietet <strong>der</strong><br />
Bus Klassensätze <strong>und</strong> Themenkoffer <strong>an</strong>.<br />
Vormittagshatteich dasMagazin mit all seinen Funktionalitätenkennengelernt,<br />
am Freitag nachmittag durfte ich endlich die R<strong>und</strong>e im Bücherbus<br />
mitfahren. Da es Sommer war, war es relativ ruhig, die K<strong>und</strong>schaft best<strong>an</strong>d<br />
hauptsächlich aus Senioren. Eine ältere Dame brachte uns eine l<strong>an</strong>ge, akribisch<br />
h<strong>an</strong>dgeschriebene Liste, <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d <strong>der</strong>er sie vermeiden wollte, ein Buch<br />
zweimal zu lesen. Viele baten um Empfehlungen o<strong>der</strong> um ein weiteres Buch<br />
vom Autor <strong>des</strong> Buches, das sie gerade zu Ende gelesen hatten.<br />
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Auf <strong>der</strong> Fahrt unterhielt mich die fahrende Bibliothekarin mit einer Gruselgeschichte<br />
davon, wie sie eines Winters mit dem Bus in den Graben gefahren<br />
war, so dass er sich g<strong>an</strong>z auf die Seite legte <strong>und</strong> sie durch das Fenster<br />
aussteigen <strong>und</strong> Hilfe holen musste. Ansonsten sind jedoch glücklicherweise<br />
noch keine gravierenden Unfälle mit Bücherbussen vorgefallen.<br />
Fazit <strong>Stadtbibliothek</strong><br />
Am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Stadtbibliothek</strong> Turku habe ich mit eigenen Augen gesehen,<br />
dass die Atmosphäre <strong>und</strong> die Dienstleistungen in finnischen öffentlichen Bibliotheken<br />
etwas g<strong>an</strong>z Beson<strong>der</strong>es sind. Dies ist nicht nur <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Lage im L<strong>an</strong>d geschuldet, welche trotz regelmäßiger Budgetkürzungen (<strong>und</strong><br />
darob hän<strong>der</strong>ingen<strong>der</strong> Bibliothekare) im europäischen Vergleich noch relativ<br />
gut ist, son<strong>der</strong>n auch einer g<strong>an</strong>z bestimmten Geisteshaltung <strong>und</strong> Bildungskultur,<br />
die in den 60er- <strong>und</strong> 70er-Jahren in Sk<strong>an</strong>dinavien aufkam <strong>und</strong> dazu<br />
führte,dassdieseLän<strong>der</strong>seither einverbindliches Bibliotheksgesetz haben,in<br />
welchem die Pflicht zum kostenlosen Angebot von klassischen <strong>und</strong> hochmo<strong>der</strong>nen<br />
Bibliotheksdienstleistungen für je<strong>der</strong>m<strong>an</strong>n (aufgeschlüsselt nach <strong>der</strong><br />
jeweiligen Bevölkerungsdichte amSt<strong>an</strong>dort)<strong>und</strong> dieEinbindung instaatliche<br />
Bildungskonzepte ver<strong>an</strong>kert sind. Auch wurde mir gesagt, dass in Finnl<strong>an</strong>d<br />
<strong>der</strong>Dienstleistungs- <strong>und</strong>Wohlfühlged<strong>an</strong>kewohlbeson<strong>der</strong>sstarkvertretensei,<br />
in schwedischen Bibliotheken beispielsweise werde eher noch ein Erziehungsauftrag<br />
umgesetzt.<br />
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Der ASIS&T Workshop <strong>an</strong> <strong>der</strong> Åbo Akademi<br />
Die Åbo Akademi ist die schwedischsprachige Universität in Turku (schwedisch:<br />
Åbo) <strong>und</strong> bietet neben vielen <strong>an</strong><strong>der</strong>en Fächern auch einen Studieng<strong>an</strong>g<br />
namens “Information studies” <strong>an</strong>, welcher Themen wie “Library 2.0”, “Information<br />
M<strong>an</strong>agement” <strong>und</strong> Bibliometrie umfasst.<br />
Der ASIS&T Workshop ist eine breitgefasste Konferenz zum Thema Informationswissenschaft<br />
<strong>und</strong> -technologie mit dem Ziel, europäische Wissenschaftler<br />
<strong>und</strong> Personen aus <strong>der</strong> Praxis zusammenzubringen, um aktuelle Entwicklungen<br />
in <strong>und</strong> Perspektiven für Europa in Forschung <strong>und</strong> Praxis zu diskutieren.<br />
Das diesjährige Treffen war überschrieben mit dem Titel “Digital<br />
information <strong>an</strong>d institutions: ch<strong>an</strong>ging practices of m<strong>an</strong>agement <strong>an</strong>d use”.<br />
Es gab drei eingeladene Vortragende aus <strong>der</strong> Forschung, zehn Konferenzbeiträge<br />
<strong>und</strong> acht Poster. Die drei Forschungsvorträge:<br />
• SallyWyattausMaastrichtindenNie<strong>der</strong>l<strong>an</strong>denbeleuchtetedasThema<br />
“Open Access” unter sozialen Aspeken <strong>und</strong> erörterte, inwiefern dieses<br />
so beliebte Konzept auch problematisch sein könnte.<br />
• Der Däne Jens-Erik Mai stellte die inzwischen schon alte Frage nach<br />
<strong>der</strong> Definition <strong>des</strong> Begriffes Information <strong>und</strong> d<strong>an</strong>ach, ob sich die Informationswissenschaft<br />
damit überhaupt beschäftigen sollte, bzw., welche<br />
Fragestellungen denn statt<strong>des</strong>sen in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> rücken sollten.<br />
• Die k<strong>an</strong>adische Professorin Pamela McKenzie stellte einige kreative Artenvor,wieInformations<strong>an</strong>bietendeBarrierenschaffen,umInformation<br />
zu schützen, wie Informationssuchende diese d<strong>an</strong>n zu umgehen suchen,<br />
<strong>und</strong> welche Systeme sich Menschen einfallen lassen, um Information im<br />
Alltag zu verwalten.<br />
Vor allem die beiden ersten Vorträge fielen mir auf durch ihren hohen Abstraktheitsgrad,<br />
<strong>der</strong> sie doch stark von den recht <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dten sonstigen Beiträgenunterschied.<br />
Letztere befassten sich meistens mit Nutzer- <strong>und</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
Studien zu Themen wie zum Beispiel<br />
• dem Twitterverhalten von Wissenschaftlern<br />
• dem Informationsverhalten in verschiedenen Disziplinen<br />
• digitalen Angeboten zur Verwaltung von Daten aus <strong>der</strong> Archäologie<br />
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• freiem WLAN in Städten<br />
• kontextsensitiven Ebook-Angeboten<br />
• dem Studierendenverhalten in einer Wikipedia-basierten Aufgabe<br />
• kollaborativem Lernen in Informationskompetenzkursen<br />
• Web-2.0-Funktionen in öffentlichen Bibliotheken<br />
<strong>und</strong> weiteren mehr. Die Themen <strong>und</strong> Präsentationen finden sich auch unter<br />
http://blogs.abo.fi/aew2013/programme/ im Netz.<br />
IchpersönlichhabedenWorkshopalssehr<strong>an</strong>regendempf<strong>und</strong>en,vorallem<br />
die theoretischen Beiträge, es hat sich mir aber nicht vollständig erschlossen,<br />
welchen Einfluss die Erkenntnisse aus <strong>der</strong> Forschung letztendlich auf die Praxis<br />
haben, <strong>und</strong> umgekehrt. Trotzdem habe ich einiges <strong>an</strong> Konzepten aus <strong>der</strong><br />
Informationswissenschaft mitgenommen.<br />
Allgemeines Fazit <strong>des</strong> Aufenthalts<br />
Ich empfinde meinen Aufenthalt in Turku als einen vollen Erfolg. Während<br />
dieser Woche hatte ich die einzigartige Möglichkeit, g<strong>an</strong>z in die finnische Bibliotheksl<strong>an</strong>dschaft<br />
einzutauchen <strong>und</strong> mein Vokabular durch bibliotheksspezifische<br />
Begriffe zu ergänzen, durchbrochen von dem inhaltlich teilweise recht<br />
niveauvollen, englischsprachigen Workshop, welcher mich auf einer g<strong>an</strong>z <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
Ebene <strong>an</strong>gesprochen hat. So konnte ich Erfahrungen auf wissenschaftlichen<br />
Konferenzen während meiner Promotionszeit mit dem für mich noch<br />
recht neuen Thema <strong>des</strong> Bibliothekswesens zusammenführen.<br />
Finnl<strong>an</strong>d hat eine g<strong>an</strong>z beson<strong>der</strong>e Kultur <strong>der</strong> Fortschrittlichkeit, Direktheit<br />
<strong>und</strong> (zumin<strong>des</strong>t im Sommer) Offenheit. Alle Finnen, mit denen ich in<br />
Kontakt kam, haben mich warm <strong>und</strong> umkompliziert empf<strong>an</strong>gen, <strong>und</strong> ich hatte<br />
auch außerhalb <strong>der</strong> <strong>Praktikum</strong>szeiten die Möglichkeit, das L<strong>an</strong>d <strong>und</strong> den<br />
Umg<strong>an</strong>g mit seinen Bewohnern zu genießen.<br />
Ich d<strong>an</strong>ke dem Fachverb<strong>an</strong>d Bibliothek & Information Deutschl<strong>an</strong>d BID<br />
hiermit noch einmal herzlich für die Fin<strong>an</strong>zierung.<br />
Anna Kasprzik<br />
Juni 2013<br />
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Kleiner finnischer Wortschatz für Bibliotheken<br />
digitoida – digitalisieren<br />
päivittää – updaten<br />
viivakoodi – Barcode<br />
julkaisu – Veröffentlichung<br />
julkaista, julkistaa – publizieren, veröffentlichen<br />
luettelo – Katalog<br />
luetteloida – katalogisieren<br />
soitin – Instrument, Player<br />
tietok<strong>an</strong>ta – Datenb<strong>an</strong>k<br />
tilasto – Statistik<br />
vihje, vinkki – (Buch-)Tipp, Hinweis<br />
signum – Signatur<br />
neuvonta – Auskunft<br />
kokoelma – Sammlung<br />
informaatikko – Informationsspezialist<br />
asi<strong>an</strong>tuntija – Sachverständiger, -k<strong>und</strong>iger<br />
hyllytys – das Regaleinräumen<br />
otsikko – Titel<br />
k<strong>an</strong>si – Umschlag, Cover<br />
tallentaa – speichern<br />
määritys – Definition, Bestimmung<br />
aineisto – Material, Best<strong>an</strong>d<br />
liittymä – Anschluss<br />
yhteys – Verbindung<br />
esitys – Darstellung, (Re-)Präsentation<br />
esitelmä – Präsentation<br />
esittely – Ausstellung<br />
1
kokoteksti<br />
viite<br />
suodatin<br />
kierros<br />
tiedonh<strong>an</strong>kinta<br />
tiedonhaku<br />
lähdekritiikka<br />
tiedekunta<br />
h<strong>an</strong>ke<br />
yhteyshenkilö<br />
informaatiolukutaito<br />
sovellus<br />
lomake<br />
laite<br />
luokitus<br />
järjestelmä<br />
YKL: Yleisten<br />
kirjastojen luokitusjärjestelmä<br />
– Volltext<br />
– Referenz<br />
– Filter<br />
– R<strong>und</strong>g<strong>an</strong>g<br />
– Recherche<br />
– Information Retrieval<br />
– Quellenkritik<br />
– Fakultät<br />
– Projekt<br />
– Ansprechpartner, Referent<br />
– Informationskompetenz<br />
– Applikation<br />
– Formular<br />
– Device, Gerät<br />
– Klassifikation<br />
– System(atik)<br />
– Klassifikation für ÖBs<br />
in Finnl<strong>an</strong>d<br />
2