Logik in Informatik, Mathematik und Philosophie - Universität Bern
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den Axiomen von ZFC unabhängig. Dieses herausragende <strong>und</strong> zentrale Ergebnis geht zurück<br />
auf Gödel (1938) <strong>und</strong> Cohen (1963).<br />
Beweistheorie <strong>und</strong> Konstruktivität<br />
Die Gödelschen Unvollständigkeitssätze haben gezeigt, dass das Hilbertsche Programm zur<br />
Gr<strong>und</strong>legung der <strong>Mathematik</strong> modifiziert werden muss. Betrachten wir beispielsweise das<br />
Standardaxiomensystem der Zahlentheorie erster Stufe mit Addition, Multiplikation <strong>und</strong> der<br />
Kle<strong>in</strong>er-Relation auf den natürlichen Zahlen sowie dem Schema der vollständigen Induktion,<br />
so ist die Konsistenz der Zahlentheorie e<strong>in</strong>e Aussage, welche sich <strong>in</strong> der Zahlentheorie nicht<br />
beweisen lässt. Selbstverständlich können wir etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mengentheoretischen Metatheorie<br />
sehr leicht nachweisen, dass die Zahlentheorie widerspruchsfrei ist, <strong>in</strong>dem wir zeigen, dass<br />
<strong>in</strong> der Standardstruktur der natürlichen Zahlen, welche <strong>in</strong> unserer Metatheorie existiert, alle<br />
Axiome der Zahlentheorie erster Stufe wahr s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> solcher Konsistenzbeweis ist jedoch <strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>er Weise <strong>in</strong>formativ.<br />
Im Jahre 1936 lieferte der deutsche <strong>Mathematik</strong>er Gerhard Gentzen (1909-1945) e<strong>in</strong>en völlig<br />
neuartigen Widerspuchsfreiheitsbeweis für die Arithmetik erster Stufe, welcher wesentlich<br />
mehr Information liefert als der naive mengentheoretische Beweis. Gentzen hat gezeigt, dass<br />
sich mit der Arithmetik e<strong>in</strong>e ganz bestimmte transf<strong>in</strong>ite Grösse, e<strong>in</strong>e sogenannte Ord<strong>in</strong>alzahl,<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gen lässt, welche sehr genau ihre Beweisstärke charakterisiert. Über e<strong>in</strong>er<br />
f<strong>in</strong>iten Gr<strong>und</strong>theorie lässt sich mit Hilfe e<strong>in</strong>es sehr e<strong>in</strong>sichtigen Induktionspr<strong>in</strong>zips entlang<br />
dieser Ord<strong>in</strong>alzahl die Konsistenz der Arithmetik nachweisen. Gentzens Ergebnis kann als<br />
e<strong>in</strong>e Art Realisierung des Hilbertschen Programms unter gelockerten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
angesehen werden <strong>und</strong> steht deshalb am Anfang des sogenannten erweiterten Hilbertschen<br />
Programmes. Die Bestimmung von beweistheoretischen Ord<strong>in</strong>alzahlen von Axiomensystemen<br />
gehört heute zum Kern der Beweistheorie. Die Ord<strong>in</strong>alzahl e<strong>in</strong>es formalen Systems gibt Auskunft<br />
über se<strong>in</strong>e arithmetische Beweisstärke, d.h. sie quantifiziert die Kluft zwischen den<br />
beweisbaren <strong>und</strong> den wahren arithmetischen Aussagen.<br />
E<strong>in</strong> weiteres wichtiges Teilgebiet der Beweistheorie ist der Entwurf <strong>und</strong> die Analyse von<br />
Axiomensystemen für die mathematische Praxis. E<strong>in</strong>e zentrale Beobachtung <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
ist die Tatsache, dass sich grosse Teile der <strong>Mathematik</strong> bereits <strong>in</strong> Axiomensystemen<br />
entwickeln lassen, die man als beweistheoretisch sehr schwach bezeichnen kann. Solche<br />
Systeme s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel nur sehr “kle<strong>in</strong>e” Teilfragmente der Zermelo-Fraenkelschen Mengenlehre.<br />
Dabei <strong>in</strong>teressiert man sich nicht nur für die Frage, welche Axiome man benötigt,<br />
um bestimmte mathematische Sätze zu beweisen, sondern auch umgekehrt, ob die Axiome<br />
selbst aus diesen Sätzen folgen; das entsprechende Programm ist unter dem Namen Reverse<br />
Mathematics bekannt.<br />
E<strong>in</strong> zentraler Untersuchungsgegenstand der Beweistheorie ist das Studium von konstruktiven<br />
Aspekten von Beweisen im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er konstruktiven Gr<strong>und</strong>legung der <strong>Mathematik</strong>.<br />
Die bekannteste Richtung des Konstruktivismus ist der sogenannte Intuitionismus,<br />
welcher auf den holländischen <strong>Mathematik</strong>er L.E.J. Brouwer (1881-1966) zurückgeht. Brouwer<br />
war e<strong>in</strong> scharfer Kritiker der mengentheoretischen Sichtweise <strong>und</strong> der dadurch entstandenen<br />
nicht-konstruktiven Art <strong>und</strong> Weise des Beweisens. Insbesondere sollten Existenzaussagen <strong>in</strong><br />
der <strong>Mathematik</strong> nur dann zulässig se<strong>in</strong>, wenn entsprechende mathematische Objekte angegeben<br />
werden können, welche diese erfüllen. Diese Forderung führte unter anderem zu Brouwers<br />
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