Abteilungen zur internen Personalvermittlung - Institut Arbeit und ...
Abteilungen zur internen Personalvermittlung - Institut Arbeit und ...
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B e r u f l i c h k e i t , O r g a n i s a t i o n s - u n d Pe r s o n a l e n t w i c k l u n g i m<br />
Spannungsfeld von Restrukturierung <strong>und</strong> Kompetenzsicherung<br />
<strong>Abteilungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>internen</strong><br />
<strong>Personalvermittlung</strong>
Impressum<br />
I nhaltliche Verant wor tung: Claudia Niewer th, Gernot Mühge<br />
Universität Duisburg-Essen, <strong>Institut</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Qualifik ation (IAQ), http://w w w.iaq.uni- due.de<br />
Redaktion: Frank Seiß, ISF München<br />
Layout <strong>und</strong> Satz: Karla Kempgens, ISF München<br />
Fotos: Shutterstock<br />
Druck: Flyeralarm<br />
München, März 2012
Claudia Niewerth, Gernot Mühge<br />
<strong>Abteilungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>internen</strong><br />
<strong>Personalvermittlung</strong><br />
B ewältigung von Stellenabbau durch<br />
interne <strong>Personalvermittlung</strong> 7<br />
Verbreitung <strong>und</strong> Struktur von PVA 8<br />
Das Basisdilemma der <strong>internen</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>svermittlung 13<br />
M achtspiele um die PVA – die Ressourcen<br />
sind entscheidend! 17<br />
Zusammenfassung 22
Das Vorhaben „Beruflichkeit, Organisations- <strong>und</strong> Personalentwicklung im Spannungsfeld von Restrukturierung<br />
<strong>und</strong> Kompetenzsicherung – bops“ wird seit Juni 2009 aus Mitteln des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong><br />
Forschung im Rahmen der Förderinitiative „Balance von Flexibilität <strong>und</strong> Stabilität in einer sich wandelnden<br />
<strong>Arbeit</strong>swelt“ gefördert. Betreut wird das Projekt vom Projektträger im DLR, <strong>Arbeit</strong>sgestaltung <strong>und</strong> Dienstleistungen.<br />
Das Verb<strong>und</strong>projekt bops wird koordiniert vom <strong>Institut</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Qualifikation (IAQ) an der Universität<br />
Duisburg-Essen; beteiligt sind als geförderte Partner das <strong>Institut</strong> für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
e.V. – ISF München, die Universität Bamberg <strong>und</strong> das Universitätsklinikum Köln. Der Inhalt dieser Broschüre<br />
bezieht sich auf Ergebnisse des vom IAQ umgesetzten Teilvorhabens „Horizontale <strong>und</strong> vertikale berufliche Mobilität“,<br />
Förderkennzeichen 01FH09016, Handlungsfeld „<strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen“. Die Verantwortung<br />
für den Inhalt des Beitrags liegt bei den Autor/innen.<br />
Internetpräsenz: www.bops-projekt.de
05<br />
Diese Broschüre richtet sich an Praktiker <strong>und</strong> Personalmanager aus Unternehmen,<br />
die am Aufbau <strong>und</strong> an der Entwicklung von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
beteiligt sind oder die generell nach Möglichkeiten des Ausgleichs<br />
von Personalüberhängen <strong>und</strong> -bedarfen auf dem <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
suchen. Dieses Interesse kann verschiedene Hintergründe haben: der Wunsch<br />
nach sozialverträglichen Alternativen zum konventionellen Stellenabbau;<br />
betriebliche Bündnisse für <strong>Arbeit</strong>; oder eine Strategie, Flexibilitätspotenziale<br />
des <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkts umfassender auszuschöpfen, um besser auf Entwicklungen<br />
in Produkt- <strong>und</strong> Absatzmärkten vorbereitet zu sein.<br />
Zunächst geben wir einen Überblick über Verbreitung <strong>und</strong> Struktur von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
(PVA). Auf der Gr<strong>und</strong>lage von Unternehmensbefragungen<br />
des bops-Projekts beschreiben wir PVA anhand von zentralen<br />
Merkmalen, etwa der Verteilung nach Branchen <strong>und</strong> Unternehmensgrößen.<br />
Die Broschüre behandelt auch die Gründungsdynamik von PVA <strong>und</strong> unterstreicht,<br />
dass diese in bestimmten Wirtschaftsbereichen heute ein etabliertes<br />
Regelinstrument im Stellenabbau sind.<br />
Im Folgenden zeigen wir auf Basis von qualitativen <strong>und</strong> quantitativen Daten,<br />
dass die Einführung einer <strong>internen</strong> <strong>Personalvermittlung</strong> eine anspruchsvolle<br />
Aufgabe ist: Es wird das<br />
„Basisdilemma der <strong>internen</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>svermittlung“ beschrieben,<br />
mit dem PVA konfrontiert<br />
sind. Dazu werden<br />
wissenschaftlich gestützte<br />
Hinweise <strong>und</strong> Handlungsempfehlungen<br />
gegeben, wie<br />
PVA dieses Basisdilemma<br />
überwinden können. Sie<br />
wurden im Forschungsprojekt<br />
bops aus qualitativen Fallstudien<br />
abgeleitet <strong>und</strong> mit<br />
quantitativen Befragungsergebnissen<br />
validiert.<br />
Ein etablierte s<br />
Regelinst r ument<br />
im Stellenabbau
07<br />
Bewältigung von Stellenabbau<br />
durch interne <strong>Personalvermittlung</strong><br />
Die Wirtschafts- <strong>und</strong> Finanzkrise <strong>und</strong> der sich anschließende wirtschaftliche<br />
Aufschwung haben zu heftigen Auf- <strong>und</strong> Abwärtsbewegungen auf<br />
dem deutschen <strong>Arbeit</strong>smarkt geführt. In der Krise ist ein kaskadenähnlicher<br />
Anpassungsmechanismus in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, der<br />
auf Kapazitätsanpassungen zunächst mit <strong>Arbeit</strong>szeitkonten <strong>und</strong> Abbau von<br />
Leiharbeit reagiert <strong>und</strong> dann, wenn diese Mittel ausgeschöpft sind, auf konjunkturelle<br />
Kurzarbeit <strong>zur</strong>ückgreift. Wenn auch diese <strong>zur</strong> Überbrückung nicht<br />
ausreicht, ist der Personalabbau unumgänglich.<br />
In der jüngsten Aufschwungphase <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Entlastung des<br />
<strong>Arbeit</strong>smarkts sind Restrukturierungen weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung<br />
verschw<strong>und</strong>en, erst in den vergangenen Monaten haben einzelne<br />
Unternehmenskrisen die Aufmerksamkeit erregt <strong>und</strong> das Thema erneut in die<br />
Medien gebracht. Den Strukturwandel <strong>und</strong> seine Schattenseiten zeigen aktuelle<br />
Beispiele wie die Standortschließungen von E.on-Energie, der Verkauf <strong>und</strong><br />
die drohende Schließung der Krupp-Edelstahlstandorte Bochum <strong>und</strong> Krefeld,<br />
die Schlecker-Insolvenz oder die Standortschließungen des Netzwerkausrüsters<br />
Nokia Siemens Networks mit jeweils drohendem vierstelligem Personalabbau.<br />
In der Diskussion <strong>zur</strong> Bewältigung von Unternehmens- <strong>und</strong> Wirtschaftskrisen<br />
bleibt weithin ausgeblendet, was eine interne Vermittlung von Personal auf offene<br />
Stellen auf dem <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt im Unternehmen <strong>zur</strong> Bewältigung<br />
des Stellenabbaus leisten kann. Das geschieht in <strong>Abteilungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>internen</strong> <strong>Personalvermittlung</strong>,<br />
die als „internes <strong>Arbeit</strong>samt des Unternehmens“ im Fall von<br />
Stellenabbau Versetzungen <strong>und</strong> berufliche Mobilität innerhalb des Unternehmens<br />
– ohne Entlassungen auf den externen <strong>Arbeit</strong>smarkt – organisieren.<br />
Nur wenige Beispiele von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen sind allgemein<br />
bekannt, am ehesten Vivento der Deutschen Telekom oder die Deutsche<br />
Bahn JobService GmbH. Neben den prominenten Beispielen gibt es viele<br />
weitere PVA, die öffentlich wenig wahrgenommen werden, aber über einen<br />
breiten Erfahrungsschatz in der <strong>internen</strong> <strong>Personalvermittlung</strong> verfügen.<br />
Stellenabbau in<br />
Kr isensit uationen ...<br />
... <strong>und</strong> was PVA<br />
<strong>zur</strong> Be wältigung<br />
beit ragen können
E i n e ta bliertes,<br />
e f f e k t ive s u n d s ozialve<br />
r t rä g l iches<br />
I n s t r u ment<br />
<strong>Abteilungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>internen</strong> <strong>Personalvermittlung</strong> sind ein etabliertes, effektives<br />
<strong>und</strong> sozialverträgliches Instrument im Stellenabbau.<br />
Verbreitung <strong>und</strong> Struktur<br />
von PVA<br />
Aus der Literatur ist bekannt, dass die Existenz einer PVA von der Größe des<br />
Unternehmen bzw. der Verwaltung abhängt <strong>und</strong> erst ab einer Größe von<br />
1.000 Beschäftigten die Etablierung einer derartigen Abteilung wahrscheinlich<br />
wird. Bisher war man auf Vermutungen angewiesen, wie viele interne<br />
<strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen es in Deutschland gibt – Vermutungen, die<br />
maßgeblich auf Vorarbeiten im Projekt WEGA beruhten (Kirsch/Mühge 2010).<br />
Deshalb haben wir im Rahmen des bops-<br />
Projekts eine Gesamterhebung durchgeführt,<br />
d.h. es wurde versucht, alle Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Verwaltungen in Deutschland<br />
mit mehr als 1.000 Mitarbeitern zu befragen.<br />
Es wurden zwei telefonische Befragungen<br />
durchgeführt, von denen sich eine<br />
an die Leitungen von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
richtete <strong>und</strong> die zweite<br />
an die jeweils zuständigen Mitglieder der<br />
Personal- <strong>und</strong> Betriebsräte der Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Verwaltungen. Aus einer Gesamtstichprobe<br />
von 1.788 Adressen konnten<br />
767 befragt werden (bereinigtes Bruttoergebnis).<br />
703 Teilnehmer trafen die Aussage,<br />
das Unternehmen bzw. die Verwaltung<br />
verfüge nicht über eine derartige Stelle<br />
oder Abteilung. Damit kann von einem Verbreitungsgrad<br />
von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
bei Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltung mit über 1.000 Beschäftigten<br />
von 8,3% (n=64 von 767) ausgegangen werden.<br />
08
09<br />
Zwischen April <strong>und</strong> Juli 2011 wurden mit Unternehmen, die über eine PVA<br />
verfügen, insgesamt 87 Interviews geführt: 42 mit Leitungen der <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
<strong>und</strong> 45 Interviews mit Betriebsräten.<br />
Strukturmerkmale von Unternehmen<br />
mit PVA<br />
Durch die Zusammenfassung beider Befragungen liegen von 64 Unternehmen<br />
mit einer <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilung Angaben zu den Strukturmerkmalen<br />
vor: 54,7% (n=35) sind privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen<br />
<strong>und</strong> 45,3% (n=29) sind Organisationen der öffentlichen Verwaltung oder<br />
öffentlichen Körperschaft. Somit finden sich bei der öffentlichen Verwaltung<br />
in knapp 18% der Fälle <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen, wohingegen diese<br />
nur bei 2,2% der privatwirtschaftlichen Unternehmen vorzufinden sind.<br />
Entlang der Wirtschaftsbereiche ergibt sich ein präziseres Bild: <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
entwickeln sich in bestimmten sektoralen Regionen,<br />
dies gilt insbesondere für den öffentlichen <strong>und</strong> halböffentlichen Sektor. Sie<br />
sind stark in Länder- <strong>und</strong> Kommunalverwaltungen verbreitet, aber auch in<br />
Universitäten, Universitätskliniken <strong>und</strong> im Sektor der Energieversorger. In<br />
privatwirtschaftlichen Organisationen hat der Anteil an PVA zwar zugenommen<br />
(vgl. Kirsch/Mühge 2010), ihr Verbreitungsgrad ist allerdings nicht hoch.<br />
In den aktuellen Daten aus dem bops-Projekt zeigt sich ein Schwerpunkt im<br />
Bankenbereich: 5 der 29 privatwirtschaftlichen Unternehmen mit einer PVA<br />
sind Banken oder Sparkassen; die übrigen Unternehmen rekrutieren sich aus<br />
den verschiedensten Teilbranchen (Produktion, Tourismus, Verkehr, Handel,<br />
Verlagswesen) <strong>und</strong> lassen keine weiteren inhaltlichen Überschneidungen<br />
erkennen.<br />
Die Daten <strong>zur</strong> Größenstruktur zeigen ein klares Ergebnis: <strong>Abteilungen</strong> <strong>zur</strong><br />
<strong>internen</strong> <strong>Personalvermittlung</strong> sind ein Instrument, das vor allem von Großunternehmen<br />
<strong>und</strong> -verwaltungen genutzt wird. Das Größenspektrum der<br />
Unternehmen, die über eine <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilung verfügen,<br />
beginnt bei ca. 1.000 Beschäftigten. Durchschnittlich sind die Organisationen<br />
aber deutlich größer: 61 der 64 befragten Unternehmen haben Auskunft<br />
über die Beschäftigtenanzahl gegeben. Den größten Anteil haben Unterneh-<br />
Gesamte rhebung:<br />
w eite Ve rbreit u n g<br />
von PVA
Hauptsäch l i ch in<br />
G r o ß u n te r n e h m en ...<br />
. . . z u n e h m e nd in<br />
k l e i n e r e n Unte r n e hmen<br />
men/Verwaltungen mit 1.000 bis 5.000 Beschäftigten, stark vertreten sind<br />
aber auch Organisationen mit 5.000 bis 10.000 sowie mit 10.000 bis 50.000<br />
Beschäftigten. Nur fünf befragte Organisationen haben weniger als 1.000<br />
Beschäftigte, drei hingegen sogar mehr als 50.000 Beschäftigte. Ein Vergleich<br />
der Ergebnisse von 2007 <strong>und</strong> 2010 macht deutlich, dass die Verbreitung<br />
von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen nicht länger auf Großunternehmen<br />
beschränkt ist, sondern dass dieses Instrument auch Einzug in die kleineren<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen hält.<br />
Die in dieser Erhebung erfassten Unternehmen beschäftigen – im Geltungsbereich<br />
der PVA – 780.000 Mitarbeiter <strong>und</strong> damit, legt man die Beschäftigungsstatistik<br />
der B<strong>und</strong>esagentur für <strong>Arbeit</strong> zugr<strong>und</strong>e, annähernd ein Viertel<br />
aller Beschäftigten in dieser Unternehmensgrößenklasse.<br />
10
11<br />
Strukturmerkmale von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
Wann wurden PVA gegründet <strong>und</strong> was sind ihre zentralen Merkmale? Dazu<br />
zählen ihre Größe nach Teilnehmern, die Anzahl der Stammbeschäftigten in<br />
der PVA, die Unterscheidung der Teilnehmer nach Zielgruppen der <strong>internen</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>svermittlung <strong>und</strong> der Betreuungsschlüssel. Diese Angaben konnten aus<br />
der Befragung der Abteilungsleitungen der <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
gewonnen werden.<br />
Obwohl es sich bei <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen um ein verhältnismäßig<br />
junges Phänomen handelt, zeigt sich eine deutliche Dynamik in der Verbreitung<br />
dieses Instruments. Waren PVA-Gründungen im vergangenen Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
eher vereinzelt vorzufinden, stieg seit dem Jahr 2000 die Anzahl von<br />
Gründungen kontinuierlich an.<br />
Die Reichweite der PVA in den Organisationen ist verschieden: In etwa zwei<br />
Dritteln der Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen fallen alle Beschäftigten in den<br />
Zuständigkeitsbereich der PVA, im verbleibenden Drittel beziehen sich die<br />
Aktivitäten nur auf einen Teil oder nur auf bestimmte Beschäftigtengruppen.<br />
Dies korrespondiert auch mit den Abteilungsgrößen nach Stammbeschäftigten,<br />
denn in r<strong>und</strong> 50% der Fälle sind in der PVA mehr als vier Stellen<br />
angesiedelt – in 25% davon sogar mehr als zehn. Sie sind also in der Beschäftigungsdimension<br />
keineswegs randständig. Auf Ebene einzelner Beschäftigter<br />
(Köpfe) der PVA wird dieser Sachverhalt noch verstärkt: Handelt es<br />
sich bei knapp der Hälfte der Fälle (48,8%) um PVA, in denen ausschließlich<br />
Vollzeitstellen vorzufinden sind, besetzen über die Hälfte der Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Verwaltungen auch Teilzeitstellen in ihrer PVA. So sind in r<strong>und</strong> 65% der<br />
PVA mehr als vier Personen beschäftigt, in über 31% der Fälle mehr als zehn<br />
Personen.<br />
Im Durchschnitt wurden zu Beginn 2010 von einer PVA 144 Beschäftigte betreut,<br />
je nach aktueller Situation des Unternehmen/der Verwaltung schwankt<br />
dieser Wert von nur einem Beschäftigten bis hin zu 709 Mitarbeitern. Der<br />
Anteil der Unternehmen/Verwaltungen, die weniger als zehn Mitarbeiter in<br />
ihrem Bestand betreuten, lag lediglich bei etwa 16%. Diese Größenordnung<br />
Kontinuierlich e r<br />
A nstieg
Fr e i w illige<br />
u n d u n f r e i w i llige<br />
We chsler<br />
spricht gegen ein nur kurzfristig eingesetztes Instrument <strong>zur</strong> Einzelfallbetreuung<br />
<strong>und</strong> für eine professionalisierte Form der Beschäftigtenvermittlung.<br />
Welche Zielgruppen werden von der PVA<br />
betreut bzw. welche Mitarbeiter werden<br />
in die PVA aufgenommen? Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
gibt es zwei Beschäftigtengruppen: die<br />
freiwilligen Wechsler, also Mitarbeiter,<br />
die auf eigenen Wunsch ihren <strong>Arbeit</strong>splatz<br />
wechseln möchten, <strong>und</strong> die unfreiwilligen<br />
Wechsler. Diese zweite Gruppe<br />
ist deutlich größer. Sie umfasst Teilnehmer,<br />
deren <strong>Arbeit</strong>splatz weggefallen ist;<br />
Mitarbeiter, die ges<strong>und</strong>heitlich eingeschränkt<br />
oder Fälle des betrieblichen<br />
Eingliederungsmanagements sind; dazu<br />
gehören aber auch Auszubildende nach<br />
Berufsabschluss, Berufsrückkehrer <strong>und</strong><br />
-rückkehrerinnen oder auch Mitarbeiter<br />
mit befristeten <strong>Arbeit</strong>sverträgen, denen<br />
die Organisation den Eintritt in die PVA<br />
erlaubt. 48,3% der Teilnehmer sind nach<br />
unseren Befragungsdaten solche, deren<br />
<strong>Arbeit</strong>splatz weggefallen ist; 23,7% sind freiwillige Wechsler; 20,0% sind<br />
ges<strong>und</strong>heitlich eingeschränkte Mitarbeiter; die übrigen Gruppen machen<br />
zusammen nur etwa 8% aus.<br />
Der Betreuungsschlüssel zeigt: Mit zunehmendem Anteil an Beschäftigten,<br />
die durch die PVA betreut werden, erhöht sich die Anzahl der Stammbeschäftigten<br />
in der PVA. Wenn man nur die „unfreiwilligen Teilnehmer“ berücksichtigt,<br />
ergibt sich ein Betreuungsschlüssel von etwa 30 Teilnehmern pro<br />
Stammbeschäftigtenstelle.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen: PVA können zu den etablierten Regelinstrumenten<br />
im Stellenabbau gezählt werden. Das Image eines personalpolitischen<br />
Sonderwegs haftet ihnen zu Unrecht an.<br />
12
13<br />
Das Basisdilemma der <strong>internen</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>svermittlung<br />
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die interne Organisation der <strong>Personalvermittlung</strong>.<br />
Im Zentrum steht dabei die Gruppe der unfreiwilligen<br />
Teilnehmer, also die Beschäftigten, die ihre Stelle verloren haben.<br />
Hier bildet das so genannte „Basisdilemma der <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlung“<br />
eine zentrale Rahmenbedingung <strong>und</strong> Herausforderung. Das Basisdilemma<br />
bedeutet, dass Teilnehmer aus <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen in den Besetzungen<br />
von offenen Stellen auf dem <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt systematisch<br />
diskriminiert werden. Wenn Abteilungsleiter in der Linie Personal suchen,<br />
wissen sie um die Auswahlprozesse im Stellenabbau: Sie sehen die PVA-Teilnehmer<br />
als „abgeschobene“ Beschäftigte, die wenig leistungsfähig sind.<br />
Dezentralisierung <strong>und</strong> Vermarktlichung<br />
Diesem Basisdilemma liegen zwei langfristige Trends in Unternehmen zu<br />
Gr<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> zwar die Trends <strong>zur</strong> Dezentralisierung <strong>und</strong> <strong>zur</strong> Vermarktlichung.<br />
••<br />
Dezentralisierung bedeutet, dass bestimmte Entscheidungen der Personalpolitik<br />
dezentral, in den <strong>Abteilungen</strong> oder Betrieben vor Ort, in der „Linie“<br />
getroffen werden. Als Trend führt das dazu, dass die <strong>Abteilungen</strong> vor Ort in<br />
ihren Personalentscheidungen <strong>und</strong> ihrem Abteilungsmanagement an Autonomie<br />
gewonnen haben <strong>und</strong> eine abteilungsbezogene, unabhängige Personalpolitik<br />
entwickeln können. Die Zentralverwaltung eines Unternehmens oder<br />
Verwaltung greift weniger als früher in das operative (Personal-)Geschäft der<br />
Linienabteilungen ein, sondern beschränkt sich auf allgemeine Vorgaben.<br />
••<br />
Die Autonomie in Personalfragen ist wiederum die Voraussetzung für den<br />
zweiten Trend: die Vermarktlichung in der Steuerung von Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Verwaltungen. Vermarktlichung bedeutet, dass hierarchische Steuerungsmechanismen<br />
an Bedeutung verlieren zu Gunsten von marktlichen,<br />
auf <strong>internen</strong> Wettbewerb setzenden Steuerungsinstrumenten wie z.B.<br />
Zielvereinbarungen, Budgetierungen, interne Leistungsbilanzen usw.<br />
PVA-Teilnehmer<br />
benachteiligt be i<br />
Stellenbesetzungen
S te i gender<br />
L e i s t u n gs d r uck,<br />
w a ch s ende<br />
Q u a l i f i k a t ionsa<br />
n f o r d e r u ngen<br />
Die Fallstudien des bops-Projekts haben als ein Nebenergebnis gezeigt, dass<br />
die Tendenzen <strong>zur</strong> Dezentralisierung <strong>und</strong> Vermarktlichung die <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Personalführung<br />
in den <strong>Abteilungen</strong> stark verändert haben – mit Konsequenzen<br />
für das Verhältnis von PVA zu den örtlichen <strong>Abteilungen</strong> <strong>und</strong> Betrieben eines<br />
Unternehmens. Der Leiter einer Linienabteilung eines unserer Fallbetriebe<br />
beschreibt die personellen Konsequenzen der Vermarktlichungstendenz wie<br />
folgt: „Es ist so, dass wir in den letzten 18 Jahren die Leistung [der Abteilung]<br />
vervierfacht haben, von dem, was wir hier als Output haben. Demgegenüber<br />
ist die Personaldecke drastisch geschrumpft. Also, gegenüber den 1990er<br />
Jahren haben wir noch ungefähr 70 Prozent des Personals, das ist auf jeden<br />
Fall eine Leistungsverdichtung. Und was die Sachmittel angeht, ist das gestiegen,<br />
aber nicht viermal so hoch.“<br />
Personalwirtschaftliche Entscheidungen in<br />
den <strong>Abteilungen</strong> sind stärker an Profitabilitäts<strong>und</strong><br />
Produktivitätskriterien geb<strong>und</strong>en, so dass<br />
insgesamt der Leistungsdruck für die Beschäftigten<br />
steigt; Druck <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sdichte nehmen<br />
tendenziell zu. Gleichzeitig kann nicht jeder<br />
Beschäftigte den Wandel der <strong>Arbeit</strong>snachfrage<br />
im gleichen Maße positiv bewältigen. Aber nicht<br />
nur der Leistungsdruck steigt, auch die Qualifikationsanforderungen<br />
an die Beschäftigten wachsen.<br />
Durch Stellenabbau <strong>und</strong> <strong>internen</strong> Wandel<br />
gibt es im <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt Beschäftigtensegmente,<br />
deren Qualifikation immer weniger<br />
nachgefragt wird. Die Dynamik der <strong>Arbeit</strong>snachfrage,<br />
zunehmende Leistungsanforderungen<br />
<strong>und</strong> Strukturwandel erzeugen insgesamt ein<br />
Spannungsfeld im <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt, in dem<br />
Beschäftigte Stellen verlieren <strong>und</strong> für die neuen,<br />
oftmals anspruchsvolleren Jobs fit gemacht<br />
werden müssen. Hier liegt für <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
eine zentrale <strong>und</strong> komplexe<br />
Herausforderung.<br />
14
15<br />
Mismatch zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage<br />
Die Orientierung an Profitabilitäts- <strong>und</strong> Leistungskriterien in dezentralen<br />
per sonellen Auswahlentscheidungen bildet die Gr<strong>und</strong>lage für das Basis dilemma<br />
der <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlung. In diesem Basisdilemma kommen zwei<br />
Momente zusammen: Ein Moment ist der interne Strukturwandel eines Un ternehmens,<br />
der sich im Wandel von Qualifikations- <strong>und</strong> Anforderungspro filen von<br />
alten <strong>und</strong> neuen Tätigkeiten ausdrückt. Das zweite Moment liegt in den Auswahlkriterien<br />
nach Leistung in der Personalauswahl: In der Stellen besetzung<br />
wird eine Bestenauswahl durchgeführt, in der positive Leistungsprinzipien die<br />
entscheidende Rolle spielen. Das Gegenteil gilt für den Stellenabbau <strong>und</strong> Stellenkürzungen:<br />
Bauen <strong>Abteilungen</strong> Stellen <strong>und</strong> Personal ab, werden unter allen<br />
Beschäftigten die mit der geringsten Produktivität ausgewählt.<br />
Vermeidungshaltung erschwert Brücken funktion<br />
Der Mismatch zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf dem <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
beschreibt die Kernaufgabe von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen. Ihr<br />
Ziel ist es, die Beschäftigten, die vom Stellenabbau betroffen sind, auf die<br />
freien Stellen des <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkts zu vermitteln. Unsere Fallstudien<br />
zeigen, dass das Basisdilemma eine entscheidende Hürde für diese Aufgabe<br />
darstellt. PVA bekommen in ihrer täglichen Vermittlungsarbeit zu spüren,<br />
dass die <strong>Abteilungen</strong> vor Ort versuchen, in der Besetzung ihrer offenen Stellen<br />
die Einstellung von Teilnehmern aus der PVA zu vermeiden. Hintergr<strong>und</strong><br />
für diese Vermeidungshaltung ist die oben beschriebene marktliche Steuerung<br />
<strong>und</strong> Bewertung nach Profitabilitäts- <strong>und</strong> Leistungsprinzipien. Diese<br />
Bewertung ist nicht ohne weiteres mit der Brückenfunktion von PVA – dem<br />
Ausgleich von Überhängen <strong>und</strong> offenen Stellen auf dem <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt<br />
– zu vereinbaren.<br />
Konsequenzen aus dem Basisdilemma<br />
Die Effektivität der <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>svermittlung hängt angesichts des Basisdilemmas<br />
davon ab, inwiefern die PVA auf die Praxis der Personalauswahl<br />
<strong>und</strong> die ihr zugr<strong>und</strong>e liegenden Kriterien Einfluss nehmen kann. Aus dem<br />
A uswahl nach<br />
Leist ungs- <strong>und</strong><br />
P r oduktivitä t s -<br />
pr inzipien
P VA b raucht Regeln<br />
u n d R e s s o urcen<br />
Blickwinkel der <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilung ist ein Regelwerk innerhalb<br />
des Unternehmens erforderlich, welches das Leistungskriterium bei der<br />
Personalauswahl abschwächt, ferner benötigt sie Ressourcen, um die Vermittlung<br />
ihrer Teilnehmer durchzusetzen, wenn (vermeintlich) bessere Kandidaten<br />
vom <strong>internen</strong> oder externen <strong>Arbeit</strong>smarkt mit ihnen konkurrieren.<br />
Für <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen ergeben sich aus dem Basisdilemma<br />
<strong>und</strong> seiner Überwindung mittels Regeln <strong>und</strong> Ressourcen zwei Konsequenzen:<br />
••<br />
Die Einführung einer <strong>internen</strong> <strong>Personalvermittlung</strong> führt zu einer Politisierung<br />
von Prozessen im Unternehmen. Die Schlüsselrolle in diesen Aushandlungsprozessen<br />
spielen die Akteure der PVA <strong>und</strong> die Abteilungsleiter<br />
<strong>und</strong> Personalverantwortlichen vor Ort.<br />
••<br />
Ein zweiter Effekt ist die Offenlegung von Beschäftigungslosigkeit auf<br />
dem <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt, da der Ausgleich zwischen internem <strong>Arbeit</strong>sangebot<br />
<strong>und</strong> Nachfrage nicht vollständig gelingt.<br />
A u s w i r k u n g e n d e s B a s i s d i l e m m a s<br />
a u f d i e a r b e i t s m a r k t p o l i t i s c h e n K o n z e p t e d e r P VA<br />
16
Machtspiele um die PVA – die<br />
Ressourcen sind entscheidend!<br />
17<br />
Teilnehmer der PVA als „Lemons“<br />
„Wenn der Personalabbau beginnt, dann beginnt die Luschenschieberei“ –<br />
so beschreibt der Betriebsrat eines unserer Fallunternehmen die Sichtweise<br />
auf Stellenabbau <strong>und</strong> betroffene Beschäftigte. Die Personalauswahl ist mit<br />
negativen Signaleffekten verb<strong>und</strong>en, ein Phänomen, das für den externen<br />
<strong>Arbeit</strong>smarkt bereits bekannt ist. Gibbons <strong>und</strong> Katz haben 1991 beschrieben,<br />
dass Beschäftigte, die von Stellenabbau betroffen sind, als „Lemons“<br />
(sinngemäß so etwas wie „Montagsautos“), als wenig leistungsfähig stigmatisiert<br />
sind. Durch die Entlassung haftet den betroffenen Beschäftigten ein<br />
negatives Signal an. Überträgt man das auf berufliche Mobilität im <strong>internen</strong><br />
<strong>Arbeit</strong>smarkt, dann lautet die These, dass Vorgesetzte bei Einstellungsentscheidungen<br />
die Rekrutierung von Teilnehmern aus PVA vermeiden werden,<br />
weil sie diese als „Lemons“ betrachten. Sie befürchten, dass diejenigen<br />
Beschäftigten ausgewählt worden sind, die mit der Leistungszunahme nicht<br />
mehr mitgekommen sind: „Der abgebende Betrieb will erst einmal seine Pappenheimer<br />
loswerden“, beschreibt ein Personalleiter die Situation in einem<br />
unserer Fallunternehmen.<br />
Die Zitate (<strong>und</strong> die qualitativen Bef<strong>und</strong>e des bops-Projekts insgesamt)<br />
zeigen, dass der „Lemons“-Effekt vor allem auf der symbolischen Ebene der<br />
Organisation eine Wirkung entfaltet. In der organisationalen Alltagskommunikation<br />
wird ein Zusammenhang zwischen Auswahlprozess <strong>und</strong> (vermeintlich)<br />
geringer Produktivität hergestellt. Wenn von Teilnehmern der PVA die<br />
Rede ist, werden wiederkehrend diskreditierende Bezeichnungen genutzt.<br />
Die negative Typisierung von Teilnehmern der PVA ist, das zeigen die Fallstudien,<br />
innerhalb der Organisation unstrittig: Nicht nur die Abteilungsleiter,<br />
sondern auch das Management der PVA, deren Berater sowie Personal- <strong>und</strong><br />
Betriebsräte sprechen von „Lemons“, „Luschen“ oder „Fritzen“, wenn sie die<br />
PVA-Teilnehmer meinen, <strong>und</strong> tragen damit <strong>zur</strong> Stigmatisierung der Teilneh-
Ne u t ra l e Spra chr<br />
egelungen setzen sich<br />
i m A l l ta g n i ch t durch<br />
mer bei. „Lemons“ ist ein etabliertes (Alltags-)Sprachmuster in den von uns<br />
untersuchten Organisationen.<br />
PVA-Management <strong>und</strong> deren Berater stehen in einem<br />
Dilemma: Einerseits versuchen sie, die negativen Aspekte<br />
der PVA <strong>und</strong> des Stellenabbaus in der organisationalen<br />
Sprache auszublenden: „Ich bin strikt dagegen,<br />
von Beschäftigten als ‚Überhänge‘ zu reden, das<br />
schadet uns“, urteilt beispielweise die Personalleitung<br />
eines Fallunternehmens. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden in<br />
der offiziellen Sprachweise die Teilnehmer in der Regel<br />
als „Beschäftigte“ bezeichnet, ohne einen Unterschied<br />
zu machen zwischen Personen, die ihre Stelle verloren<br />
haben, <strong>und</strong> den „Normalen“, den Beschäftigten auf Regelarbeitsplätzen.<br />
Andererseits benutzen sie diese diskreditierende<br />
Sprache intern selbst. Der Wunsch nach neutraler Sprachregelung<br />
wird auch behindert dadurch, dass PVA-Management <strong>und</strong> Betriebsräte<br />
Schwierigkeiten haben, für Teilnehmer mit Vermittlungshemmnissen eine<br />
„objektive“ Sprachweise zu finden, die frei von negativen Bedeutungen ist.<br />
Anders ist die Situation bei den Abteilungsleitern. Bei ihnen korrespondiert<br />
die verbale Stigmatisierung mit ihrem Eigeninteresse. Sie reden offen <strong>und</strong><br />
mehr oder weniger bewusst diskreditierend von den „Abgeschobenen“, von<br />
„Leuten, die alle loswerden <strong>und</strong> keiner haben will“. Die negativen Konnotationen<br />
schaffen die legitime Basis dafür, Teilnehmer aus PVA in Einstellungsentscheidungen<br />
nicht zu berücksichtigen. Ein Bef<strong>und</strong> der Fallstudien des<br />
bops-Projekts ist es, dass es den Abteilungsleitern aufgr<strong>und</strong> des begrifflichen<br />
Vakuums gelingt, ihr interpretatives Schema in der organisationalen Alltagssprache<br />
zu etablieren. In der Regel wird die Bezeichnung als „Lemons“ von<br />
allen Akteuren des <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkts akzeptiert. PVA besitzen wenig<br />
Mittel, diese Form der Stigmatisierung ihrer Teilnehmer abzuschwächen.<br />
Aber: Das konkrete Einstellungsverhalten von Personalverantwortlichen wird<br />
natürlich nicht allein durch die organisationale Sprache bestimmt. Ausschlaggebend<br />
ist ein Wechselspiel aus der symbolischen Ordnung, den Regeln der<br />
Organisation <strong>und</strong> der Verteilung von Machtressourcen.<br />
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19<br />
Die Ressourcen der PVA<br />
Deswegen können <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen<br />
weitreichende Möglichkeiten<br />
besitzen, die praktischen Wirkungen der<br />
Stigmatisierung auf das Einstellungsverhalten<br />
abzuschwä chen. Diese Möglichkeiten resultieren<br />
aus Machtressourcen, aufgr<strong>und</strong> derer<br />
PVA effektiv Einfluss nehmen können auf die<br />
Einstellungsentscheidungen von Personalverantwortlichen.<br />
Die folgende Aufzählung<br />
gibt solche Ressourcen wieder. Sie werden<br />
aufgeteilt in so genannte „autoritative Ressourcen“,<br />
d.h. die Möglichkeit, relevante Bereiche<br />
der Organisation zu kontrollieren, <strong>und</strong><br />
„allokative Ressourcen“, die die PVA in die Lage<br />
versetzen, ihre Interessen mit Hilfe von materiellen<br />
Dingen durchzusetzen.<br />
••<br />
Eine zentrale autoritative Ressource der PVA ist das Ausschreibungswesen,<br />
genauer: seine Kontrolle durch die PVA. Dazu gehört etwa die Pflicht der<br />
Abteilungsleiter, offene Stellen zunächst (ausschließlich!) der PVA zu melden,<br />
sowie das „Monopol“ über die Veröffentlichung interner <strong>und</strong> ggf. externer<br />
Ausschreibungen. Durch diese Ressource kann die PVA ihre Kandidaten<br />
bevorzugt über den <strong>internen</strong> Markt an offenen Stellen informieren,<br />
<strong>und</strong> sie kann gegenüber den Abteilungsleitern auf Zeit spielen, wenn ihre<br />
Teilnehmer als Kandidaten auf die offene Stelle nicht zum Zuge kommen.<br />
••<br />
Eine weitere Ressource ist ein Einstellungsstopp oder eine Einschränkung<br />
der Rekrutierung vom externen <strong>Arbeit</strong>smarkt. Dies entlastet zum einen<br />
den <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt vom Wettbewerbsdruck, zum anderen gewinnt<br />
die PVA Verhandlungsspielräume gegenüber Abteilungsleitern, weil sie<br />
Ausnahmen genehmigen muss.<br />
••<br />
Ebenfalls hilfreich kann eine Regel sein, die besagt, dass Teilnehmer aus<br />
PVA in Einstellungsentscheidungen bevorzugt zu behandeln sind. Diese<br />
A utor itative<br />
Ressourcen:<br />
Kont r olle übe r<br />
inte r ne Stellenausschreibungen
U n te r s t ü t zung<br />
d u r ch die<br />
U n te r n e h m e n s s pitz e<br />
A l l okative<br />
R e s s o u r c e n : G eld ...<br />
. . . u n d R äume<br />
Regel ist zwar für sich alleine nicht unbedingt durchsetzungsstark, kann<br />
aber im Zusammenspiel mit anderen Regeln die Verhandlungen mit den<br />
<strong>Abteilungen</strong> <strong>und</strong> die Vermittlungsarbeit der PVA unterstützen.<br />
••<br />
Eine große Bedeutung hinsichtlich der Effektivität der Vermittlung kommt<br />
der Unterstützung der PVA durch die Unternehmens- bzw. Verwaltungsspitze<br />
zu. Sie sollte mehr oder weniger uneingeschränkt hinter der PVA<br />
stehen <strong>und</strong> in Konflikten die Position der PVA unterstützen.<br />
••<br />
Eng damit verb<strong>und</strong>en ist die Durchsetzungsstärke der Regeln <strong>und</strong> Normen,<br />
die <strong>zur</strong> PVA <strong>und</strong> <strong>zur</strong> <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>skräftemobilität aufgestellt<br />
worden sind. Sind die Regeln stark, oder können Abteilungsleiter Stellenbesetzungen<br />
am Regelwerk <strong>und</strong> an der PVA vorbei vornehmen?<br />
••<br />
Gleiches gilt für die Vergabe von Leiharbeit. Wenn diese eine Genehmigung<br />
der PVA erfordert, bieten sich Einflussmöglichkeiten <strong>und</strong> Verhandlungsspielräume,<br />
wenn es um die Vermittlung ihrer Teilnehmer auf die<br />
offenen Stellen des <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkts geht.<br />
••<br />
Die zentrale materielle, d.h. allokative Ressource der PVA ist Geld. Dieses<br />
Geld wird etwa für Qualifizierungen benötigt, um Teilnehmer im Strukturwandel<br />
des Unternehmens fit zu machen. In der Vermittlungsarbeit vieler<br />
PVA haben zudem Entgeltkostenzuschüsse eine größere Bedeutung. Die<br />
Teilnehmer können damit von ihren zukünftigen <strong>Abteilungen</strong> günstig<br />
eingearbeitet werden, da das Abteilungsbudget von Lohnkosten entlastet<br />
wird.<br />
••<br />
Weitere allokative Ressourcen sind Räumlichkeiten, oder besser, eine gute<br />
räumliche Situation insgesamt. Räumlichkeiten werden unmittelbar für die<br />
Beratungsarbeit mit den Teilnehmern benötigt, räumliche Lösungen sind<br />
aber auch dann entscheidend, wenn die Vermittlung von Teilnehmern nicht<br />
unmittelbar gelingt. Auch hier sollte die PVA Möglichkeiten haben, diese<br />
Teilnehmer unterzubringen <strong>und</strong> mit einer <strong>Arbeit</strong>saufgabe zu versehen – was<br />
nicht immer einfach zu lösen ist, wie die Fallstudien zeigen.<br />
••<br />
Die letzte entscheidende allokative Ressource ist Personal, das für die Vermittlungs-<br />
<strong>und</strong> Beratungsarbeit sowie für die Querschnittsaufgaben der<br />
PVA benötigt wird.<br />
20<br />
„
21<br />
Diese Aufzählung ist eine starke Verdichtung von Ergebnissen, die wir aus<br />
Experteninterviews in Unternehmen <strong>und</strong> in Fallstudien in PVA gewonnen haben.<br />
Eine wichtige Fragestellung für unser Projekt war, ob sich diese Bef<strong>und</strong>e<br />
auch durch unsere quantitativen Befragungen bestätigen lassen. Dieser<br />
Fragestellung widmet sich das folgende Kapitel.<br />
Regeln <strong>und</strong> Ressourcen im Spiegel<br />
der bops-Befragungen<br />
Die qualitativen Ergebnisse haben gezeigt, dass die <strong>Arbeit</strong> einer <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilung<br />
hoch voraussetzungsvoll ist <strong>und</strong> ihr Erfolg von verschiedenen<br />
Dimensionen abhängt. Können diese Erkenntnisse auch durch<br />
die Breitenerhebung bestätigt<br />
werden?<br />
Die Hypothese ist: Es gibt einen<br />
Zusammenhang zwischen der<br />
Effektivität von PVA <strong>und</strong> deren<br />
Ausstattung mit Machtressourcen.<br />
Die Effektivität der Vermittlung<br />
lässt sich im Rahmen der<br />
Befragung aus der subjektiven<br />
Einschätzung der Abteilungsleitungen<br />
zum Vermittlungserfolg<br />
ermitteln. Zur Erklärung dieser<br />
Effektivität wurde ein Set aus 14<br />
Variablen erstellt, die sich an den<br />
oben aufgestellten Regeln <strong>und</strong><br />
Ressourcen orientieren.<br />
Wir haben eine umfangreiche<br />
statistische Auswertung vorgenommen,<br />
die unter anderem eine<br />
Hilfsregressionsanalyse <strong>und</strong> eine<br />
multiple hierarchische Regression<br />
Breitenerhebung<br />
bestätigt die Be f u n d e
Zw e i Fa k toren<br />
f ü r d i e E f f e k t ivität<br />
vo n PVA<br />
nutzt. Als Ergebnis können wir festhalten, dass vor allem zwei Faktoren zu<br />
einem Großteil die Effektivität von <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen erklären<br />
können: An erster Stelle ist dies die Kontrolle über interne Ausschreibungen,<br />
an zweiter Stelle ist es die Ausstattung mit Räumlichkeiten <strong>und</strong> Interimsarbeitsplätzen.<br />
Der Erklärungswert dieser beiden Variablen ist statistisch<br />
sichergestellt. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die anderen Ressourcen<br />
keinen Einfluss hätten. Vielmehr wirken sich alle genannten Regeln <strong>und</strong><br />
Ressourcen auf den Vermittlungserfolg aus. Besonders zu nennen sind daher<br />
noch der Rückhalt bei der Unternehmensspitze <strong>und</strong> die Legitimität von<br />
Regeln <strong>zur</strong> <strong>internen</strong> Vermittlung sowie Geld für Qualifizierung bzw. Entgeltkostenzuschüsse.<br />
Zusammenfassung<br />
Interne <strong>Personalvermittlung</strong>en sind in größeren Unternehmen ein relativ<br />
verbreitetes <strong>und</strong> viel genutztes Instrument, um Stellenabbau zu bewältigen,<br />
indem die Beschäftigten über den <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smarkt auf offene Stellen<br />
im Unternehmen vermittelt werden. Besonders häufig finden sie sich in<br />
öffentlichen Verwaltungen; bei den Privatunternehmen sind sie relativ oft im<br />
Banken- <strong>und</strong> Sparkassensektor zu finden. Sie betreuen eine sehr erhebliche<br />
Anzahl an <strong>Arbeit</strong>nehmern, unter denen die „unfreiwilligen Teilnehmer“, d.h.<br />
Betroffene von Stellenabbau oder ges<strong>und</strong>heitlichen Einschränkungen, überwiegen.<br />
Die <strong>internen</strong> <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen unterliegen einem Basisdilemma:<br />
Die von ihr betreuten Beschäftigten sind im Unternehmen nicht beliebt,<br />
Personalverantwortliche im Unternehmen versuchen es oft zu vermeiden, sie<br />
einzustellen. Das spiegelt sich bereits im <strong>internen</strong> Sprachgebrauch wider. Die<br />
PVA haben es daher nicht leicht, ihre Brückenfunktion zu erfüllen.<br />
Sie können aber auf Ressourcen <strong>und</strong> Regeln <strong>zur</strong>ückgreifen, die sich auf ihren<br />
Vermittlungserfolg günstig auswirken. Aus den Falluntersuchungen des<br />
bops-Projekts haben wir gelernt, dass PVA umso erfolgreicher sind, je mehr<br />
sie auf Einstellungs- <strong>und</strong> Personalabbauentscheidungen im Unternehmen<br />
Einfluss nehmen können: sei es durch Verhandlungspotenziale oder einfach<br />
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durch Geld, mit dem Vermittlungen in <strong>Abteilungen</strong> „erkauft“ werden können.<br />
Diese These, „die Ressourcen sind entscheidend“, haben wir auch mit quantitativen<br />
Mitteln auf ihre statistische Belastbarkeit geprüft. Zentrales Ergebnis<br />
dieser Analyse ist: Von allen identifizierten Variablen zu Regeln <strong>und</strong> Ressourcen<br />
wirkt ein positiver Effekt auf die Vermittlung, die These bestätigt sich also<br />
eindeutig. Statistisch signifikante Zusammenhänge konnten bei zwei Variablen<br />
nachgewiesen werden: „Kontrolle der <strong>internen</strong> Ausschreibungen“ <strong>und</strong><br />
„gute räumliche Situation der PVA“.<br />
Die <strong>Arbeit</strong>svermittlung auf <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smärkten ist ein anspruchsvolles<br />
Geschäft, dessen Erfolg zu großen Anteilen von mikropolitischen Machtspielen<br />
<strong>und</strong> Aushandlungsprozessen innerhalb eines Unternehmens bestimmt<br />
wird. <strong>Personalvermittlung</strong>sabteilungen sind – nimmt man die bops-Ergebnisse<br />
als Gr<strong>und</strong>lage – gut beraten, wenn sie kontinuierlich organisationale<br />
Ressourcen aufbauen <strong>und</strong> entwickeln, mit dem Ziel, die Leistungsprinzipien<br />
in der Personalauswahl zu Gunsten ihrer Teilnehmer abzuschwächen. In der<br />
Praxis, das wissen wir aus unseren Falluntersuchungen <strong>und</strong> unseren Befragungen,<br />
sind PVA darin durchaus erfolgreich <strong>und</strong> stellen damit ein sinnvolles<br />
Instrument <strong>zur</strong> Bewältigung von Stellenabbau dar.<br />
A lle Var iablen wirken<br />
sich positiv aus<br />
In der P raxis ein<br />
sinnvolles Inst r u m e n t<br />
Weiterführende Literatur<br />
Kirsch, Johannes / Mühge, Gernot (2010): Die Organisation der <strong>Arbeit</strong>svermittlung<br />
auf <strong>internen</strong> <strong>Arbeit</strong>smärkten. Modelle – Praxis – Gestaltungsempfehlungen.<br />
Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. Edition Nr. 256<br />
Mühge, Gernot (2011): Betriebliche Beschäftigungssicherung durch interne<br />
<strong>Personalvermittlung</strong>. In: WSI-Mitteilungen 64 (2), S. 69-75<br />
Mühge, Gernot (2011): Organisationstheoretische Überlegungen zum Aufbau<br />
<strong>und</strong> <strong>zur</strong> Funktionsweise von Versetzungsabteilungen. In: Voss-Dahm, Dorothea /<br />
Mühge, Gernot / Schmierl, Klaus / Struck, Olaf (Hrsg.), 2011: Qualifizierte Facharbeit<br />
im Spannungsfeld von Flexibilität <strong>und</strong> Stabilität. Wiesbaden: VS, Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, S. 99-122