Herunterladen - Ärztekammer Oberösterreich
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Coverstory<br />
Zeitschrift für Gesundheitspolitik<br />
Gesundheitssystem: regionale<br />
Strukturen versus Zentralismus<br />
Die dezentrale Steuerung des österreichischen Gesundheitssystems<br />
wurde und wird gerade im Zuge der Gesundheitsreform<br />
in Frage gestellt. Eine Zentralisierung wurde –<br />
oft mit polemischen Argumenten – befürwortet. Die zweite<br />
Ausgabe der Zeitschrift für Gesundheitspolitik des Linzer<br />
Instituts für Gesundheitssystem-Forschung setzt sich mit<br />
den Vorteilen von Dezentralisierung im Gesundheitssystem<br />
auseinander.<br />
Der Föderalismus sei in Österreich historisch begründet, stellt<br />
die LIG-Gesundheitsökonomin Mag. Katharina Riedler<br />
in ihrem Artikel klar. Während Föderalismus den Staat als<br />
„Gebilde zur Erreichung gemeinsamer Ziele und ein Mittel,<br />
um nach Außen stärker zu sein“ sehe, wolle er gleichzeitig „eine<br />
gewisse Individualität der Länder“ erhalten. Die Bundesländer<br />
im föderalistisch organisierten Staat bekennen sich zum Subsidiaritätsprinzip,<br />
welches besagt, „dass Entscheidungen auf einer<br />
möglichst niedrigen, also bürgernahen, Ebene getroffen werden<br />
sollen.“ Riedler klassifiziert die Gesundheitssysteme Europas<br />
nach verschiedenen Modelltypen, wobei sie zwischen unitär<br />
und föderal, sowie zentral und dezentral unterscheidet. Österreichs<br />
Gesundheitssystem sei dem Modelltyp föderal-dezentral<br />
zuzuordnen, wobei der Staat an sich als sehr zentral organisiert<br />
gelte, auch wenn im Gesundheitssystem „eine starke dezentrale<br />
Aufgabenverteilung“ gegeben sei, die sie in der Folge näher<br />
beschreibt. Dezentrale Einheiten würden die Bedürfnisse<br />
ihrer Bürger besser kennen als zentrale Körperschaften,<br />
so Riedler. Sie beruft sich auf den US-amerikanischen<br />
Ökonom Wallace E. Oates, der in seinem 1972 veröffentlichten<br />
Dezentralisierungstheorem postulierte, dass eine<br />
dezentrale Organisation von Verwaltungsaufgaben immer<br />
dann effizienter wäre, wenn zwischen den Regionen<br />
unterschiedliche Bedürfnisse bestehen. Dies sei auch in<br />
Österreich der Fall, wo sich die Bundesländer hinsichtlich<br />
des Alters, des Migrationshintergrunds,<br />
der Arbeitslosigkeit, touristischer Gegebenheiten<br />
etc. unterscheiden – Faktoren, die<br />
gegen eine homogene Gesundheitsversorgung<br />
sprechen. Weitere Bedingungen,<br />
die laut Oates für eine<br />
effiziente dezentrale Organisation<br />
notwendig sind: »<br />
Keine externen Effekte – also die Abgeltung von Gesundheitsleistungen,<br />
die außerhalb des zuständigen Bundeslandes<br />
erbracht werden – und: eine dezentrale Organisation darf nicht<br />
teurer sein als eine zentrale. Beides sei – so Riedler – in Österreich<br />
gegeben.<br />
Der Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik in München,<br />
Univ.-Prof. Dr. Günter Neubauer, geht der Frage nach,<br />
ob regionale Steuerung leistungsfähiger sei als Zentralismus.<br />
Sein Aufsatz geht auf seinen Vortrag anlässlich des von der<br />
Ärztekammer veranstalteten 3. Linzer Gesundheitspolitischen<br />
Gesprächs im September 2011 zurück. Neubauer kommt zu<br />
dem Schluss, dass es regionaler Steuerung, die mit regional<br />
differenzierten Vergütungen auf die jeweilige Versorgungssituation<br />
reagieren kann, viel leichter falle, Lücken in der<br />
Versorgung auszutarieren, als einer zentralen Behörde. Neubauer<br />
beschreibt aber auch mögliche Risiken: eine „Kirchturmpolitik“,<br />
bei der wenige Leistungserbringer und Kostenträger<br />
gemeinsam mit der Politik versuchen, ihre Region gegen externe<br />
Innovationen und Veränderungen abzuschirmen. Überregionale<br />
Konferenzen seien geeignet, das zu verhindern. Ein weiteres<br />
Risiko sei die Bildung von „regionalen Oligarchien“ – also eine<br />
„überschaubare Zahl von regionalen Entscheidungsträgern,<br />
die dazu neigt,gemeinsam Beschlüsse zu fassen, die in erster Linie<br />
ihnen persönlich zu Gute kommen“. Eine zentrale Rechtsaufsicht<br />
über die regionalen Entscheidungen könne dies bremsen.<br />
Positive Einflüsse auf die Lebensqualität in Oberösterreich | Gestützte Frage<br />
Oberösterreichische Bevölkerung ab 16 Jahren<br />
91 %<br />
88 %<br />
87 %<br />
85 %<br />
84 %<br />
80 %<br />
80 %<br />
77 %<br />
75 %<br />
74 %<br />
70 %<br />
69 %<br />
68 %<br />
66 %<br />
63 %<br />
Weil die Natur und Umwelt in Oberösterreich weitgehend intakt sind<br />
Weil Oberösterreich ein gutes Gesundheitssystem aufweisen kann<br />
Weil es in Oberösterreich ausgezeichnete Krankenhäuser gibt<br />
Neubauers Fazit: „Eine zentrale, nationale Steuerung (kommt)<br />
den sozialpolitischen Vorstellungen von Gleichheit zwar näher<br />
… als eine dezentrale, regionale Steuerung, letztere (ist) aber<br />
unter Effizienzgesichtspunkten … der Zentralisierung überlegen“.<br />
Eine zentrale Behörde könne die „Beobachtung der<br />
Rechtmäßigkeit der Abläufe“ übernehmen.<br />
Um die Vor- und Nachteile einer Fusionierung von Krankenkassen<br />
geht es in einem Interview, das Mag. Katharina Riedler<br />
mit Prof. Dr. Volker Ulrich, Ökonom an der Universität<br />
Bayreuth, führte. Für Ulrich steht fest: „Die Einheitskasse ist<br />
der falsche Weg“, da der Wettbewerb um Versorgungsangebote,<br />
um Qualitäten oder um Wahlmöglichkeiten fehle. Er sieht die<br />
Zukunft in einem Wettbewerb mehrerer Krankenkassen, die ein<br />
identisches Basispaket anbieten und zusätzlich unterschiedliche<br />
spezielle Angebote, wie Homöopathie, Prävention, Bewegungsprogramme<br />
etc.<br />
Dass die Gesundheitsversorgung einen wichtigen Faktor darstellt,<br />
wenn es um die Beurteilung der eigenen Lebensqualität geht,<br />
bestätigt eine repräsentative Umfrage des market-Instituts unter<br />
500 OberösterreicherInnen, deren Ergebnisse market-Institutsvorstand<br />
Prof. Dr. Werner Beutelmeyer präsentiert. 88 Prozent<br />
der Befragten begründen die hohe Lebensqualität in Oberösterreich<br />
mit einem guten Gesundheitssystem und 87 Prozent mit<br />
ausgezeichneten Krankenhäusern. Auch das föderalistische »<br />
Weil es ein großes Angebot an Freizeit- und Sportgestaltungsmöglichkeiten gibt<br />
Weil Oberösterreich ein dynamischer Wirtschafts- und Industriestandort ist<br />
Weil es in Oberösterreich ein reges Kulturschaffen und -leben gibt<br />
Weil auch Familien bedacht werden<br />
Weil gute Wohnmöglichkeiten geschaffen werden<br />
Weil in Oberösterreich viel in die Aus- und Weiterbildung investiert wird<br />
Weil ein breites Netz an Haus- und Fachärzten vorhanden ist<br />
Weil es ausreichend und qualifizierte Arbeitsplätze gibt<br />
Weil es eine gute Verkehrsinfrastruktur gibt<br />
Weil in Oberösterreich angesehene Bildungseinrichtungen und Universitäten vorhanden sind<br />
Weil sich die oberösterreichischen Politiker für Ihr Land einsetzen<br />
Weil die Sozialpartnerschaft – also das Zusammenwirken von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern<br />
wie z.B. Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Ärztekammer, Landwirtschaftskammer, etc. – gut funktioniert<br />
55 %<br />
53 %<br />
36 %<br />
Weil Oberösterreich eine eigene Medizinuni bekommt<br />
Weil Oberösterreich durch den Föderalismus nicht vom Bund, also einer zentralen Bundesverwaltung, abhängig ist<br />
Weil es der oberösterreichischen Politik gelingt, oberösterreichische Standpunkte in Wien durchzusetzen<br />
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27 %<br />
Weil die oberösterreichische Regierung sparsam und verantwortungsvoll mit Steuergeldern umgeht<br />
6 OÖ ÄRZTE | JuLi - August 2013<br />
OÖ ÄRZTE | Juli - August 2013 7