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Neue Führungskräfte in Bibliotheken

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Sonderdruck aus<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Führungskräfte</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Bibliotheken</strong><br />

Erfahrungsberichte aus der Praxis<br />

Herausgegeben von<br />

Krist<strong>in</strong> Futterlieb und Ivo Vogel<br />

2013<br />

Harrassowitz Verlag · Wiesbaden


Inhalt<br />

Gabriele Beger<br />

Vorwort ................................................................................................................ 7<br />

Krist<strong>in</strong> Futterlieb / Ivo Vogel<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Führungskräfte</strong> <strong>in</strong> <strong>Bibliotheken</strong>: Erfahrungsberichte aus der Praxis ........... 13<br />

Sab<strong>in</strong>e Gehrle<strong>in</strong><br />

Anspruch und Wirklichkeit – den eigenen Führungsstil entwickeln .................... 19<br />

Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

Führung verändert ................................................................................................ 25<br />

Timo Glaser<br />

Zwischen Führen und Geführtwerden .................................................................. 37<br />

L<strong>in</strong>da Thomas<br />

Generationenwandel: Personalmanagement im Bibliothekswesen ....................... 51<br />

Kathar<strong>in</strong>a Beberweil<br />

Leadership <strong>in</strong>-between: e<strong>in</strong>e Reflexion über den Spagat zwischen<br />

Vorbildfunktion und Teamplayer-Dase<strong>in</strong> ............................................................. 61<br />

Elke Roesner<br />

Organisations- und Personalentwicklung <strong>in</strong> der ZB MED verankern<br />

Oder: Was hat OE/PE mit Polarforschung geme<strong>in</strong>sam? ....................................... 67<br />

Bernhard Mittermaier<br />

Die Implementierung e<strong>in</strong>es Qualitätsmanagementsystems – Erfahrungen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Spezialbibliothek ......................................................................................... 79<br />

Hans Georg Becker<br />

Die Abteilung Projektentwicklung an der Universitätsbibliothek Dortmund ....... 93<br />

Simon Xalter<br />

Nichts ist so konstant wie die Veränderung – Bibliotheksmanagement von<br />

Teilbibliotheken aus praktischer Sicht .................................................................. 103<br />

Thorsten Meyer<br />

Das Theorie-Praxis-Problem – Erfahrungen e<strong>in</strong>es Ökonomen im<br />

Reorganisationsmanagement ................................................................................ 117


Gudrun Ho<strong>in</strong>kis<br />

“Funktioniert doch” – Veränderungsprozesse <strong>in</strong> der Dienstbibliothek des<br />

Geheimen Staatsarchivs PK .................................................................................. 129<br />

Elisabeth M. Edhofer<br />

Development: Sponsor<strong>in</strong>g und Fundrais<strong>in</strong>g an der Österreichischen<br />

Nationalbibliothek ................................................................................................ 139<br />

Eric Ste<strong>in</strong>hauer<br />

„Jedem Menschen Recht getan, ist e<strong>in</strong>e Kunst, die niemand kann.“<br />

Den Erwerbungsetat e<strong>in</strong>er Universitätsbibliothek verantworten .......................... 151<br />

Anne Christensen<br />

Leitgedanke „Ermöglichen“: Herausforderungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Benutzungsabteilung . 161<br />

Ulrike Junger<br />

Aus zwei mach e<strong>in</strong>s: wie aus zwei Sacherschließungsabteilungen die<br />

Abteilung Inhaltserschließung der DNB wird ...................................................... 173<br />

Andreas Lütjen<br />

„(…) ist zum nächstmöglichen Term<strong>in</strong> die Stelle e<strong>in</strong>es Leiters/e<strong>in</strong>er Leiter<strong>in</strong><br />

der Zentralen Kirchlichen Bibliotheksstelle zu besetzen.“ ................................... 185<br />

Krist<strong>in</strong> Futterlieb<br />

Zwischen Führungskraft und Embedded Librarian – Zur Rollenf<strong>in</strong>dung im<br />

sozialwissenschaftlichen Forschungs<strong>in</strong>stitut ........................................................ 203<br />

Ivo Vogel<br />

Leitung e<strong>in</strong>es Sondersammelgebietes / Fach<strong>in</strong>formationsdienstes –<br />

Herausforderung durch Anforderung .................................................................... 215<br />

Anne Barckow<br />

Neu im Job – MARC 21 als Herausforderung und Chance .................................. 229<br />

Anhang ................................................................................................................. 245


Führung verändert<br />

Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

1 E<strong>in</strong>leitung<br />

Der Beitrag zu dem vorliegenden Sammelband bietet e<strong>in</strong>e willkommene Gelegenheit,<br />

Rückschau zu halten, wie sich das eigene Führungsverhalten und wie sich die<br />

eigene Wahrnehmung von Führung verändert haben. Der Berufsstart fiel zusammen<br />

mit dem Auftrag, e<strong>in</strong>e neue Forschungsbibliothek von Grund auf aufzubauen, welche<br />

die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler des Instituts optimal <strong>in</strong> ihren<br />

fachspezifischen Informationsbedürfnissen unterstützt.<br />

Fast e<strong>in</strong> Dutzend Jahre später liegen die aktuellen Herausforderungen <strong>in</strong> den veränderten<br />

Bed<strong>in</strong>gungen und im Antizipieren der Zukunft. Gerade der Informationswandel<br />

mit all se<strong>in</strong>en Auswirkungen macht sich <strong>in</strong> den <strong>Bibliotheken</strong> besonders<br />

bemerkbar. Durch das Internet nimmt die Informations- und Datenflut rasant zu. Es<br />

entstehen immer neue Kommunikations- und Publikationsformen. Daten werden<br />

verändert, verschw<strong>in</strong>den, s<strong>in</strong>d verifizierbar oder nicht vertrauenswürdig. Der Informationsflut<br />

versucht unser Berufsstand seit jeher mittels Strukturierung beizukommen:<br />

ISBN und ISSN, RAK oder AACR, MARC oder MAB, Normdatenbanken,<br />

RSWK, Universal- oder Fachklassifikationen, Thesauri, Metadatenschemata, Persistent<br />

Identifier, und noch viele Regeln und Standards mehr sollen das Chaos<br />

beherrschbar machen. Die Struktur läuft dabei der Entwicklung h<strong>in</strong>terher.


26<br />

Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

E<strong>in</strong> Blick auf den Informationswandel zeigt, dass digitale Informationen für Nutzer<strong>in</strong>nen<br />

und Nutzer sehr attraktiv s<strong>in</strong>d und zunehmend im Vordergrund stehen. Sie<br />

ersche<strong>in</strong>en ihnen – zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>nerhalb der IP-Range – sche<strong>in</strong>bar automatisch und<br />

sche<strong>in</strong>bar kostenfrei auf den persönlichen Rechnern. Der Gang <strong>in</strong> die Bibliothek<br />

entfällt. E<strong>in</strong> ganzer Berufsstand hat sich selbst und se<strong>in</strong>e Arbeit h<strong>in</strong>ter Bildschirmen<br />

versteckt und ist unsichtbar geworden. Dabei hat sich das Berufsbild vom Hüter von<br />

Buchsammlungen h<strong>in</strong> zum vielseitigen Dienstleister rund um den wissenschaftlichen<br />

Arbeits- und Publikationsprozess gewandelt. Zu den klassischen Bibliotheksaufgaben<br />

(Beschaffung, Vermittlung und Erschließung von Information) kommt vermehrt<br />

Unterstützung <strong>in</strong> den Bereichen Urheberrecht, Literaturverwaltung, Zitierung, Open<br />

Access, Publikationsmanagement und Forschungsdatenmanagement h<strong>in</strong>zu. Der<br />

Wandel des Berufsbildes wird bei den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen viel diskutiert:<br />

Was s<strong>in</strong>d unsere Kernaufgaben? S<strong>in</strong>d wir dafür gerüstet? Aber das erweiterte Aufgabenspektrum,<br />

respektive das neue Berufsbild, s<strong>in</strong>d noch nicht bei der Kundschaft<br />

angekommen. Nun stehen die Bibliothekar<strong>in</strong>nen und Bibliothekare nicht nur vor der<br />

Herausforderung, eventuell ihr Aufgabenspektrum erweitern zu müssen, sondern<br />

auch die eigene Sichtbarkeit wieder herzustellen.<br />

Bei all den Veränderungen und den sich daraus ergebenden Anforderungen, welche<br />

die rasant sich verändernde Informationswelt an Bibliothekar<strong>in</strong>nen und Bibliothekare<br />

stellt, gibt es ke<strong>in</strong>e gesicherte Vorgehensweise, ke<strong>in</strong>en fixen Masterplan.<br />

Aber wie stellt man sich als Führungskraft e<strong>in</strong>er Bibliothek darauf e<strong>in</strong>?<br />

2 Führung erleben<br />

Führung 1 bedeutet, sich zu kümmern, und zwar <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht, so dass Führungsarbeit<br />

<strong>in</strong> zwei große Teilaufgaben unterschieden werden kann:<br />

− Die Arbeit möglichst optimal organisieren, was operative Planung und Steuerung<br />

me<strong>in</strong>t.<br />

− Die Organisation <strong>in</strong> die Zukunft führen, was strategische Planung und<br />

Steuerung bedeutet.<br />

Sehr vielen Managementprozessen 2 liegt der pr<strong>in</strong>zipielle Regelkreislauf von „Zieldef<strong>in</strong>ition<br />

– Planung – Organisation/Umsetzung – Zielkontrolle“ zu Grunde.<br />

1 Weiterführend vgl. hierzu: Neuberger, Oswald (2002), Zum Führungsbegriff. In Führen und<br />

führen lassen, pp. 2-56. Stuttgart: Lucius und Lucius; Rosenstiel, Lutz von (2009), Grundfragen<br />

der Führung. In Führung von Mitarbeitern: Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement.<br />

L. v. Rosenstiel, E. Regnet, and M. E. Domsch, eds. pp 3-27. Stuttgart: Schäfer Poeschel.<br />

2 Vgl. z.B.: Töpfer, Arm<strong>in</strong> (2007), Prozesse im Unternehmen. In Betriebswirtschaftslehre:<br />

Anwendungs- und prozessorientierte Grundlagen. Heidelberg: Spr<strong>in</strong>ger, pp 455-480; We<strong>in</strong>ert,<br />

Ansfried B. (2004), Organisations- und Personalpsychologie. We<strong>in</strong>heim, Basel: Beltz Verl;<br />

Wunderer, Rolf (2011), Führung und Zusammenarbeit: Grundlagen <strong>in</strong>nerorganisatorischer<br />

Beziehungsgestaltung. In Führung und Zusammenarbeit: e<strong>in</strong>e unternehmerische Führungslehre,<br />

pp 3-32. Köln: Luchterhand.


Führung verändert 27<br />

Zunächst wird e<strong>in</strong> Ziel def<strong>in</strong>iert, aus dem sich konkrete Unterziele ableiten können.<br />

Für die Erreichbarkeit e<strong>in</strong>es Ziels werden die passenden Methoden und Ressourcen<br />

gewählt, es werden organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen geschaffen, und schließlich<br />

beg<strong>in</strong>nt die eigentliche Umsetzung, <strong>in</strong>dem die Arbeit gestaltet wird. Das<br />

erreichte Ergebnis wird mit dem anvisierten Ziel verglichen. Gegebenenfalls wird<br />

nachgebessert, und damit beg<strong>in</strong>nt der Management-Kreislauf von vorne.<br />

In der Theorie kl<strong>in</strong>gt das e<strong>in</strong>leuchtend und gut strukturiert. Dieser klaren Form<br />

steht man <strong>in</strong> der Realität jedoch nur selten gegenüber. Oftmals ist e<strong>in</strong>e Vision nicht<br />

vorhanden oder die Ziele s<strong>in</strong>d verschwommen und unklar. Gestörte Arbeitsrout<strong>in</strong>en<br />

erfordern zudem sofortige Problemlösungen oder wichtige Projektarbeit nimmt die<br />

Aufmerksamkeit <strong>in</strong> Beschlag. E<strong>in</strong>e optimale Arbeitsorganisation zu entwickeln,<br />

kann sehr viel Energie b<strong>in</strong>den und – je nach Situation – kann dabei die andere Teilaufgabe<br />

der Führung <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund gedrängt und sogar e<strong>in</strong>ige Zeit vernachlässigt<br />

werden.<br />

2.1 Operative Führungsarbeit: Die Arbeit optimal organisieren<br />

Im vorliegenden Fall lautete die Aufgabe, e<strong>in</strong>e Forschungsbibliothek aufzubauen,<br />

und dabei unterschiedliche fachspezifische Bedürfnisse zu berücksichtigen. Da das<br />

Hauptziel klar war, konzentrierte sich die Führungskraft auf die Organisation der<br />

Arbeit. Es gab wissenshungrige Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler, aber<br />

ke<strong>in</strong>e Bibliothek. Die Teilaufgaben und ihre Dr<strong>in</strong>glichkeiten wurden von außen<br />

vorgegeben oder sie ergaben sich aus der Situation.<br />

Zunächst musste sehr viel Literatur <strong>in</strong> kürzester Zeit angeschafft und zur Verfügung<br />

gestellt werden. Entsprechend lag der Arbeitsschwerpunkt bei Erwerbung und<br />

Formalkatalogisierung. Für Sacherschließung und Kataloganreicherung blieb anfangs<br />

ke<strong>in</strong>e Zeit. Als später der Informationsbedarf weitgehend gedeckt war, sollte<br />

der vorhandene physische und digitale Bestand nun auch <strong>in</strong>haltlich mit e<strong>in</strong>er hauseigenen<br />

Systematik erschlossen werden. Damit verlagerte sich der Fokus auf die<br />

Systematisierung und die Neuaufstellung des gesamten Bestandes. Berücksichtigung<br />

der Fachspezifika fand zunächst vor allem über die Literaturauswahl, die Auswahl<br />

der Datenbanken, Schulungen und schließlich über die hauseigene Systematik statt.<br />

Entscheidungen wurden situationsbezogen oder nach dem gesunden Menschenverstand<br />

getroffen. Zeit für Reflexion blieb nicht, denn das Forschungs<strong>in</strong>stitut wurde<br />

bereits nach etwa drei Jahren evaluiert. Durch die massenhafte Arbeit und den Zeitdruck<br />

war es schwierig, Prioritäten zu setzen; es fehlte an allem gleichermaßen. Die<br />

junge Führungskraft war unsicher bei der Wahl der Ressourcen und ebenso bei der<br />

Auswahl der Teammitglieder. Sie zweifelte daran, wie die Aufgaben am besten<br />

verteilt und wie Anordnungen richtig geäußert werden sollten. Delegieren fiel zuerst<br />

e<strong>in</strong>mal schwer, denn es bedeutete, Kontrolle aus der Hand zu geben. Doch die Massen<br />

an Arbeit, die täglich bewältigt werden mussten, machten ganz schnell Arbeitsteilung<br />

und Abstimmungen untere<strong>in</strong>ander nötig. Wer macht was? Wer ist wie weit?<br />

Wie können die Arbeitsabläufe besser auf e<strong>in</strong>ander abgestimmt werden? Durch<br />

Kommunikation und Feedback behielt die Führungskraft den Überblick und sie


28<br />

Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

bekam dadurch e<strong>in</strong>e andere Form von Kontrolle zurück. Mitarbeiterführung bedeutet<br />

immer, persönlich mit den Teammitgliedern <strong>in</strong> Beziehung, im Gespräch zu bleiben,<br />

und Feedback e<strong>in</strong>zufordern und zu geben.<br />

An Motivation mangelte es <strong>in</strong> diesen wilden Aufbautagen nicht. Die Begeisterung,<br />

etwas <strong>Neue</strong>s zu schaffen, ließ alle anpacken. Die Energien mussten „nur“<br />

gelenkt und die Prioritäten gesetzt werden. Selbstverständlich war das die Aufgabe<br />

der Führungskraft: Zusammenhänge erkennen, Personen und Aufgaben <strong>in</strong> Beziehungen<br />

setzen, Arbeitsstrukturen schaffen, um Geschäftsgänge zu organisieren und<br />

weiter zu optimieren.<br />

Und nicht zuletzt musste die Führungskraft dafür sorgen, dass notwendige Ressourcen<br />

und passende Arbeitsmittel wie Arbeitsplätze, Hardware, Software,<br />

Geschäftspartner, F<strong>in</strong>anzmittel usw. zur Verfügung standen. Bei diesem Aspekt der<br />

Führung – die Arbeit optimal zu organisieren – geht es darum, vorhandene Ressourcen<br />

und Möglichkeiten so zu nutzen, dass passende Rahmenbed<strong>in</strong>gungen geschaffen<br />

werden, damit das Team erfolgreich arbeiten kann.<br />

2.2 Strategische Führungsarbeit: Die Organisation <strong>in</strong> die Zukunft führen<br />

Damit e<strong>in</strong>e Organisation auch <strong>in</strong> Zukunft erfolgreich arbeiten kann, muss die Führungskraft<br />

immer e<strong>in</strong>en Schritt voraus se<strong>in</strong>. Gerade als Neul<strong>in</strong>g verliert man den<br />

Aspekt „<strong>in</strong> die Zukunft führen“ besonders leicht aus den Augen. Deshalb ist es<br />

wichtig, sich im Alltag immer wieder Zeit zu nehmen und e<strong>in</strong>en Blick auf die Ziele<br />

zu werfen. Was ist das Ziel, wie lautet die Strategie, wie weit s<strong>in</strong>d wir? Wie s<strong>in</strong>d die<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Zukunft zu setzen?<br />

Genau hier kommt die Unsicherheit <strong>in</strong>s Spiel, denn niemand kann die Zukunft<br />

vorhersagen. Welches s<strong>in</strong>d die richtigen Ziele? Wie werden sie am besten erreicht?<br />

Welche Methoden und Ressourcen s<strong>in</strong>d dafür optimal? Es stellt sich immer erst im<br />

Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> heraus, ob e<strong>in</strong>e Entscheidung tragfähig, ob e<strong>in</strong>e Maßnahme erfolgreich<br />

war. Nicht e<strong>in</strong>mal ex post lässt sich beurteilen, ob die verworfene Alternative tatsächlich<br />

die bessere Wahl gewesen wäre. Wer kann schon feststellen, wie die<br />

Ergebnisse bei e<strong>in</strong>er anderen Entscheidung ausgefallen wären?<br />

Letztlich muss sich e<strong>in</strong>e Organisation positionieren, <strong>in</strong>dem sie ihre Vision<br />

benennt und fest umrissene Ziele def<strong>in</strong>iert. Ist die Bibliothek e<strong>in</strong> Teil e<strong>in</strong>er übergeordneten<br />

Organisation, so gibt diese ihr bereits e<strong>in</strong>en Rahmen vor. Die Bibliothek<br />

kann aber auch für sich eigene Visionen und Ziele entwickeln. Es liegt <strong>in</strong> der Verantwortung<br />

der Führungskraft, diese Visionen und Ziele zu def<strong>in</strong>ieren, sie für alle<br />

Beteiligten transparent und verständlich zu machen und schließlich e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

Umsetzung zu ermöglichen. Das Überarbeiten von Zielen kann dabei durchaus <strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>samer Arbeit mit dem gesamten Team erfolgen. Die Verantwortung und<br />

damit die Entscheidung trägt aber immer die Führungskraft. Und sie bestimmt auch<br />

die Def<strong>in</strong>ition von Erfolg.<br />

Wichtig dabei ist, dass die Führungskraft besonders auch <strong>in</strong> unsicheren Zeiten<br />

genügend Entscheidungsspielraum hat, um flexibel auf Veränderungen reagieren<br />

zu können. Diesen Spielraum erhält sie durch klare Strategie. Darauf abgestimmt


Führung verändert 29<br />

werden dann der entsprechende Ressourcene<strong>in</strong>satz, außerdem gezielte Personalauswahl,<br />

konsequente Personalentwicklung und optimale Teamzusammensetzung.<br />

2.2.1 Strategisches Leitbild<br />

Um erfolgreich <strong>in</strong> die Zukunft zu führen, braucht es e<strong>in</strong> klares Bild, e<strong>in</strong>e Art strategischen<br />

Zukunftsentwurf, e<strong>in</strong>e Art Szenario, das als Leitbild dient. Die Führungskraft<br />

kann sich nicht e<strong>in</strong>fach für e<strong>in</strong> Leitbild entscheiden, sondern sie muss geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern sowie Kund<strong>in</strong>nen und Kunden e<strong>in</strong>en<br />

passenden Zukunftsentwurf entwickeln. Für die strategische Umsetzung muss die<br />

Führungskraft die allgeme<strong>in</strong>en (z.B. Informationswandel) und die von der Organisation<br />

vorgegebenen Bed<strong>in</strong>gungen (z.B. Auftrag, Ressourcenausstattung) e<strong>in</strong>schätzen.<br />

3 Mit der Entscheidung für e<strong>in</strong> strategisches Leitbild positioniert sich die Bibliothek<br />

<strong>in</strong> der Informationswelt und <strong>in</strong>nerhalb der eigenen Organisation. Paradoxerweise<br />

verschafft das der Führungskraft e<strong>in</strong>en gewissen Freiraum. Mit der Konzentration<br />

auf das Leitbild und die abgeleiteten Ziele kann Unwesentliches entfallen.<br />

Unterziele ermöglichen e<strong>in</strong>e Prioritätenfolge. Alle Ziele müssen mit dem bisher<br />

Erreichten abgeglichen werden, und aus der daraus resultierenden Re-Positionierungen<br />

des Kurses ergeben sich eventuell andere oder neue Schwerpunkte. Dies<br />

ist e<strong>in</strong> immerwährender dynamischer Prozess, <strong>in</strong> dem Veränderungen berücksichtigt<br />

werden können und müssen.<br />

2.2.2 Konkretes Beispiel für e<strong>in</strong> strategisches Leitbild<br />

Im vorliegenden Fall wurde e<strong>in</strong> strategisches Leitbild entwickelt, welches e<strong>in</strong> umfassendes<br />

Informationskonzept vorsieht. Die Bedürfnisse der Kundschaft <strong>in</strong> der<br />

chaotischen, schnell vergänglichen, sehr heterogenen Informationswelt sollen optimal<br />

bedient werden, d.h. die wissenschaftliche Klientel soll rund um den Prozess der<br />

wissenschaftlichen Arbeit bis zur Publikation betreut werden. Entsprechend liegt e<strong>in</strong><br />

Schwerpunkt bei e<strong>in</strong>em Suchportal, das den Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzern e<strong>in</strong>en ersten,<br />

schnellen und erfolgreichen E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Literatur- und Informationsrecherche<br />

bietet. Werden die Suchenden hier nicht fündig, so werden sie zu e<strong>in</strong>er ausführlichen<br />

Recherche <strong>in</strong> Fachdatenbanken weitergeleitet. Rund um das Suchportal s<strong>in</strong>d die<br />

anderen Services angeordnet, die Unterstützung bezüglich Literaturbeschaffung und<br />

Literaturvermittlung, zu Literaturverwaltungssystemen, zu Urheberrechtsfragen, zu<br />

Open Access und zu Forschungsdaten bieten. Zusätzlich macht die Bibliothek hauseigene<br />

Publikationen sichtbar, <strong>in</strong>dem sie diese auf der Homepage listet, sie bei Fachrepositorien<br />

und Publikationsservern e<strong>in</strong>stellt.<br />

Das Unterziel, die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler fachspezifisch zu<br />

unterstützen, wird konsequent ausgebaut, denn je nach Fachrichtung werden ver-<br />

3 Vgl. z.B.: Gausemeier, Jürgen, Plass, Christoph, Wenzelmann, Christoph (2009) Zukunftsorientierte<br />

Unternehmensgestaltung: Strategien, Geschäftsprozesse und IT-Systeme für die Produktion<br />

von morgen. München: Hanser; Wilms, Falko E. P. (2006), Szenariotechnik: Vom Umgang<br />

mit der Zukunft. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt.


30<br />

Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

schiedene Erwartungen und Forderungen an die Bibliothek gestellt, weil Publikationsformen,<br />

Lese- bzw. Rezeptionsverhalten unterschiedlich ausgeprägt s<strong>in</strong>d. Der<br />

Bibliotheksbestand wurde zusätzlich mit Fachklassifikationen erschlossen. Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

von fachspezifischen Thesauri und e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Konkordanz stehen<br />

an.<br />

Nicht nur die vielfältigen Leistungen der Bibliothek werden dargestellt. Das<br />

Konzept sieht auch vor, dass die Personen h<strong>in</strong>ter den Serviceleistungen für die Nutzer<strong>in</strong>nen<br />

und Nutzer wieder erkennbar s<strong>in</strong>d. Die Startseite der Bibliothek im Intranet<br />

enthält daher das gesamte Leistungsspektrum rund um den wissenschaftlichen Forschungsprozess<br />

auf e<strong>in</strong>en Blick. Bei allen Serviceleistungen wird immer Bezug auf<br />

das Bibliotheksteam oder e<strong>in</strong>zelne Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter genommen.<br />

Flyer und vor allem kurze Videoclips vermitteln Services und setzen die Bibliothekar<strong>in</strong>nen<br />

und Bibliothekare technisch aktuell <strong>in</strong> Szene.<br />

2.2.3 Ke<strong>in</strong>e Strategie ohne Personalmanagement<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Erkenntnis <strong>in</strong> Bezug auf o.g. Konzept ist, dass e<strong>in</strong> Team, das sich<br />

ausschließlich aus „klassischen“ Bibliothekar<strong>in</strong>nen und Bibliothekaren ohne zusätzliche<br />

Spezialkenntnisse zusammensetzt, nicht selbstständig und unabhängig von<br />

externer Unterstützung agieren kann. E<strong>in</strong> Bibliotheksteam kann die vielfältigen<br />

Aufgaben, die sich aus dem genannten Informationskonzept ergeben, nur dann<br />

meistern, wenn es den neuen Anforderungen gewachsen ist. Ohne gut ausgebildete<br />

und kreative Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter s<strong>in</strong>d kaum neue Serviceleistungen<br />

oder Weiterentwicklungen realisierbar. E<strong>in</strong> ideales Bibliotheksteam besteht für die<br />

Autor<strong>in</strong> aus Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern, welche unterschiedliche Fachkenntnisse<br />

sowie soziale Kompetenzen gleichermaßen mitbr<strong>in</strong>gen und sich <strong>in</strong> ihren<br />

Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen gegenseitig ergänzen. Br<strong>in</strong>gt dann noch<br />

jedes Teammitglied möglichst viele Kompetenzen e<strong>in</strong>, so ist der Spielraum zusätzlich<br />

erhöht.<br />

Die Aufgabe der Führungskraft besteht also <strong>in</strong> konsequenter Personalpolitik<br />

entsprechend des strategischen Leitbildes. Die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen<br />

e<strong>in</strong>es Teams kann man auf vielfältige Weise den Anforderungen anpassen.<br />

Sobald e<strong>in</strong>e Stelle frei wird, wird diese anstehende Veränderung der Teamzusammensetzung<br />

zunächst strategisch betrachtet. Welche Aufgaben und Projekte stehen<br />

an und welche spezifischen Kenntnisse werden dafür benötigt? Fehlen diese Kenntnisse<br />

bisher im Team oder s<strong>in</strong>d sie nicht ausreichend vorhanden, dann soll das neue<br />

Teammitglied sie mitbr<strong>in</strong>gen. Entsprechend wird die Stellenausschreibung formuliert<br />

und das neue Teammitglied ausgewählt.<br />

Parallel dazu erweitern und vertiefen die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter ihre<br />

Kenntnisse und Fähigkeiten durch entsprechende Schulungen und Fortbildungen.<br />

Meist entstehen dort auch überregionale Kontakte, Kollaborationen und neue Ideen.<br />

Problematisch wird es, wenn es auf der Seite der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

aus persönlichen Gründen an Interesse, Motivation und Engagement mangelt. Hier<strong>in</strong><br />

liegt e<strong>in</strong>e besondere Herausforderung für die Führungskraft. Know-How kann man


Führung verändert 31<br />

aber auch über Projektstellen oder über Firmen <strong>in</strong> die Bibliothek holen und so von<br />

externen Fachkräften lernen. Meist profitieren beide Seiten vone<strong>in</strong>ander. Die Führungskraft<br />

sollte dabei unbed<strong>in</strong>gt darauf achten, dass sich mit dem „Teammitglied<br />

auf Zeit“ nicht auch exklusives Wissen verabschiedet. Diese „Wissensflexibilität“<br />

des Teams kommt natürlich auch bei Urlaub, Krankheitsausfällen oder beim E<strong>in</strong>tritt<br />

<strong>in</strong> den Ruhestand zum Tragen. 4<br />

2.2.4 Kenntnisse und Kompetenzen des Teams<br />

Für die Umsetzung dieses spezifischen Informationskonzepts s<strong>in</strong>d vor allem folgende<br />

zusätzliche Kenntnisse und Kompetenzen im Team notwendig, für deren<br />

Vorhandense<strong>in</strong> die Führungskraft stets Sorge zu tragen hat: Bibliothekar<strong>in</strong>nen und<br />

Bibliothekare müssen heute nicht nur gründlich katalogisieren können – wie sollten<br />

sie sonst Katalogformate und Datenstrukturen begreifen? Sie müssen außerdem noch<br />

<strong>in</strong>formationstechnologische Kenntnisse haben. E<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Team aus Informatiker<strong>in</strong>nen<br />

und Informatikern würde jedoch auch nichts nützen, denn ihnen fehlt das Verständnis<br />

für bibliothekarische Zusammenhänge, Standards und Regeln. Nur mit<br />

fundierten Kenntnissen der eigenen Katalogdaten kann man funktionelle Erweiterungen<br />

oder Maßnahmen zur Homogenisierung der eigenen Daten vornehmen. Nur<br />

mit Kreativität und Weitblick kann man „best practice“-Beispiele von anderen übernehmen<br />

und <strong>in</strong> der eigenen Arbeitsumgebung adaptieren oder ganz eigene Ideen<br />

entwickeln. Die Gewichtung zwischen Bibliothek und IT variiert je nach strategischer<br />

Ausrichtung und Aufgaben. Hier e<strong>in</strong> paar Beispiele:<br />

− IT-Kenntnisse wurden bei Bibliothekar<strong>in</strong>nen und Bibliothekaren <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren zunehmend wichtiger, umfangreicher und vielfältiger. HTML/XML- und<br />

Webdesign-Kenntnisse s<strong>in</strong>d Voraussetzung, um den bibliothekseigenen Webauftritt<br />

samt Feeds, Wiki und Blogs flexibel, schnell und unabhängig von der IT-<br />

Abteilung gestalten zu können.<br />

− Systembibliothekarische Kenntnisse und Grundlagen im Programmieren erlauben<br />

es, Katalog und Bearbeitungsmasken der Bibliothekssoftware an die eigenen<br />

Bedürfnisse anzupassen. Der Arbeitsablauf wird nun nicht mehr ausschließlich<br />

durch die e<strong>in</strong>gekaufte Software vorgegeben oder e<strong>in</strong>geschränkt. Lokale Bedürfnisse<br />

von Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzern sowie von Bibliothekar<strong>in</strong>nen und Bibliothekaren<br />

f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> den Prozessen Berücksichtigung. Im vorliegenden Fall kann man<br />

sich die <strong>Neue</strong>rwerbungsliste nach der hauseigenen Systematik sortieren lassen,<br />

man kann <strong>in</strong> der Systematik browsen und bekommt <strong>in</strong> Echtzeit die Verfügbarkeit<br />

4 Vgl. dazu: Domsch, Michel E. (2009), Personalplanung und Personalentwicklung für Fach- und<br />

<strong>Führungskräfte</strong>. In Führung von Mitarbeitern: Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement.<br />

L. v. Rosenstiel, E. Regnet, and M. E. Domsch, eds. pp 413-424. Stuttgart: Schäfer<br />

Poeschel; Wunderer, Rolf (2011), Personalentwicklung als Führungsaufgabe. In Führung und<br />

Zusammenarbeit: e<strong>in</strong>e unternehmerische Führungslehre, pp. 353-380. Köln: Luchterhand;<br />

Staehle, Wolfgang H. (1999), Management: e<strong>in</strong>e verhaltenswissenschaftliche Perspektive.<br />

München: Vahlen.


32<br />

Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

aller Titel e<strong>in</strong>er Systemstelle angezeigt u.v.m., obwohl die Software dies herstellerseitig<br />

gar nicht vorsieht.<br />

− Auch die umfangreiche Anreicherung von Katalogdaten, um via Schnittstelle<br />

z.B. Buch-Cover, Schlagworte oder Klassifikationen anzuzeigen, setzt zusätzliches<br />

technisches Wissen voraus. Die umfangreiche Vergabe von Schlagworten<br />

und Klassifikationen ist wiederum Voraussetzung für aussagekräftige Facetten<br />

beim E<strong>in</strong>satz von Suchmasch<strong>in</strong>entechnologie.<br />

− Ebenso wichtig s<strong>in</strong>d Kenntnisse über verschiedene Datenformate, Metadatenstandards<br />

und e<strong>in</strong> Verständnis für Semantic Web bzw. L<strong>in</strong>ked Open Data, wenn<br />

man als Bibliothek se<strong>in</strong>e wissenschaftliche Klientel bei Dokumentation, Archivierung<br />

und Veröffentlichung von Forschungsdaten unterstützten möchte, oder<br />

wenn man heterogene Ressourcen <strong>in</strong> den Gesamt<strong>in</strong>dex <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Suchmasch<strong>in</strong>e<br />

zusammenführen will.<br />

Auch Kenntnisse <strong>in</strong> Bibliotheks- und Urheberrecht s<strong>in</strong>d unerlässlich. E<strong>in</strong> Grundverständnis<br />

für Rechtsfragen – vor allem bezüglich elektronischer/digitaler Inhalte –<br />

ist Voraussetzung, dass die Bibliothek selbst gesetzeskonform agieren kann. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus kann sie ihren Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzern wertvolle H<strong>in</strong>weise geben und diese<br />

für die Fallstricke des Urheberrechts sensibilisieren. Echte Rechtsberatung kann<br />

selbstverständlich nicht stattf<strong>in</strong>den und ist auch nicht das Ziel. Auch für Open<br />

Access und das Sichtbarmachen des wissenschaftlichen Outputs über die eigene<br />

Webseite oder via Repositorien s<strong>in</strong>d urheberrechtliche Fragestellungen zu berücksichtigen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> erleichtern soziale Kompetenzen und sogenannte „Soft Skills“ die<br />

Arbeitsfähigkeit e<strong>in</strong>er Organisationse<strong>in</strong>heit: Teamfähigkeit, Kreativität, Kommunikationsgeschick<br />

und Problemlösungsgeschick, Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik,<br />

Offenheit für andere Menschen und Ideen bilden ebenso wichtige Voraussetzungen<br />

für e<strong>in</strong> gut funktionierendes Arbeiten. 5<br />

Ist das Team mit den notwendigen Kompetenzen und Kenntnissen ausgestattet, so<br />

s<strong>in</strong>d zur weiteren Umsetzung des Konzeptes unter dem Aspekt der Führung noch<br />

folgende Schritte notwendig:<br />

− Die Teammitglieder werden auf das Konzept e<strong>in</strong>geschworen und dafür begeistert.<br />

Am besten funktioniert das, wenn das Konzept geme<strong>in</strong>sam entwickelt und<br />

erstellt wird.<br />

− Die eigentliche Umsetzung besteht dar<strong>in</strong>, das Gesamtkonzept <strong>in</strong> Teilprojekte<br />

aufzuteilen, Prioritäten zu setzen, Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten<br />

an Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter zu verteilen.<br />

5 Vgl. hierzu: Behm-Steidel, Gudrun (2001), Kompetenzen für Spezialbibliothekare: e<strong>in</strong>e Untersuchung<br />

zu Anforderungen und Qualifizierung von Beschäftigten <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternen Informationse<strong>in</strong>richtungen.<br />

Berl<strong>in</strong>: Logos.


Führung verändert 33<br />

− Immer wieder erfolgt die Kontrolle des bisher Erreichten als Abgleich mit dem<br />

Ziel; entsprechend wird nachjustiert.<br />

− Spätestens mit Aufnahme des Produktivbetriebs wird das neue Produkt den Nutzer<strong>in</strong>nen<br />

und Nutzern und der restlichen Organisation vorgestellt und bei ihnen<br />

beworben.<br />

Und somit s<strong>in</strong>d wir wieder dabei, Arbeit zu organisieren, Arbeit zu optimieren.<br />

Ob dieses Konzept sich im vorliegenden Fall als der richtige Weg erweisen wird?<br />

Heute steht so viel fest: Es ersche<strong>in</strong>t – zum jetzigen Kenntnisstand – als die Lösung,<br />

die am besten sowohl zu den Bedürfnissen und Anforderungen, als auch zu den<br />

derzeit vorhandenen Ressourcen dieser Bibliothek passt. Die Autor<strong>in</strong> ist daher vom<br />

Erfolg dieser Vision fest überzeugt.<br />

3 Persönliche Erfahrungen<br />

Das persönliche Führungsbild der Autor<strong>in</strong> be<strong>in</strong>haltet die folgenden Punkte:<br />

− Führen bedeutet, e<strong>in</strong>e Vielzahl von Entscheidungen zu treffen, die alle Konsequenzen<br />

haben. Fachlich kann man dabei zu dieser oder jener E<strong>in</strong>schätzung<br />

kommen. Entscheidungen erweisen sich erst nachträglich als erfolgreich oder<br />

gut, als Umweg oder als Sackgasse.<br />

− Die Unsicherheit und Angst, ob der gewählte Weg der richtige ist, muss e<strong>in</strong>e<br />

Führungskraft aushalten können.<br />

− Bewusste Führungsarbeit bedeutet, dass alle Entscheidungen <strong>in</strong> der Summe zu<br />

e<strong>in</strong>em Gesamtkonzept zusammengebunden und e<strong>in</strong>em erkennbaren Ziel untergeordnet<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

− Führungsarbeit besteht dar<strong>in</strong>, das Ziel immer wieder zu überprüfen, das Konzept<br />

anzupassen und für das Team bzw. die Organisation sichtbar zu machen. Das ist<br />

e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher Prozess, der sich kreislaufartig immer wieder wiederholt.<br />

Dabei ist es unerheblich, an welcher Stelle man als Führungskraft <strong>in</strong> den Kreislauf<br />

e<strong>in</strong>steigt – entscheidend ist, dass sich die Führungskraft bewusst ist, an welchem<br />

Punkt sie und ihr Team gerade arbeiten.<br />

Als junge Führungskraft war sich die Autor<strong>in</strong> dieses Kreislaufes nur wenig bewusst.<br />

Konkrete Ziele waren vorgegeben, und so konzentrierte sie sich darauf, die Arbeit<br />

der Bibliothek optimal zu organisieren. Das persönliche Ziel war, alles richtig zu<br />

machen – „Alles sollte bestmöglich funktionieren.“ Dabei blieb unklar, wie das<br />

gemessen werden konnte. Bewertungs- und Vergleichskriterien schienen nie zu den<br />

eigenen Gegebenheiten zu passen.<br />

Mittlerweile geht es darum, e<strong>in</strong>zelne Aufgaben und Prozesse zu optimieren und<br />

dabei die Veränderungen, die der Informationswandel mit sich br<strong>in</strong>gt, zu berücksichtigen.<br />

Als Führungskraft mit e<strong>in</strong>iger Erfahrung nimmt die Autor<strong>in</strong> heute Füh-


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Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

rung viel bewusster wahr. Sie formuliert Ziele klarer. <strong>Neue</strong> Ziele ergeben sich aus<br />

den Bedürfnissen der Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler des Instituts und<br />

werden geme<strong>in</strong>sam mit dem Bibliotheksteam weiter entwickelt. Ideen werden umgesetzt,<br />

sobald sie die Forschenden und / oder die Bibliothek voranbr<strong>in</strong>gen. Das persönliche<br />

Ziel lautet heute, die Bedürfnisse der Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzer vorauszusehen.<br />

Dieses Ziel gilt als erreicht, wenn Literatur, Information oder Services <strong>in</strong> der<br />

Bibliothek bereits verfügbar s<strong>in</strong>d, noch bevor sie von den Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzern<br />

explizit angefordert werden.<br />

Die Kommunikation mit dem Team ist heute offener; Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

sowie Projekte s<strong>in</strong>d gut e<strong>in</strong>gebunden. Entscheidungen werden bewusster<br />

und sicherer getroffen. Im Umgang mit Konflikten ist die Autor<strong>in</strong> offensiver geworden.<br />

Sie hat gelernt, dass es schlimmer ist, Konflikte zu ignorieren oder sie <strong>in</strong> Angststarre<br />

aussitzen zu wollen als sie anzusprechen. Natürlich braucht es dafür Kraft,<br />

Mut und Offenheit, um Krisen und Konflikte aufzudecken und anzugehen, aber nur<br />

dann können Lösungen gefunden oder geme<strong>in</strong>sam Kompromisse entwickelt werden.<br />

Offenheit und Vertrauen kann man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Team am besten herstellen, <strong>in</strong>dem man<br />

sie vorlebt.<br />

Führung kann (teilweise) erlernt werden. In der Ause<strong>in</strong>andersezung mit den Theorien<br />

und Methoden kann man ver<strong>in</strong>nerlichen, welches „Handwerkszeug“ für welche<br />

Situation und zu den beteiligten Personen passt. Vieles ist jedoch Übung und<br />

Erfahrung. Der große Unterschied im Handeln zwischen e<strong>in</strong>er jungen und e<strong>in</strong>er<br />

erfahrenen Führungskraft besteht <strong>in</strong> der Gelassenheit. Diese Gelassenheit kommt<br />

nicht von alle<strong>in</strong>e und man kann sie nicht tra<strong>in</strong>ieren, aber sie speist sich aus vielen<br />

verschiedenen Quellen, vielfältigen Erlebnissen, Erfahrungen, Lernprozessen usw.:<br />

− Fachwissen verleiht der Person Sicherheit im persönlichen Auftreten wie auch<br />

bei Entscheidungen. Es br<strong>in</strong>gt Anerkennung und Akzeptanz bei Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeitern, Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzern, Vorgesetzen wie Geschäftspartner<strong>in</strong>nen<br />

und -partnern.<br />

− Erfolge geben Sicherheit und Selbstvertrauen.<br />

− Misserfolge bieten Gelegenheit zu lernen und zu reflektieren.<br />

− Im Team Strukturen zu erkennen und entsprechend Ordnung zu schaffen, schafft<br />

Transparenz gleichermaßen für die Führungskraft wie für Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeiter. So kennen alle nicht nur die eigene Position und die eigenen Aufgaben,<br />

sondern auch die der Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen. Das br<strong>in</strong>gt Ruhe und Stabilität<br />

<strong>in</strong> die Arbeitsgruppe.<br />

− Die Führungskraft schafft Klarheit, <strong>in</strong>dem sie notwendige Regeln aufstellt, diese<br />

transparent macht und auf deren konsequente E<strong>in</strong>haltung achtet.<br />

− Die Führungskraft gibt den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern Orientierung. In<br />

diesem Rahmen haben sie die Möglichkeit, eigene Ideen zu entwickeln und auszuprobieren;<br />

sie arbeiten selbstständiger und s<strong>in</strong>d zufriedener. Das klappt jedoch<br />

nur, wenn sie bereit s<strong>in</strong>d, Verantwortung zu übernehmen und den gesetzten Ent-


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scheidungsspielraum nutzen möchten. Es setzt aber auch e<strong>in</strong>en Führungsstil „an<br />

der langen Le<strong>in</strong>e“ und gegenseitiges Zutrauen und Vertrauen voraus.<br />

− Mitarbeiter<strong>in</strong>nen oder Mitarbeiter, die unsicher oder unselbstständig s<strong>in</strong>d, benötigen<br />

e<strong>in</strong> anderes Verhalten der Führungskraft. Führung muss <strong>in</strong>dividuell und<br />

situativ erfolgen.<br />

− E<strong>in</strong> gutes Team und e<strong>in</strong>e gute Führungskraft stärken sich gegenseitig den<br />

Rücken. Sie können sich aufe<strong>in</strong>ander verlassen und wissen um ihre Stärken und<br />

Schwächen. Dadurch können sie Druck von außen standhalten, und neuen Herausforderungen<br />

freudig und selbstbewusst begegnen.<br />

− E<strong>in</strong> gutes Gespür für Menschen hilft sehr im Umgang mite<strong>in</strong>ander.<br />

− Konfliktgespräche s<strong>in</strong>d notwendig. Man kann sie üben. Dabei lernt man, Emotionen<br />

auszublenden, die Sache zu sehen, und für die Position des Gegenübers<br />

offen zu se<strong>in</strong>. Dann gel<strong>in</strong>gt es, geme<strong>in</strong>sam tragfähige Lösungen oder Kompromisse<br />

zu f<strong>in</strong>den.<br />

− Vertrauen von Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen schafft Anerkennung, Wertschätzung und Selbstbewusstse<strong>in</strong>.<br />

− Begeisterungsfähigkeit steckt bei neuen Herausforderungen alle an, überträgt<br />

sich auf das Team und motiviert für neue Ziele, Projekte und Aufgaben.<br />

− Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong> Führungssem<strong>in</strong>aren hilft, die vielfältigen Aspekte von Führung <strong>in</strong><br />

Theorie und Praxis zu verstehen. Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g schärft die Aufmerksamkeit für<br />

schwierige Situationen, lässt Konflikte frühzeitig(er) erkennen, und kann Erklärungen<br />

für bestimmte Verhaltensweisen geben. Die Gruppe dient als geschützter<br />

Raum, <strong>in</strong> dem neue, schwierige oder unangenehme Aufgaben unter Anleitung<br />

e<strong>in</strong>es erfahrenen Coaches erprobt werden können. Dieser „Spiel-Raum“ schafft<br />

Erleichterung, denn nicht alles muss direkt im Job stattf<strong>in</strong>den. Zu Fallbeispielen<br />

aus der Praxis gibt die Gruppe Feedback und entwickelt Lösungsmöglichkeiten,<br />

auf die der Fallgebende alle<strong>in</strong>e nicht gekommen wäre. In den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs können<br />

<strong>Führungskräfte</strong> lernen, mit Kritik und Selbstkritik umzugehen. Sie erleben, dass<br />

sie e<strong>in</strong>e besondere Stellung <strong>in</strong>ne haben und wie sie diese bewusst e<strong>in</strong>setzen können.<br />

Sie erweitern hier ihre sozialen Kompetenzen und entwickeln sich so persönlich<br />

weiter.<br />

− Jede Führungskraft, die e<strong>in</strong>mal für längere Zeit <strong>in</strong> der Rolle der geführten Person<br />

gearbeitet hat, beispielsweise während e<strong>in</strong>er Berufsausbildung, hat am eigenen<br />

Leib erfahren, was e<strong>in</strong>e gute Führungskraft von e<strong>in</strong>er schlechten unterscheidet.<br />

Dies s<strong>in</strong>d unersetzliche Erfahrungen, die stark prägen.<br />

− Nicht zuletzt – und das ist der schwierigste Teil – muss man als Führungskraft<br />

lernen, Unsicherheit und Angst auszuhalten, und diese möglichst nicht an das<br />

Team weiterzugeben. Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter spüren Zögern oder<br />

unausgesprochene Zweifel und reagieren darauf mit Zurückhaltung, Spontanitätsverlust<br />

oder gar mit Aggression.


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Reg<strong>in</strong>a Goldschmitt<br />

All diese Facetten an persönlicher Erfahrung, an Gelerntem und Erlebtem br<strong>in</strong>gen<br />

mit der Zeit e<strong>in</strong>e Portion Gelassenheit <strong>in</strong> das eigene Handeln als Führungskraft und<br />

geben e<strong>in</strong> Stück Stabilität bei aller Veränderlichkeit unserer Berufswelt.<br />

Gute Führung verändert die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, die Teamstruktur, die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter, die Zusammenarbeit, die Organisation und nicht<br />

zuletzt verändert Führung auch die Führungskraft selbst.

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