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Die Kathedrale Notre Dame de Paris

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<strong>Notre</strong> <strong>Dame</strong> <strong>Paris</strong> – Jürgen Gottschalk 1<br />

Jürgen Gottschalk<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kathedrale</strong> <strong>Notre</strong> <strong>Dame</strong> <strong>de</strong> <strong>Paris</strong><br />

(Referat im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Exkursion nach <strong>Paris</strong> vom 26. – 30. VI. 2004<br />

unter Leitung von Professorin Dr. Gudrun Wolfschmidt, SS 2004)<br />

Auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Seineinsel, wo sich vormals ein römischer Tempel befand und danach<br />

einige Vorgängerbauten, entstand <strong>de</strong>r Bau <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> <strong>Notre</strong> <strong>Dame</strong> <strong>de</strong> <strong>Paris</strong>, <strong>de</strong>r sich<br />

von 1163 bis 1334 über mehrere Bauabschnitte erstreckte und eng verbun<strong>de</strong>n ist mit <strong>de</strong>r<br />

Geschichte von <strong>Paris</strong>. Damit begann für eine Reihe von Architekten <strong>de</strong>s gotischen Zeitalters<br />

und die ausführen<strong>de</strong>n Baufachleute, insbeson<strong>de</strong>re für die Steinmetzen (Dombauhütten)<br />

über einen Zeitraum von 170 Jahren eine rege Bautätigkeit.<br />

<strong>Notre</strong> <strong>Dame</strong> <strong>de</strong> <strong>Paris</strong> (Unsere Liebe Frau von <strong>Paris</strong>), Name <strong>de</strong>r Maria geweiht, ist ein früher<br />

Höhepunkt <strong>de</strong>r gotischen Baukunst. Nach vorangegangenen mehr kapellenartigen<br />

Bauten begann unter Bischof Maurice <strong>de</strong> Sully 1163 <strong>de</strong>r Neubau <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong>, wozu<br />

Papst Alexan<strong>de</strong>r III. <strong>de</strong>n Grundstein legte. Von 1163 bis 1175 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Chorbereich errichtet<br />

und stand bereits ab 1175 für <strong>de</strong>n liturgischen Gebrauch zur Verfügung. 1182<br />

konnte <strong>de</strong>r Chorraum mit <strong>de</strong>m Hochaltar geweiht wer<strong>de</strong>n. Anschließend entstand das<br />

Langhaus zwischen 1175 und 1196 und wur<strong>de</strong> mit Kapelleneinbauten im frühen 13.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt vollen<strong>de</strong>t. Es folgte nach 1196 bis 1220/25 <strong>de</strong>r Westbau. Der Bau weiterer<br />

Kapellen und eine Vergrößerung <strong>de</strong>r Oberga<strong>de</strong>nfenster [be<strong>de</strong>utet: Lichtga<strong>de</strong>n = Fensterzone<br />

oberhalb <strong>de</strong>r Erdgeschoßarka<strong>de</strong>n einer Basilika (Königshalle)] wur<strong>de</strong> ab 1225 durchgeführt.<br />

Ab 1246/47 folgte nach Plänen von Jean <strong>de</strong> Chelles <strong>de</strong>r Bau <strong>de</strong>s Kapellenkranzes<br />

um <strong>de</strong>n bereits bestehen<strong>de</strong>n Chor. Von 1250 an entstand das Nordquerhaus<br />

mit einem Rosettenfenster von 13 Meter Durchmesser, ebenfalls von Jean <strong>de</strong> Chelles<br />

entworfen und gestaltet, sowie die um 1260 von Pierre <strong>de</strong> Montreul mit reicher Ornamentik<br />

gestaltete Nordportalfassa<strong>de</strong> (=Querhausportal), auch als „Portal Saint Etienne“<br />

bezeichnet. Der Bau <strong>de</strong>s Südquerhauses wur<strong>de</strong> ab 1258 ausgeführt. Das südliche Rosettenfenster<br />

- mit ebenfalls 13 Metern Durchmesser und somit gleich groß wie das nördliche<br />

Querhausrosettenfenster - zeigt in <strong>de</strong>r Mitte eine Darstellung Christi.<br />

Beson<strong>de</strong>re Beachtung verdient die Westfassa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n seitlich<br />

angeordneten wuchtigen, qua<strong>de</strong>rförmigen 69 Meter hohen Turmstümpfen. <strong>Die</strong> architektonische<br />

Schönheit <strong>de</strong>r Fassa<strong>de</strong> ist geprägt durch 3 Hauptportale mit ausdrucksvoller Bauplastik,<br />

einem Rosettenfenster, das Maria in einem Medaillon aus Rot- und Blautönen<br />

zeigt, und einer darüber sich über die gesamte Fassa<strong>de</strong>nbreite erstrecken<strong>de</strong>n Galerie von<br />

ca. 7,2 Meter Höhe. Neben <strong>de</strong>m Rosettenfenster sind beidseitig relativ schlicht gestaltete<br />

Doppelfenster eingebaut. Unterhalb dieser Fensterzone und unmittelbar über <strong>de</strong>n Hauptportalen<br />

verläuft ebenfalls über die gesamte Fassa<strong>de</strong>nbreite die Königsgalerie, in <strong>de</strong>r 28<br />

Steinplastiken – die Könige von Juda darstellend – aufgestellt sind. <strong>Die</strong> Westfassa<strong>de</strong> wur<strong>de</strong><br />

für viele folgen<strong>de</strong> gotische <strong>Kathedrale</strong>n in ihrer Ausgewogenheit von Vertikal- und Horizontalglie<strong>de</strong>rung,<br />

mit <strong>de</strong>r Königsgalerie und <strong>de</strong>m Rosenfenster Vorbild. <strong>Die</strong> drei Westwie<br />

auch die bei<strong>de</strong>n Querhausportale (alle als zweitürige Portale mit einem steinernen Mitelpfeiler<br />

ausgebil<strong>de</strong>t) sind mit be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Bauplastiken reichhaltig, jedoch ohne eine<br />

erdrücken<strong>de</strong> Wirkung zu vermitteln, ausgestattet. Hervorzuheben ist das linke Westportal,<br />

das sogenannte „Marienportal“ o<strong>de</strong>r „Portal <strong>de</strong>r Heiligen Jungfrau“ mit <strong>de</strong>r Krönung Mariens<br />

durch einen Engel, vom Segen <strong>de</strong>s Sohnes begleitet, darunter <strong>de</strong>r Marientod im Beisein<br />

<strong>de</strong>r Apostel und auf <strong>de</strong>m untersten, <strong>de</strong>n Portalsturz über<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n Streifen mit <strong>de</strong>n


<strong>Notre</strong> <strong>Dame</strong> <strong>Paris</strong> – Jürgen Gottschalk 2<br />

thronen<strong>de</strong>n Propheten und Königen. <strong>Die</strong> Archivolten sind ausgefüllt mit Kerzen und Weihrauch<br />

halten<strong>de</strong>n Engeln, Königen, Patriarchen und Propheten. <strong>Die</strong> Gewän<strong>de</strong>figuren (Konstantin,<br />

zwei Engel, Saint-Denis und Johannes <strong>de</strong>r Täufer und auf <strong>de</strong>r gegenüberliegen<br />

<strong>de</strong>n Seite: Saint-Étiennne, Sainte-Geneviève, Papst Silvester) und die Marienfigur am<br />

Trumeaupfeiler (=mittlerer Steinpfeiler <strong>de</strong>s zweitürigen Portals) wur<strong>de</strong>n von Viollet-le-Duc<br />

seit 1841 erneuert. Beson<strong>de</strong>rs die Gestaltung <strong>de</strong>r Portale, stellt nicht nur einen Höhepunkt<br />

in <strong>de</strong>r Steinmetzkunst dar, son<strong>de</strong>rn auch eine meisterliche Komposition <strong>de</strong>s 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

von Statuen, wobei die Heilige Jungfrau inmitten von Heiligen und Königen geborgen<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kathedrale</strong> <strong>Notre</strong> <strong>Dame</strong> <strong>de</strong> <strong>Paris</strong> hat eine Gesamtlänge von 130 Metern, eine Breite<br />

von 44 Metern (im Querhausbereich von 50,4 Metern) mit unterschiedlich hohen Gewölben.<br />

<strong>Die</strong> Gewölbehöhe im unteren Bereich beträgt in <strong>de</strong>n Seitenschiffen 10,0 Meter, im<br />

darüber liegen<strong>de</strong>n Bereich 7,35 Meter und im Mittelschiff mit <strong>de</strong>r größten Gewölbehöhe<br />

von 35 Metern.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kathedrale</strong> <strong>Notre</strong>-<strong>Dame</strong> ist eine fünfschiffige Basilika mit doppeltem Chorumgang und<br />

Kapellen, wenig vorspringen<strong>de</strong>m Querschiff und einer zweitürmiger Westfassa<strong>de</strong>. Der<br />

Wandaufriß <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> ist viergeschossig, hat jedoch statt <strong>de</strong>s Triforiums [= in <strong>de</strong>r<br />

Mauer ausgesparter Laufgang zwischen <strong>de</strong>n Arka<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Empore und <strong>de</strong>r Fensterzone<br />

einer Basilika in <strong>de</strong>r Ansatzhöhe <strong>de</strong>r Seitenschiffdächer] eine Rundöffnung mit Fünfpaß,<br />

die um 1230 durch Vergrößerung <strong>de</strong>r in die Mauerfläche eingeschnittenen, spitzbogigen<br />

Oberga<strong>de</strong>nfenster entfernt wur<strong>de</strong> (im Ostjoch durch Viollet-le-Duc im 19. Jhdt. rekonstruiert).<br />

<strong>Die</strong> sechsteiligen Gewölbe im Langhaus (1180-1200) – gebun<strong>de</strong>nes System,<br />

d. h. Raumordnung einer gewölbten Basilika, in <strong>de</strong>r einem quadratischen Mittelschiffjoch<br />

je zwei quadratische Seitenschiffjoche von halber Seitenlänge entsprechen – wer<strong>de</strong>n im<br />

Westen von <strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>n Rundpfeilern heruntergeführten <strong>Die</strong>nsten abgefangen; entsprechen<strong>de</strong><br />

Halbsäulen nehmen die Arka<strong>de</strong>nbogen auf. Das ist <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>s in Reims konsequent<br />

angewandten gotischen Glie<strong>de</strong>rpfeilers.<br />

<strong>Die</strong> außen entlang <strong>de</strong>r Ostseite <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> errichteten Strebebögen sind mit 15 Meter<br />

Spannweite von beeindrucken<strong>de</strong>r Größe in eleganter Schlankheit und Glie<strong>de</strong>rung. Ihre<br />

konstruktive und funktionale Aufgabe besteht in <strong>de</strong>r Aufnahme <strong>de</strong>s Gewölbeschubes und<br />

seine sichere Ableitung in die mächtigen Außenpfeiler.<br />

Im Kreuzungspunkt <strong>de</strong>s Langhauses mit <strong>de</strong>m Querhaus wur<strong>de</strong> nach einem Entwurf von<br />

Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc (1814-1879) auf <strong>de</strong>n bereits vorhan<strong>de</strong>nen Vierungsturm<br />

eine Turmspitze gesetzt, die 90 Meter emporragt. Viollet-le-Duc erhielt außer<strong>de</strong>m 1845<br />

<strong>de</strong>n Auftrag für umfangreiche Restaurierungsarbeiten an <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> <strong>Notre</strong>-<strong>Dame</strong>.<br />

Sehenswert sind im Innern <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> Teile <strong>de</strong>s Lettners von Jean Ravy entworfen,<br />

Teile <strong>de</strong>r Chorschranken, das Chorgestühl, von Louis XIV. in Auftrag gegeben sowie <strong>de</strong>r<br />

Bau eines Hochaltars als Erfüllung eines Gelüb<strong>de</strong>s, das sein Vater Louis XIII. abgelegt<br />

hatte, wenn ihm ein Thronfolger geschenkt wür<strong>de</strong>, was sich 1638 mit <strong>de</strong>r Geburt Louis<br />

XIV. erfüllte, ferner Nicolas Coustous Pietà und Antoine Coysevoxs Statue von Louis XIV.<br />

Beachtenswert sind auch die berühmten Wasserspeier (Chimères), die in Höhe <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Turmbauansätze und in gleicher Höhe <strong>de</strong>r fast umlaufen<strong>de</strong>n Plattform <strong>de</strong>r oberen<br />

Galerie hinter einem Gang zwischen <strong>de</strong>n Türmen zu fin<strong>de</strong>n sind.<br />

In <strong>de</strong>r außerhalb <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> befindlichen Schatzkammer wer<strong>de</strong>n die Kostbarkeiten<br />

<strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong>, darunter alte Manuskripte und Reliquienschreine verwahrt. Im Südturm<br />

befin<strong>de</strong>t sich die berühmte Emmanuel-Glocke.


<strong>Notre</strong> <strong>Dame</strong> <strong>Paris</strong> – Jürgen Gottschalk 3<br />

Musikalisch gesehen ist die <strong>Notre</strong>-<strong>Dame</strong>-Schule zu erwähnen, eine zusammenfassen<strong>de</strong><br />

Bezeichnung für einen Komponistenkreis, <strong>de</strong>r um 1160/80 bis 1230/50 mit <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong><br />

<strong>Notre</strong>-<strong>Dame</strong> <strong>de</strong> <strong>Paris</strong> in Verbindung stand und im „Magnus liber organi <strong>de</strong> gradali et<br />

antiphonario“, einer Sammlung mehrstimmiger Choralbearbeitungen (organi) für das gesamte<br />

Kirchenjahr dokumentiert ist.<br />

<strong>Die</strong> im Mittelpunkt stehen<strong>de</strong>n mehrstimmigen (bis zur Drei- und Vierstimmigkeit) Kompositionen<br />

sind in <strong>de</strong>r Modalnotation (u. a. freie Gestaltung <strong>de</strong>s musikalischen Rhythmus) aufgezeichnet.<br />

Im Innern <strong>de</strong>r <strong>Kathedrale</strong> ist die von A. Cavaillé – Coll (1863 – 1868) gebaute Orgel, ein<br />

fünfmanualiges Instrument, ein Meisterwerk <strong>de</strong>r „romantischen“ Orgelbaukunst in <strong>de</strong>r 2.<br />

Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts.<br />

Benutzte Literatur bzw. Quellen<br />

Vis-A-Vis Dorling Kin<strong>de</strong>rsley Reiseführer <strong>Paris</strong>, Deutsche Ausgabe 1994, erschienen im<br />

Dorling Kin<strong>de</strong>rsley Verlag GmbH, München Aktualisierte Neuauflage 2004, 432 Seiten.<br />

Hart, Franz: Kunst und Technik <strong>de</strong>r Wölbung, ersch. Im Verlag Georg D. W. Callwey<br />

München, 1965, 120 S. u. 64 Bildtafeln.<br />

Binding, Günther: Was ist Gotik? Eine Analyse <strong>de</strong>r gotischen Kirchen in Frankreich, England<br />

und Deutschland 1140-1350, ersch. in <strong>de</strong>r Wissenschaftlichen Buchgesellschaft,<br />

Darmstadt, 2000, 304 S. u. 646 Abb.<br />

Binding, Günther: Architektonische Formenlehre, ersch. in <strong>de</strong>r Wissenschaftlichen Buchgesellschaft,<br />

Darmstadt, 1998, 196 S. u. 584 Abb.<br />

Binding, Günther • Nussbaum Norbert: Der mittelalterliche Baubetrieb nördlich <strong>de</strong>r Alpen<br />

in zeitgenössischen Darstellungen, ersch. in <strong>de</strong>r Wissenschaftlichen Buchgesellschaft,<br />

Darmstadt, 1978, 280 S. u. 170 Zeichnungen sowie 32 Bildtafeln.<br />

Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bän<strong>de</strong>n, ersch.: Bibliographisches Institut AG<br />

Mannheim 1976, hier: Band 17: Nau-Os, S. 459, 2. Spalte.

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