RBS Abschlussbericht Palliative Praxis (PDF) - Robert Bosch Stiftung
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<strong>Abschlussbericht</strong><br />
Projekt:<br />
Würdevolle Sterbebegleitung<br />
von Bewohnern stationärer<br />
Einrichtungen der Altenhilfe<br />
„Die Würde des Menschen in der letzten Lebensphase als<br />
Leitkategorie für die Sterbebegleitung<br />
und palliative <strong>Praxis</strong> in den stationären Einrichtungen der<br />
Altenhilfe“<br />
gefördert durch<br />
die <strong>Robert</strong> <strong>Bosch</strong> <strong>Stiftung</strong>, Stuttgart<br />
im Rahmen des Förderprogramms<br />
"<strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong> - Projekte für alte Menschen"<br />
Verfasserin des Berichts: Juli 2013<br />
Jana Hoffmann<br />
(Trainee Marienhaus Unternehmensgruppe)<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis.................................................................................................................. 2<br />
0 Einleitung und Dank ........................................................................................................... 3<br />
1 Allgemeine Angaben .......................................................................................................... 4<br />
1.1 Rahmendaten des Projektes.................................................................................. 4<br />
1.2 Beteiligte in der Projektsteuerung........................................................................... 4<br />
1.3 Teilnehmende Einrichtungen.................................................................................. 5<br />
1.4 Hintergründe, Inhalte und Methoden...................................................................... 6<br />
2 Ziele und Erwartungen ....................................................................................................... 9<br />
2.1 Qualitativer Erwartungshorizont und die Evaluationsinstrumente................................. 9<br />
2.2 Der erwartete Nutzen..................................................................................................10<br />
3 Projektvorbereitung ...........................................................................................................11<br />
3.1 Eigene Vorarbeiten, Erfahrungsstand .........................................................................11<br />
3.2 Projektstruktur ............................................................................................................12<br />
3.2.1 Projektablauf........................................................................................................12<br />
3.2.2 Beteiligte..............................................................................................................12<br />
4 Durchführung.....................................................................................................................14<br />
4.1 Projektverlauf..............................................................................................................14<br />
4.1.1 Projektauftakt.......................................................................................................15<br />
4.1.2 Information und Einbindung der Mitarbeiter .........................................................19<br />
4.1.3 Bildungsprogramm...............................................................................................20<br />
4.1.4 Strukturentwicklung..............................................................................................24<br />
4.2 Probleme und Schwierigkeiten ...................................................................................25<br />
5 Nachbereitung...................................................................................................................26<br />
5.1 Evaluation der Bildungsmaßnahmen ..........................................................................26<br />
5.2 Evaluation des Umsetzungsprozesses .......................................................................26<br />
5.3 Wissenschaftliche Begleitung .....................................................................................27<br />
6 Zielerreichung....................................................................................................................30<br />
6.1 Ergebnisse der Bildungsmaßnahmen .........................................................................30<br />
6.2 Ergebnisse des Umsetzungsprozesses ......................................................................32<br />
6.3 Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung ...........................................................34<br />
6.3.1 Würde als Leitkategorie .......................................................................................34<br />
6.3.2 Beobachtete Entwicklungen im Gesamtzeitraum .................................................37<br />
6.3.3 Resümee .............................................................................................................38<br />
7 Öffentlichkeitsarbeit...........................................................................................................40<br />
8 Perspektiven......................................................................................................................41<br />
9 Anlagen.............................................................................................................................41<br />
2
0 Einleitung und Dank<br />
Einrichtungen der stationären Altenhilfe sind in der Regel der letzte Lebens- und Wohnort<br />
der Bewohner. Viele Bewohner versterben im Heim, die meisten möchten in ihrer zuletzt<br />
vertraut gewordenen Umgebung versterben, d.h. nicht im Krankenhaus. Mit dem Projekt<br />
„Würdevolle Sterbebegleitung von Bewohnern stationärer Einrichtungen der Altenhilfe“ hat<br />
sich die Marienhaus GmbH, die unter anderem Träger von Einrichtungen der stationären<br />
Altenhilfe ist, im Jahr 2009 zum Ziel gesetzt, unter der Leitkategorie „Würde des Menschen“,<br />
die Begleitung sterbender Menschen in Einrichtungen der stationären Altenhilfe konzeptionell<br />
noch stärker als bisher in den Blick zu nehmen.<br />
Es wurde pilothaft in drei stationären Einrichtungen mit der Umsetzung gestartet.<br />
Im Rahmen des Projektes, welches auf das Gesamtkonzept des Trägers zur würdevollen<br />
Sterbebegleitung aufbaut, sollen in den Pilot-Häusern möglichst viele (2/3) der bewohnernah<br />
arbeitenden hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ein abgestuftes<br />
Bildungsprogramm unter dem Leitmotiv „Würde des Menschen als Leitkategorie der Haltung<br />
und des Handelns“ auf eine hospizliche Haltung hin sensibilisiert und zur ganzheitlichen<br />
Palliativversorgung schwerstkranker und sterbender Bewohnerinnen und Bewohner befähigt<br />
werden. Parallel zu den Schulungen haben in den beteiligten Einrichtungen, begleitet durch<br />
die Projektsteuerung, Maßnahmen der Struktur- und Organisationsentwicklung und<br />
Vernetzung stattgefunden, mit dem Ziel, vor Ort die erforderlichen Rahmenbedingungen für<br />
eine würdevolle Sterbebegleitung zu schaffen bzw. diese zu verbessern.<br />
Die Projektsteuerung möchte den beteiligten Einrichtungen, deren Leitungsverantwortlichen<br />
und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die motivierte und engagierte Projektteilnahme<br />
herzlich danken. Dank gilt ebenso der Geschäftsführung, die dieses Projekt mit seinen Zielen<br />
weiterhin unterstützt. Bei der Umsetzung der Bildungsmaßnahmen leistet die Edith-Stein-<br />
Akademie immer wieder einen wichtigen Beitrag. Wir danken auch der Philosophisch<br />
Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV), die als Kooperationspartner das Projekt<br />
wissenschaftlich begleitet hat. Nicht zuletzt gilt der Dank der <strong>Robert</strong> <strong>Bosch</strong> <strong>Stiftung</strong>, die das<br />
Projekt im Rahmen des Programms „<strong>Palliative</strong> Versorgung älterer Menschen“ gefördert, die<br />
Umsetzung möglich gemacht und im Rahmen der Vernetzungsmöglichkeiten inhaltlich<br />
bereichert hat.<br />
3
1 Allgemeine Angaben<br />
Die Marienhaus Kranken- und Pflegegesellschaft mbH Waldbreitbach, die vom Orden der<br />
Waldbreitbacher Franziskanerinnen gegründet wurde, ist zum Zeitpunkt der<br />
Projektbewilligung Träger von Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Hospizen sowie<br />
Einrichtungen der Jugendhilfe und Bildungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-<br />
Pfalz, Hessen und dem Saarland. Zwischenzeitlich hat der Orden seine Einrichtungen in die<br />
Marienhaus <strong>Stiftung</strong> übergeben. Für die stationären Einrichtungen der Altenhilfe ist innerhalb<br />
der Marienhaus Unternehmensgruppe die Marienhaus Senioreneinrichtungen GmbH<br />
zuständig.<br />
1.1 Rahmendaten des Projektes<br />
Bildungsprojekt<br />
Bewilligungsnummer 32.5.1364.0019.0<br />
Würdevolle Sterbebegleitung von Bewohnern<br />
stationärer Einrichtungen der Altenhilfe<br />
aus Rahmenbewilligungs-Nr.: 21.2.1364.0008.1<br />
Dauer des Projektes Februar 2010 – Juli 2013<br />
Dauer der Förderung 14.09.2009 – 28.02.2013<br />
Antragsteller<br />
Marienhaus Kranken- und Pflegegesellschaft<br />
mbH Waldbreitbach<br />
Margaretha-Flesch-Str. 5<br />
56588 Waldbreitbach<br />
Vertreten durch:<br />
Marc Gabelmann, Geschäftsführer<br />
1.2 Beteiligte in der Projektsteuerung<br />
Michaele Günter<br />
Christoph Drolshagen<br />
Sandra Postel (geb. Schwager)<br />
Jana Hoffmann<br />
Fachreferentin der trägereigenen Edith-Stein-<br />
Akademie, Leiterin von <strong>Palliative</strong>-Care-Kursen nach<br />
den Maßgaben der DGP, des DHPV und der<br />
Deutschen Krebshilfe, Projektleiterin mit fachlicher<br />
Verantwortung<br />
Marienhaus GmbH Stabsstelle Fachberatung<br />
Hospiz, Projektbegleitung aus der Perspektive und<br />
Erfahrung der Hospizarbeit und Palliativversorgung,<br />
Ansprechpartner für die <strong>Robert</strong>-<strong>Bosch</strong>-<strong>Stiftung</strong><br />
Marienhaus GmbH Stabsstelle Pflege und<br />
Fachberatung Schulen, pflegewissenschaftliche<br />
Begleitung<br />
Trainee der Marienhaus Unternehmensgruppe,<br />
Dokumentation der Projektergebnisse<br />
4
1.3 Teilnehmende Einrichtungen<br />
Marienhaus Seniorenzentrum St. Josef<br />
Koblenzer Straße 19<br />
53498 Bad Breisig<br />
Alten- und Pflegeheim St. Josefshaus<br />
Klosterstraße 1<br />
53577 Neustadt/Wied<br />
St. Josef Alten- und Pflegeheim<br />
Im Bliesblink 9-11<br />
56759 Kaisersesch<br />
Weitere Kooperationspartner<br />
Edith-Stein-Akademie<br />
Beteiligte Referentinnen und Referenten<br />
der Bildungsmaßnahmen<br />
Philosophisch Theologische Hochschule<br />
Vallendar, Pflegewissenschaftliche Fakultät<br />
Philosophisch Theologische Hochschule<br />
Vallendar, Theologische Fakultät<br />
Vertreten durch:<br />
Hermannjosef Berg, Heimleiter<br />
Helga Schäfer, Pflegedienstleiterin<br />
Vertreten durch:<br />
Bernard Stammer, Heimleiter<br />
Dunja Spille, Pflegedienstleiterin<br />
Vertreten durch:<br />
Ute Dany, Heimleiterin<br />
Elke Münch, Pflegedienstleiterin<br />
Trägereigene Bildungseinrichtung, die<br />
die Seminare und Fortbildungen im<br />
Rahmen des Bildungsprogramms<br />
durchführt<br />
Klaus Aurnhammer<br />
Dr. Ursula Becker<br />
Georg Beule<br />
<strong>Robert</strong> <strong>Bosch</strong><br />
Dr. Sylvia Brathuhn<br />
David Brenner<br />
Marianne Dörr<br />
Christoph Drolshagen<br />
Dr. Peter Ehscheidt<br />
Michaele Günter<br />
Verena Krings- AX<br />
Sr. Marianne Meyer<br />
Anita Meyer-Liell<br />
Uta Schmidt<br />
Catrina E. Schneider<br />
Susan Sprague-Wessel<br />
Sabine Zwierlein-Rockenfeller<br />
Wissenschaftliche Evaluation und<br />
Begleitung des Projektes:<br />
JProf. Dr. Helen Kohlen,<br />
Juniorprofessorin für Care-Policy und<br />
Ethik in der Pflege<br />
Klaus Christmann, Studierender der<br />
Pflegewissenschaft<br />
Wissenschaftliche Begleitung zum<br />
Thema Würde<br />
Prof. Dr. Dr. Doris Nauer, Professorin für<br />
Pastoraltheologie und Diakonische<br />
Theologie<br />
5
1.4 Hintergründe, Inhalte und Methoden<br />
„Gottes Ja zum Leben ist die Grundlage unseres gemeinsamen Auftrages.“<br />
Mit diesem Satz beginnt das Leitbild der Marienhaus GmbH. Dieses Ja Gottes gilt unbedingt<br />
und uneingeschränkt für jeden Menschen. Darin liegt die unverlierbare Würde des<br />
Menschen.<br />
Wir verstehen aus unserer Verwurzelung in der jüdisch-christlichen Tradition heraus die<br />
Würde des Menschen als Leitkategorie unseres Handelns. Als Geschöpf Gottes, das durch<br />
Jesus Christus erlöst ist und den Geist Gottes in sich trägt, ist jeder Mensch aus biblischtheologischer<br />
Sicht von Anfang an mit gleichem Wert und unantastbarer, schützenswerter<br />
Würde ausgestattet. Diese Würde ist nicht her leitbar und hängt nicht ab<br />
• vom Gesundheitszustand oder vom Behinderungsgrad, Intelligenz, Alter, Geschlecht,<br />
Ansprechbarkeit, von der Fähigkeit zu Entwicklung, zu Genuss, zu Nutzen oder<br />
Selbstbestimmung;<br />
• von der Zugehörigkeit zu einer Nation, Religion, Kirche, Kultur, vom sozialen Status<br />
oder der eigenen „Sozialverträglichkeit“ 1<br />
• auch nicht von den Rahmenbedingungen, die wir schaffen können oder nicht.<br />
Mit dieser Überzeugung stimmen wir überein mit Art. 1, Abs. 1 des Grundgesetzes der<br />
Bundesrepublik Deutschland: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“<br />
Abgeleitet aus dieser Grundaussage ergibt sich eine konkrete Haltung dem Menschen<br />
gegenüber, wenn er älter wird, schwer erkrankt ist oder stirbt. Wir sehen in dieser<br />
Grundüberzeugung die Verpflichtung für uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines<br />
christlichen Trägers von Krankenhäusern, Altenheimen, Kinder- und Jugendeinrichtungen,<br />
Bildungseinrichtungen und Hospizen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es dem<br />
Menschen, der sich uns anvertraut, ermöglichen, seiner Würde entsprechend zu leben und<br />
zu sterben.<br />
Einrichtungen der stationären Altenhilfe sind in der Regel der letzte Lebens- und Wohnort<br />
der Bewohnerinnen und Bewohner. Viele Menschen versterben im Heim, die meisten<br />
möchten in ihrer zuletzt vertraut gewordenen Umgebung versterben, d.h. nicht im<br />
Krankenhaus. In den letzten Jahren sinkt aus mehreren Gründen die Verweildauer der<br />
Bewohner im Heim. Nach unseren im Vorfeld des Projektes bereits durchgeführten<br />
1 vgl. Doris Nauer, Seelsorge – Sorge um die Seele, Stuttgart 2007, S.125f,<br />
6
Erhebungen versterben 26,8% der Bewohner in den Alten- und Pflegeheimen der<br />
Marienhaus GmbH innerhalb eines Jahres (2007). Diese Zahl steigt in den letzten Jahren.<br />
Das Sterben begegnet daher den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern häufiger.<br />
Der Träger hat sich daher entschieden, unter der Leitkategorie „Würde des Menschen“ die<br />
Begleitung sterbender Menschen im Heimbereich konzeptionell noch stärker als bisher in<br />
den Blick zu nehmen. Neben der Erarbeitung von Konzepten und Standards geht es ihm<br />
darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schulen und zu motivieren für diesen Auftrag,<br />
insbesondere die Entwicklung einer hospizlichen Haltung zu fördern, die sich im Respekt vor<br />
der unverlierbaren Würde des Menschen bis zuletzt äußert.<br />
Für die konkrete <strong>Praxis</strong> in den Einrichtungen der stationären Altenhilfe der Marienhaus<br />
GmbH haben wir bereits erste Konsequenzen aus dieser Leitkategorie „Würde des<br />
Menschen“ abgeleitet in unserem<br />
• „Konzept zur Bearbeitung ethischer Fragen für die Alten- und Pflegeheime der St.<br />
Elisabeth und der Marienhaus GmbH Waldbreitbach“<br />
und unserem<br />
• Konzept „Qualifizierte Seelsorge und spirituelle Begleitung sowie würdevolle<br />
Sterbebegleitung in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe der St. Elisabeth<br />
GmbH und der Marienhaus GmbH“.<br />
Die Implementierung palliativer <strong>Praxis</strong> ist eingebettet in das oben zweitgenannte<br />
Trägerkonzept „Qualifizierte Seelsorge und spirituelle Begleitung sowie würdevolle<br />
Sterbebegleitung in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe der St. Elisabeth GmbH und<br />
der Marienhaus GmbH“. Dieses Trägerkonzept verpflichtet die Einrichtungen, den<br />
strukturellen Rahmen zum Bildungsprojekt zu gewährleisten. Das Trägerkonzept ist in seinen<br />
Umsetzungsvorgaben auf folgende Weise gegliedert:<br />
1 Grundlagen<br />
1.1. Zielsetzung und Nutzen des Konzeptes<br />
1.2. Bezüge:<br />
1.3. Theologische Grundlagen, Franziskanische Spiritualität<br />
1.4. Geltungsbereich des Konzeptes<br />
1.5. Begriffsdefinitionen<br />
2 Seelsorge<br />
2.1 Struktur der Seelsorge<br />
2.2 Adressaten der Seelsorge in stationären Einrichtungen der Altenhilfe<br />
2.3 Angebote der Seelsorge<br />
2.4 Seelsorge für die Mitarbeiter/-innen<br />
2.5 Vernetzung der Seelsorge – intern<br />
2.6 Vernetzung der Einrichtung mit kirchlichen Strukturen – extern<br />
2.7 Räume der Begegnung<br />
3 Spirituelle Begleitung<br />
3.1 Spirituelle Begleitung der Bewohnerinnen und ihrer Angehörigen<br />
3.2 Spirituelle Begleitung der Mitarbeiter/-innen der Dienstgemeinschaft<br />
7
3.3 Zeitressourcen für die spirituelle Begleitung<br />
4 <strong>Palliative</strong> Care und würdevolle Sterbebegleitung<br />
4.1 Persönliche Anforderungen einer würdevollen Sterbebegleitung<br />
4.2 Der Beginn palliativer Betreuung<br />
4.3 Palliativmedizinische/-pflegerische Versorgung, Symptomkontrolle<br />
4.4 Multiprofessionalität der Palliativ-Versorgung<br />
4.5 Umgang mit dem Willen des Bewohners<br />
4.6 Psychosoziale, seelsorgliche und spirituelle Begleitung<br />
4.7 Einbeziehung der Angehörigen und Nahestehenden /Sorge für die Angehörigen<br />
und Nahestehenden<br />
4.8 <strong>Palliative</strong> Überleitung<br />
4.9 Betreuung und Begleitung von Bewohnerinnen in der Finalphase<br />
4.10 Abschied nehmen von verstorbenen Bewohnerinnen<br />
4.11 Begleitung der Angehörigen in der Trauer<br />
5 Einbindung ehrenamtlicher Mitarbeiter/-innen<br />
6 Qualifizierung der hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen<br />
7 Umsetzung/Revision<br />
8 Projektgruppe<br />
Das in Punkt 4.1 und 6 des Gesamtkonzeptes vorgesehene Bildungsprogramm soll mit dem<br />
hier vorgestellten Projekt entwickelt und durch umfassende Bildungsmaßnahmen für unsere<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgesetzt werden.<br />
Nur wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganzheitlich in ihren persönlichen Fähigkeiten,<br />
aber auch im Blick auf ihre geistig-spirituellen Bedürfnisse gefördert werden, kann erwartet<br />
werden, dass sie selbst anderen Menschen würdevoll begegnen.<br />
Das Projekt beinhaltet daher die Sensibilisierung und Qualifizierung der in der Pflege, der<br />
psychosozialen und seelsorgerischen Begleitung der Heimbewohner oder in der<br />
Hauswirtschaft tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hierzu wird ein abgestuftes<br />
Bildungsprogramm erstellt und umgesetzt, mit dessen Hilfe die Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter in den Einrichtungen erreicht werden. Parallel zum hier vorgestellten Projekt<br />
werden die anderen Vorgaben des Rahmenkonzeptes mit entsprechenden<br />
Zielvereinbarungen und begleitet durch Stabsstellen des Trägers von den Einrichtungen<br />
umgesetzt. Hierzu gehört insbesondere die Umsetzung struktureller Begleitprojekte, wie<br />
etwa der Aufbau von Kooperationen mit den örtlichen Ambulanten Hospizen,<br />
Palliativnetzwerken und Krankenhäusern.<br />
Die erzielten Effekte zur würdevollen Sterbebegleitung und Projekterfolge werden durch ein<br />
im Rahmen des Projektes entwickeltes Evaluationskonzept abgebildet.<br />
8
2 Ziele und Erwartungen<br />
Konkretes Ziel des Projektes ist es, innerhalb von drei Jahren möglichst viele (zweidrittel) der<br />
bewohnernah arbeitenden hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in drei<br />
stationären Einrichtungen der Altenhilfe des Trägers, die als Projekthäuser ausgewählt<br />
wurden, durch ein abgestuftes Bildungsprogramm unter dem Leitmotiv „Würde des<br />
Menschen als Leitkategorie der Haltung und des Handelns“ zu erreichen. Dies geschieht auf<br />
Grundlage des Gesamtkonzeptes des Trägers zur würdevollen Sterbebegleitung in den<br />
Einrichtungen der Altenhilfe. Es gilt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in<br />
Qualifizierungsmaßnahmen auf eine hospizliche Haltung hin zu sensibilisieren und sie zur<br />
ganzheitlichen Palliativversorgung schwerstkranker und sterbender Bewohnerinnen und<br />
Bewohner zu befähigen.<br />
Damit soll eine Verbesserung in der Begleitung und bedürfnisorientierten Versorgung der<br />
betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner und der ihnen Nahestehenden erreicht werden.<br />
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich in der Sterbebegleitung und<br />
Palliativversorgung sicherer fühlen. Sie sollen unter den Rahmenbedingungen der<br />
Altenpflege, die durch das Gesamtkonzept „Würdevolle Sterbebegleitung“ verändert werden,<br />
zufriedener arbeiten.<br />
2.1 Qualitativer Erwartungshorizont und die Evaluationsinstrumente<br />
Bei der Erarbeitung der Kurrikula und Evaluationsinstrumente werden aus den o.g.<br />
grundsätzlichen Aussagen Indikatoren für die Umsetzung der Leitkategorie „Würde des<br />
Menschen in seiner letzten Lebensphase“ entwickelt und verwandt. Die Leitkategorie „Würde<br />
des Menschen in seiner letzten Lebensphase“ muss sich in der Begleitung und<br />
bedürfnisorientierten Versorgung widerspiegeln.<br />
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Würde als unverlierbares und nicht herleitbares Gut nicht<br />
in einem Evaluationskonzept operationalisierbar. Hingegen sind herleitbare Kategorien zu<br />
erfassen, die auf den würdevollen Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie<br />
den Respekt vor ihrer Würde schließen lassen.<br />
Als Erfolgsfaktoren werden definiert:<br />
• eine situationsbezogen würdevolle Palliativpflege,<br />
• eine höhere Zufriedenheit bei Bewohnerinnen und Bewohnern, Angehörigen und den<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie<br />
9
• ein signifikanter Rückgang der Zahl der Krankenhauseinweisungen in der Endphase<br />
des Lebens.<br />
Für die Entwicklung eines Evaluationskonzeptes ist ein dialogisches Verfahren mit den<br />
beteiligten Berufsgruppen vorgesehen.<br />
2.2 Der erwartete Nutzen<br />
Zusammenfassend sind folgende Erwartungen an die Projektumsetzung geknüpft:<br />
• Die Leitkategorie „Würde des Menschen in seiner letzten Lebensphase“ wird expliziert in<br />
die stationäre Altenhilfe der Marienhaus GmbH eingeführt. Es wird ein Bewusstsein für<br />
die würdevolle Sterbebegleitung als elementarer Teilaspekt des Dienstes der jeweiligen<br />
Einrichtungen geweckt. Eine entsprechende hospizliche Haltung wird gefördert. Durch<br />
die abgeleiteten Kategorien und konkrete Maßnahmen wird die Haltung operationalisiert.<br />
• Evaluationsinstrumente werden implementiert.<br />
• Die palliative Versorgung der Bewohner verbessert sich.<br />
• Das Gefühl von Lebensqualität, Geborgenheit und Sicherheit der Bewohnerinnen und<br />
Bewohner gerade in Lebenskrisen wird verstärkt.<br />
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich sicherer in der Begleitung von<br />
Situationen der Krise und des Sterbens.<br />
• Die Kooperation der Alten- und Pflegeheime mit Ambulanten Hospizdiensten,<br />
Palliativnetzwerken und Teams der „Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“ wird<br />
auf diese Weise optimal seitens der beteiligten Heime vorbereitet und durch<br />
Kompetenzzuwachs unterfüttert.<br />
• Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden u.a. auch besonders auf die<br />
Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Hospizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter hin<br />
sensibilisiert.<br />
• Das christliche Profil der Einrichtungen tritt gerade in diesen Bereichen klarer hervor. Das<br />
christliche Verständnis von Würde, Tod und Auferstehung wird in der <strong>Praxis</strong> der<br />
stationären Einrichtungen der Altenhilfe verankert.<br />
10
3 Projektvorbereitung<br />
3.1 Eigene Vorarbeiten, Erfahrungsstand<br />
Die Umsetzung des Projektes baut auf Vorerfahrungen in dem Bereich der „Würdevollen<br />
Sterbebegleitung“ auf. Unter Trägerschaft der Marienhaus GmbH sind bereits verschiedene<br />
Teilbereiche entwickelt:<br />
• Durch das Engagement in acht Hospizeinrichtungen in drei Bundesländern ist ein<br />
reicher Erfahrungsschatz gewachsen. Alle acht Hospizeinrichtungen sind<br />
Kooperationen mit Einrichtungen der stationären Altenhilfe eingegangen, meist mit<br />
schriftlichen Kooperationsvereinbarungen und standardisierten Strukturen der<br />
Zusammenarbeit und Kommunikation.<br />
• Inzwischen vier Palliativstationen sind in den Krankenhäusern der Marienhaus GmbH<br />
implementiert. Die Palliativstationen übernehmen konsiliarische Dienste für die<br />
Gesamteinrichtung. Zwei multiprofessionelle <strong>Palliative</strong>-Care-Teams arbeiten<br />
konsiliarisch in zwei Klinikverbünden der Marienhaus GmbH.<br />
• Es wurden in den vergangenen Jahren in diesem Kontext mehrere Trägerkonzepte<br />
als Rahmenvorgabe von multiprofessionell besetzten trägerweiten Projektgruppen<br />
entwickelt, die zur Zeit durch Zielvereinbarungen mit den Einrichtungsleitungen<br />
umgesetzt werden:<br />
o „Qualifizierte Seelsorge und spirituelle Begleitung sowie würdevolle<br />
Sterbebegleitung in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe“<br />
o „Konzept zur Bearbeitung ethischer Fragen für die Stationären Einrichtungen<br />
der Altenhilfe der Marienhaus GmbH“ (incl. der Schulung von Moderatoren für<br />
ethische Fallbesprechungen und der Einrichtung eines trägerweiten<br />
Ethikkomitees für die Einrichtungen der Altenhilfe“<br />
o „Konzept der „Unternehmensethik“<br />
o „<strong>Palliative</strong> Care und würdevolle Sterbebegleitung in den Krankenhäusern der<br />
Marienhaus GmbH“<br />
o „Seelsorge und spirituelle Begleitung in den Krankenhäusern der Marienhaus<br />
GmbH“<br />
• Parallel zu dem hier beschriebenen Projekt hat die Marienhaus GmbH das<br />
Trägerprojekt „Weiterentwicklung und theologische Grundlegung der<br />
Unternehmensphilosophie“ aufgelegt, in dem der Begriff „Würde des Menschen“ aus<br />
theologisch-philosophischer Sicht näher beschrieben und Handlungsansätze<br />
abgeleitet werden sollen.<br />
11
• Der Träger hat seit nunmehr zehn Jahren eine Stabsstelle „Fachberatung Hospiz“<br />
eingerichtet, um die hospizliche und palliative Arbeit in allen Sparten der Marienhaus<br />
GmbH qualitativ weiter zu entwickeln.<br />
3.2 Projektstruktur<br />
3.2.1 Projektablauf<br />
Der geplante Projektablauf ist in verschiedene Phasen der Umsetzung gegliedert:<br />
Phase der<br />
Projektvorbereitung<br />
Phase der<br />
Umsetzung<br />
Phase der<br />
Projektevaluation<br />
und des<br />
Projektabschlusses<br />
Projektphasen<br />
Projektauftrag - Freigabe der Projektskizze und des Projektauftrags<br />
durch die Geschäftsführung der Marienhaus GmbH<br />
↓<br />
Bildung der Steuergruppe<br />
↓<br />
Information der beteiligten Einrichtungsleitungen<br />
↓<br />
Bildungsphase<br />
↓<br />
Implementierungsphase<br />
↓<br />
Evaluation der Bildungsmaßnahmen jeweils zum Abschluss<br />
↓<br />
Evaluation der Strukturentwicklung und praktischen Umsetzung<br />
↓<br />
Wissenschaftliche Evaluation des Projektes<br />
↓<br />
<strong>Abschlussbericht</strong><br />
Zeitplan<br />
Mai 2009<br />
Mai 2009<br />
Juni 2009<br />
2009-2012<br />
2009-2012<br />
2011-2012<br />
2011-2012<br />
2011-2012<br />
Oktober<br />
2012<br />
Mit Freigabe der Projektskizze 2 und Vergabe des Projektauftrags durch die<br />
Geschäftsführung der Marienhaus GmbH wurde eine Steuerungsgruppe zur Steuerung und<br />
Koordinierung des Projektes eingesetzt.<br />
3.2.2 Beteiligte<br />
Projektleitung und Steuerungsgruppe<br />
Die Umsetzung sowie die Arbeit an Kurrikula des zu erarbeitenden Bildungsprogramm wird<br />
geleitet durch die Fachreferentin der trägereigenen Edith-Stein-Akademie Michaele Günter,<br />
2 Siehe Anlage 1<br />
12
die als Leiterin von <strong>Palliative</strong>-Care-Kursen nach den Maßgaben der DGP, des DHPV und der<br />
Deutschen Krebshilfe qualifiziert ist und seit mehreren Jahren entsprechende Kurse leitet.<br />
Begleitung erfährt die Leiterin der Steuerungsgruppe durch folgende Mitarbeiter innerhalb<br />
der Marienhaus GmbH:<br />
• pflegewissenschaftlich durch Frau Sandra Postel (geb. Schwager), Stabsstelle Pflege<br />
• aus der Perspektive und Erfahrung der Hospizarbeit und Palliativversorgung durch<br />
Christoph Drolshagen, Fachberatung Hospiz.<br />
Projekthäuser<br />
Drei stationäre Einrichtungen der Altenhilfe in Trägerschaft der Marienhaus GmbH haben als<br />
Pilot-Projekthäuser am Projekt teilgenommen. Folgende Häuser der Modell-Region Rhein-<br />
Wied wurden in Abstimmung mit den Einrichtungsleitungen zur Teilnahme ausgewählt:<br />
• Marienhaus Seniorenzentrum St. Josef<br />
Koblenzer Straße 19<br />
53498 Bad Breisig<br />
Einrichtungsleitung: Hermannjosef Berg, Heimleiter<br />
Helga Schäfer, Pflegedienstleiterin<br />
• Alten- und Pflegeheim St. Josefshaus<br />
Klosterstraße 1<br />
53577 Neustadt/Wied<br />
Einrichtungsleitung: Bernard Stammer, Heimleiter<br />
Dunja Spille, Pflegedienstleiterin<br />
• St. Josef Alten- und Pflegeheim St. Anna<br />
Im Bliesblink 9-11<br />
56759 Kaisersesch<br />
Einrichtungsleitung: Ute Dany, Heimleiterin<br />
Elke Münch, Pflegedienstleiterin<br />
Im Rahmen des Bildungsprogramms des Projektes wurden bewohnernah arbeitende<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei ausgewählten Projekthäuser qualifiziert. Darüber<br />
hinaus wurden die Projekthäuser in ihrer Strukturentwicklung begleitet und hinsichtlich der<br />
Implementierung einer würdevollen Sterbebegleitung gefördert und unterstützt, um<br />
erforderliche Rahmenbedingungen für eine würdevolle Sterbebegleitung zu schaffen bzw. zu<br />
verbessern.<br />
13
4 Durchführung<br />
4.1 Projektverlauf<br />
In folgender Tabelle ist der tatsächliche Projektverlauf in chronologischer Reihenfolge<br />
dargestellt.<br />
Vorgespräch mit Einrichtungsleitungen Dezember 2009<br />
Vorgespräch mit Geschäftsführung Februar 2010: Geschäftsführung, Projektleitung<br />
und Heimleitungen<br />
Starttermin 01.03.2010<br />
Vorgespräch Workshop<br />
1. Workshop „Die Würde des Menschen als<br />
Leitkategorie für die Sterbebegleitung und<br />
palliative <strong>Praxis</strong> in den stationären<br />
Einrichtungen der Altenhilfe“<br />
Mitarbeiterrundbrief in die beteiligten<br />
Einrichtungen<br />
Mitarbeiterversammlungen in den<br />
Einrichtungen<br />
Erarbeitung des Evaluationsleitfadens:<br />
3 Evaluationsstränge<br />
10.05.2010: Prof. Doris Nauer (PTHV),<br />
Michaele Günter, Christoph Drolshagen,<br />
Studierende<br />
22.06.2010: Dozenten, Heimleitungen,<br />
Wohnbereichsleitungen, Projektteam<br />
Moderation: Prof. Doris Nauer (PTHV)<br />
02.09.2010: Projektleitung<br />
10/2010: Projektleitung, Heimleitungen<br />
bis 31. Oktober 2010: Sandra Postel, Michaele<br />
Günter, Christoph Drolshagen, Klaus<br />
Christmann (Kooperation PTHV)<br />
1. Interviewrunde November 2010: Klaus Christmann<br />
(Kooperation PTHV), Michaele Günter<br />
Durchführung der<br />
Qualifizierungsmaßnahmen<br />
Teilprojekte zur Strukturentwicklung auf<br />
örtlicher Ebene (Standards, Kooperationen<br />
mit amb. Hospizen, Ärzten etc.)<br />
Dezember 2010 bis Anfang 2012<br />
Dozenten, Edith-Stein-Akademie<br />
- <strong>Palliative</strong> Care (160h):<br />
06.12.2010 – 18.11.2011<br />
- <strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong> (40h):<br />
14.03.2011- 18.03.2011<br />
26.09.2011- 30.09.2011<br />
- Wenn Leben zu Ende geht (24h):<br />
01/2010; 11/2010; 01/2011; 11/2011; 02/2012<br />
Gesamter Projektzeitraum<br />
2. Interviewrunde 2. Quartal 2012: Klaus Christmann<br />
(Kooperation PTHV), Michaele Günter<br />
Evaluations-Workshops in den<br />
Projekthäusern<br />
3. Quartal 2012: Projektteam, Heimleitungen,<br />
Pflegedienstleitung, Wohnbereichsleitung,<br />
Kursabsolventen, Seelsorge<br />
Termine:<br />
Bad Breisig: 17.09.2012<br />
Neustadt/ Wied: 30.10.2012<br />
Kaisersesch: 13.11.2012<br />
14
Abfassung des Projektberichts,<br />
Veröffentlichung<br />
Abschluss-Workshop:<br />
Verstetigungsprozess,<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
3. Quartal 2013<br />
Ende (soll) 31.07.2013<br />
3. Quartal 2013: Teilnehmer wie oben<br />
Die Erläuterung der einzelnen Projektschritte erfolgt in diesem Bericht nach thematischer<br />
Gliederung, da über den Projektzeitraum von drei Jahren einzelne Projektschritte zeitlich<br />
parallel durchgeführt wurden.<br />
4.1.1 Projektauftakt<br />
Die Einführung der Einrichtungsleitungen der ausgewählten Projekthäuser in das Projekt<br />
erfolgt in einem Vorgespräch mit der Geschäftsführung und der Projektsteuerung. Der<br />
tatsächliche Projektstart für die Einrichtungen wurde auf den 01.03.2010 terminiert. Die<br />
Verzögerung gegenüber der ursprünglichen Planung ergab sich in der Phase der<br />
Projektvorbereitung. Die Projektsteuerung entschied, dass im Sinne eines erfolgreichen<br />
Projektauftakts die Leitungsverantwortlichen der projektbeteiligten Einrichtungen stark in eine<br />
inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema und Erarbeitung von konkreten<br />
einrichtungsbezogenen Zielen innerhalb des Projektes einbezogen werden sollten.<br />
Zum Projektauftakt organisierte die Projektsteuerung einen großen Einführungs-Workshop<br />
unter dem Titel „Die Würde des Menschen als Leitkategorie für die Sterbebegleitung und<br />
palliative <strong>Praxis</strong> in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe“, der dann am 22.06.2013<br />
stattfand.<br />
In diesem Projektworkshop waren neben der Projektsteuerung, auch die Heimleitungen,<br />
Pflegedienstleitungen sowie die Wohnbereichsleitungen der drei Projekthäuser beteiligt.<br />
Außerdem nahmen auch die Dozenten der Fortbildungsmaßnahmen des<br />
Bildungsprogramms an diesem Workshop teil. Moderiert wurde der Workshop von Frau Prof.<br />
Dr. Dr. Doris Nauer, Professorin für Pastoraltheologie und Diakonische Theologie an der<br />
PTHV. Der Workshop zielte auf die allgemeine Einführung in das Projekt sowie eine<br />
Auseinandersetzung mit dem Thema „Würde als Leitkategorie“. In Kleingruppen wurde<br />
folgende Frage bearbeitet: „Was braucht es, damit Sterbegleitung im Altenheim würdevoll für<br />
alle Beteiligten ermöglicht werden kann?“. Inhalte und Ablauf des Workshops stellt folgende<br />
Tabelle dar:<br />
15
Die Ergebnisse der Gruppenarbeit dienten als Basis für die Entwicklung des<br />
Bildungsprogramms und der Strukturentwicklung in den einzelnen Einrichtungen im weiteren<br />
Projektverlauf.<br />
Folgende Ergebnisse wurden während des Workshops in Kleingruppen erarbeitet:<br />
Ergebnisse der Dozentengruppe:<br />
Was möchten die Teilnehmer noch lernen:<br />
• Sicherer werden in der Kommunikation (verbal, nonverbal) mit Sterbenden und Angehörigen<br />
• Wann ein Patient ins Krankenhaus muss<br />
• Wann eine ethische Fallbesprechung einberufen werden kann<br />
• Notfallplanung<br />
• Schmerzen sicherer zu erkennen<br />
• Informationen über den Umgang mit Patientenverfügungen<br />
• Demenz- auch ungelernte Kräfte müssen darüber Bescheid wissen<br />
Kompetenzentwicklung durch:<br />
• Schulungen ganz allgemein<br />
• Hospitationen<br />
• Begleitung der Teams<br />
• Erkennen von Zusammenhängen<br />
• Wissen über Symptomkontrolle<br />
• Transparenz<br />
• Supervision<br />
• Moderation<br />
• Beratung<br />
• Arbeit an der eigenen Haltung/Kommunikation<br />
Bildungsziele können erreicht werden durch:<br />
• Verschiedene Rituale bei unterschiedlichen Religionen und Kulturen<br />
• Multiplikatoren schulen (zuhören, Wahrnehmung, Nähe-Distanz)<br />
• Schmerztherapie- erkennen und Erfassen von Schmerzen<br />
• Ärzte zu Schulungen einladen<br />
• Angehörigengespräche<br />
• Kriseninterventionsschulungen<br />
Welche Themen sollen vertieft werden?<br />
• Ernährung/Flüssigkeitszufuhr<br />
• <strong>Palliative</strong> Pflege<br />
• Vernetzung mit Ärzten<br />
• Seelenpflege (Haltung, Würde, eigene Burn-out Prophylaxe)<br />
• Zusammenarbeit im Multiprofessionellen Team<br />
• Demenz/Sterbensprozess<br />
• Ethik (Patientenverfügung- neues Recht)<br />
Ergebnisse der Teilnehmergruppen:<br />
Rahmenbedingungen<br />
• Intensive Zusammenarbeit mit ambulanten Hospiz – palliative Beratung, ehrenamtliche<br />
psychosoziale Begleitung mit Ansprechpartner<br />
• Vertrauen zu begleitenden Personen<br />
• Rahmenbedingungen für den Ablauf<br />
• Finanzierung der Fortbildung/regelmäßige Fortbildung der Mitarbeiter<br />
• Möglichkeiten eines Ausweichzimmers – Gespräche, Mitbewohner<br />
• Möglichkeit, Sterbende intensiv zu begleiten (Einarbeitung, Personal aufstocken, Zeit)<br />
• Gewünschte Musik, Aromapflege, Licht, Kerze<br />
• Gedenksteine, Gedenkalbum, Gedenkgottesdienst<br />
17
• Möglichkeit, sich zu verabschieden (Mitarbeiter, Ehrenamtliche, Angehörige)<br />
• Supervision<br />
• Biographie<br />
• Mehr Personal<br />
• Mehr Zeit<br />
• Palliativbetten<br />
• Das Konzept sollte: machbar, teamorientiert sowie ressourcenorientiert sein<br />
• Kooperationen: Ehrenamtliche, Hospizdienste, Ärzte, andere Therapeuten<br />
• Einbeziehen von Seelsorge<br />
• Angehörige einbeziehen<br />
• Bezugspflege<br />
Strukturen<br />
• Ärzte einbeziehen<br />
• Ordensschwestern, Geistliche<br />
• Klären, wie kommen Bewohner an Sakramente?<br />
• Blick auf Bewohner anderer Religionen schärfen<br />
• Schmerzerfassungsinstrumente für demenzerkrankte Bewohner<br />
• Netzwerkstruktur aufbauen: Multiplikatoren schulen, Hospiz, palliative Medizin/Pflege (SAPV)<br />
Hausärzte, Gemeinde, Ehrenamtliche<br />
• Ärzte einladen, an Schulungen teilzunehmen<br />
• Palliativbogen<br />
• Fallbesprechungen<br />
• Auffrischen von Vorhandenem<br />
• Teamgespräche (vorstellen von Konzepten, z.B. Seelsorge)<br />
• Heimbeiratssitzung<br />
• Angehörigentreffen<br />
• Ehrenamtliche<br />
• Kooperationsvertrag<br />
• Ambulantes Hospiz vor Ort<br />
• Förderverein (Schulungen, Supervisionen, Material z.B. Bücher, Musik, u.s.w.)<br />
• Zeitanteil Personal (wie viel %)<br />
• Öffentlichkeitsarbeit z.B. über QZ<br />
• Räumlichkeiten<br />
In der Evaluationsrunde zum Abschluss des Workshops gaben die Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer folgende Rückmeldungen auf die Frage „Was wird aus der Veranstaltung<br />
mitgenommen?“:<br />
Was wird aus der Auftaktveranstaltung mitgenommen?<br />
- Wünsche zu den Inhalten der Schulungsseminare sind berücksichtigt und neue Ideen wurden<br />
aufgenommen<br />
- dass Begriffe wie Seele, Psyche im christlichen Sinne verinnerlicht wurde<br />
- dass Mitarbeiter und Bewohner in Bezug auf die Würde gleichwertig sind<br />
- dass aus drei verschiedenen Altenheime Vertreter da waren und wo diese stehen, um<br />
gemeinsam an den Inhalten zu arbeiten<br />
- ein runder Tag- Würde als Rahmen und gemeinsame Grundlage<br />
- dass es als Dozent wichtig ist, im Vorfeld abzuklären, was gebraucht wird<br />
- dass neben Inhalten auch Strukturen wichtig sind<br />
- wie andere Menschen Würde sehen<br />
- der Input zum christlichen Menschenbild<br />
- die Frage, wie der Tag in die Einrichtungen mit hinüber genommen werden kann<br />
- dass die Auseinandersetzung mit verschiedenen Perspektiven als wertvoll erlebt wurde<br />
- die Methodik wurde als lebendig erlebt, nach anfänglicher Skepsis, sich einen ganzen Tag mit<br />
solch einem Thema zu beschäftigen<br />
- eine andere Sichtweise für die <strong>Praxis</strong><br />
18
- es wird nun das Thema in einen größeren Zusammenhang gesehen<br />
- Menschen in einer existenziellen Lage zu begleiten<br />
- wie Wichtig die Vernetzung ist<br />
- Es wird sicherlich eine gute Sterbebegleitung durchgeführt- dennoch, Sensibilisierung für das<br />
Thema ist wichtig<br />
- Dass auch Freude bei diesem Thema nicht falsch ist<br />
- Die Frage, wie man dem ganzen Seelenwesen Mensch mit seinem Körper, der Psyche und<br />
seinem Geist gerecht werden kann<br />
- Man macht mehr falsch, wenn man von der Begleitung zurückschreckt, statt sich dem zu<br />
stellen<br />
- Trauer im Alltag (von Mitarbeitern) kann oft nicht genügend bearbeitet werden<br />
- Schau jeden Menschen an, als ob er ein Abbild Gottes ist<br />
- Was schon gemacht wird (in der Sterbebegleitung) Und was noch nicht<br />
- Die christlichen Inhalte waren wertvoll<br />
- Teilnehmer, Angehörige, Bewohner haben das Bedürfnis, Zusammenhänge zu begreifen:<br />
Was wird warum gemacht? Information hat mit dem Respekt vor der Würde zu tun<br />
- Das Projekt kann Freiräume ermöglichen.<br />
Die Projektleitung zieht in der Nachbereitung das Fazit, dass der Workshop in seiner<br />
Gestaltung einen gelungenen Projektauftakt darstellte. Der Workshop und die Intensität der<br />
Auseinandersetzung mit dem Thema Würde werden für das Projekt auch im Nachhinein als<br />
grundlegend betrachtet. Die ausführliche und zum Teil auch wiederholende Einbindung der<br />
Einrichtungsleitungen und der Wohnbereichsleitungen in das Projekt und seine<br />
Zielentwicklung stellt sich auch als wichtiger Baustein für die Projektarbeit dar. Der<br />
Workshop gab für grundlegende Diskussionen und das Stellen und Klären offener Fragen<br />
den erforderlichen Raum.<br />
4.1.2 Information und Einbindung der Mitarbeiter<br />
Ebenso wichtig, wie die Information der Leitungs- und Führungskräfte, ist die Information<br />
aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Projekthäuser vor Ort. Dies erfolgte in allen drei<br />
Häusern auf zweifache Weise, um möglichst alle Mitarbeiter von Anfang mit ins Boot zu<br />
nehmen.<br />
Zum einen versandt die Projektleitung einen Mitarbeiterrundbrief in den Projekteinrichtungen<br />
mit der Information über die Projektteilnahme, das Projekt und seine Ziele.<br />
Des Weiteren wurden in allen drei Einrichtung gemeinsam mit der Einrichtungsleitung und<br />
der Projektleitung Mitarbeiterversammlungen durchgeführt. Die Projektleitung stellte das<br />
Projekt umfassend vor und gab Raum für Fragen. Die Präsentation der<br />
Mitarbeiterversammlung ist in der Anlage 3 angefügt. Um möglichst vielen Mitarbeitern die<br />
Teilnahme an der Informationsveranstaltung zu ermöglichen, fanden diese um die<br />
Mittagszeit statt. So haben auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Angebot<br />
3 Siehe Anlage 2.<br />
19
angenommen. Es herrschte eine gute Atmosphäre. Die Mitarbeiter nahmen das Projekt<br />
interessiert an und konnten für das Projekt motiviert werden.<br />
Die Projektleitung bewertet auch diese doppelte Information als essentiell. Im Projektverlauf<br />
hat sich bestätigt, dass die Art und Weise, das Projekt einzustielen und die Einbindung und<br />
Information der Beteiligten, die richtige war.<br />
4.1.3 Bildungsprogramm<br />
Konzept und Kurrikula<br />
Das Bildungsprogramm wurde mit dem hier vorgestellten Projekt entwickelt. Vorhandene<br />
Kurrikula wurden gesichtet und auf Erfordernisse der Altenhilfe und insbesondere im Blick<br />
auf die Bearbeitung der Leitkategorie „Würde des Menschen in seiner letzten Lebensphase“<br />
angepasst. Die Begleitung und Versorgung alter Menschen und insbesondere demenziell<br />
veränderter Menschen sollte einen entsprechenden Raum einnehmen. Auch die Bedarfe und<br />
Wünsche, die in der Auftaktveranstaltung erarbeitet wurden, sind in die Gestaltung des<br />
Bildungsprogramms mit eingeflossen.<br />
Es wurde ein abgestuftes Konzept für die Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter entwickelt. Es umfasst drei Qualifizierungsmaßnahmen, die sich im Umfang und<br />
Inhalt unterscheiden und sich an verschiedene Zielgruppen richten. Insgesamt sollen<br />
mindestens zwei Drittel aller Mitarbeiterinnen Mitarbeiter aller Berufsgruppen in den<br />
genannten Altenheimen von einer der Maßnahmen erreicht werden.<br />
<strong>Palliative</strong> Care Basiskurs (160 h)<br />
<strong>Palliative</strong> Care ist ein ganzheitliches Betreuungskonzept.<br />
Ziel ist es, durch Beschwerdelinderung bestmögliche Lebensqualität für die verbleibende Lebenszeit<br />
herzustellen und zu erhalten.<br />
Dies erfordert symptomorientierte, individuelle und kreative Pflege, die Begleitung der Angehörigen<br />
und die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Berufsgruppen.<br />
Schwerpunktthemen sind unter anderem:<br />
• eine werteorientierte Grundhaltung in der Begleitung von sterbenden Menschen,<br />
• einen reflektierten Umgang mit Sterben, Tod und Trauer,<br />
• Schmerz- und Symptomkontrolle<br />
• hospizliche und palliative Begleitung hochbetagter Menschen und Menschen mit Demenz<br />
• spezielle Möglichkeiten der Grund- und Behandlungspflege.<br />
Die Weiterbildung erfolgt nach dem Basiscurriculum von Kern/Müller/Aurnhammer.<br />
Sie entspricht den in den Rahmenvereinbarungen nach §39a SGBV Abs. 1und 2 festgeschriebenen<br />
Anforderungen an die berufliche Qualifikation von Pflegenden.<br />
Der <strong>Palliative</strong> Care Basiskurs richtet sich an Altenpfleger/innen sowie an Gesundheits- und<br />
Krankenpfleger/innen.<br />
20
<strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong> (40 h)<br />
Eine Schulungsmaßnahme nach dem Curriculum der <strong>Robert</strong> <strong>Bosch</strong> <strong>Stiftung</strong>.<br />
Das Seminar folgt einer Geschichte, einer Story.<br />
Sie liefert den roten Faden -eine durchgängige Linie- für die Woche.<br />
Die Teilnehmer selbst gestalten Schritt für Schritt die Geschichte eines Bewohners/Bewohnerin aus<br />
deren eigenen Pflegealltag mit.<br />
Das Ziel ist die Aneignung von Basiskenntnissen.<br />
Schwerpunktthemen sind unter anderem:<br />
• Pflege - und Therapieplan in der palliativen Betreuung<br />
• Schmerzerleben und Schmerzmanagement<br />
• Pflege und Begleitung in der Sterbephase<br />
• Ethische Fallbesprechungen<br />
• Umgang mit Abschied und Trauer<br />
Dieses Seminar richtet sich an Mitarbeiter/innen die in der Altenpflege tätig sind, an<br />
Betreuungsassistent/innen und Servicekräfte. Die Teilnahme an<br />
diesem Seminar ist auch für Mitarbeiter ohne Fachqualifikation möglich.<br />
Basiskurs „Wenn das Leben zu Ende geht“ (24 h)<br />
Wenn Leben zu Ende geht, wenn keine Heilung mehr möglich ist, dann geht es um Beistand und<br />
Begleitung eines Menschen auf dem letzten Weg seines Lebens.<br />
Jeder Mensch ist einzigartig und jeder stirbt seinen eigenen Tod.<br />
Wir sind uns bewusst, dass Sterbende uns immer ein Stück an Erfahrungen voraus sind.<br />
Dieses Seminar ist ein Einstiegsseminar, um sich dem Thema Sterben, Tod und Trauer zu nähern.<br />
Inhalte sind unter anderem:<br />
• Eigene Haltung und Werte bei Sterben und Tod<br />
• Spiritualität in der Sterbebegleitung<br />
• Einstieg in die Hospizliche Arbeit,<br />
• Verschiedene Kommunikationsformen<br />
• Abschied gestalten<br />
Dieses Seminar richtet sich an alle interessierten Mitarbeiter/innen.<br />
Ziele des Bildungsprogramms<br />
• <strong>Palliative</strong> Care (160 Stunden): In jeder Einrichtung sollen mindestens drei<br />
Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter einen solchen Kurs besucht haben, damit jederzeit<br />
ein entsprechendes palliativpflegerisches Fachwissen abgerufen werden kann.<br />
• <strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong> (40 Stunden): In jeder Einrichtung sollen mindestens 8<br />
MitarbeiterInnen an dieser Schulung teilnehmen.<br />
• Basiskurs „Wenn das Leben zu Ende geht“ (24 Stunden): Eine grundlegende<br />
Schulung zu Themen von <strong>Palliative</strong> Care und spirituellen Fragestellungen und<br />
Haltungen soll die MitarbeiterInnen erreichen, die nicht am <strong>Palliative</strong> Care-Kurs oder<br />
an dem Kurs „<strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong>“ teilgenommen haben.<br />
21
Umsetzung des Bildungsprogramms<br />
Die Bildungsmaßnahmen werden von der trägereigenen Bildungseinrichtung, der Edith-<br />
Stein-Akademie, angeboten. Diese verfügt bereits über einen Stamm an in- und externen<br />
Referenten für die Hospiz- und Palliativarbeit mit ausgewiesener fachlicher und persönlicher<br />
Kompetenz. Drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Trägers verfügen über die<br />
Qualifikation als Leiterin oder Leiter von <strong>Palliative</strong>-Care-Kursen nach den Maßgaben der<br />
DGP, des DHPV und der Deutschen Krebshilfe. Für das Konzept „<strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong>“ der<br />
<strong>Robert</strong>-<strong>Bosch</strong>-<strong>Stiftung</strong> sind bereits vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Trägers<br />
qualifiziert. Die Qualifizierungsmaßnahmen finden einrichtungsübergreifend statt, sodass die<br />
Vernetzung zwischen den Einrichtungen und das Bewusstsein für die Trägerkultur gestärkt<br />
werden.<br />
<strong>Palliative</strong> Care<br />
Basiskurs<br />
(160 h)<br />
Durchführung<br />
Qualifizierungsmaßnahmen<br />
1 Maßnahme:<br />
06.12.2010 – 18.11.2011<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong><br />
(40 h)<br />
2 Maßnahmen:<br />
14.03.2011- 18.03.2011<br />
26.09.2011- 30.09.2011<br />
Basiskurs<br />
„Wenn das<br />
Leben zu Ende<br />
geht“<br />
(24 h)<br />
5 Maßnahmen:<br />
01/2010;<br />
11/2010;<br />
01/2011;<br />
11/2011;<br />
02/2012<br />
Mit den Bildungsmaßnahmen konnten viele der bewohnernahen Mitarbeiter erreicht werden.<br />
Insgesamt haben 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der Maßnahmen des<br />
Bildungsprogramms absolviert. In der folgenden Tabelle ist detailliert dargestellt, wie viele<br />
Mitarbeiter in welcher Einrichtung in den verschiedenen Maßnahmen qualifiziert wurden.<br />
22
Einrichtungen:<br />
Alten- u.<br />
Pflegeheim St.<br />
Josef<br />
Bad Breisig<br />
Alten- u.<br />
Pflegeheim<br />
St. Josefshaus<br />
Neustadt/Wied<br />
St. Josef Alten- u.<br />
Pflegeheim<br />
Kaisersesch<br />
<strong>Palliative</strong><br />
Care<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong><br />
Wenn Leben zu<br />
Ende geht<br />
3<br />
3<br />
3<br />
Teilnehmer<br />
3<br />
Teilnehmer<br />
8<br />
8<br />
4<br />
Teilnehmer<br />
3<br />
Teilnehmer<br />
Ziel Teilnahme Ziel Teilnahme Ziel Teilnahme<br />
Möglichst<br />
3<br />
2<br />
4<br />
1<br />
8<br />
viele<br />
Teilnehmer<br />
Teilnehmer<br />
Teilnehmer<br />
Mitarbeiter<br />
Möglichst<br />
viele<br />
Mitarbeiter<br />
Möglichst<br />
viele<br />
Mitarbeiter<br />
8<br />
Teilnehmer<br />
7<br />
Teilnehmer<br />
Teilnehmer<br />
insgesamt<br />
7<br />
15<br />
13<br />
Teilnehmer insgesamt 35<br />
Den <strong>Palliative</strong> Care Basis Kurs haben insgesamt 8 Mitarbeiterinnen absolviert. Hier konnte<br />
das Projektziel, in jeder Einrichtung mindestens drei Mitarbeiterinnen zu qualifizieren, knapp<br />
erreicht werden. An der Qualifizierungsmaßnahme <strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong> haben insgesamt 11<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei Projekthäuser teilgenommen. Hier konnte das<br />
Projektziel acht Mitarbeiter je Einrichtung zu qualifizieren nicht erreicht werden. Das Ziel mit<br />
dem Basiskurs „Wenn das Leben zu Ende geht“ möglichst viele Mitarbeiter zu erreichen ist in<br />
zwei der drei Projekthäuser gelungen. In Bad Breisig hat an dieser Fortbildung lediglich eine<br />
Mitarbeiterin teilgenommen, was damit begründet werden kann, dass in dieser Einrichtung<br />
bereits vor der Projektphase eigene Maßnahmen zur Schulung von Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern zum Thema Sterbebegleitung im Rahmen des Leitbildprozesses des Trägers<br />
auf Initiative von Frau Martina Gruber, Begleitender sozialer Dienst, durchgeführt wurden.<br />
Insgesamt konnten nicht so viele Bildungsmaßnahmen durchgeführt werden, wie in der<br />
ursprünglichen Planung vorgesehen. Das gesetzte Ziel war in der Zeit der Projektphase<br />
aufgrund eines erheblichen Personalmangels in allen drei Projekthäusern quantitativ nicht<br />
vollständig erreichbar. Die Schulungsmaßnahmen werden aber auch nach Abschluss des<br />
Projektes fortgeführt, um möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen.<br />
23
4.1.4 Strukturentwicklung<br />
Über das Bildungsprogramm hinaus war es Ziel des Projektes, die Struktur der<br />
Projekthäuser so weiterzuentwickeln, dass die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine<br />
würdevolle Sterbebegleitung geschaffen bzw. verbessert werden. Dabei standen folgende<br />
die Aspekte „Pflegekonzept“, „Multiprofessionalität“ und „Vernetzung“ für die Umsetzung in<br />
der <strong>Praxis</strong> im Vordergrund. Auf Grundlage der Ergebnisse aus dem Auftakt-Workshop haben<br />
die drei Projekthäuser im Zeitraum der Projektlaufzeit folgende Maßnahmen in den<br />
Einrichtungen umgesetzt:<br />
Alten- u. Pflegeheim<br />
St. Josef<br />
Bad Breisig<br />
Alten- u. Pflegeheim<br />
St. Josefshaus<br />
Neustadt/Wied<br />
St. Josef<br />
Alten- u. Pflegeheim<br />
Kaisersesch<br />
- Kooperation mit dem Hospizverein Rhein-Ahr e.V.<br />
- Kooperation mit der Palliativstation des Krankenhaus Maria Stern<br />
Remagen<br />
- Entwicklung und Einführung von Standards für die Sterbebegleitung<br />
- Durchführung von Ethischen Fallbesprechungen im Rahmen der<br />
Sterbebegleitung in der Einrichtung<br />
- Kooperation mit dem Ambulanten Hospiz Neuwied<br />
- Einsatz ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer im Heim<br />
- Einrichtung Zweigstelle des Ambulanten Hospizes mit Büro der<br />
Hospizfachkraft in der Einrichtung<br />
- Einrichtung und Besetzung einer halben Stelle für Seelsorge und<br />
Sterbebegleitung<br />
- Entwicklung und Einführung von Standards für die Sterbebegleitung<br />
- Aktive Mitgliedschaft im Palliativnetzwerk<br />
- Durchführung Ethischer Fallbesprechungen im Rahmen der<br />
Sterbebegleitung in der Einrichtung; sowie in Fällen eines<br />
Krankenhausaufenthalts des Bewohners Teilnahme von<br />
Mitarbeiterinnen an Ethischen Fallbesprechungen im Krankenhaus<br />
- Kooperation mit dem Christlichen Hospizverein Cochem-Zell e.V.<br />
- Implementierung eines Notfallbogens<br />
- Enge Kooperation mit den Hausärzten und Palliativmedizinern vor Ort<br />
- Entwicklung eines Notfallbogens in Abstimmung mit einem<br />
Palliativmediziner vor Ort<br />
- Entwicklung und Einführung von Standards für die Sterbebegleitung,<br />
Erarbeitung eines Pflegekonzeptes<br />
24
4.2 Probleme und Schwierigkeiten<br />
In einem der Projekthäuser, dem Alten- u. Pflegeheim St. Josefshaus Neustadt/ Wied, wurde<br />
die Projektumsetzung durch einen Leitungswechsel erschwert. Der Leitungswechsel brachte<br />
es auch mit sich, dass einige Mitarbeiterinnen, die bereits Schulungsmaßnahmen absolviert<br />
hatten, die Einrichtung verlassen haben. Mit dem neuen Heimleiter und einer neuen<br />
Pflegedienstleiterin musste in etwa der Hälfte der Projektlaufzeit ein Neustart erfolgen. Trotz<br />
der Krise in der Einrichtung konnte das Projekt erfolgreich weitergeführt und ein positiver<br />
roter Faden in der Projektumsetzung erreicht werden. Hier hat die Motivation der neuen<br />
Einrichtungsleitung sowie eine starke Präsenz der Projektleitung eine wichtige Rolle gespielt.<br />
Die erfolgreiche Projektumsetzung konnte spürbar zur Stärkung des Selbstbewusstseins der<br />
neu zusammengesetzten Mitarbeiterschaft beitragen.<br />
Eine Problematik für das Bildungsprojekt, wie oben bereits angedeutet, stellte die Fluktuation<br />
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Teilnahme an der Bildungsmaßnahme dar. Eine<br />
geschulte Pflegekraft, die die Einrichtung nach der Schulung verlässt, bremst gleichzeitig<br />
den Prozess der Implementierung in der Einrichtung. Das erlernte Wissen, Ideen und<br />
Motivation für die Umsetzung gehen der Einrichtung gleichzeitig verloren.<br />
Weitere Schwierigkeiten gab es hinsichtlich der Vernetzung mit Ärzten. Die<br />
Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit einzelnen Hausärzten insbesondere bezogen<br />
auf die Medikation erwies sich als schwierig. Mit anderen konnte sie im Projektverlauf auch<br />
intensiviert werden.<br />
25
5 Nachbereitung<br />
Mit der Evaluation des Bildungsprojektes und des Umsetzungsprozesses in den<br />
Projekthäusern sollen die Veränderungen in den Einrichtungen transparent gemacht werden.<br />
Für die Nachbereitung des Projektes wurde ein dreistufiges Evaluationssystem entwickelt<br />
und durchgeführt:<br />
• Evaluation der Bildungsmaßnahmen<br />
• Evaluation des Umsetzungsprozesses<br />
• Wissenschaftliche Begleitung zur Leitkategorie „Würde in der Sterbebegleitung“<br />
5.1 Evaluation der Bildungsmaßnahmen<br />
Zum einen fand eine Kurrikulare Evaluation statt, um das genutzte Kurrikulum auch während<br />
der Maßnahme bestmöglich an die hospizlichen Anforderungen und Strukturen vor Ort<br />
anzupassen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten bestmöglich für die palliative <strong>Praxis</strong><br />
vorbereitet und gefördert werden. Die Bildungsmaßnahmen wurden je einzeln und im<br />
Gesamtpaket evaluiert. Am Ende jeder einzelnen Schulungseinheit wurden die Mitarbeiter<br />
schriftlich mit einem Evaluationsbogen befragt. So konnten die Kurse innerhalb der<br />
Projektlaufzeit und auch innerhalb einzelner Maßnahmen, entsprechend der Erwartungen<br />
und Wünsche der Kursteilnehmer angepasst werden.<br />
5.2 Evaluation des Umsetzungsprozesses<br />
Zum anderen wurden die Output- und Outcomeeffekte in den Einrichtungen erfasst. Dies<br />
erfolgte systematisch und unter Nutzung multiperspektivisch und triangulativ angelegter<br />
Methoden. Nach Abschluss der Bildungsmaßnahmen fand in jeder Einrichtung ein<br />
Evaluierungs-Workshop unter dem Titel „Von der Bildung in die <strong>Praxis</strong>“ gemeinsam mit der<br />
Projektsteuerung statt. Ziel dieses Workshops war es, auszuwerten, inwieweit das Gelernte<br />
in der <strong>Praxis</strong> umgesetzt und gelebt wird und welche strukturellen Entwicklungen noch<br />
erforderlich sind. Darüber hinaus ging es darum, die ehemaligen Teilnehmer und<br />
Leitungskräfte, darin zu unterstützen, die Impulse aus den Bildungsmaßnahmen zur<br />
Weiterentwicklung der täglichen <strong>Praxis</strong> wie auch der Strukturen der Versorgung und<br />
Begleitung der Bewohnerinnen und Bewohner zu nutzen. Der Workshop fand unter Leitung<br />
der Projektsteuerung statt. Eingeladen zu dem jeweiligen Workshop in der Einrichtung<br />
waren:<br />
• alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Kursen<br />
• die Wohnbereichsleitungen<br />
• Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge und im begleitenden Dienst<br />
26
• die Heim- und Pflegedienstleitung.<br />
In Gruppendiskussion wurden folgende vier Fragen bearbeitet:<br />
1) Was habe ich vor allem gelernt in meiner Fortbildung/ Weiterbildung? Welche Inhalte<br />
sind noch „lebendig“?<br />
2) Hat sich etwas seit meiner Fortbildung/ Weiterbildung in meiner Arbeit, in meinem<br />
Verhalten und Befinden verändert?<br />
3) Frage an die Heim-, Pflegedienst- oder Wohnbereichsleitung: Welche Veränderungen<br />
konnte ich bei den TeilnehmerInnen der Bildungsmaßnahmen wahrnehmen?<br />
4) Worin sehe ich im Blick auf eine hospizlich-palliative Versorgung unserer<br />
HeimbewohnerInnen die beste Veränderungsmöglichkeit, den nächsten Schritt?<br />
5.3 Wissenschaftliche Begleitung<br />
Darüber hinaus wurde das Projekt in Zusammenarbeit mit JProf. Dr. Helen Kohlen,<br />
Juniorprofessorin für Care-Policy und Ethik in der Pflege an der Pflegewissenschaftlichen<br />
Fakultät der PTHV wissenschaftlich begleitet. Klaus Christmann, Studierender, inzwischen<br />
Absolvent der Pflegewissenschaft, hat das Projekt hinsichtlich der Perspektive „Würde als<br />
Leitkategorie pflegerischen Handelns in der Betreuung und Begleitung Sterbender in<br />
Einrichtungen der stationären Altenhilfe“ evaluiert. Folgende Fragestellung wurde für das<br />
Forschungsprojekt vereinbart: „Im Rahmen des Projektes [soll festgestellt werden], was die<br />
Pflegekräfte unter einer würdevollen Begleitung verstehen und an welchen Stellen sie noch<br />
Unsicherheiten verspüren, bzw. welche Umstände eine würdevolle Begleitung erschweren<br />
oder erleichtern. Von besonderem Interesse ist, ob sich das Verständnis von Würde und die<br />
damit verbundenen Herausforderungen vor und nach den Schulungen unterscheiden.<br />
Zu diesem Zweck entwickelte Klaus Christmann gemeinsam mit Sandra Postel und Michaele<br />
Günter zwei Interviewleitfäden für den Zeitpunkt T1 vor der Intervention, hier die Schulung in<br />
<strong>Palliative</strong> Care einzelner Mitarbeiter und für den Zeitpunkt T2, für die Situation nach den<br />
Schulungen, auf der Basis des an der Würde des Menschen im christlichem Sinne<br />
formulieren Leitbildes der Marienhaus GmbH.“ 4<br />
Klaus Christmann bediente sich in seiner wissenschaftlichen Begleitung eines qualitativen<br />
Forschungsansatzes. Diese Wahl begründet er in seiner Ausarbeitung wie folgt: „Der<br />
qualitative Forschungsansatz geht in der Regel von kleineren Fallzahlen aus und somit vom<br />
Besonderen zum Allgemeinen, damit liegt ein induktives Vorgehen vor. […] Eine Tatsache,<br />
die für die qualitative Forschung bedeutsam ist, da es nicht um die `Wahrheit` an sich,<br />
sondern eher um ein Verständnis von Phänomenen geht. […]<br />
4 Klaus Christmann: <strong>Abschlussbericht</strong>, Würde als Leitkategorie pflegerischen Handelns in der Betreuung und<br />
Begleitung Sterbender in Einrichtungen der stationären Altenhilfe, Juli 2013, S.5.<br />
27
Es wird – hier in Abweichung von dem im Projektantrag vorgestellten Konzept - in dieser<br />
Forschung weniger darum gehen, Würde an sich, oder in einem objektiven Sinne zu<br />
definieren, sondern die Würde als ein Konzept oder ein Konstrukt oder besser noch als ein<br />
Phänomen zu begreifen, das von Menschen erlebt, interpretiert und gedeutet wird und mit<br />
Sinngehalten aufgeladen wird.<br />
Eine wichtige Grundhaltung qualitativer Forschung ist die Haltung der Offenheit gegenüber<br />
dem Forschungsgegenstand, aber auch innerhalb des Forschungsprozesses dem<br />
gegenüber, was geschieht.“ 5 Als Methode für seine Forschung wählte Klaus Christmann die<br />
Gruppendiskussion und begründet dies in seiner Arbeit wie folgt:<br />
„Würde als Begriff löst viele unterschiedliche Assoziationen aus. Oft wird er im<br />
Zusammenhang mit `Sterben in Würde` gebraucht, ohne genauer darzulegen, was mit dem<br />
Begriff letztlich gemeint ist. Es scheint auch leichter zu sein, zu beschreiben, was als<br />
unwürdig erlebt wird, als Würde an sich.<br />
Dennoch machen Menschen im Laufe ihres Lebens viele Erfahrungen, die sie<br />
unterschiedlich stark mit dem Begriff Würde in Verbindung bringen. Gerade Pflegende sind<br />
oft in einer sehr direkten Art und Weise mit Fragestellungen und Situationen konfrontiert, die<br />
sich auf die Würde beziehen.<br />
Es ist also davon auszugehen, dass die Teilnehmer in unterschiedlichen Kontexten schon<br />
Erfahrungen mit Fragestellungen gemacht haben, die sich auf die Würde des Menschen<br />
beziehen und sich auch zu dieser Fragestellung in irgendeiner Weise verhalten können.<br />
Eine Besonderheit der Gruppendiskussion ist nun das Phänomen des auf einander<br />
bezogenen Verhaltens in einem diskursiven Austausch (vgl. Lamnek, 2004).<br />
Das bedeutet, dass gerade dadurch, dass sich die Teilnehmer auf einander beziehen, Daten<br />
gewonnen werden können, wohingegen dies in quantitativen Methoden als Störfaktor<br />
vermieden werden müsste. So lässt sich für die Gruppendiskussion feststellen, dass von der<br />
Tatsache „(…) der kontextuellen, gesellschaftlichen Bedingtheit der Einzelmeinungen (…)“<br />
(Lamnek, 2004, S. 33) ausgegangen wird.“ 6<br />
Über diese wissenschaftliche Betrachtung hinaus gehend war in der ersten Projektplanung<br />
für die Projektauswertung, auch eine Gegenüberstellung der strukturelle Entwicklung der<br />
Projekthäuser und einer Kontrollgruppe vorgesehen Als Kontrollgruppe war ein Altenheim,<br />
das nicht an der ersten Projektphase teilnimmt, vorgesehen, sowie ein stationäres Hospiz<br />
(Franziskus-Hospiz Hochdahl, Erkrath). Im Projektverlauf hat die Projektsteuerung von<br />
diesem Vorhaben Abstand genommen, da der Aufwand gegenüber der Aussagekraft der<br />
Ergebnisse nicht gerechtfertigt schien. Zudem gibt es kein Heim innerhalb der<br />
5 Ebd. S.3.<br />
6 Ebd. 4.<br />
28
Unternehmensgruppe, das nicht in irgendeiner Weise bereits mit der Umsetzung des<br />
Trägerkonzeptes begonnen hat, so dass die Signifikanz von Unterschieden fraglich erschien.<br />
29
6 Zielerreichung<br />
6.1 Ergebnisse der Bildungsmaßnahmen<br />
Am Ende jeden Kurses wurden die Kursteilnehmer mit dem Feedback-Bogen der Edith-<br />
Stein-Akademie befragt. Die einzelnen Referenten konnten im Skalenverfahren bewertet<br />
werden, wobei von den Teilnehmern durchgängig zu allen Referenten positive Bewertungen<br />
und eine hohe Zufriedenheit zurück gemeldet wurden. Besonders interessant für die<br />
Projektauswertung sind die Antworten zu den Freitext-Fragen aus den Fragebögen. Hier sind<br />
Antworten der Teilnehmer im Originalton wieder gegeben:<br />
<strong>Palliative</strong> Care Basis Kurs (160h), Teilnehmer wurden nach jeder Kurseinheit à 1 Woche<br />
befragt:<br />
Gesamteindruck:<br />
- Sehr informativ und gut verständlich, angenehme Atmosphäre; harmonische Gruppe<br />
- durch Einsetzen von eigenen Beispielen oft sehr praxisnahe Umsetzung<br />
- Alles gut strukturiert, vorbereitet, abwechslungsreich, spannend, kompetent vermittelt<br />
- viel Eigenreflexion möglich<br />
- Durch Gruppenarbeit viele verschiedene Aspekte Sichtweisen kennen gelernt, innerhalb der<br />
Gruppe großer Erfahrungsaustausch<br />
- kompakt, kompetent, Dozenten sind auf Fragen eingegangen, beantwortet, man nimmt sehr<br />
viel Neues mit auf den Weg, was sehr wichtig ist für unseren Beruf<br />
- individuell gestaltet, für jeden Bereich was dabei<br />
- Eine Bereicherung für meine Persönlichkeitsentwicklung und berufliche Weiterbildung<br />
- totale Bereicherung -> für meine Berufstätigkeit, aber auch für mich als (Privat-)Person<br />
Umsetzen werde ich:<br />
- Schmerztherapie; Schmerzerfassung<br />
- Meine Haltung ständig zu hinterfragen<br />
- Achtsamkeit<br />
- Spiritualität<br />
- Case-Management<br />
- Checklisten erstellen<br />
- Essen anders wahrnehmen<br />
- Familiensystem genauer zu beachten<br />
- Mundpflege: Ananassaft/ usw.<br />
- Versuchen mit dem Wahrnehmen und nicht schnelles Bewerten<br />
- Mich selbst mehr zu reflektieren<br />
- Den Alltag bewusster wahrnehmen<br />
- Schmerzskala bei Demenz<br />
- Auseinandersetzung mit Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten<br />
- Aromatherapie<br />
- Ethische Fallbesprechung<br />
- Ich versuche alles Theoretische in meinen Arbeitsalltag in die <strong>Praxis</strong> umzusetzen<br />
- Rituale<br />
- Schulung des Teams<br />
- Angehörigenbegleitung noch mehr im Blick behalten<br />
- Das Konzept <strong>Palliative</strong> Care in der Station vorstellen und versuchen die für uns möglichen<br />
Elemente langfristig umsetzen zu können<br />
- Erstmal nicht so viel können, wegen der betrieblichen Umstrukturierung<br />
- Dass Kommunikation sehr wichtig ist und es auch mit kleinen Schritten weiter geht<br />
- vieles (alles?), nur nicht alles auf einmal<br />
- ggfs Inhouse-Schulung für Kollegen beantragen<br />
30
- Umgang mit den Angehörigen in der Sterbephase<br />
- viel mit Berührung<br />
- Anders an Sterbe/ Trauerfälle herangehen<br />
- Mehr an mich denken in Bezug auf Stress<br />
- Viel; klein anfangen im Haus in Kommunikation treten<br />
Ich bin auf folgende weitere Themen neugierig geworden:<br />
- Spiritual Care<br />
- Ethische Fallbesprechung; Ethik<br />
- Schmerztherapie; Umrechnen von Morphinen<br />
- Nähe und Distanz<br />
- Burnout-Prophylaxe; Stressmanagement<br />
- Palliativ-geriatrie<br />
- Kommunikation, Gesprächsführung<br />
- Trauerarbeit<br />
- Entspannungstechniken<br />
- Onkologie<br />
- Ernährung am Lebensende<br />
- Netzwerk<br />
- Patientenverfügung<br />
- Aufbauseminar<br />
- Zusätzliche Alternativen zur Schulmedizin wie Massagen, Einreibungen; Klangschalen<br />
- Umgang mit Verstorbenen<br />
- mehr von Pflege Demenzpatienten<br />
- Case-Management<br />
- Musiktherapie<br />
- Wundmanagement<br />
<strong>Palliative</strong> <strong>Praxis</strong> (40 h)<br />
Gesamteindruck<br />
- sehr bereichernd und interessant; motivierend<br />
- viele Informationen, die im Arbeitsalltag für Mitarbeiter gut anzuwenden sind<br />
- sehr gute Kenntnisse der Seminarleiter durch praxisnahe Arbeit<br />
- Verlauf des Seminars gut aufgebaut und strukturiert<br />
- für jede Pflegekraft, Betreuungskraft, empfehlenswert<br />
- emotional<br />
- Seminar hat mich für Ängste, Wünsche und Bedürfnisse der Patienten sensibilisiert<br />
- Auffrischungskurs wäre schön<br />
- hat mich in meiner Arbeit sehr bestärkt und bestätigt<br />
- Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt - wusste nicht so recht was mich erwartet<br />
- Die Referentinnen sprechen alle Teilnehmerinnen persönlich an - in einer sehr einfühlsamen<br />
Weise, die der Thematik gerecht wurde.<br />
- Auch Selbstwertgefühl und Gefühl der eigenen Kompetenz wurden gefördert und verstärkt<br />
Umsetzen werde ich:<br />
- mehr auf beruhigende Atmosphäre achten<br />
- jedes Zeichen von Schmerz ernst nehmen und handeln<br />
- Umgang mit Bewohnern in der Sterbephase und vorher, Beobachtung der Bewohner<br />
- Lagerungen<br />
- Mundpflege, Basale Stimulation<br />
- den Bewohner ganzheitlich sehen<br />
- sensibel sein<br />
- Umgang mit Angehörigen, Angehörigengespräch<br />
- Umgang mit Hausarzt intensiver (falls dieser das zulässt)<br />
- gelernte Beruhigungsarten bei dementen Bewohnern anwenden<br />
- noch mehr mit offenen Augen und Ohren auf den Bewohner schauen und versuchen mich in<br />
seine Lage zu versetzen<br />
- nonverbale Kommunikation erkennen und berücksichtigen<br />
- Die Menschen bezüglich Patientenverfügungen aufklären<br />
- Was Betroffene möchten ist wichtiger, als das was ich für mich für richtig halte.<br />
- Sterbende muss keine Schmerzen ertragen<br />
- Umsetzung von einigen Denkanstößen bezüglich Veränderung des Ablaufs und Hierarchie im<br />
Haus<br />
31
- Kommunikation<br />
- Teambesprechungen<br />
- Berücksichtigen, dass der Einzug des Bewohners ins Altenheim eventuell letzte Station in<br />
seinem Leben ist<br />
Wenn das Leben zu Ende geht (24h):<br />
Gesamteindruck<br />
- ich fühlte mich sehr gut aufgehoben und sehr gut beraten<br />
- viel Material zum Nachdenken<br />
- empfehlenswert für alle Mitarbeiter<br />
- mein Interesse für das Thema war vorher eher unangenehm, musste nicht sein, nun wurde<br />
das Interesse vermehrt geweckt<br />
- Anregungen und Mut mich für dieses Thema in unserer Einrichtung einzusetzen<br />
- hilfreicher Teil der Eigenreflektion<br />
- Ruhige, angenehmen Atmosphäre<br />
- Es ist vieles durch den Kurs in mir noch mal angestoßen worden und arbeitet in mir<br />
- viele Ideen nehme ich für meine Einrichtung mit<br />
Umsetzen werde ich:<br />
- Ethische Aspekte in Bezug auf bestimmte Bewohner<br />
- Umgang mit Sterbenden und deren Angehörige<br />
- Einige Sachen mit der HL und PDL besprechen und hören, ob eine Umsetzung in unserem<br />
Haus möglich ist<br />
- Gespräche in der Ein(stellungs)richtung führen<br />
- Rituale noch sinnvoller gestalten<br />
- Seminarthema auf meine Station vorstellen<br />
- mich mit der PDL zusammensetzen und versuchen mit meinen Kolleginnen, die dabei waren,<br />
eine Arbeitsgruppe zu bilden<br />
- Ideen aus anderen Häusern beim Umgang mit Angehörigen von Sterbenden / Verstorbenen<br />
- Nonverbale Kommunikation<br />
- Den Umgang mit Demenzpatienten<br />
- Ruhiger zu werden<br />
- das eigene Ich nicht vergessen<br />
- Konfrontation mit dem Thema zulassen<br />
- Zusammenarbeit mit Ehrenamt und Möglichkeit der spirituellen Begleitung intensivieren<br />
- Das Thema Tod gehört zum Leben und muss auch in der <strong>Praxis</strong> umgesetzt werden<br />
- Auf den Etagen eine Offenheit und Aussprache mit den Bewohnern über den Verstorbenen<br />
geben, Gedenkgottesdienst für verstorbene Bewohner<br />
Die Projektleitung bewertet die Rückmeldungen aus den Kursen als sehr positiv. Es zeigt<br />
sich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Altenheime sehr engagiert an die<br />
Seminarthemen herangehen, sich einlassen auf das Thema und in die Einrichtungen mit der<br />
Motivation zurückkehren, das Gelernte in der <strong>Praxis</strong> und im Alltag umzusetzen.<br />
6.2 Ergebnisse des Umsetzungsprozesses<br />
Ziel der Evaluierungs-Workshops „Von der Bildung in die <strong>Praxis</strong>“ in den drei Projekthäusern<br />
nach Abschluss der Bildungsmaßnahmen, war es zu erfassen, wie sich die Einrichtungen<br />
hinsichtlich der Implementierung einer würdevollen Sterbebegleitung weiterentwickelt haben.<br />
Die Rückmeldungen und Antworten aus der Gruppendiskussion der Einrichtungsleitungen<br />
und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Folgenden zusammengefasst:<br />
• Die Kursabsolventen haben spürbar etwas mitgenommen:<br />
o Kompetenz<br />
32
o Sicherheit<br />
o Sensibilität<br />
o Selbstbewusstsein<br />
o Eigeninitiative<br />
• Das Thema Sterben ist „enttabuisiert“. Es gibt eine Offenheit und „Entspanntheit“.<br />
• Die Kultur hat sich verändert. Es wird mehr gesprochen.<br />
• Die Kommunikation hat sich verbessert. Es besteht ein stärkeres „Miteinander“.<br />
• Es besteht Sicherheit, dass die Bewohner auch im Sterben in der Einrichtung gut<br />
aufgehoben sind.<br />
• Bewohner werden zum Sterben aus dem Krankenhaus in die Einrichtung<br />
zurückgeholt. (O-Ton Evaluations-Workshop in Kaisersesch: „Insgesamt 32<br />
Bewohner sind im letzten Jahr verstorben, nur wenige davon im Krankenhaus, die<br />
meisten in der Einrichtung.“)<br />
• Eine positive Außenwirkung ist spürbar.<br />
• Ein Fortbildungsthema als Schwerpunktthema über einen längeren Zeitraum zu<br />
setzen, trägt zur Weiterentwicklung der Einrichtung bei.<br />
Die Projektsteuerung hat diese Antworten und die gewonnenen Eindrücke aus den drei<br />
Workshops in den einzelnen Projekthäusern und auch den Gesamtverlauf des Projektes im<br />
Team reflektiert. Folgende Erkenntnisse konnten aus der Projektumsetzung gewonnen<br />
werden:<br />
• Ein Umdenken im Arbeitsprozess in der gesamten Einrichtung ist erforderlich:<br />
„Sterbebegleitung ist auch Arbeit.“<br />
• Die Entwicklung einer hospizlichen Haltung betrifft die gesamte Einrichtung<br />
(„Querschnittsthema“).<br />
• Die Mitarbeiterfluktuation während und nach der Qualifizierung bremst die<br />
Weiterentwicklung der Einrichtung.<br />
• Die Projekthäuser brauchen zur Orientierung und zum Vorankommen einen festen<br />
Ansprechpartner und klare Strukturen auf Seiten der Projektleitung. Eine enge<br />
Begleitung und konkrete Projektsteuerung von Anfang an ist für den Projekterfolg<br />
notwendig. Die Kommunikation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den<br />
Einrichtungen ist wichtig (Mitarbeiterversammlungen, Workshops).<br />
Diese wichtigen Erkenntnisse können als Handlungsempfehlung dienen. Sie sind auf andere<br />
Projekte übertragbar und sollten in Folgeprojekten von Anfang an berücksichtigt werden.<br />
33
Als Erfolgsfaktor der Zielsetzung wurde zum Projektbeginn ein signifikanter Rückgang der<br />
Krankenhauseinweisungen in der Endphase des Lebens definiert. Um hierzu eine Aussage<br />
treffen zu können, wurde der Projektsteuerung die Zahlen der in der Einrichtung anwesend<br />
verstorbenen Bewohner vom Controlling zur Verfügung gestellt. Die Entwicklung der Zahlen<br />
in den Jahren 2009 bis 2012 ist in folgender Grafik dargestellt:<br />
Eine signifikante Entwicklung, dass über den Projektverlauf ein größerer Anteil der Bewohner<br />
in der Einrichtung und nicht im Krankenhaus verstirbt, ist bislang nicht zu erkennen. Eine<br />
spürbare Auswirkung wird eher in den Folgejahren erwartet. Die weitere Entwicklung wird<br />
seitens der Projektsteuerung beobachtet werden.<br />
6.3 Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung<br />
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung, die Klaus Christmann in seiner<br />
Ausarbeitung ausführlich darstellt, werden hier auszugsweise vorgestellt:<br />
6.3.1 Würde als Leitkategorie<br />
Klaus Christmann hatte den Auftrag, durch die Gruppengespräche Würde als Leitkategorie<br />
im den Kontext des pflegerischen Handelns in der Sterbebegleitung in ihrer Bedeutung zu<br />
erfassen und in der Umsetzung zu evaluieren. Aus der Befragung zum Zeitpunkt T1 zu<br />
Beginn des Projektes gewinnt er in seiner Analyse folgende Definition:<br />
34
„ Die Würde als Leitkategorie drückt sich in der Haltung und dem Verhalten dem Sterbenden<br />
gegenüber aus, wird sichtbar in der konkreten Pflegehandlung und in Prozessen der<br />
Entscheidungsfindung und wird beeinflusst von institutionellen Rahmenbedingungen sowie<br />
hindernden Faktoren.“ 7<br />
Als Ergebnis der Auswertung der zweiten Erhebung zum Zeitpunkt T2 nach Abschluss der<br />
Schulungsmaßnahmen entwickelt Klaus Christmann folgendes Konzept, welches beschreibt,<br />
was die Würde als Leitkategorie pflegerischen Handelns beinhaltet bzw. benötigt:<br />
„Anhand des Datenmaterials war es möglich, ein theoretisches Konzept zu entwickeln, das<br />
nun nicht mehr den Schwerpunkt auf das Allgemeine einer würdevollen Begleitung und<br />
dessen Rahmenbedingungen zum Inhalt hat, sondern darauf gerichtet ist festzustellen, was<br />
gegeben sein muss, damit eine würdevolle Pflege und Begleitung entstehen kann. […]<br />
7 Ebd. S.14.<br />
35
Erklärungen:<br />
Der Austausch, auch berufsgruppenübergreifend, aber auch innerhalb der Institution mit<br />
Mitarbeitern von der Küche über die Hauswirtschaft bis hin zu Reinigungskräften wurde an<br />
mehreren Stellen eindrücklich geschildert, aber auch, wie wichtig Absprachen sind,<br />
Absprachen mit Angehörigen, den Bewohnern und im Team.<br />
Zu einer würdevollen Pflege am Lebensende scheint eine gewisse Ruhe notwendig zu sein.<br />
Nicht nur eine äußerliche, sondern auch eine innere Ruhe als Haltung.<br />
Eine gewisse Gelassenheit oder auch Abgeklärtheit schimmerte immer wieder durch. Wobei<br />
es sich um eine Art von Gelassenheit handelt, die die Situation dennoch ernst nimmt.<br />
Sowie Vertrauen, Vertrauen in sich als Pflegekraft, Vertrauen in die Mitarbeiter aber natürlich<br />
auch das Vertrauen des Sterbenden in die Pflegenden. Dieses Vertrauen macht auch die Art<br />
von Gelassenheit möglich, die oben beschrieben wurde. Vertrauen und Gelassenheit<br />
ermöglichen dann auch einen ruhigeren Umgang mit der palliativen Situation.<br />
Weitere Aspekte, die zusammen zu gehören scheinen sind Wissen, Flexibilität und<br />
Sicherheit. Wissen macht die Pflegekräfte sicherer, ermöglicht aber oft erst,<br />
Handlungsalternativen die wiederum notwendig sind, um die Pflege flexibel und individuell<br />
auf den Sterbenden angepasst gestalten zu können.<br />
Quer zu diesen drei Bausteinen liegt die Reflexion, die auf allen Ebenen wichtig ist. Es war<br />
auffällig, dass die Pflegenden oft angaben, in ihrem Tun bestärkt zu sein und sich sicherer zu<br />
fühlen, sich gleichzeitig aber auch mehr hinterfragten und reflektieren.<br />
Das Überdenken von Dogmen geht über die eigene Reflexion hinaus und bezieht<br />
institutionelle Abläufe mit ein. Sterbende bzw. Palliativpatienten müssen nicht z.B. bis zum<br />
Frühstück gewaschen sein.<br />
Auch die Achtung des Patientenwillens bzw. des mutmaßlichen Patientenwillens liegt quer<br />
zu den anderen Bausteinen, da dieser immer mitgedacht werden sollten.<br />
Als Fundament schälte sich eine Haltung heraus, die das Leben als Wert an sich zum<br />
Ausdruck brachte. Wobei hier nicht ein Leben um jeden Preis gemeint ist, sondern ein Leben<br />
bis zum Schluss. Dieses Wertekonzept Leben beinhaltet einen weiten Begriff von Leben, das<br />
den Tod als zum Leben dazugehörig betrachtet. Somit kommt es auch zu einer Haltung des<br />
`loslassen-könnens`, bzw. `gehen-dürfens` des Sterbenden.<br />
Dass das Leben einen Wert an sich beinhaltet, der keiner Letztbegründung bedarf lässt sich<br />
auch aus einer religiösen Perspektive heraus ableiten, die den Menschen als ein Geschöpf<br />
Gottes versteht und mit einer angeborenen Würde ausgestattet ist, die selbst dann noch da<br />
ist, wenn der Mensch unwürdig behandelt wird.“ 8<br />
8 Ebd. S. 40ff.<br />
36
6.3.2 Beobachtete Entwicklungen im Gesamtzeitraum<br />
Klaus Christmann beschreibt seine Beobachtungen, die er über den Projektverlauf in den<br />
Einrichtungen machen konnte, in seiner Analyse wie folgt:<br />
„Die Entwicklung jedes einzelnen Mitarbeiters, aber auch der gesamten Einrichtung im Detail<br />
zu beurteilen ist natürlich schwierig. Einige Aussagen, die unabhängig von einander<br />
mehrfach geäußert wurden, scheinen aber doch einen Hinweis darauf zu geben, dass<br />
bestimmte Entwicklungen angestoßen wurden.<br />
So scheint die Sensibilität erhöht zu sein, mehr auf den Patientenwillen zu achten und z.B.<br />
Patientenverfügungen stärker zu berücksichtigen oder bei der Nahrungseingabe noch<br />
bewusster vorzugehen. Abwehrverhalten wird nun verstärkt als Ausdruck eines freien<br />
Patientenwillens interpretiert.<br />
Eigene Handlungen und Haltungen werden mehr überdacht, hinterfragt und reflektiert. Was<br />
auch mit einem erweiterten Bewusstsein umschrieben werden könnte, das dann aber in<br />
einer konkreten Situation wirksam wird, wenn z.B. Angehörige noch mehr in die Versorgung<br />
ihrer verstorbenen Angehörigen mit einbezogen werden. Insgesamt scheinen sich die<br />
Absprachen mit den Angehörigen intensiviert zu haben.<br />
Deutlich wurde auch, dass die pflegerische Arbeit anders organisiert wird und Prioritäten<br />
anders gesetzt werden. Dies steht im Zusammenhang mit dem Überdenken von Dogmen.<br />
Die Teilnehmer empfanden dies als sehr entlastend.<br />
Das neu erworbene Wissen, bzw. der Austausch im Rahmen der Schulungen haben dazu<br />
geführt, dass sich die Mitarbeiter teilweise bestärkt fühlen in Ihrem Tun, sie sich aber auch<br />
sicherer fühlen. Eine Sicherheit, die sich auch auf die Bewohner und die Angehörigen<br />
überträgt und dazu führt, sich kompetenter mit den Ärzten zu besprechen.<br />
Das zusätzliche Wissen erweiterte die Handlungsalternativen, was es den Pflegekräften z.B.<br />
erlaubt flexibler auf die je individuelle Situation einzugehen. Speisen und Getränke werden<br />
evtl. eingedickt, drei verschiedene Strohhalmsorten werden ausprobiert, oder auch mal eine<br />
Mundpflege mit Rotwein oder Sekt durchgeführt. Insgesamt beschrieben sich die Mitarbeiter<br />
als offener, dass sie offener auf die Bewohner oder die Angehörigen zugehen, aber auch<br />
offener für neue pflegerische Maßnahmen sind. Dieses wiederum ist eine Voraussetzung<br />
dafür, dass problemlösungsorientierter gedacht wird und vermehrt nach Lösungen gesucht<br />
wird, wie es Teilnehmer beschrieben haben.<br />
Prophylaxen an Sterbenden werden bewusster durchgeführt, bzw. es wird sich eher getraut,<br />
von Standards abzuweichen.<br />
Die Schulungen scheinen auch bewirkt zu haben, dass es zu einem vermehrten Austausch<br />
innerhalb der Pflegeteams aber auch stationsübergreifend gekommen ist. Was von<br />
mehreren Teilnehmern mit einem gestiegenen Interesse bzw. Neugierde umschrieben<br />
37
wurde. Wie wichtig Absprachen für eine würdevolle Pflege sind, kam an mehreren Stellen zu<br />
Tage.“ 9<br />
6.3.3 Resümee<br />
In seiner Arbeit zieht Klaus Christmann folgendes Resümee aus der wissenschaftlichen<br />
Begleitung des Projektes:<br />
„Was die Pflegenden betrifft, fällt auf, dass mehrmals zum Ausdruck gebracht wurde, in der<br />
täglichen Arbeit ruhiger und gelassener zu sein und sich weniger unter Druck gesetzt zu<br />
fühlen, was als Entlastung der Mitarbeiter betrachtet werden kann. […]<br />
Dass die eigenen Grenzen besser erkannt werden können, scheint ebenfalls eine<br />
entlastende Wirkung zu entfalten. Die Pflegekräfte beobachteten, dass sich die größere<br />
Ruhe und Gelassenheit auch auf die Bewohner und die Angehörigen übertrug.<br />
Ein weiterer Aspekt scheint zu sein, dass das Vertrauen in sich und andere des Pflegeteams<br />
durch den Kompetenzzuwachs gestärkt wurde. Oft wurde genannt, sich sicherer zu fühlen.<br />
[...]<br />
Dazu scheint zu passen, dass die Pflegenden auf der Grundlage des Gefühls der Sicherheit<br />
sich aber auch besser in der Lage sehen, offener auf die Bewohner oder die Angehörigen<br />
zuzugehen.<br />
Auch wenn die Pflegenden angaben, oft in der eigenen Handlungsweise oder Haltung<br />
bestärkt worden zu sein, so gaben sie gleichzeitig an, sich und ihr Handeln häufiger zu<br />
hinterfragen zu reflektieren oder zu überdenken.<br />
Mehr Absprachen untereinander, über Stationsgrenzen hinweg, aber auch mit<br />
Ärzten/Ärztinnen sowie mit den Angehörigen und deren verstärkter Einbezug lassen sich aus<br />
den Aussagen deutlich herauslesen. In diesem Zusammenhang ist auffällig, dass sich die<br />
Pflegenden nun besser in der Lage sehen, ihren Standpunkt argumentativ zu vertreten.<br />
Bemerkenswert ist auch, dass die Pflegenden ihr Team als gestärkt erleben und sich<br />
weniger in Konkurrenz zu anderen Stationen sehen, als zuvor.“ 10<br />
Es wurden jedoch auch weiterhin bestehende Problemfelder sichtbar. Die Tätigkeit der<br />
Nachtwachen zum Beispiel „scheint oft dadurch erschwert zu sein, dass auf<br />
unterschiedlichen Stationen Informationen an unterschiedlichen Stellen abgelegt werden und<br />
sie immer wieder viel Zeit mit Suchen verbringen müssen oder sie keinen Zugang zu allen<br />
Informationen haben.<br />
Ein sehr großes Problem scheint weiterhin die ungewollte Krankenhauseinweisung<br />
darzustellen.“ 11<br />
9 Ebd. S. 57 ff.<br />
10 Ebd. S. 59, 60.<br />
11 Ebd. S.60.<br />
38
Diese Beobachtungen aus der Forschungsarbeit zur Weiterentwicklung der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter und der Einrichtungen hinsichtlich einer würdevollen Sterbebegleitung<br />
decken sich weitgehend mit den Ergebnissen der Evaluations-Workshops in den<br />
Einrichtungen und bestätigen diese damit noch einmal.<br />
39
7 Öffentlichkeitsarbeit<br />
Im Juli 2010 erschienen zum Projektauftakt in der Rhein-Zeitung und dem Trierischen<br />
Volksfreund Zeitungsartikel, die über das Projekt und die Teilnahme der Projekthäuser<br />
informierten. Die veröffentlichten Presseartikel sind dem Bericht als Anlage 12 angefügt.<br />
Zum gleichen Zeitpunkt wurde auch in der konzernweiten Hauszeitung, dem Marienhaus<br />
Echo, über den Projektstart berichtet. Das Marienhaus Echo erreicht die Trägerzentrale<br />
sowie alle Einrichtungen der Marienhaus GmbH und wird von Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern sowie Bewohnern und Patienten gelesen.<br />
Darüber hinaus wird zum Projektabschluss im dritten Quartal 2013 noch eine<br />
öffentlichkeitswirksame Veranstaltung stattfinden. Hierzu sollen neben allen Beteiligten auch<br />
die Presse eingeladen werden. Es ist geplant, gemeinsam das Projekt Revue passieren zu<br />
lassen, den Projektbericht mit seinen Ergebnissen zu präsentieren und einen Ausblick auf<br />
die Weiterarbeit am Thema zu geben.<br />
12 Siehe Anlage 3.<br />
40
8 Perspektiven<br />
Es gibt konkrete Perspektiven, wie das Thema der Implementierung einer würdevollen<br />
Sterbebegleitung in den Einrichtungen der Marienhaus Unternehmensgruppe weiter<br />
bearbeitet werden soll. Eine trägerweite Implementierung ist als Ziel für alle<br />
Senioreneinrichtungen des Trägers gesetzt.<br />
In den drei Einrichtungen, die als Pilothäuser am aktuellen, von der <strong>Robert</strong> <strong>Bosch</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
geförderten Projekt teilgenommen haben, wird der Verstetigungsprozess weiter begleitet. Mit<br />
dem Thema einer würdevollen Sterbebegleitung in den Einrichtungen der Altenhilfe ist ein<br />
Geschäftsführer der Marienhaus Senioreneinrichtungen GmbH eigens beauftragt. Das<br />
Thema wird in die Zielvereinbarung mit den Einrichtungen aufgenommen und somit<br />
trägerweit verbindlich weiter verfolgt.<br />
Für die Verbreitung und das weitere Vorgehen innerhalb des Trägers ist ein Folgeprojekt<br />
unter dem Titel „Implementierung palliativer Kompetenz und hospizlicher Kultur in<br />
Altenhilfeeinrichtungen der Marienhaus <strong>Stiftung</strong> und Hildegard-<strong>Stiftung</strong>“ in Planung. Mit der<br />
Projektumsetzung soll in mehreren Altenhilfeeinrichtungen parallel in zwei Regionen<br />
gestartet werden. Um eine effektive Umsetzung zu erzielen, werden die Häuser während des<br />
Projektes durch eine eigens hierfür eingerichtete Fachberatung „Hospizliche Kultur und<br />
<strong>Palliative</strong> Kompetenz“ begleitet. Die Erfahrungen mit dem hier vorliegenden Projekt haben<br />
gezeigt, dass eine solche fachlich und methodisch kompetente, einrichtungsübergreifende<br />
Begleitung unverzichtbar ist und wertvolle Impulse zur praxisnahen<br />
Organisationsentwicklung in den Einrichtungen geben kann.<br />
9 Anlagen<br />
Anlage 1<br />
Anlage 2<br />
Anlage 3<br />
Projektskizze<br />
Präsentation der Mitarbeiterversammlung<br />
Presseberichte<br />
41