ICOM Deutschland Mitteilungen 2009
ICOM Deutschland Mitteilungen 2009
ICOM Deutschland Mitteilungen 2009
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<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong><br />
ISSN 1865-6749 | Heft 31 (16. Jahrgang)<br />
Reiseziel Museum:<br />
Historisches Erbe und Kulturtourismus<br />
Bildung, Identität, Integration:<br />
Die Rolle der Museen<br />
Provenienzforschung:<br />
Zehn Jahre Washingtoner Konferenz
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
wenn Sie die aktuelle Ausgabe der MITTEILU NGEN von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zur Hand nehmen, bietet sich Ihnen wie gewohnt<br />
ein Überblick über Themenschwerpunkte unserer Arbeit<br />
sowie über ausgewählte Ereignisse im Kalender von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>: Wir wollen Sie, liebe Mitglieder, auf diese Weise<br />
an den nationalen und internationalen Aktivitäten des vergangenen<br />
Jahres teilhaben lassen. Zugleich richten wir den Blick<br />
nach vorn und möchten Sie sowohl zur Teilnahme am Internationalen<br />
Museumstag als auch zum Bodensee-Symposium sehr<br />
herzlich einladen, das heuer wieder zusammen mit <strong>ICOM</strong> Österreich<br />
und <strong>ICOM</strong> Schweiz in Lindau ausgerichtet wird. Bei<br />
beiden Veranstaltungen wird das Generalthema „Museen und<br />
Tou ris mus“ im Mittelpunkt stehen (S. 4 f.).<br />
Von den Nachbarn lernen: Das gilt auch für die zurückliegende<br />
Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, die in Kooperation<br />
mit <strong>ICOM</strong> Niederlande und der Reinwardt-Akademie<br />
unter dem Motto „Museen – Orte der kulturellen Bildung und<br />
Integration“ im Oktober 2008 in Amsterdam stattfand. Einmal<br />
mehr wurde dabei sichtbar, dass das internationale Netzwerk<br />
von <strong>ICOM</strong> besondere Chancen bietet, Erfahrungen im<br />
Rahmen eines grenzübergreifenden Dialogs auszutauschen: Bekanntlich<br />
spielen Integration und interkulturell ausgerichtete<br />
Bildungsarbeit in den Niederlanden als dem Zentrum eines ehemaligen<br />
Kolonialreichs schon seit vielen Jahren eine wichtige<br />
Rolle. So vermochte die Tagung anregende Einblicke in Konzepte<br />
und Projekte von Museen in den Niederlanden und <strong>Deutschland</strong><br />
zu vermitteln, aber auch weiterwirkende Kontakte herzu<br />
stellen, die Perspektiven für die Fortsetzung des fachlichen<br />
Aus tauschs eröffnen (S. 18).<br />
Zum Themenschwerpunkt Museen und Integration finden<br />
Sie im vorliegenden Heft Beiträge von Matthias Buth (S. 6), der<br />
als Referatsleiter beim Beauftragten der Bundesregierung für<br />
Kultur und Medien für die kulturelle Förderung von Zuwanderern<br />
und damit auch für die Umsetzung des Nationalen Integrationsplans<br />
im Bereich der Museen zuständig ist, sowie<br />
von Matthias Hamann (S. 9), Leiter des Museumsdiensts der<br />
Kölner Museen: An einem Brennpunkt der Bemühungen um<br />
einen interkulturellen Dialog tätig, berichtet er über die praxisbezogenen<br />
Ansätze der musealen Bildungsarbeit im Dienste der<br />
Integration.<br />
Zu den zentralen Anliegen von <strong>ICOM</strong> als Weltverband der<br />
Museen und Museumsfachleute gehört auch der Kulturgutschutz<br />
in seinen vielfältigen Facetten – von der Bewahrung der Vielfalt<br />
kultureller Ausdrucksformen bis zur Bekämpfung des illegalen<br />
Handels mit Kulturgütern: Es ist gut, dass sich die Diskussion<br />
darüber verstärkt hat, wo Kulturgüter herkommen und<br />
wo sie hingehören. So sind die nachvollziehbare Provenienz von<br />
Objekten und geklärte Eigentumsverhältnisse heute bei Erwerbungen<br />
durch Museen wie inzwischen auch im Kunsthandel<br />
und bei privaten Sammlern ein wesentliches Kriterium, das<br />
Wert und Wertschätzung im materiellen wie im ideellen Sinne<br />
maßgeblich mitbestimmt. Trotzdem gilt es, das Bewusstsein<br />
dafür zu schärfen, dass das kulturelle Erbe vor allem der Länder<br />
der Dritten Welt in der Folge der Plünderung historischer<br />
Stätten und der Aktivitäten des Schwarzhandels mit Antiquitäten<br />
weiterhin ausblutet. Ein bedrückendes Beispiel ist etwa<br />
die Beraubung der präkolumbischen Gräber in Peru, die im Zentrum<br />
einer anlässlich der Präsentation der deutschen Ausgabe<br />
der „Roten Liste der gefährdeten Antiken Perus“ durch den<br />
neuen Generaldirektor von <strong>ICOM</strong>, Julien Anfruns, veranstalteten<br />
Pressekonferenz stand. Mehr über die Hintergründe erfahren<br />
Sie in einem Bericht auf Seite 24.<br />
Die geklärte Provenienz von Kulturgütern als Grundlage für<br />
den rechtmäßigen Erwerb und Besitz ist ein Thema, das auch<br />
im Zusammenhang mit dem Aufspüren und gegebenenfalls der<br />
Rückgabe von „Raubkunst“ in den Sammlungen unserer Museen<br />
in die öffentliche Diskussion geraten ist. Zehn Jahre nach<br />
der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der<br />
Zeit des Holocaust“ lässt sich eine erste Bilanz ziehen: Was<br />
wurde getan, um belastete Objekte zu identifizieren und sie zu<br />
restituieren, welche Aufgaben kommen auf die Museen und ihre<br />
Träger noch zu, und wie lassen sie sich bewältigen? Auf die se<br />
und andere Fragen geht die Einführung ab Seite 12 ein, die<br />
auch erste Hilfestellungen bieten soll.<br />
Diese ersten Schlaglichter auf aktuelle Themen der Museumsarbeit<br />
sollen Sie auch auf die weiteren Beiträge der vorliegenden<br />
Ausgabe unserer MITTEILUNGEN neugierig machen,<br />
für die wir den Autorinnen und Autoren an dieser Stelle noch<br />
einmal danken.<br />
Ihr<br />
Dr. York Langenstein<br />
Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>
Inhalt<br />
AKTUELLES<br />
Museen und Tourismus<br />
32. Internationaler Museumstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Museen und Denkmäler – Historisches Erbe<br />
und Kulturtourismus<br />
Internationales Bodensee-Symposium <strong>2009</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Identität und Integration<br />
Der Nationale Integrationsplan der Bundesregierung ............6<br />
Die Herausforderungen für museale Bildungsarbeit<br />
Mit interkultureller Öffentlichkeitsarbeit<br />
neue Besuchergruppen gewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
„Raubkunst“ in musealen Sammlungen –<br />
zehn Jahre Washingtoner Konferenz<br />
Zum Umgang mit „verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“ ...12<br />
Rückblick<br />
Kulturelle Bildung und Integration<br />
Höhepunkte der Jahrestagung 2008 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> .....18<br />
Kulturelles Erbe als Handelsware<br />
„Rote Liste der gefährdeten Antiken Perus“ ........................24<br />
Museen wandeln sich<br />
Kriterien für die Definition museumsethischer Richtlinien . . . . . . . . .26<br />
Tätigkeitsbericht des Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> . . . . . . . . .28<br />
Protokoll der Mitgliederversammlung 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30<br />
Internationale Komitees<br />
Krisenhilfe in Gaza<br />
<strong>ICOM</strong> setzt sich für bedrohte Kulturstätten ein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32<br />
Die internationalen Komitees stellen sich vor<br />
International Committee for Literary Museums (ICLM) .............35<br />
International Committee for Museums and Collections<br />
of Natural History (NATHIST) ......................................36<br />
Tagungsberichte<br />
French Glass – Past, Present and Future<br />
GLASS – International Committee for Museums<br />
and Collections of Glass. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37<br />
Tradition, Innovation and Participation:<br />
Diversity in Heritage Conservation<br />
<strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation . . . . . . . . . . . .38<br />
Cooperation between Museums, Collections<br />
and Research Institutions<br />
CIPEG – International Committee for Egyptian<br />
and Sudanese Collections . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39<br />
Regional Museums in a Post Industrial Age<br />
ICR – International Committee for<br />
Regional Museums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40<br />
Integrated Risk Management<br />
ICMS – International Committee on Museum Security . . . . . . . . . . . .41<br />
Cultural Tourism: Trends and Strategies<br />
CECA – International Committee for Education<br />
and Cultural Action ...............................................42<br />
2 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Ausblick<br />
New Approaches to Museum Studies and Training.<br />
A Critical Review<br />
ICTOP – International Committee for the Training of Personnel ....43<br />
Migration, Diaspora, Pilgrimage<br />
ICME – International Committee for Museums<br />
and Collections of Ethnography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44<br />
The Digital Curation of Cultural Heritage<br />
CIDOC – International Committee of Documentation .............45<br />
History and Presentation: The Place of Nazi Crimes<br />
IC MEMO – International Committee of Memorial Museums<br />
for the Remembrance of Victims of Public Crimes .................46<br />
Geldmuseen und der moderne Informationsfluss<br />
<strong>ICOM</strong>ON – International Committee of Money<br />
and Banking Museums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47<br />
Étrangers – Fremde?<br />
Ein deutsch-französisches Ausstellungsprojekt ....................48<br />
<strong>ICOM</strong>-Codes of Ethics for Museums<br />
Übersetzung der überarbeiteten Fassung ist in Arbeit .............50<br />
Arbeitskreis Volontariat<br />
Neuer Sprecherrat gewählt .......................................50<br />
Museumsberufe – Eine europäische Empfehlung<br />
Broschüre erschienen .............................................51<br />
Das Museum als Ort des Wissens<br />
Tagungsband des Internationalen<br />
Bodensee-Symposiums 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51<br />
Wissenschaftskommunikation –<br />
Perspek tiven der Ausbildung – Lernen im Museum<br />
Tagungsband der Wissenschaftsmuseen<br />
im deutsch-französischen Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51<br />
Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52<br />
Vorstand/Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 3
AKTuelles<br />
Museen und Tourismus<br />
32. Internationaler Museumstag<br />
Unter dem vom Internationalen Museumsrat <strong>ICOM</strong> ausgerufenen<br />
Motto „Museums and Tourism – Museen und Tourismus“<br />
feiern die Museen im Mai <strong>2009</strong> weltweit den Internationalen<br />
Museumstag. In <strong>Deutschland</strong>, Österreich und der Schweiz<br />
wird das Ereignis am Sonntag, dem 17. Mai <strong>2009</strong>, begangen.<br />
Zum Auftakt des Internationalen Museumstages findet am<br />
16. Mai <strong>2009</strong> zum fünften Mal europaweit die von Frankreich<br />
initiierte „Nacht der Museen“ statt.<br />
Der Internationale Museumstag steht in <strong>Deutschland</strong> unter<br />
der Schirmherr schaft des Präsidenten des Bundesrates, des Minister<br />
präsidenten des Saarlan des, Peter Müller, und wird von<br />
zahlreichen Stiftun gen und Verbänden der<br />
Sparkassen-Finanz gruppe unterstützt.<br />
Die beste Bildung findet ein gescheiter<br />
Mensch auf Reisen: Nicht erst für Johann<br />
Wolfgang von Goethe, von dem dieser Satz<br />
stammt, verbanden sich mit dem Reisen E r<br />
lebnis und Er kenntnis. Unsere Reiseerfahrungen<br />
prägen auch unsere Vorstel lung von<br />
Raum und Zeit: So sprechen wir beispielsweise<br />
von einer Reise in die Vergangenheit,<br />
wenn wir uns mit Aspekten des Lebens in<br />
früheren Zeiten befassen.<br />
Museen haben einen herausragenden Stellenwert<br />
als Reiseziele. Doch muss man nicht<br />
immer ein Flugzeug oder ein Schiff besteigen:<br />
Auch die Museen im eigenen Lande,<br />
manchmal sogar vor der eigenen Haustür,<br />
bieten in der Vielfalt ihrer Sammlungen den<br />
Stoff, um sich die Welt gedanklich oder sinnlich an zueignen. So<br />
verbindet sich der Besuch eines Museums immer wieder mit<br />
der Einladung zu Entdeckungsreisen und unerwarteten Begegnungen.<br />
Museen führen die Menschen zusammen und schaffen Brücken<br />
der Verständigung. Sie spiegeln die Kultur und Geschichte<br />
eines Landes, einer Region, eines Ortes. Sie schaffen Bezugspunkte<br />
des Selbstverständnisses und der heimatlichen Identifikation.<br />
Doch sind sie auch ein Schaufenster, das seinen Besuchern<br />
Einblicke in Kulturlandschaften sowie in die Lebensformen und<br />
Traditionen ihrer Bewohner vermittelt.<br />
Kulturtourismus als ein Massenphänomen dagegen führt zu<br />
der Frage, welchen Herausforderungen sich Museen, Kulturdenkmäler<br />
und Kulturlandschaften stellen müssen. Daher ist<br />
das weltweit steigende Besucherinteresse zwar zu begrüßen,<br />
denn die Begegnung mit Kunst und Kultur, mit dem materiellen<br />
wie dem immateriellen Kulturerbe, erweitert den Horizont<br />
und fördert die Aufgeschlossenheit für das Leben und die Leistungen<br />
der anderen Kulturkreise und Gesellschaften. Auch die<br />
positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus, besonders<br />
für die Länder der Dritten Welt, sind den manchmal zu<br />
einseitig herausgestellten Belastungen in einer ausgewogenen<br />
Weise gegenüberzustellen.<br />
Aber Museen sollten viel dafür tun, der großen Beanspruchung,<br />
und dem Verschleiß von Kulturgütern und Na turerbe<br />
durch den Tourismus entgegenzutreten und das Verantwortungsgefühl<br />
für einen angemessenen Umgang mit dem kul turellen<br />
Erbe zu stärken. So sind sie wichtige Partner in einem Netzwerk<br />
für einen nachhaltigen Kulturtourismus. Das gilt zunächst<br />
einmal für die Fürsorge der in ihrer Obhut<br />
bewahrten Sammlungen und histori schen<br />
Gebäude, aber auch für ihren Auftrag, den<br />
Museumsbesuch zu einem ge winn brin genden<br />
Erlebnis werden zu lassen. <strong>ICOM</strong> und<br />
der Weltverband der Freunde der Museen<br />
(WFFM – World Federation of Friends of<br />
Museums) haben hierzu im Dezember 2007<br />
eine Deklaration zum nachhaltigen Kulturtourismus<br />
herausgegeben.<br />
Die Zusammenarbeit nicht nur mit anderen<br />
gesellschaftli chen Institutionen, die sich<br />
für einen verantwortungsvollen Umgang<br />
mit dem kulturellen und natürlichen Erbe<br />
einsetzen, sondern auch mit den Organisationen<br />
der Tourismuswirtschaft bietet<br />
Chancen, die Anliegen eines schonenden<br />
und nachhaltigen Tourismus unter dem internationalen<br />
Motto „Enjoy not Destroy“ wirksam zu vermitteln.<br />
Museen sehen sich daher in einem Verbund mit allen<br />
Institutionen und allen Bürgern, die sich dem Anliegen der Bewahrung<br />
der kulturellen und natürlichen Vielfalt verpflichtet<br />
fühlen.<br />
Wir freuen uns mit Ihnen auf einen lebendigen Internationalen<br />
Museumstag <strong>2009</strong>, der zu einem Fest für die Mitarbeiter<br />
und die Besucher der Museen wird!<br />
Johanna Westphal<br />
Geschäftsführerin <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
Deklaration zum nachhaltigen Kulturtourismus:<br />
icom.museum/<strong>2009</strong>_contents.html<br />
www.museumstag.de<br />
icom.museum/imd.html<br />
4 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Aktuelles<br />
Museen und Denkmäler –<br />
Historisches Erbe und Kulturtourismus<br />
Internationales Bodensee-Symposium <strong>2009</strong><br />
Das traditionelle Bodensee-Symposium, das im Dreijahres-<br />
Rhyth mus als gemeinsame Tagung der <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />
von <strong>Deutschland</strong>, Österreich und der Schweiz ausgerichtet<br />
wird, findet vom 18. bis 20. Juni <strong>2009</strong> in Lindau (Bodensee)<br />
statt, dies mal mit dem Internationalen Rat für Denkmalpflege<br />
(<strong>ICOM</strong>OS) als weiterem Kooperationspartner. Das Tagungsthema<br />
lehnt sich an das Motto des Internationalen Museumstages<br />
an und lautet „Museen und Denkmäler – Historisches<br />
Erbe und Kultur tourismus“.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird seine Mitgliederversammlung <strong>2009</strong><br />
im Rahmen des Internationalen Bodensee-Symposiums am<br />
19. Juni in Lindau veranstalten.<br />
„Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus“<br />
– das Thema des Bodensee-Symposiums <strong>2009</strong> richtet<br />
den Blick auf die Museen als Anziehungspunkte des Kulturtourismus<br />
im Kontext des historischen Erbes: Museen, Denkmäler,<br />
Stadtlandschaften sind alljährlich das Ziel der Reiseplanungen<br />
von Millionen von Touristen.<br />
Auf den Reiseprospekten der Tourismus-Industrie sind es<br />
nicht nur die Palmenstrände, die Reisewünsche wecken, sondern<br />
auch die Markenartikel des Kulturtourismus, von den Tempeln<br />
von Angkor Wat bis zu den Kulturtempeln der Neuzeit wie etwa<br />
dem Guggenheim-Museum in Bilbao.<br />
Die vielfältigen Erscheinungsformen und Wirkungen des globalen<br />
Massentourismus als Phänomen unserer Zeit werden insbesondere<br />
auch in den Wechselbeziehungen zu den Museen sichtbar.<br />
Dabei stehen die positiven Aspekte der „Demokratisierung“<br />
des Reisens und der sich damit verbindenden Chancen, die eigene<br />
wie andere Kulturen und ihre Leistungen kennen zu lernen,<br />
den Risiken der Abnutzung von kulturellen Ressourcen<br />
gegenüber, im tatsächlichen wie auch im übertragenen Sinne.<br />
Museen öffnen sich ihren Besuchern, geben Einblicke in Kultur,<br />
Geschichte und gesellschaftliches Leben einer Stadt, einer<br />
Region, eines Landes.<br />
Wie wird der Museumsbesuch zum Erlebnis, wie lässt sich<br />
der Blick über die oberflächliche Faszination der als „Highlights“<br />
vermarkteten Meisterwerke hinaus für tiefere Einsichten<br />
öffnen, wie bieten und schaffen wir Dialogbereitschaft und<br />
Aufgeschlossenheit?<br />
Die Klärung dieser Fragen setzt auch die Bereitschaft zum Perspektivwechsel<br />
und das Interesse voraus, die Erwartungen der<br />
Besucher wie auch der Tourismusorganisationen an einen gut<br />
organisierten und lohnenden Museumsbesuch kennen zu lernen.<br />
Über die hier nur kurz beleuchteten Grundsatzfragen hinaus,<br />
die in den Referaten des Tagungsprogramms vertieft werden,<br />
soll vor allem auch an praktischen Beispielen dargestellt werden,<br />
wie Museen ihre Angebote auf den Tourismus ausrichten<br />
und zu einer nachhaltigen Bildungsarbeit beitragen können, die<br />
auch Brücken der Verständigung baut.<br />
Zur bevorstehenden Tagung in Lindau sind nicht nur die Mitglieder<br />
von <strong>ICOM</strong> und <strong>ICOM</strong>OS in <strong>Deutschland</strong>, Österreich<br />
und der Schweiz, sondern alle Museumsfachleute wie auch Vertreter<br />
der Touris musorganisationen und der Fachbehörden herzlich<br />
eingeladen.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> startet in Lindau den Versuch, die Mitglieder<br />
noch aktiver am Programm zu beteiligen. Am Samstag,<br />
dem 20. Juni <strong>2009</strong>, bietet die „Open Box“ Gelegenheit, in Kurzpräsentationen<br />
von etwa fünf Minuten Länge zum Themenkreis<br />
der Konferenz Stellung zu nehmen. Dabei kann es sich um Best-<br />
Practice-Beispiele ebenso handeln wie um grundsätzliche Überlegungen.<br />
Mitglieder, die in diesem Rahmen sprechen möchten, senden<br />
bitte ihre Vorschläge bis zum 20. Mai <strong>2009</strong> an icom@icomdeutschland.de.<br />
Bitte geben Sie Ihren Namen, Ihre Einrichtung<br />
und Ihr Thema an und fügen Sie eine ca. achtzeilige Zusammenfassung<br />
bei! Bei einer grö ßeren Anzahl von Angeboten treffen<br />
wir eine Auswahl: Wir werden dabei den Zeitpunkt der Anmeldung<br />
und die Bedeutung der jeweiligen Beiträge als Ergänzung<br />
des Tagungsprogramms be rücksichtigen.<br />
Bei Erfolg der „Open Box“ könnte ein Forum für Beiträge<br />
aus den Reihen der Mitglieder auch in Zukunft ein Programmpunkt<br />
unserer Tagungen sein. Wir suchen derzeit noch eine<br />
deutsche Bezeichung für die „Open Box“ und laden Sie ein,<br />
Ideen dafür nach Lindau mitzubringen.<br />
Weitere Informationen:<br />
Aktuelles Programm und weitere Hinweise zur Tagung:<br />
www.icom-deutschland.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 5
Aktuelles<br />
Identität und Integration<br />
Der Nationale Integrationsplan der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> repräsentiert<br />
den gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit von Integration.<br />
Museen übernehmen dabei als Lern- und Erlebnisorte eine wichtige Rolle.<br />
Gastbeitrag von Matthias Buth<br />
Dr. Matthias Buth, Ministerialrat beim Beauftragten der Bundes regierung<br />
für Kultur und Medien, sprach auf der Jahrestagung von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Amsterdam am 9. Oktober 2008.<br />
Mit seinem Vers „Sei Du, Gesang, mein freundlich Asyl!“ setzte<br />
Friedrich Hölderlin auf das Grenzenlose, das Schwebende<br />
des eigenen Gesangs. Und dieser Gesang, somit die eigene Stimme,<br />
die eigene Identität, war ihm Asyl, ein Zufluchtsort, der auf<br />
fremdem Terrain Sicherheit und Schutz geben sollte.<br />
Wer seine eigene Stimme nicht kennt, kann sich nicht mit einem<br />
Chor verbinden und aus diesem einen Klangkörper entwickeln.<br />
Diesem Prinzip folgt auch JEKI, das Vorhaben „Jedem<br />
Kind ein Instrument“, das zwar nach „weit weg“ klingt, jedoch<br />
mitten in <strong>Deutschland</strong> angesiedelt ist. Von der Kulturstiftung<br />
des Bundes, dem Land Nordrhein-Westfalen, von Kommunen<br />
und vielen Sponsoren werden fünfzig Millionen Euro aufgebracht,<br />
um im Ruhrgebiet anlässlich des Kulturhauptstadtjahres<br />
Essen-Ruhrgebiet 2010 zu ermöglichen, was jedem Kind<br />
Freude geben kann: sich in einem Instrument zu hören, im eigenen,<br />
d. h. in der Stimme, ebenso wie in einer Geige, einem<br />
Cello, einer Trompete, einer Gitarre oder auch in einer Baglama<br />
oder Bouzouki.<br />
Essen und das Ruhrgebiet wurden zur europäischen Kulturhauptstadt<br />
2010 auch deshalb ausgerufen, weil dort rund 150<br />
Ethnien zusammenleben und es wohl in keiner anderen Region<br />
der Welt so viele Musiker, Chöre, Bands und Gruppen der<br />
U- und E-Musik gibt. Sie alle werden musizieren und sich darüber<br />
hinaus in Tanz, Film, Literatur und vielen anderen Formen<br />
der Kultur gemeinsam zu Gehör und auf die Bühne bringen.<br />
Wenn man über Integration, Akkulturation oder gar Assimilation<br />
nachdenkt – von dem einen gefordert, von dem anderen<br />
gefürchtet – sollte man sich klar werden, von welchen Vorstellungen<br />
von Staat und Nation man sich leiten lässt. Denn in welche<br />
Gegenwart oder in welche Projektion von gesellschaftlichem<br />
Zusammenleben soll integriert werden?<br />
Diese Frage ist in <strong>Deutschland</strong> ebenso aktuell wie etwa in<br />
den Niederlanden, in Polen, Frankreich oder Spanien. Das nationale<br />
Selbstverständnis verbindet sich mit der Frage nach der<br />
kulturellen Identität. Und diese Frage wird grundiert vom Demokratieverständnis.<br />
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“<br />
– das ist der Leitsatz der Demokratie in Artikel 20 des Grundgesetzes.<br />
Alles staatliche Handeln muss aus dem Demokratieprinzip<br />
legitimiert sein. Deshalb ist sein Bezugspunkt stets das Volk und<br />
somit das Volksherrschaftsprinzip der Verfassung. Das Volk ist<br />
6 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Aktuelles<br />
Die Bundesregierung wirbt für den Nationalen Integrationsplan mit dem Slogan „... keine Frage der Herkunft“. Die Plakatkam pagne<br />
thematisiert verschiedene Bereiche des Lebens, in denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft begegnen.<br />
Ausgangs- und Bezugspunkt demokratischer Legitimation und<br />
gleichzeitig Grundbegriff der Demokratie. Unklar bleibt jedoch,<br />
welche Bezugsgröße damit gemeint ist. Es gilt daher, Begriffe<br />
wie Staatsvolk, Verbandsvolk und deutsches Volk im Sinne des<br />
Grundgesetzes zu ordnen.<br />
Staatstheoretische Ordnungs-Überlegungen könnte man in<br />
den Blick nehmen, wenn man sich der gegenwärtigen Bevölkerungsstruktur<br />
in <strong>Deutschland</strong> nähert. Die Vorstellung eines homogenen<br />
deutschen Volkes war kultur- und bevölkerungsgeschichtlich<br />
immer schon obsolet und nur von 1933 bis 1945 in<br />
der rassistischen NS-Ideologie ein Struktur- oder besser: Glaubensprinzip.<br />
Denn kaum ein Land ist so sehr geprägt durch die<br />
Zu- und Abwanderung von Menschen durch erzwungene und<br />
freiwillige Migration wie <strong>Deutschland</strong>.<br />
Und wie ist die Lage heute?<br />
In <strong>Deutschland</strong> leben gegenwärtig fünfzehn Millionen Menschen<br />
mit Migrationshintergrund aus zweihundert Staaten. Der<br />
Begriff „Migrationshintergrund“ hat sich „eingebürgert“. Manche<br />
sprechen von Mitbürgern mit Einwanderungsgeschichte oder<br />
versuchen anderswie zu umschreiben, dass diese nicht schon vor<br />
hundert Jahren, sondern erst vor Jahrzehnten oder noch kürzerer<br />
Zeit zu uns gekommen sind, um hier dauerhaft zu leben.<br />
Im Juli 2006 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum ersten<br />
Integrationsgipfel eingeladen und sodann im Juli 2007<br />
nach einem einjährigen Dialog mit Ländern, Kommunen, freien<br />
Trägern und zahlreichen Migrantenverbänden den Nationalen<br />
Integrationsplan (NIP) bekannt gegeben. Sie hatte dabei betont,<br />
dass wir ein „gemeinsames Verständnis von Integration zu entwickeln“<br />
haben.<br />
Die für den NIP zuständige Staatsministerin Maria Böhmer<br />
stellte bei der Vorstellung dieses Integrationsplans u. a. heraus,<br />
dass <strong>Deutschland</strong> als „europäisch gewachsene Kulturnation“<br />
stets vielfältige Einflüsse von außen aufgenommen habe, die<br />
wir heute ganz selbstverständlich als Teil unseres Landes und<br />
seiner Kultur betrachten.<br />
Sie greift damit einen Begriff des 2005 in Kraft getretenen<br />
novellierten Deutsche-Welle-Gesetzes, dem Gesetz zum deutschen<br />
Auslandssender, auf. Denn dort ist die „europäisch gewachsene<br />
Kulturnation“ erstmalig in einem Bundesgesetz zitiert<br />
worden. Der Deutschen Welle ist aufgegeben, <strong>Deutschland</strong><br />
als europäisch gewachsene Kulturnation und als freiheitlich verfassten<br />
demokratischen Rechtsstaat im Ausland darzustellen.<br />
Beim rechtlichen und kulturpolitischen Diskurs zu Fragen<br />
der Integration werden wir in <strong>Deutschland</strong> mit der Frage befasst,<br />
was uns – um Goethe aufzurufen – „im Innersten zusammenhält“.<br />
Nimmt man das Deutsche-Welle-Gesetz zur Hand<br />
und berücksichtigt die staatstheoretischen Ausführungen des<br />
Bundesverfassungsgerichts seit den 1990er Jahren, so wird erkennbar,<br />
dass der moderne Verfassungsstaat, der nunmehr in<br />
einer neuen Prägung in <strong>Deutschland</strong> sechzig Jahre demokratisches<br />
Leben entfaltet hat, auf Voraussetzungen aufsetzt, die<br />
er selbst nicht geschaffen hat. Die Antwort nach kultureller<br />
Identität <strong>Deutschland</strong>s als Staat und Nation ergibt sich aus<br />
dem Grundgesetz und seinen bundesverfassungsgerichtlichen<br />
Erläuterungen. Jedoch entwickelt sich das Kulturverständnis<br />
ebenso aus einem Wertegefüge, das auch außerhalb der Verfassung<br />
liegt und diese geradezu trägt und immer wieder befragt.<br />
Kulturelle Identität, der Spiegelbegriff zu Kulturnation<br />
oder Nationalkultur, ist kein homogener, sich geradezu zirkelnder<br />
Begriff, sondern ein ständiger Prozess, ein Vorgang der Suche<br />
nach Identität, ein Suchen, das sich nie ganz wird stillen<br />
lassen. Sie gründet auf Geschichte, geistige Werte, gemeinsame<br />
Tradition und natürlich auch auf Religion. So wie in anderen<br />
Staaten der Welt der Islam, der Konfuzianismus, der Buddhismus<br />
oder der Hinduismus Kultur prägend sind, so ist die politische<br />
Integrationswirkung des westlichen, besonders des westeuropäischen<br />
Kulturverständnisses im Christentum, in der<br />
Aufklärung sowie in der römischen und griechischen Antike<br />
begründet.<br />
Das moderne Nationenverständnis stützt sich weltweit auf<br />
das der Kulturnation. Sie ist kein Strategiebegriff für angeblich<br />
kulturelle Überlegenheit, sondern ein Integrationsprinzip, das<br />
das Eigene und Fremde in einem Prozess von Nehmen und Geben<br />
ausprägt. Dies ist die Essenz von Kultur, die indes unter dem<br />
Dach des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates besonders<br />
gedeiht und Verbindungen in der Wahrnehmung der Welt offen<br />
legt. Wie mühsam die Diskussion in der Deutschen Islamkonferenz<br />
ist, die parallel zum Nationalen Integrationsplan von<br />
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen<br />
wurde, machen die Einlassungen der Vertreter des Koordinierungsrats<br />
der Muslime in <strong>Deutschland</strong> deutlich. Die in den Ein<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 7
Aktuelles<br />
Die Integrationsbeauftragte, Maria Böhmer, betonte nach einem<br />
Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorganisationen,<br />
diese seien mit großem Engagement dabei, ihre Selbstverpflichtungen,<br />
die sich aus dem Nationalen Integrationsplan ergeben,<br />
einzulösen.<br />
leitungen zum Nationalen Integrationsplan statuierten Prinzipien<br />
für die Integration sind dort nicht unumstritten, da man<br />
schon dem Begriff der Integration nicht traut und vor allem dem<br />
Prinzip der Religionsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes<br />
eher eine exklusive Rolle zuschreibt. Zu Recht hat aber der Bundesverfassungsrichter<br />
Udo di Fabio diesem Grundrecht keine<br />
„De-Luxe“-Stellung attestiert, die berechtige, sich über alle anderen<br />
verfassungsrechtlichen Grundwerte der Verfassungsordnung<br />
hinwegzusetzen. Der moderne Verfassungsstaat ist verbindlich<br />
und kann keine Rechtsnischen erlauben. Die Regeln der<br />
Scharia können daher nicht an die Stelle unserer rechtsstaatlichen<br />
Prinzipien treten, und ein „anderes Kulturverständnis“<br />
muslimisch geprägter Migranten kann die Verbindlichkeit der<br />
rechtsstaatlichen Ordnung nicht in Frage stellen. Indes gilt: Die<br />
Vielfalt der Kulturen, regional, lokal, ja individuell bei jedem<br />
einzelnen Menschen zu schützen und auszuprägen, ist Grundprinzip<br />
des demokratischen Rechtsstaates. Jedoch führt die<br />
Idee eines Multikulturalismus oder ein anderes synkretisches<br />
Kulturverständnis zur Relativierung von Geschichte und Tradition,<br />
ebnet ein und führt gerade nicht zur Differenzierung<br />
und zur Distanz zur Welt – dem Wesenszug jedes Kunstwerks.<br />
Dies wäre mit dem Stand der kulturellen Zivilisation in <strong>Deutschland</strong><br />
nicht überein zubringen. Menschenrechte, Demokratie und<br />
Rechtsstaat bilden einen Dreiklang der Verfassungs- und damit<br />
Kulturprinzipien in <strong>Deutschland</strong> und in allen EU-Mitgliedstaaten.<br />
Für diese gilt es, offensiv zu werben.<br />
Beitrag der Museen zur Integration<br />
Zahlreiche Ausstellungen haben in den letzten Jahren die Migrationsprozesse<br />
in <strong>Deutschland</strong> thematisiert, manche Museen,<br />
etwa das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven, befassen<br />
sich ausschließlich mit diesen Fragen. 2007 hat das Institut<br />
für Museumsforschung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz<br />
bei sechstausend deutschen Museen eine Umfrage durchgeführt,<br />
die belegt, dass der Lern- und Erfahrungsort Museum hinsichtlich<br />
der verschiedenen Migrantengruppen in <strong>Deutschland</strong> noch<br />
gestärkt oder belebt werden kann. Bei etwa zweihundert Ethnien<br />
in <strong>Deutschland</strong> ist eine pauschale Darstellung nicht möglich,<br />
sondern man muss differenzieren und die Menschen dort<br />
ansprechen, wo sie leben. Ein Verbund aus Schule, Erwachsenenbildung,<br />
Vereinen und Medien wäre nützlich, um den Menschen<br />
das Gefühl zu vermitteln, dass sie willkommen sind und dass<br />
man mit ihnen gern zusammenleben will. Wer eingebürgert worden<br />
ist, ist Mitbürger zu hundert Prozent und hat Anspruch<br />
darauf, nicht als Exot betrachtet zu werden. Und wer als Ausländer<br />
rechtstreu hier lebt und sich so auf uns einlässt, ist ebenso<br />
willkommen. Dies ist zu vermitteln, könnte als museumspädagogisches<br />
Prinzip stärker betont werden.<br />
Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist eine Plattform<br />
für internationale Kultur- und Kunstprojekte. Die Staatlichen<br />
Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befassen sich mit<br />
vielen Herkunftsregionen der Zuwanderer. Die Deutsche Welle<br />
beschäftigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sechzig<br />
Nationen. Dies alles mag belegen, dass Zuwanderung nach<br />
<strong>Deutschland</strong> im Orient, in Asien oder den GUS-Staaten beginnt<br />
und diese Regionen uns daher etwas angehen.<br />
Dass Museen nicht alles leisten können, wo Bildungsanstrengungen<br />
auf der Strecke geblieben sind, ist unbestritten. Aber<br />
Museen sind Schmelztiegel der Bildung, und sie helfen, einen<br />
ei genen Standort zu finden. Deshalb heißt es im Nationalen<br />
Integrationsplan u. a.: „… wird BKM die Initiative ergreifen<br />
und beim International Council of Museums (<strong>ICOM</strong>) die Gründung<br />
einer Arbeitsgemeinschaft ‚Museum – Migration – Kultur<br />
– Integration‘ anregen. Sie soll das Ziel haben sich aus zutauschen,<br />
gemeinsame Ausstellungen zu planen oder zu ver mitteln<br />
und museums pädagogisch besser auf die in <strong>Deutschland</strong> lebenden<br />
Migran ten zuzugehen.“ Wer den soeben erschienenen Roman<br />
von Güner Yasemin Balci „Arabboy“ liest, weiß mehr über<br />
die Abgründe der Jugend in Berlin-Neukölln und damit auch<br />
von den Schwierigkeiten, solche Jugendliche museumspädagogisch<br />
anzusprechen.<br />
Die geplante Arbeitsgemeinschaft der Museen ist ein Vorhaben,<br />
das ganz dem entspricht, was Bundeskanzlerin Angela<br />
Merkel im Sommer 2007 sagte: „Integration ist eine Schlüsselaufgabe<br />
unserer Zeit“. Das ist in der Tat so, weshalb die Bundesregierung<br />
auch mit den EU-Partnern darüber im Gespräch<br />
ist. Die Migrationen in der Gegenwart und in den kommenden<br />
Jahren werden weiter auch die Kulturpolitik internationalisieren.<br />
Und immer geht es um die Frage des kulturellen Selbstverständnisses<br />
und somit auch um die Nationen und die Menschen,<br />
die wohl doch nicht in einer nur schwer zu fassenden<br />
„europäischen Identität“ aufgehen, sondern die unbedingt wahrnehmbar<br />
bleiben wollen. Wie schwierig das ist und wie sehr<br />
Identitäten – religiöse, kulturelle und nationale – brüchig zu<br />
werden drohen, sehen wir täglich in den Medien. Nicht wenige<br />
befürchten die Atomisierung der Gesellschaften – das ist die<br />
Angst, Halt zu verlieren.<br />
Wie Friedrich Hölderlin suchen viele daher ihr „freundlich<br />
Asyl“ im Gesang, in der Kunst und schließlich auch in den<br />
Museen. Denn die Künste spiegeln die Gestaltungs- und Erfahrungsweite<br />
eines Menschen. Da wir uns nicht verlieren wollen,<br />
braucht eine ganzheitliche Integrationspolitik gerade die Museen<br />
und deren internationale Zusammenarbeit.<br />
Die vollständige Fassung des Vortrages, den Dr. Matthias Buth am<br />
9. Oktober 2008 anlässlich der <strong>ICOM</strong>-Jahrestagung in Amsterdam<br />
gehalten hat, finden Sie unter www.icom-deutschland.de.<br />
8 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Aktuelles<br />
Die Herausforderungen<br />
für museale Bildungsarbeit<br />
Im Bereich der Schulen leisten Museen schon enorme Integrationsarbeit. Um<br />
aber auch Migranten jenseits schulischer Organisationsformen zu erreichen,<br />
müssten sich Museen stärker an deren Bedürfnissen orientieren und mit interkultureller<br />
Öffentlichkeitsarbeit auf sie zugehen.<br />
Matthias Hamann<br />
Älter, bunter, weniger – der demographische Wandel, der die<br />
europäischen Gesellschaften erfasst hat, lässt sich in drei knappen<br />
Begriffen zusammenfassen. Die Lösungen sind leider nicht<br />
so einfach. Barrierefreiheit, Integration und Wandel der sozialen<br />
Sicherungssysteme sind Handlungsfelder von immensem<br />
Ausmaß, wobei sich die Akteure ihrer Rolle nicht sicher sind.<br />
Die Kulturinstitutionen der unterschiedlichsten Sparten werden<br />
jedoch gefragt sein, mit verändertem Inhalt und adäquaten Vermittlungsangeboten<br />
einen Anteil zur Harmonisierung des gesellschaftlichen<br />
Strukturwandels zu leisten.<br />
Museen könnten wegen ihrer vergleichsweise einfachen Zugänglichkeit<br />
hier eine Vorreiterrolle spielen. Doch die gegenwärtige<br />
Situation ist eine andere. Insbesondere der Bevölkerungsanteil<br />
mit Migrationshintergrund – in <strong>Deutschland</strong> sind dies<br />
rund 15 Millionen Menschen – stellt eine Zielgruppe dar, die<br />
bislang wenig Anteil am kulturellen Geschehen hat und damit<br />
auch selten zu den Besuchern der Museen zählt. Dies hängt sicherlich<br />
mit einer gewissen Distanz von Zuwanderern gegenüber<br />
Bildern, Symbolen und Themen der westlichen Kultur zusammen,<br />
mit einem oftmals niedrigen Ausbildungsniveau und fehlenden<br />
Identifikationsmöglichkeiten oder -themen. Doch dieses<br />
Erklärungsmuster greift nur bei einem vergleichsweise geringen<br />
Teil der Migranten, wenngleich es dem in den Medien verbreiteten<br />
Bild von „Ausländern“ entspricht: verschleierte Frauen,<br />
unzureichen de Deutschkenntnisse, Leben in Parallelgesellschaften,<br />
reli giö ser Fundamentalismus.<br />
Die Verengung der Wahrnehmung macht nur allzu deutlich,<br />
dass die Kenntnisse über die potenzielle Zielgruppe auf Seiten<br />
der Museen – wie übrigens auch auf Seiten der Politik – relativ<br />
gering ist. Wer und was verbirgt sich hinter dem Schlagwort<br />
Migrationshintergrund? Was unternehmen Zugewanderte in<br />
ihrer Freizeit? Welche kulturellen Gewohnheiten und Interessen<br />
haben sie? Welche Medien nutzen, welche Zeitung lesen sie?<br />
Welche Kommunikationsstrategie müssen Kulturanbieter verfolgen,<br />
um die Zielgruppe zu erreichen? Ist es überhaupt nur<br />
eine einzige Zielgruppe?<br />
Dr. Matthias Hamann ist seit 2007 Direktor des Museumsdienstes<br />
Köln. Er verantwortet die Bildungsarbeit der städtischen Museen.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 9
Aktuelles<br />
In Berlin-Neukölln setzen sich Kiez-Manager erfolgreich dafür ein,<br />
Migranten für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu<br />
aktivieren. Dieses Engagement thematisiert die Ausstellung<br />
„Wie zusammen leben – Perspektiven aus Nord-Neukölln“ des<br />
Museums Neukölln. Die Besucher werden auf eine stilisierte Agora<br />
geleitet, die bewusst an das Zentrum antiker Städte, an Orte der<br />
Begegnung, des Handels sowie gesellschaftlicher Auseinandersetzung<br />
anknüpft (Fotos rechte Seite).<br />
„Wie zusammen leben“ ist Frage und Motivation für die Dis kussion<br />
über die Zukunft des multiethnisch geprägten Neuköllner<br />
Nordens. Teile der Ausstellung haben Museum und Kiez-Institutionen<br />
gemeinsam entwickelt.<br />
Aufklärung leistet eine Reihe von Untersuchungen, die die<br />
Lebenswelten von Migranten näher beleuchtet, darunter auch<br />
ihr kulturelles Interesse. Die Studie „Lebenswelten und Milieus<br />
von Menschen mit Migrationshintergrund“ (2007) fasst Menschen<br />
mit vergleichbaren Einstellungen, Lebensmodellen und<br />
Wertvorstellungen in „Milieus“ zusammen. Dabei konnten acht<br />
Migrantenmilieus erforscht werden; sie unterscheiden sich weniger<br />
nach sozialer Lage, Religion oder ethnischer Herkunft,<br />
sondern vielmehr nach Wertvorstellungen, Lebensstilen und<br />
Vorlieben. Sechs dieser Milieus sind durchaus kulturinteressiert<br />
oder sehen kulturelle Bildung als wichtigen Faktor für die<br />
Erfolgschancen ihrer Kinder. Hier wäre anzusetzen.<br />
Es fragt sich allerdings, ob die bestehenden Angebote der<br />
Museen auf das kulturelle Interesse der Migranten treffen.<br />
Denn wenn dies so wäre, dann wäre das Museumspublikum ja<br />
bunter. Tatsächlich stehen Museen in der Kulturnutzung auch<br />
aufgeschlossener Milieus frühestens in zweiter Reihe. Ein Paradigmenwechsel<br />
von der Angebots- zur Nachfrageorientierung<br />
tut offensichtlich Not, um ein breiteres Segment aus diesem Teil<br />
unserer Bevölkerung überhaupt zu erreichen. Doch wie lässt<br />
sich die Nachfrage überhaupt eruieren? Gespräche zwischen<br />
Anbietern und potenziellen Besuchern mit Migrationshintergrund<br />
sind eher selten, interkulturelle PR-Arbeit die Ausnahme.<br />
Vielleicht erleichtert ein Perspektivwechsel den Zugang,<br />
denn lernen könnten die Institutionen der Hochkultur beispielsweise<br />
von den Akteuren der freien Szene. Sie sind in ihren Strategien<br />
oftmals erfolgreicher, weil sie in kleinräumlicheren Strukturen<br />
agieren, stärker auf die Interessenlage einer bestimmten<br />
Zielgruppe eingehen können und oftmals selbst einen nichtdeutschen<br />
Hintergrund haben. Mit ihnen als Keyworker oder<br />
Multiplikator kann es gelingen, eine Zielgruppe aufzuschließen.<br />
Keyworking-Ansätze lassen sich auf andere Bereiche übertragen,<br />
wie die Erfahrungen aus einem Nürnberger Projekt<br />
beispielhaft belegen. Zusammen mit den so genannten Südstadtkids<br />
hat das Kunstpädagogische Zentrum der Museen in<br />
Nürnberg eine Reihe von Museumsführungen entwickelt. Dabei<br />
werden Jugendliche aus dem sozialen Brennpunkt nicht nur<br />
zu Guides, sondern führen immer wieder ihre eigenen Familien<br />
in die Ausstellungen und senken damit die Schwellenangst. Im<br />
Projekt „Zweite Heimat Köln“ führen junge Leute mit russischem,<br />
polnischem und türkischem Familienhintergrund ihre<br />
Communities auf deutsch und in der Muttersprache durch die<br />
ständige Sammlung des Kölnischen Stadtmuseums und bringen<br />
ihnen ihre zwar langjährige, aber oftmals völlig unbekannte<br />
Heimatstadt näher. Die Volkshochschule München arbeitet<br />
seit vielen Jahren mit der Zielgruppe Erwachsene und führt<br />
sie in verschiedenen Projekten durch die Münchner Museen.<br />
Im Mittelpunkt stehen dabei keineswegs kunst- oder kulturgeschichtliche<br />
Aspekte, sondern Aspekte von Spracherwerb<br />
und sozialer Teilhabe.<br />
Es ließen sich weitere Einzelbeispiele oder jetzt beginnende<br />
Projekte nennen. Der Museumsdienst Köln entwickelt unter<br />
dem Motto „Weiter Himmel“ eine Programmsparte für Menschen<br />
mit Migrationshintergrund, mit Beginn des Kulturhauptstadtjahres<br />
2010 wird das gesamte Ruhrgebiet die interkulturelle<br />
Öffnung seiner Kultureinrichtungen deutlich vor anbringen.<br />
Doch dies sind Leuchttürme im Dunklen. Die Durchsicht der<br />
bundesrepublikanischen Museumslandschaft zeigt, dass die Angebotspalette<br />
unzureichend ist, vergleicht man dies mit an Audience-Development-Modellen<br />
ausgerichteten Programmen im<br />
anglo-amerikanischen Raum, in Skandinavien oder in den Benelux-Staaten.<br />
Natürlich leisten Museen hervorragende integrative Vermittlungsarbeit,<br />
wenn es um den Bereich der Schulen geht, dem<br />
eigentlichen Kerngeschäft der Museumspädagogik. Der nicht<br />
nur in urbanen Siedlungsräumen bunter werdende kulturelle<br />
Mix der Kinder und Jugendlichen erfordert immer häufiger einen<br />
interkulturellen Dialog in der Vermittlung. Doch Ideen,<br />
einzelne Projekte oder gar feste Angebote, die Jugendwelten als<br />
Ausgangspunkt nehmen, die Hip-Hop mit Alten Meistern verbinden,<br />
einen Mangakurs zu einer Übersetzungsform spätgotischer<br />
Tafelmalerei werden lassen oder Schüler aus dem sozialen<br />
Brennpunkt zu Ausstellungskuratoren ihres eigenen Alltags<br />
werden lassen, sind – auf die Vielzahl der Museen bezogen –<br />
selten. Der Durchbruch wäre möglich, wenn Museen für Schulen<br />
nicht nur zum Lern-, sondern zum Erlebnisort würden.<br />
Die eigentliche Herausforderung für Museen liegt jedoch<br />
jenseits der schulischen Organisationsformen, dort nämlich,<br />
wo Menschen mit Migrationshintergrund im Beruf aufgehen,<br />
beschaulich in der Mitte der Gesellschaft leben, subkulturelle<br />
Strukturen suchen oder in prekäre Lebensverhältnisse geraten,<br />
dort also, wo die Museen auch mit der deutschen Bevölkerung<br />
ein Zielgruppenproblem haben. Menschen mit Migrationshintergrund<br />
sind genauso kulturafin oder -fern wie alle anderen,<br />
10 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Aktuelles<br />
der Museumsbesuch oder der Nichtbesuch ist also eine Frage<br />
der Bildung. Das Methodenrepertoire zur Erschließung unterschiedlicher<br />
Bildungsschichten liegt vor, die zur Verfügung stehende<br />
Veranstaltungspalette ist reichhaltig, vom niederschwel ligen<br />
Mutter-Kind-Programm in Kooperation mit So zialverbänden<br />
bis zum Museumsfest. Es fehlt oft an der Sprachkompetenz, an<br />
geeigneten Mitarbeitern und vor allem an ge eigneter interkultureller<br />
PR-Arbeit und entsprechendem Marketing.<br />
Sicherlich lässt sich das Thema nicht auf eine der musealen<br />
Aufgaben, das Vermitteln, reduzieren. Vermittlungsarbeit kann<br />
dann ihre Grenzen erweitern, wenn die Ausstellungen selbst<br />
sich dem Thema Migration und Integration widmen. Das Museum<br />
Neukölln tut dies seit Jahren mit großem Erfolg; im neuen<br />
Stadtmuseum Stuttgart wird Zuwanderung als Teil der jüngeren<br />
Stadtgeschichte behandelt werden.<br />
Doch beim Sammeln, Bewahren und Erforschen herrscht<br />
noch ein riesiger Aufholbedarf. Die Vermittlung kann eine<br />
Vor reiterrolle spielen, Desiderate aufzeigen und den Dialog<br />
herstellen. Dies ist notwendig, denn Museen sind für manche<br />
migrantische Zielgruppen oftmals unbekannte, im Extremfall<br />
sogar feindselige Einrichtungen. Ein Beispiel mag dies deutlich<br />
machen. Museumsleute sehen ihre Wirkungsstätte in der<br />
Regel als neutralen Ort des Dialogs. Für Migranten kann Museum<br />
jedoch etwas ganz anderes bedeuten, nämlich eine unbekannte<br />
Einrichtung der Stadt, des Landes oder des Staates.<br />
Und je nach Biographie werden kommunale oder staatliche<br />
Einrichtungen gleichgesetzt mit Behördengang, Aufenthaltsgenehmigung<br />
oder schwierigeren Themen. Diese Vorurteile lassen<br />
sich schnell beheben, wenn es gelingt, Migranten über die<br />
Schwelle zu bringen. Dann gewinnen Museen auch eine ganz<br />
andere Dimension von gesellschaftlicher Relevanz.<br />
Weitere Informationen:<br />
Zentrale Ergebnisse der Studie „Lebenswelten und Milieus von Menschen<br />
mit Migrationshintergrund“: www.sinus-sociovision.de<br />
Die Jahresausstellung WIE ZUSAMMEN LEBEN – PERSPEKTIVEN AUS<br />
NORD-NEUKÖLLN im Museum Neukölln läuft bis zum 28. Juni <strong>2009</strong>.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 11
Aktuelles<br />
„Raubkunst“ in musealen Sammlungen –<br />
zehn Jahre Washingtoner Konferenz<br />
Zum Umgang mit „verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“<br />
York Langenstein<br />
Ein historisches Ereignis jährte sich Ende 2008 zum zehnten<br />
Mal: Im Rahmen der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte<br />
aus der Zeit des Holocaust“ waren am 3. Dezember<br />
1998 die elf „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug<br />
auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt<br />
wurden“, verabschiedet worden. Diese „Washing toner<br />
Erklärung“ (Washington Principles) bildet seither die – nicht<br />
rechtsverbindliche – Grundlage für den Umgang mit Kunstobjekten<br />
aus Museen in Bezug auf Anspruchsteller, die sich auf<br />
den Verlust durch verfolgungsbedingten Entzug berufen können.<br />
Die Washingtoner Prinzipien sind klar, eingängig und nachvollziehbar<br />
formuliert. Ein Wesenselement der Grundsätze ist,<br />
dass sie sich nicht auf Rechtsansprüche stützen, sondern einen<br />
Ausgleich auf der Grundlage fairer und gerechter Lösun gen<br />
anstreben. Der Mangel an rechtlicher Durchsetzbarkeit wird<br />
durch den ethisch-moralisch begründeten Appell an die Adressaten<br />
wettgemacht, dem insbesondere auch in <strong>Deutschland</strong><br />
durch Regelungen für die zügige Klärung und verfahrensmäßige<br />
Abwicklung von Restitutionsanträgen, die sich auf Kulturgüter<br />
in musealen Sammlungen beziehen, Rechnung getragen<br />
worden ist.<br />
Grundsätze der Washingtoner Konferenz<br />
Im Bestreben, eine Einigung über nicht bindende Grundsätze herbeizuführen, die zur Lösung offener Fragen und Probleme im Zusammenhang<br />
mit den durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerken beitragen sollen, anerkennt die Konferenz die Tatsache, dass die Teilnehmerstaaten<br />
unterschiedliche Rechtssysteme haben und dass die Länder im Rahmen ihrer eigenen Rechtsvorschriften handeln.<br />
1. Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, sollten identifiziert werden.<br />
2. Einschlägige Unterlagen und Archive sollten der Forschung gemäß den Richtlinien des International Council on Archives zugänglich<br />
gemacht werden.<br />
3. Es sollten Mittel und Personal zur Verfügung gestellt werden, um die Identifizierung aller Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt<br />
und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, zu erleichtern.<br />
4. Bei dem Nachweis, dass ein Kunstwerk durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurde, sollte<br />
berücksichtigt werden, dass aufgrund der verstrichenen Zeit und der besonderen Umstände des Holocaust Lücken und Unklarheiten in der<br />
Frage der Herkunft unvermeidlich sind.<br />
5. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, Kunstwerke, die als durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge<br />
nicht zurückerstattet identifiziert wurden, zu veröffentlichen, um so die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ausfindig zu machen.<br />
6. Es sollten Anstrengungen zur Einrichtung eines zentralen Registers aller diesbezüglichen Informatio nen unternommen werden.<br />
7. Die Vorkriegseigentümer und ihre Erben sollten ermutigt werden, ihre Ansprüche auf Kunstwerke, die durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt<br />
und in der Folge nicht zurückgegeben wurden, anzumelden.<br />
8. Wenn die Vorkriegseigentümer von Kunstwerken, die durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückgegeben<br />
wurden, oder ihre Erben ausfindig gemacht werden können, soll ten rasch die nötigen Schritte unternommen werden, um eine gerechte<br />
und faire Lösung zu finden, wobei diese je nach den Gegebenheiten und Umständen des spezifischen Falls unterschiedlich ausfallen<br />
kann.<br />
9. Wenn bei Kunstwerken, die nachweislich von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückgegeben wurden, die<br />
Vorkriegseigentümer oder deren Erben nicht ausfindig gemacht werden können, sollten rasch die nötigen Schritte unternommen werden,<br />
um eine gerechte und faire Lösung zu finden.<br />
10. Kommissionen oder andere Gremien, welche die Identifizierung der durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerke vornehmen<br />
und zur Klärung strittiger Eigentumsfragen beitragen, soll ten eine ausgeglichene Zusammensetzung haben.<br />
11. Die Staaten werden dazu aufgerufen, innerstaatliche Verfahren zur Umsetzung dieser Richtlinien zu entwickeln. Dies betrifft insbesondere<br />
die Einrichtung alternativer Mechanismen zur Klärung strittiger Eigentumsfragen.<br />
12 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Aktuelles<br />
Online-Datenbanken wie die der Koordinierungsstelle<br />
für Kulturgutverluste lostart.de, des<br />
Bundesamtes für zentrale Dienste und offene<br />
Vermögensfragen oder des Deutschen<br />
Historischen Museums zum „Sonderauftrag Linz“<br />
sollen helfen, Kunstraub während der NS-Zeit<br />
aufzuklären.<br />
Gemeinsame Erklärung<br />
Ziemlich genau ein Jahr nach der Anerkennung der Washingtoner<br />
Prinzipien durch die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> als einer<br />
der 44 Teilnehmerstaaten der Washingtoner Konferenz haben<br />
sich die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen<br />
Spitzenverbände im Rahmen einer Selbstverpflichtung zu deren<br />
Umsetzung bekannt. In der am 14. Dezember 1999 her ausgegebenen<br />
„Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der<br />
kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe<br />
NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere<br />
aus jüdischem Besitz“ – in die Praxis unter der Kurzbezeichnung<br />
„Gemeinsame Erklärung“ eingeführt – haben die<br />
Unterzeichner mit Wirkung für die öffentlich unterhaltenen Museen<br />
die Bereitschaft bekundet, über die schon bisher u. a. im<br />
Rahmen der alliierten Rückerstattungsregelungen, des Bundesrückerstattungsgesetzes<br />
und des Bundesentschädigungsgesetzes<br />
geleistete Rückerstattung und Wieder gutmachung hinaus die<br />
Suche nach verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern aktiv<br />
fortzusetzen, vorhandene Informationen, Forschungsstände<br />
und Unterlagen zu erschließen und offen zu legen sowie gegebenenfalls<br />
die notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine<br />
faire und gerechte Lösung zu finden.<br />
Auch die Einrichtung einer Internet-Datenbank, wie sie später<br />
als eine der Kernaufgaben der Koordinierungsstelle für<br />
Kulturgutverluste mit der Lost-Art-Internet-Database zur Veröffentlichung<br />
von Fund- und Suchmeldungen realisiert worden<br />
ist, wurde damals als Projekt in die Gemeinsame Erklärung mit<br />
aufgenommen.<br />
Die Anerkennung der Washingtoner Prinzipien und die Erklärung<br />
der Bereitschaft zur Rückgabe von Objekten mit belasteter<br />
Provenienz auf der Grundlage einer fairen und gerechten<br />
Lösung eröffnet jenseits des Rechtsweges die Möglichkeit, Anträge<br />
auf Restitution zu prüfen und ihnen gegebenenfalls stattzugeben,<br />
denen sonst die Einrede der Verjährung entgegenstände:<br />
Nach deutschem Recht – bzw. nach den Verjährungsfristen<br />
des Bürgerlichen Gesetzbuchs – erlöschen nämlich Rechtstitel<br />
auf Herausgabe beweglicher Güter spätestens nach dreißig<br />
Jahren (§ 197 Abs. 1 BGB). Auch die sonst gültigen Beweislastregeln,<br />
die dem Kläger den Nachweis seines Anspruchs<br />
auferlegen, sind in Restitutionsverfahren abgemildert.<br />
Handreichung zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung<br />
Die in den ersten Jahren noch nicht gefestigte Praxis des Umgangs<br />
mit dem Auftrag zur Ermittlung verfolgungsbedingt entzogener<br />
Kulturgüter in musealen Sammlungen veranlasste die<br />
Herausgabe einer Handreichung zur Umsetzung der Gemeinsamen<br />
Erklärung im Februar 2001, die vom Beauftragten der<br />
Bundesregierung für Kultur und Medien im November 2007<br />
in einer überarbeiteten und erweiterten Neufassung vorgelegt<br />
worden ist.<br />
Die übersichtliche und praxisorientierte Handreichung gibt<br />
erste Hilfestellungen bei der Bestandsprüfung und der Sammlungsdokumentation,<br />
ergänzt durch spezielle Hinweise zur Auffindung<br />
NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts mit dem<br />
Schwerpunkt der Erwerbungen zwischen 1933 und 1945: Die<br />
Kernfragen zu den Erwerbungsumständen „was? – wann? –<br />
wo? – wie? – von wem?“ sind in einem Prüfraster zusammengestellt<br />
und werden durch Erläuterungen zu den Verdachtsmomenten<br />
für einen verfolgungsbedingten Entzug ergänzt.<br />
Auch für den Fall, dass ein Museum mit Restitutionsansprüchen<br />
konfrontiert ist, bietet die Handreichung eine Orientierungshilfe<br />
zu den relevanten fachlichen und rechtlichen Fragestellungen<br />
(siehe hierzu: V. Orientierungshilfe zur Prüfung des<br />
verfolgungsbedingten Entzugs und zur Vorbereitung von Entscheidungen<br />
über Restitutionsbegehren und Anlage V B mit ergänzenden<br />
Erläuterungen, in die auch die Rechtsprechung in<br />
Rückgabesachen mit wesentlichen Entscheidungen eingegangen<br />
ist).<br />
So vermittelt die Handreichung Anhaltspunkte auf dem<br />
schwierigen Weg der Suche nach fairen und gerechten Lösungen<br />
im Spannungsverhältnis zwischen dem Auftrag des Museums,<br />
seine Sammlung zu bewahren, und dem Anliegen, dem jeweiligen<br />
Antragsteller, seinen Erben oder den Trägern einer sonstigen<br />
abgeleiteten Rechtsposition Gerechtigkeit widerfahren zu<br />
lassen und erlittenes Unrecht nach Möglichkeit wieder gutzumachen.<br />
Bei den sehr unterschiedlichen Gegebenheiten und den<br />
vielfach eingeschränkten Möglichkeiten der Antragsteller, den<br />
geltend gemachten Rückgabeanspruch lückenlos zu belegen,<br />
hat die Rechtsprechung Entscheidungen zur Beweislastverteilung<br />
getroffen, die zunehmend zu einer Beweislastumkehr<br />
führen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Vermutungs<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 13
Aktuelles<br />
Der Raub von Kulturgütern während der<br />
NS-Zeit hatte viele Gesichter: Goebbels<br />
besuchte die Ausstellung „Entartete<br />
Kunst“ 1938 in Berlin. Für die 1937<br />
erstmals in München als „Hauptstadt der<br />
Bewegung“ präsentierte Propaganda-<br />
Ausstellung, die anschließend als<br />
Wanderausstellung in deutschen<br />
Großstädten gezeigt wurde, waren<br />
mehrere hundert Kunstwerke der<br />
Moderne in Museen und Privatsammlungen<br />
konfisziert worden.<br />
regelung, dass Vermögensverluste von NS-Verfolgten im Verfolgungszeitraum<br />
ungerechtfertigte Entziehungen waren. Das<br />
jeweilige Museum wird also im Zweifel eine nachvollziehbare<br />
Sachdarstellung des Antragstellers zu akzeptieren haben, wenn<br />
sich keine begründeten Gegenargumente vorbringen lassen.<br />
Spektakuläre Rückgabefälle haben eine breite Resonanz in<br />
den Medien gefunden und erhitzen die Gemüter bis heute: Das<br />
gilt für Kirchners „Straßenszene“, ehemals im Brücke-Museum<br />
Berlin, ebenso wie für die aktuelle Diskussion um die Rückgabe<br />
der Plakatsammlung Sachs im Deutschen Historischen Museum,<br />
wo allerjüngst durch ein Urteil des Landgerichts Berlin die<br />
bisherige Praxis zur Restitution von NS-Raubkunst in Frage<br />
gestellt wurde mit der befürchteten Folge einer neuen Prozessflut,<br />
sowie mit Blick in unser Nachbarland Österreich für den<br />
Verlust der nationalen Ikone des ganzfigurigen Porträts der<br />
„Adele Bloch-Bauer I“ auf Goldgrund, das in der Folge einer<br />
Restitutionsklage aus dem Belvedere in Wien – ebenso wie Kirchners<br />
„Straßenszene“ – über Auktionen in die Neue Galerie<br />
Ronald Lauders nach New York gelangte.<br />
Tatsächlich fällt es den Außenstehenden oft schwer, ohne genauere<br />
Kenntnis der jeweiligen Umstände und Erwägungen die<br />
getroffenen Entscheidungen nachzuvollziehen. Doch sollten diese<br />
umstrittenen und selbst unter Fachleuten leidenschaftlich<br />
diskutierten Einzelfälle nicht das vorrangige Ziel in Frage stellen,<br />
durch Restitutionsverfahren alle Anstrengungen zu unternehmen,<br />
um den Rechtsfrieden herzustellen, auch über den<br />
jeweiligen Einzelfall hinaus, wohl wissend, dass angesichts des<br />
menschenverachtenden Unrechts, das Millionen von Menschen<br />
in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erlitten<br />
haben, eine Wiedergutmachung im eigentlichen Sinne<br />
nicht mehr möglich ist. In der überwiegenden Zahl von Rückgabeverfahren<br />
gelingt es, zu einem fairen Ausgleich zu kommen:<br />
Häufig können auch Vereinbarungen über den Erwerb von zu<br />
restituierenden Kunstwerken oder über ihre weitere Überlassung<br />
als Leihgabe getroffen werden, die den Verbleib in der<br />
jeweiligen Sammlung sichern.<br />
Hilfe und Selbsthilfe bei Provenienzrecherche und Restitution<br />
Die Museen sind bei Projekten der Provenienzrecherche, bei der<br />
Abgabe von Fund- und Suchmeldungen sowie bei der Einleitung<br />
und Durchführung von Restitutionsverfahren nicht allein<br />
gelassen. Eine erste Hilfestellung bieten die regionalen und überregionalen<br />
Museumsorganisationen. Für eine qualifizierte Unterstützung<br />
stehen als Ansprechpartner aber vor allem die Koordinierungsstelle<br />
für Kulturgutverluste und die Arbeitsstelle<br />
Provenienzrecherche/-forschung zur Verfügung.<br />
Die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste wurde 1994<br />
als Einrichtung mehrerer Länder in Bremen geschaffen zunächst<br />
mit dem Auftrag, die institutionellen Kriegsverluste von Kulturgütern<br />
zu dokumentieren. Seit 2001 – damals trat der Bund<br />
neben nun alle Länder mit einem Anteil von 50 Prozent in die<br />
Trägerschaft ein – ist es eine der Kernaufgaben der Koordinierungsstelle,<br />
entsprechend den Grundsätzen der Washingtoner<br />
Erklärung Such- und Fundmeldungen zu „NS-verfolgungsbedingt<br />
entzogenen Kulturgütern“ – also zur „Raubkunst“ – sowie<br />
darüber hinaus zu „kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern“<br />
– mithin zur „Beutekunst“ – zu dokumentieren und diese in einer<br />
Datenbank zugänglich zu machen: Die kürzlich in zeitgemäßem<br />
Erscheinungsbild neu aufgesetzte Datenbank lostart.de<br />
ist heute die zentrale, auch international genutzte Informationsgrundlage<br />
zu Kulturgutverlusten in der Folge der nationalsozialistischen<br />
Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten<br />
Weltkriegs.<br />
Seither ist die Koordinierungsstelle auch durch die kontinuierliche<br />
Veranstaltung von Tagungen wie auch durch Workshops,<br />
zum Teil in Zusammenarbeit mit den regionalen Museumsorganisationen<br />
in Erscheinung getreten. Ebenso gehören ihre Publikationen<br />
heute zu den unverzichtbaren Grundlageninformationen<br />
zum Themenkreis Provenienzrecherche und Restitution:<br />
Insbesondere sei bei dieser Gelegenheit das Augenmerk auf die<br />
wissenschaftliche Buchreihe gerichtet.<br />
Neben der Dokumentation von Fund- und Suchmeldungen,<br />
die auf Wunsch auch vertraulich behandelt werden, stehen die<br />
14 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Aktuelles<br />
Hitler und Göring vor dem Gemälde „Die Falknerin“ von Hans Makart. 1938 für die Reichskanzlei Berlin von der Kunsthandlung Haberstock<br />
erworben, nach Kriegsende im Central Collecting Point, 1962 vom Sonderreferat „Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen<br />
Amt“ (TVK) als ehemaliger NS-Besitz den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zugewiesen.<br />
Mitarbeiter/innen der Koordinierungsstelle stets beratend zur<br />
Verfügung.<br />
In den Jahren nach der Verabschiedung der Washingtoner Erklärung<br />
und ihrer Umsetzung durch die Gemeinsame Erklärung<br />
der Bundesregierung, der Länder und der Kommunalen<br />
Spitzenverbände kam eine systematische Provenienzforschung<br />
nur zögerlich in Gang. Zunächst entstanden projektbezogene<br />
Insellösungen an Brennpunkten, bei denen der Verdacht der<br />
Existenz bislang nicht erkannter, verfolgungsbedingt entzogener<br />
Kulturgüter in den Sammlungsbeständen besonders nahe lag.<br />
Vorreiter waren die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die<br />
bereits 1999 die Provenienzforschung aufnahmen. Wichtigstes<br />
Ergebnis des nach drei Jahren wieder eingestellten Projekts ist<br />
der von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 2004 herausgegebene<br />
Provenienzbericht von Ilse von zur Mühlen zur<br />
Untersuchung der Bestände der so genannten „Sammlung Göring“.<br />
Im Oktober 2000 folgte die Hamburger Kunsthalle, bei<br />
der die Ergebnisse der zunächst projektbezogen aufgenommen<br />
Forschungen von Ute Haug schließlich die Einrichtung einer<br />
festen Stelle veranlassten. Zu den frühen Pilotprojekten gehörten<br />
auch Forschungsvorhaben an der Städtischen Galerie im Lenbachhaus<br />
in München mit der Sammlung der Künstler des<br />
Blauen Reiters, am Wallraf-Richartz-Museum in Köln oder –<br />
um ein kleineres Stadtmuseum zu nennen – an den Städtischen<br />
Kunstsammlungen in Augsburg, die ab 2002 eine systematische,<br />
unlängst publizierte Untersuchung der als Nachlass der Stadt<br />
Augsburg übergebenen Kunstsammlung und Archivbestände<br />
des im Dritten Reich tätigen Kunsthändlers Karl Haberstock<br />
veranlassten.<br />
Diese Insellösungen drängten auf fachlichen Austausch: Schon<br />
ab November 2000 entstand das Netzwerk des Arbeitskreises<br />
Provenienzforschung mit überwiegend freiberuflich und projektbezogen<br />
tätigen Mitarbeitern an Museen, das auch den Kontakt<br />
zu den mit Vermögensfragen befassten Finanzbehörden – so<br />
zunächst zur Oberfinanzdirektion Berlin und später zum Bundesamt<br />
für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen – sowie<br />
zu Organisationen der Betroffen herstellte.<br />
An eine breitere Öffentlichkeit trat der Arbeitskreis Provenienzforschung<br />
mit der Organisation der in der Hamburger<br />
Kunsthalle im Februar 2002 veranstalteten Tagung „‚Die eigene<br />
GESCHICHTE‘ – Provenienzforschung an deutschen<br />
Kunstmuseen im internationalen Vergleich“, und dem darauf<br />
folgenden Kolloquium „Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik<br />
1933–1945“ in Köln.<br />
Bis heute ist der Arbeitskreis Provenienzforschung das vitale<br />
Zentrum des fachlichen Austauschs von Fachinformationen im<br />
Kreis der in der Provenienzrecherche tätigen Experten geblieben.<br />
Mit der Einrichtung der Arbeitsstelle für Provenienz recherche/-forschung<br />
beim Institut für Museumsforschung der Staatlichen<br />
Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz<br />
hat die Provenienzforschung in <strong>Deutschland</strong> einen institutionellen<br />
Anlaufpunkt erhalten. Die Arbeitsstelle ist in der Folge<br />
der abschließenden Beratung der von Kulturstaatsminister<br />
Bernd Neumann eingerichteten Arbeitsgruppe zu Restitutionsfragen<br />
am 17. November 2008 ins Leben gerufen worden. Über<br />
die von der Kulturstiftung der Länder finanziell unterstützte<br />
Arbeitsstelle werden die im Haushalt des Beauftragten des<br />
Bundes für Kultur und Medien für Projekte der Provenienzrecherche/-forschung<br />
bereitgestellten Fördermittel bewilligt.<br />
Darüber hinaus ist es Ziel der Arbeitsstelle, die kontinuierliche<br />
Vernetzung der auf dem Gebiet der Provenienzforschung<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 15
Aktuelles<br />
Craig Hugh Smyth, erster Direktor des Central Art Collecting Point in München, 1945/46. Der CCP untersuchte von den Nationalsozialisten<br />
angelegte Sammellager für Beute- und Raubkunst und veranlasste die Restitution von beschlagnahmten und verfolgungsbedingt<br />
entzogenen Kunstwerken.<br />
tätigen Personen und Institutionen und den damit verbundenen<br />
Austausch an Informationen und Erfahrungen zu fördern. Bei<br />
der Publikation von Forschungsergebnissen und der Suche nach<br />
den rechtmäßigen Eigentümern arbeitet die Arbeitsstelle auf der<br />
Grundlage einer Kooperationsvereinbarung eng mit der Koordinierungsstelle<br />
für Kulturgutverluste zusammen.<br />
Inzwischen sind die ersten Anträge auf Förderung von Projekten<br />
der Provenienzrecherche/-forschung bewilligt worden.<br />
Es eröffnen sich damit Perspektiven, wichtige Grundlagenarbeit<br />
in Angriff zu nehmen. Nur als ein Beispiel sei ein Verbundprojekt<br />
genannt, in dessen Rahmen von einer Arbeitsgemeinschaft<br />
Münchner Museen unter Federführung der Bayerischen<br />
Staatsgemäldesammlungen die Geschichte des Münchner Kunsthandels<br />
in der Zeit des Dritten Reichs aufgearbeitet werden soll,<br />
um auch von dieser Seite her Licht in das Dunkel der Kulturverluste<br />
im Nationalsozialismus zu bringen.<br />
Zehn Jahre Washingtoner Erklärung – eine Bilanz<br />
Wenn man im Rückblick auf die zehn Jahre nach der Verabschiedung<br />
der Washingtoner Erklärung eine Bilanz zieht, ist<br />
festzustellen, dass sich die Haltung zum Themenkreis Kulturgutverluste,<br />
Provenienzforschung und Restitution gewandelt<br />
hat. Konfrontiert mit Erwartungen, die sie glaubten nicht erfüllen<br />
zu können, fühlten sich die Museen zunächst vielfach<br />
allein gelassen. Das führte im Einzelfall auch zu einem Verdrängen<br />
der Probleme, ja zu einer Verweigerungshaltung mit<br />
der gelegentlich zu hörenden Begründung, man könne doch<br />
nicht anfangen, ohne personelle und finanzielle Ressourcen nach<br />
der Stecknadel im Heuhaufen zu suchen.<br />
Tatsächlich hat sich in den letzten zehn Jahren viel bewegt,<br />
mental, fachlich, organisatorisch. Die Tabuisierung der Thematik<br />
wurde aufgebrochen, neue Wege der Zusammenarbeit<br />
sowie der fachlichen Beratung und finanziellen Förderung eröffnet.<br />
Sichtbarer Ausdruck dieses Wandels war die beeindruckende<br />
Veranstaltung des vom Beauftragten der Bundesregierung für<br />
Kultur und Medien initiierten Symposiums „Verantwortung<br />
wahrnehmen: NS-Raubkunst – Herausforderung an Museen,<br />
Bibliotheken und Archive“ am 11. und 12. Dezember 2008 in<br />
Berlin, zu dem mehr als dreihundert Kulturpolitiker, Wissenschaftler,<br />
Vertreter von Behörden, Institutionen und Fachverbänden<br />
sowie der Organisationen der Betroffenen mit großer<br />
internationaler Beteiligung eingeladen waren. Die Bestandsaufnahme<br />
des bisher Erreichten, die den weiterhin erforderlichen<br />
Aktivitäten zur Umsetzung der Ziele der Washingtoner<br />
Erklärung gegenübergestellt wurde, vermochte zu verdeutlichen,<br />
dass Provenienzforschung und Restitution in den öffentlichen<br />
Museen und Sammlungen in <strong>Deutschland</strong> als eine vorrangige<br />
politische Aufgabe anerkannt werden, die auch zeitnah zu erledigen<br />
ist, denn, so Staatsminister Bernd Neumann: „Eigentlich<br />
geht es um die Schicksale von Menschen, die Identität von<br />
Familien und auch um die Endlichkeit des Lebens.“<br />
Manches bleibt noch zu tun, denn Provenienzforschung beschränkt<br />
sich bislang im Wesentlichen auf wichtige Pilotprojekte,<br />
feste Stellen sind kaum geschaffen worden. Ein positives<br />
Zeichen setzt insoweit die Einrichtung eines eigenen Referats<br />
Provenienzforschung unter Leitung von Andrea Bambi an den<br />
Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München, das über<br />
die Überprüfung der Sammlungsbestände hinaus auch das<br />
Schicksal jüdischer Kunsthändler und Sammler in München<br />
1933 bis 1945 erforschen soll. Auch die Bewilligung von 15 Millionen<br />
Euro durch den Freistaat Sachsen für den Aufbau einer<br />
16 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Aktuelles<br />
Spektakuläre Rückgaben wie Ernst Ludwig Kirchners „Berliner<br />
Straßenszene 1913“ (Foto) oder Gustav Klimts „Adele Bloch-Bauer I“<br />
haben enorme Medienresonanz gefunden. Diese selbst unter<br />
Fachleuten hitzig diskutierten Einzelfälle sollten nicht das vorrangige<br />
Ziel in Frage stellen, durch Restitutionsverfahren den<br />
Rechtsfrieden herzustellen.<br />
Datenbank, in der die Sammlungsbestände der Staatlichen<br />
Kunstsammlungen digital erfasst und dabei auch auf ihre Provenienz<br />
überprüft werden sollen, unterstreicht die Bereitschaft,<br />
Sammlungsgeschichte zu dokumentieren und aufzuarbeiten,<br />
selbst wenn es dabei nicht primär um die Dokumentation verfolgungsbedingt<br />
entzogenen Kulturguts geht. Trotz dieser bemerkenswerten<br />
„Leuchtturmprojekte“ muss es allerdings ein<br />
Anliegen bleiben, das Thema der Provenienzrecherche und<br />
Restitution insgesamt auf eine breitere Basis zu stellen.<br />
Dr. York Langenstein, bis Ende Juli 2008 Leiter der Landesstelle für die<br />
nichtstaatlichen Museen in Bayern, ist seit 2005 Präsident von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>; icom@icom-deutschland.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Als aktuelle und anschauliche Einführung kann auch der Katalog zur<br />
Ausstellung „Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz<br />
1933 bis heute“ empfohlen werden, die im Jüdischen Museum Berlin<br />
vom 19. September 2008 bis 1. Februar <strong>2009</strong> gezeigt wurde. Der Katalog<br />
kann beim Jüdischen Museum Berlin zum Preis von € 24,90 bezogen<br />
werden.<br />
Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Magdeburg:<br />
www.lostart.de<br />
Die Internetseite verweist unter > Handreichung > Gemeinsame Erklärung<br />
und > Washingtoner Prinzipien auf die folgenden Grundlagentexte:<br />
1. Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung,<br />
der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung<br />
und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes,<br />
insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999<br />
2. „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen<br />
Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt<br />
entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“<br />
vom Dezember 1999<br />
3. Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke,<br />
die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington<br />
Principles)<br />
Die Bibliographie enthält ein gegliedertes Schrifttumsverzeichnis zu<br />
den Themen: Neuerscheinungen, Allgemeine Literatur, Bibliographien<br />
und Periodika, Nationalsozialistischer Kunstraub, Kriegsbeding te Verlagerung<br />
von Kulturgütern, Provenienzforschung und Sammlungsgeschichte,<br />
Restitution von Kulturgütern, Kunsthandel, Juristische<br />
Aspekte.<br />
Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung, Berlin:<br />
www.smb.museum/provenienzforschung<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 17
Rückblick<br />
Kulturelle Bildung und Integration<br />
In den Museen steigt zwar die Zahl der speziellen Bildungsangebote für Migranten,<br />
doch Integration kann nur gelingen, wenn sich Migranten in den Ausstellungen als Teil<br />
der jeweiligen nationalen Kultur und Geschichte wiederfinden.<br />
Annegret Ehmann<br />
Vom 9. bis 11. Oktober 2008 veranstaltete <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seine Jahrestagung einschließlich der Mitgliederversammlung in der<br />
Reinwardt-Akademie in Amsterdam und setzte damit die Tradition fort, die Kontakte zu den dortigen Nationalkomitees zu festigen.<br />
Auf der gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Niederlande organisierten Tagung ging es vor allem um die Frage, auf welche Weise Museen als<br />
Orte der kulturellen Bildung Integrationsprozesse vorantreiben und mitgestalten können. Dabei waren sich die Experten beider<br />
Länder einig: Zuwanderern darf man nicht als zu integrierenden Objekten begegnen – interkultureller Dialog und Integration<br />
setzen stattdessen gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung der Migrationsgeschichte voraus. Anhand deutscher und niederländischer<br />
Beispiele wurde deutlich, wie inklusive Museumarbeit gelingen kann.<br />
Die Reinwardt-Akademie für kulturelles Erbe wurde 1976 gegründet,<br />
zu einer Zeit, als sich die Auffassung von professioneller Museumsarbeit<br />
wandelte. Dies schlug sich auch in den Ausbildungscurricula<br />
nieder. Stand früher die Ausbildung von traditionellen Museumskuratoren<br />
im Vordergrund, so rückte allmählich das interdiziplinär<br />
ausgerichtete Museums-Networking ins Blickfeld. Heute gehört die<br />
Reinwardt-Akademie als Fakultät für Museologie zur Amsterdamer<br />
Hochschule der Künste. In den Räumen der Reinwardt-Akademie hat<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seine Jahrestagung 2008 abgehalten.<br />
Die Reinwardt-Akademie als Tagungsort hätte passender für<br />
das Thema der Jahrestagung und die Begegnung von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> mit <strong>ICOM</strong> Niederlande nicht gewählt werden<br />
können. Die Reinwardt-Akademie in Amsterdam erinnert mit<br />
ihrem Namen an einen Museologen der ersten Stunde, den<br />
„Migranten“ Caspar Georg Carl Reinwardt (1773–1854). Im<br />
Alter von vierzehn Jahren verließ er sein Heimatdorf Lüttringhausen<br />
im Bergischen Land, um in Amsterdam Botanik und<br />
Chemie zu studieren, machte wissenschaftliche Karriere und<br />
galt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten<br />
Universalgelehrten. Er begründete nicht nur Botanische<br />
Gärten auf Java und in den Niederlanden, sondern auch<br />
zwei naturhistorische und ethnografische Museumssammlungen.<br />
Die Reinwardt-Akademie wurde 1976 als Berufsfachschule<br />
für nichtakademische Museumsberufe gegründet. Heute gehört<br />
sie als Fakultät für Museologie zur Hochschule der Küns te<br />
in Amsterdam.<br />
Die Tagung begann mit einem Empfang im Van-Gogh-Museum<br />
und einer Besichtigung ausgewählter Teile der Sammlung.<br />
Die deutschen und niederländischen Gäste wurden vom Direktor<br />
des Museums, Axel Rüger, dem stellvertretenden Direktor<br />
des Rates für Erziehung und Integration in Amsterdam, Bart<br />
Top, sowie den Präsidenten von <strong>ICOM</strong> Niederlande und <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>, Albert Scheffers und York Langenstein, herzlich<br />
willkommen geheißen. Albert Scheffers betonte die exzellente<br />
Vorbereitung und Zusammenarbeit mit den Organisatoren von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, die <strong>ICOM</strong> Niederlande als Partner weitgehend<br />
vor Ort von Arbeit entlastet habe.<br />
Das inhaltlich dichte Tagungsprogramm eröffneten Theo<br />
Tho massen, „Hausherr“ und Direktor der Akademie, Flora<br />
van Regteren für das niederländische Ministerium für Bildung,<br />
Kultur und Wissenschaft, Hanna Pennock für den Vorstand<br />
des Weltverbandes <strong>ICOM</strong> sowie der beiden Präsidenten von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Niederlande. Nach Überblicksvorträgen<br />
zu den jeweiligen Museumslandschaften sowie zu den<br />
Aktivitäten der beiden nationalen Komitees folgten die ersten<br />
zwei Vorträge zum Tagungsthema.<br />
Integration – Ziele und Projekte der nationa len Kulturpolitik<br />
Die Vertreterin des niederländischen Bildungsministeriums,<br />
Flora van Regteren, nannte in ihrem Beitrag die drei Grundprinzipien<br />
der niederländischen Kulturpolitik: Die Regierung<br />
diktiert und zensiert Kunst und Wissenschaft nicht, Kultur ist<br />
Sache der Wahrnehmung des Betrachters und Vielfalt und Partizipation<br />
sind das Ziel.<br />
18 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Rückblick<br />
Seit 1999 sei die niederländische Kulturpolitik bestrebt, kulturelle<br />
Vielfalt zu fördern. Der Schwerpunkt liege auf der Vermittlung<br />
grundlegender Geschichtskenntnisse in allen Bevölkerungsgruppen.<br />
Denn historisch-politische Bildung solle von<br />
allen gleichermaßen erworben und geteilt werden, da sie kulturelle<br />
Identität und gesellschaftliche Partizipation fördern<br />
könne. Das Deutsche Historische Museum in Berlin und das<br />
Haus der Geschichte in Bonn gelten als Beispiele für Museen,<br />
die man auch in den Niederlanden gern hätte.<br />
Seit 2007 werde daher an einem Kanon grundlegender historischer<br />
Kenntnisse über wichtige Daten, Ereignisse und Personen<br />
gearbeitet. Das niederländische Kulturprogramm von<br />
2007 „Art for Life’s Sake“ sehe zur Förderung kultureller Partizipation<br />
vor, dass Kinder und Jugendliche bis zum Alter von<br />
achtzehn Jahren aktiv oder passiv eine oder mehrere Kunstgattungen<br />
kennen lernen. Der Zehn-Punkte-Aktionsplan beinhalte<br />
insbesondere die Kooperation von Museen und Schulen,<br />
um kulturelle Kreativität bei den Heranwachsenden zu fördern.<br />
Die Regierung schaffe dafür die Rahmenbedingungen wie z. B.<br />
kostenfreie Museumsbesuche und curriculare Vorgaben. Pädagogische<br />
Projekte über kulturelle Vielfalt werden angeregt und<br />
gute Beispiele publiziert.<br />
Den Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung<br />
<strong>Deutschland</strong> erläuterte in seinem Vortrag über „Kulturelle Identität<br />
und Museen“ Matthias Buth, Ministerialrat beim Beauftragten<br />
der Bundesregierung für Kultur und Medien. Kulturelle<br />
Identität leitete er vor allem aus dem Demokratieprinzip<br />
und dem Volksherrschaftsprinzip der Artikel 20 und 116 des<br />
Grundgesetzes ab. Doch blieben seine rechtswissenschaftlichen<br />
Ausführungen zu den Begriffen Volk, Staatsvolk, Kulturnation<br />
und vor allem die historischen Rückblicke in Anbetracht des<br />
Themas Integration von Zuwanderern problematisch und trugen<br />
leider wenig zur Klärung der spezifisch deutschen Probleme<br />
mit der Integration von Migranten bei. Man denke etwa an den<br />
Sturm der Entrüstung, den noch 1999 der Konzeptkünstler<br />
Hans Haacke mit seiner künstlerischen Installation „Der Bevölkerung“<br />
im Innenhof des Reichtagsgebäudes als Gegengewicht<br />
zur Widmung „Dem deutschen Volke“ am Portal des<br />
Gebäudes auslöste.<br />
Die im Vortrag gestellte Frage „In welches gesellschaftliche<br />
Zusammenleben soll integriert werden?“ legte zudem nahe,<br />
dass im Unterschied zum niederländischen Partizipationsgedanken<br />
die deutschen Regierungsvorstellungen eher Integration<br />
von oben bzw. das Einfordern von Akkulturation und die<br />
Akzeptanz der Werte oder der Leitkultur einer „europäisch<br />
gewachsenen Kulturnation“ bedeuten. Die Idee des Multikulturalismus<br />
führe, so der Referent, zu Relativierung von Geschichte<br />
und Traditionen und sei mit dem Stand der kulturellen<br />
Zivilisation in <strong>Deutschland</strong> nicht vereinbar. Als praktische Beispiele<br />
für deutsche Integrationsprojekte nannte Buth das Projekt<br />
„Jedem Kind ein Instrument“ (JEKI) zur musikalischen<br />
Förderung von Kindern und Jugendlichen im Ruhrgebiet, das<br />
Haus der Kulturen der Welt in Berlin als Plattform für Kulturund<br />
Kunstprojekte sowie die Neuregelung der Aufgaben des<br />
deutschen Auslandssenders Deutsche Welle im Geiste der „Freiheits-<br />
und Humanitätsideale von Schiller, Goethe, Herder und<br />
Heine“. Deutsche kulturelle Identität beruhe darüber hinaus<br />
auf dem Christentum, der griechisch-römischen Antike, der<br />
Aufklärung, den Menschenrechten, der Demokratie und dem<br />
Rechtsstaat. Für diese kulturelle Basis müsse bei den Migranten<br />
offensiv geworben werden. Den Museen komme dabei eine<br />
besondere Rolle als Mittler von Kunst- und Kulturerfahrungen<br />
zu. Daher sehe der Nationale Integrationsplan vor, dass das<br />
Amt des Beauftragten für Kultur und Medien zusammen mit<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> eine Arbeitsgemeinschaft „Museen-Migration-Kultur-Integration“<br />
einrichtet, um „museumspädagogisch<br />
effizienter auf die in <strong>Deutschland</strong> lebenden Migranten<br />
zuzugehen“.<br />
Bei den historischen Rückblicken des Referenten vermisste<br />
ich wesentliche, leider nicht jedermann geläufige Informationen:<br />
Noch bis in die 1990er Jahre wurde von Regierungsseite<br />
hartnäckig behauptet, <strong>Deutschland</strong> sei kein Einwanderungsland.<br />
Die Vorstellung von einem homogenen deutschen Volk war<br />
keineswegs auf die NS-Zeit beschränkt. Der im Sprachgebrauch<br />
noch immer gängige Begriff Volk beinhaltet weiterhin die Vorstellung<br />
von einer Abstammungsgemeinschaft des Staatsangehörigkeitsrechts<br />
von 1913, wobei damals das Ius-Sanguinis-<br />
Prinzip im Kontext des Verbots der „Mischehen“ in den deut schen<br />
Kolonien verschärft, und sogenannte koloniale „Mischlinge“<br />
und deren Nachkommen vom Anspruch auf deutsche Staats<br />
Anita Böcker<br />
Erfolge und Misserfolge der Integration –<br />
Die Niederlande und Deutsch land im Vergleich<br />
Jahrzehntelang fühlten sich die Niederlande als Musterbeispiel für<br />
eine gelungene multikulturelle Gesellschaft. Seit den Wahlerfolgen<br />
der Rechten im Jahr 2002 steckt dieses Selbstverständnis jedoch in<br />
einer tiefen Krise. <strong>Deutschland</strong> hat sich indes als negatives<br />
Gegenbild gesehen. Seit der beschlossenen Einbürgerung der in<br />
<strong>Deutschland</strong> geborenen Migranten-Kinder laufen die Diskussionen<br />
jedoch zunehmend sachlich. In beiden Ländern besteht nur noch<br />
ein loser Zusammenhang zwischen den faktischen Entwicklungen<br />
und den öffentlichen Debatten, die vor allem von der jeweils<br />
eigenen Identitätssuche bestimmt sind: Die Niederlande als auch<br />
<strong>Deutschland</strong> haben lange gezögert, sich als Einwanderungsländer<br />
zu begreifen.<br />
In den Niederlanden einigte man sich Anfang der Achtziger auf eine<br />
Minderheitenpolitik – nicht ohne Erfolg: Die Mehrzahl der<br />
Immigranten ist eingebürgert, in allen Parteien sind Politiker mit<br />
Migrationshintergrund tätig, viele von Einwanderern mitgebrachte<br />
religiöse Riten und Institutionen sind durch den Staat anerkannt, es<br />
gibt zahlreiche Antidiskriminierungsgesetze. Die deutsche Politik<br />
hat all dies nicht getan, dennoch sind die Diskrepanzen zwischen<br />
Einwanderern und Einheimischen in <strong>Deutschland</strong> wesentlich<br />
kleiner als in den Niederlanden, vor allem in Bezug auf Bildungserfolge,<br />
Arbeitslosigkeit und Segregation.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 19
Rückblick<br />
angehörigkeit ausgeschlossen wurden – eine Regelung, die bis<br />
heute gültig ist und – wie im aktuellen Fall Gerson Liebl aus<br />
Togo – angewendet wird! Erst im Jahr 2000 wurde dieses antiquierte<br />
Staatsangehörigkeitsrecht durch das Ius-Soli-Prinzip<br />
ergänzt, so dass Kinder von Ausländern bei der Geburt in<br />
<strong>Deutschland</strong> die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Dagegen<br />
wurden Nachfahren deutscher Auswanderer, deren Vorfahren<br />
sich vor über 200 Jahren in Osteuropa angesiedelt hatten,<br />
seit den 1960er Jahren angeworben und bekamen bei der<br />
Ankunft automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt.<br />
Die Einbürgerungsbestimmungen für Ausländer wurden<br />
2000 etwas erleichtert. Für die Einbürgerung ist u. a. der<br />
Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse erforderlich<br />
und, was vielen Migranten schwerfällt, die Aufgabe der<br />
bisherigen Staatsangehörigkeit. Nicht so in den Niederlanden,<br />
dort ist Doppelstaatsangehörigkeit die Regel. Diese Informationen<br />
hätten den Nationalen Integrationsplan der deutschen<br />
Bundesregierung, die Integrationsbereitschaft der deutschen<br />
Mehrheitsgesellschaft, aber auch die statistischen Angaben zur<br />
Migrationsbevölkerung in <strong>Deutschland</strong> doch in einem etwas anderen<br />
Licht erscheinen lassen.<br />
Darüber hinaus kann man bei allen drei für die Integrationsbemühungen<br />
der Bundesrepublik angeführten Beispielen fragen,<br />
ob sie primär zur Eingliederung und Partizipation der Migranten<br />
gedacht sind und was sie dazu überhaupt leisten: Das<br />
Programm der Deutschen Welle richtet sich vor allem „an die<br />
lieben Landsleute in der Welt“ und ist ein PR-Instrument für<br />
die Bundesrepublik in über dreißig Sprachen, wofür Migranten<br />
aufgrund ihrer landeskundlichen und sprachlichen<br />
Kompetenzen gebraucht werden. Das Haus der Kulturen der<br />
Welt erreicht mit seinen elitären Veranstaltungen nicht einmal<br />
die deutschen Durchschnittsbürger, geschweige denn die hier<br />
lebenden Migranten. Auch von dem begrüßenswerten JEKI-<br />
Programm profitieren nicht primär Migrantenkinder, sondern<br />
es ist allenfalls ein bildungspolitisches Trostpflaster angesichts<br />
der Defizite der musikalischen Schulbildung.<br />
Edith Neumann<br />
Das Interesse am Gedächtnis der Anderen wecken –<br />
Migration als Thema im Stadtmuseum Stuttgart<br />
Das inter- und transkulturelle Gedächtnis der Stadt Stuttgart ist<br />
bislang noch in keinem der zahlreichen Stuttgarter Museen und<br />
Archive thematisiert worden. Weder die Geschichte der Ein- und<br />
Auswanderung noch die Lebensgeschichten der Menschen oder die<br />
dreidimensionalen Objekte der Migration waren bisher Gegenstand<br />
des musealen Forschens, Sammelns und Bewahrens oder gar der<br />
Schaustellung. Nun plant Stuttgart, neben Wiesbaden die einzige<br />
Landeshauptstadt in <strong>Deutschland</strong>, die noch kein Stadtmuseum<br />
besitzt, ein solches bis zum Jahr 2012 mitten im Herzen der Stadt<br />
einzurichten. Da die Stadt in <strong>Deutschland</strong> über den höchsten Anteil<br />
an Migranten in der Bevölkerung verfügt, stellt sich die Frage nach<br />
der Identität der „Stuttgarter“. Es gilt, die durch Migration, d. h.<br />
durch Menschen, geprägte Stadtgeschichte zu entdecken und zu<br />
erforschen, um sie in einer neuen, großen Stadterzählung zu<br />
präsentieren. Könnte es mit der musealen Schaffung einer<br />
„gemeinsamen Vergangenheit“ gelingen, Stuttgart als gemeinsame<br />
Heimat von rund 170 Nationen zu charakterisieren?<br />
Petra Hesse-Mohr<br />
Evet – Ja, ich will! Hochzeitskultur und Mode von 1800 bis heute:<br />
eine deutsch-türkische Begegnung<br />
Jüngste Umfragen unter den in <strong>Deutschland</strong> lebenden Menschen<br />
mit Zuwanderungsgeschichte belegen, dass sich diese mehr<br />
Angebote wünschen, die die Kultur ihres Herkunftslandes thematisieren.<br />
Mit der Ausstellung „EVET – JA, ICH WILL!“ reagieren die<br />
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und das Museum für Kunst<br />
und Kulturgeschichte in Dortmund auf dieses Bedürfnis und präsentieren<br />
ein erstes interkulturelles Projekt, das neue Wege für<br />
kultur- und stadtgeschichtliche Angebote eröffnet.<br />
Auf die Begegnung der türkischen und der deutschen Kultur<br />
ausgerichtet, lädt die Ausstellung zum Dialog auf mehreren Ebenen<br />
ein: Sie präsentiert hochkarätige Exponate aus den renommierten<br />
Museen beider Länder. Sie vermittelt dem deutschen wie dem<br />
türkischen Publikum Erkenntnisse über die eigene und die fremde<br />
Kultur. Das Thema spricht potentiell jeden an, denn für viele ist die<br />
Hochzeit nach wie vor das zentrale Lebensfest. Auf einer weiteren<br />
Ebene bereichern authentische Hochzeitsgeschichten in Wort und<br />
Bild die Ausstellung. Sie sollen anregen, in Führungen und<br />
Veranstaltungen des umfangreichen Begleitprogramms den Faden<br />
der Erlebnisse weiterzuspinnen.<br />
20 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Rückblick<br />
Wie Museen zu Orten der Integration werden können<br />
Nach der Mittagspause wurden mehrere Beispiele von deutschen<br />
und niederländischen Integrationsprojekten vorgestellt.<br />
Léontine Meijer-van Mensch, Dozentin für theoretische Museologie<br />
und Ethik an der Reinwardt-Akademie, erläuterte, wie<br />
sich die Ausbildungscurricula der Akademie von der Museologie<br />
hin zur „Heritology“ gewandelt haben. Es ständen nicht<br />
mehr die traditionellen Kuratoren klassischer musealer Sammlungen<br />
im Vordergrund der Ausbildung, sondern die gegenwartsorientierten,<br />
interdisziplinären Networker, der mit anderen<br />
Museen, Archiven, Bibliotheken, Stadtteil-Kulturzentren<br />
von Migranten sowie professionellen und privaten Sammlern<br />
zusammenarbeiten. Astrid Weij, Reinwardt-Absolventin, präsentierte<br />
das Projekt Erfgoed Nederland, in dem nicht Museen,<br />
sondern Erinnerungsorte als kulturelles Erbe fokussiert werden.<br />
Ziele dieses Projektes seien die Erforschung und fotografische<br />
Dokumentation von Orten kultureller Bedeutung, die<br />
Erstellung einer Datenbank sowie die Einflussnahme auf politische<br />
Entscheidungen über die Bewahrung dieser kulturellen<br />
Landschaftsdenkmale. Schüler und Schulen sollen zu Projekten<br />
in ihrem Lebensumfeld angeregt werden, die Diversität,<br />
Multiperspektivität und Identität fördern. Für sie selbst sei als<br />
Kind von Rhein-Mosel-Schiffern z. B. eine Rheinbrücke bei<br />
Mannheim biographisch bedeutungsvoll gewesen.<br />
Edith Neumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Planungsstab<br />
für ein neues Stadtmuseum in Stuttgart, stellte das innovative<br />
Konzept als Work in Progress vor. Menschen aus 170<br />
Nationen leben in Stuttgart, vierzig Prozent der Bevölkerung<br />
haben einen Migrationshintergrund. 2012 werden fünfzig bis<br />
siebzig Prozent der Schulkinder aus Migrantenfamilien kommen.<br />
Auf diese demografischen Veränderungen stelle sich das<br />
geplante Museum ein, indem es Ein- und Auswanderung sowie<br />
individuelle Lebensgeschichten thematisiere, Objekte der Migrationsgeschichten<br />
sammele und die durch Migration geprägte<br />
Stadtgeschichte darstelle – Leitideen auf dem Weg zu einer<br />
gemeinsamen neuen Stadterzählung und zu Stuttgart als ge<br />
Renée Kistemaker<br />
The EU‘s Project „Entrepreneurial Cultures in European Cities“.<br />
Why an International Project on Entrepreneurs and Museums?<br />
During the EU’s project „Entrepreneurial Cultures in European<br />
Cities“ (1 September 2008–31 August 2010) museums and cultural<br />
organisations in cities from seven European countries want to<br />
co-operate with entrepreneurs in exhibitions, community work and<br />
acquisition. Firstly the project will focus on economic, social and<br />
cultural strategies of entrepreneurs who started a business quite<br />
recently, many of whom have an immigrant background. Secondly<br />
the project will involve an interaction with the customers, also often<br />
from an immigrant background. Intercultural dialogue is therefore<br />
an important and natural starting point in the implementation of<br />
this project.<br />
Konrad Vanja<br />
Das Museum Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen<br />
zu Berlin als Ort des interkulturellen Dialogs<br />
Das Museum Europäischer Kulturen wurde 1999 gegründet und<br />
vereinigte das ehemalige Museum für (Deutsche) Volkskunde mit<br />
der Europäischen Sammlung des heutigen Ethnologischen<br />
Museums. Unter dem Titel „Kulturkontakte in Europa“ begann das<br />
Museum mit einer programmatischen Ausstellung „Faszination<br />
Bild“, die nicht nur das alte volkskundliche Konzept einer zweigeteilten<br />
Gesellschaft von Unter- und Oberschichten zu einer<br />
gesamtgesellschaftlichen Betrachtung aufhob, sondern konsequent<br />
eine zivilisationsgeschichtliche Perspektive verfolgte. Zu<br />
einem Schwerpunkt entwickelte sich die Migrationsthematik als<br />
Ort, Gesellschaft neu zu definieren im Sinne vom so genannten<br />
Eigenen und Fremden („Was ist deutsch?“). Verschiedene Ausstellungsprojekte,<br />
„Crossing Borders“ und „Heimat Berlin?“ wurden<br />
gemeinsam mit den Gemeinden in Berlin und mit europäischen<br />
Partnermuseen entwickelt. Das Museum Europäischer Kulturen<br />
veranstaltet jährlich Kulturtage zu einer europäischen Region oder<br />
einer europäischen Stadt, die ihren Anknüpfungspunkt jeweils in<br />
den Sammlungen des Museums haben. Mehrere Arbeitskreise<br />
verbinden unter der Obhut des Museums Fachleute und Laien in<br />
Tagungen an verschiedenen Orten Europas.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 21
Rückblick<br />
meinsamer Heimat von vielen Nationen seien Durchlässigkeit,<br />
Partizipation, Kooperation und Bereitschaft zum transkulturellen<br />
Blick. Neben historischen Recherchen und Kooperation mit<br />
Kulturvereinen von Migranten seien 160 Schulen zur Mitarbeit<br />
angesprochen worden. In sogenannten Stadtlabors können<br />
sich Kinder und Jugendliche an der Städteplanung beteiligen.<br />
Nach einer Präsentation mit dem Titel „Be(coming) Dutch“<br />
über die Rolle moderner Kunst im Abbemuseum in Eindhoven,<br />
endete die Vortragsreihe des Nachmittags mit einer Präsentation<br />
eines deutsch-türkischen Begegnungs- und Ausstellungsprojekts<br />
über „Hochzeitskultur und Mode von 1800 bis heute“.<br />
Petra Hesse-Mohr, Leiterin des Museums Zeughaus der Reiss-<br />
Engelhorn-Museen in Mannheim, hat es in Kooperation mit<br />
dem Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund als<br />
interkulturelles Projekt mit einem umfangreichen Begleitprogramm<br />
realisiert. Das Aufgreifen des in allen Kulturen wichtigen<br />
lebens- und alltagsgeschichtlichen Themas Hochzeit habe<br />
sich als sehr geeignet erwiesen, ein deutsches und türkisches<br />
Publikum anzusprechen.<br />
Wer nach diesem informationsgesättigten Lerntag noch Energien<br />
hatte, eilte zum Empfang ins nahegelegene Tropenmuseum,<br />
wo bei exotischem Fingerfood zwangloser Gedankenaustausch<br />
möglich war.<br />
NS-Geschichte auf Türkisch<br />
Zweifellos der Höhepunkt des nächsten Vormittags war der<br />
Bericht des in Köln lebenden türkischsprachigen Schriftstellers<br />
Doğan AkhanlΙ. Nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Erfahrungen<br />
mit politischer Verfolgung, Folter und Haft in der<br />
Türkei engagiere er sich für historisch-politische Menschenrechtsbildung<br />
am Kölner NS-Dokumentationszentrum EL-DE-<br />
Haus. In dem heutigen Museumsgebäude befand sich von<br />
1936–1945 die Gestapo-Zentrale für den Gau Rheinland und<br />
Aachen. AkhanlΙ bietet türkischsprachige Führungen durch<br />
die Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ an.<br />
Doğan Akhanlı<br />
Meine Geschichte – Unsere Geschichte. Türkischsprachige<br />
Führungen im NS-Dokumentationszentrum Köln, EL-DE-Haus<br />
EL DE steht für Leopold Dahmen, den ehemaligen Besitzer dieses<br />
Hauses, das er 1936 an die Gestapo vermietet hatte. Diese richtete<br />
darin u. a. einen Gefängnis- und Foltertrakt ein. Nach dem Krieg<br />
war hier die Stadtverwaltung untergebracht. Im Juni 1997 wurde<br />
das Haus als Dokumentationzentrum zur Geschichte des Nationalsozialismus<br />
in Köln wiedereröffnet. Als ich 2002 mit den türkischsprachigen<br />
Führungen begann, wusste ich, dass meine Landsleute<br />
mit allerlei Erinnerungen an die Türkei gekommen waren: darunter<br />
Gefängnis, Verfolgung, Flucht, Verbannung und der Völkermord an<br />
den Armeniern. Die offizielle Türkei hat dieses Verbrechen und auch<br />
das Schicksal der Türken in der NS-Zeit bis heute nicht aufgearbeitet.<br />
War es dennoch möglich, die Erinnerungsarbeit der Deutschen<br />
auch für türkische Migranten erfahrbar zu machen? Ich erzähle bei<br />
den Führungen die NS-Zeit nicht als deutsche nationale Geschichte,<br />
sondern als Beziehungsgeschichte. Denn der Völkermord an den<br />
Armeniern und die Shoah waren Verbrechen nicht nur gegen<br />
Armenier bzw. gegen Juden, sondern auch gegen die Menschheit.<br />
Und Antisemitismus vergiftet nicht nur die Mehrheitsgesellschaft,<br />
sondern auch die Einwanderer. Die türkischsprachigen Führungen<br />
sind daher ein Angebot, das für eine universelle, historisch<br />
orientierte Menschenrechtsbildung plädiert.<br />
Mirjam Shatanawi<br />
Urban Islam: Museums and the Public Debate on Islam<br />
„Urban Islam“ was developed and shown at the Tropenmuseum<br />
Amsterdam (2004) and the Museum der Kulturen in Basel,<br />
Switzerland (2006). The exhibition set out to explore contemporary<br />
Islam in different parts of the world. In order to do so, it presented<br />
the individual stories of young Muslims living in five cities across the<br />
globe and their search for an Islamic identity in a rapidly globalising<br />
world. Through the use of interactive tools the exhibition<br />
aimed to serve as an arena for debate.<br />
Given today’s heavily politicised climate, museological representations<br />
of Islam will always be framed by the public debate of which<br />
they inevitably will become part. Museums aim to act responsibly<br />
and aspire to build bridges between a diversity of cultures but they<br />
cannot escape the force of existing representations. One of the<br />
results is that museums position themselves as mediators for<br />
cultures in confrontation. Yet although the intentions of museums<br />
might be to challenge the current debate on Islam, I suggest their<br />
chosen strategy of producing alternative images of Islamic cultures<br />
actually weakens their undertaking, and might even turn out to be<br />
counterproductive.<br />
22 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
RÜCKBLICK<br />
Die beeindruckende Darlegung seiner Motivation, sich selbst<br />
aktiv am Diskurs der historischen Aufarbeitung von Verfolgung<br />
und Massenmordverbrechen in der deutschen und türkischen<br />
Geschichte zu beteiligen und Mittler zwischen den<br />
Deutschen und seinen türkischen Landsleuten im Prozess der<br />
Auseinandersetzung mit kollektiven Erinnerungen auf beiden<br />
Seiten zu werden, zeigt exemplarisch, welche Potenziale im interkulturellen<br />
Dialog noch ungenutzt sind. Sein Beispiel ist<br />
weitgehend singulär. Er spreche nicht jugendliche Schüler, sondern<br />
Erwachsene an, die er als Eltern ermuntern wolle, sich mit<br />
ihren Kindern über historisch-kulturelle Fragen auszutauschen.<br />
Integration der Migrationsbevölkerung kann, wie auch einige<br />
vorherige Diskussionsbeiträge aus den Museen zeigten, nur gelingen,<br />
wenn sie nicht paternalistisch im Migranten das zu integrierende<br />
Objekt sieht und bearbeitet, sondern ihm auf gleicher<br />
Augenhöhe begegnet.<br />
Die abschließende Podiumsdiskussion mit sieben Diskutierenden<br />
und Beiträgen aus dem Publikum moderierte <strong>ICOM</strong>-<br />
Barry van Driel<br />
Understanding Diversity<br />
Since its publication, „The Diary of Anne Frank“ has appealed to a<br />
very broad public and the universal message that is contained in<br />
her writing provides the Anne Frank House with a unique opportunity<br />
to reach young people irrespective of their ethnicity or<br />
background. This young Jewish girl’s life history contains compelling<br />
evidence of the need to combat the roots of genocide and<br />
persecution – prejudice, discrimination and the rejection of others<br />
simply because of their ethnicity, race, nationality, religion, etc. In<br />
short, the rejection of their ,otherness’.<br />
The project „Understanding Diversity“ connects students from two<br />
different countries. The students work together via email and the<br />
internet to develop questionnaires, interview people in their<br />
community and then publish several web pages that describe their<br />
findings. This project aims to address existing feelings of distrust<br />
and hostility towards ,others’ in our local communities (especially<br />
immigrants) and to make young people more empathetic towards<br />
those considered ,different’ and sometimes ,undesirable’ in their<br />
own communities.<br />
<strong>Deutschland</strong>-Vorstandsmitglied Christoph Lind. Es ging dabei<br />
hauptsächlich um Fragen, wie man die Öffentlichkeit außerhalb<br />
der Museen erreichen und diese zur Partizipation an Kultur<br />
und zur Auseinandersetzung mit Erinnerungskulturen motivieren<br />
könne.<br />
Ein kolonialer Diskurs im Museum<br />
Am Nachmittag wurden Führungen und Gespräche in Ams terdams<br />
Historischem Museum, dem Van-Gogh-Museum, dem<br />
Anne-Frank-Haus und dem Tropenmuseum angeboten. Ich entschied<br />
mich für den Workshop im Tropenmuseum aus sehr persönlichem<br />
Interesse an Kolonialgeschichte und dem heutigen<br />
Diskurs darüber. Es gab dazu eine umfangreiche Textsammlung,<br />
die wohl als Vorbereitung gedacht war, weshalb ich sie in der<br />
Nacht trotz großer Müdigkeit noch durchlas. Doch wurde auf<br />
diese Texte im Workshop selbst kein Bezug genommen. Schade.<br />
Sehr aufschlussreich und gelungen erlebte ich die Führung<br />
von Pim Wes terkamp, dem Kurator der Südostasien-Abteilung<br />
des Museums, der eine interessante Beobachtungsaufgabe zu<br />
einem Filmclip aus Indonesien vorbereitet hatte. In diesem<br />
sollte das Verhalten der Kolonialherren gegenüber den Kolonisierten<br />
anhand von Gesten und nonverbaler Körpersprache gedeutet<br />
werden. In einem Brainstorming wurden individuelle<br />
Wahrnehmungen der Ausstellung gesammelt und verschiedene<br />
Aspekte hinterfragt und vertieft, wie z. B. Fragen nach indonesischen<br />
Perspektiven, dem Mitwirken von Ehemaligen aus<br />
der Kolonie an der Ausstellung, dem Fehlen der Darstellung<br />
von Gewalt, dem Stand der kritischen Auseinandersetzung mit<br />
der Kolonial zeit. Es gab viel zu erfahren, dass z. B. die Kenntnisse<br />
heutiger junger Niederländer über die Kolonialgeschichte<br />
sehr gering sind und demnächst eine TV-Serie startet, die<br />
diese Defizite beheben soll. Vorherrschend sei in der niederländischen<br />
Mehrheitsgesellschaft weiterhin die eigene Perspektive.<br />
Die große Gruppe der niederländischen Eurasier, ca<br />
500.000 Menschen „gemischter“ Herkunft, die nach 1943 ins<br />
Land kamen, fühlten sich in der Ausstellung nicht hinreichend<br />
repräsentiert. Die Indonesier wollten sich im Museum nicht als<br />
passive Opfer sehen. Eine Lehrtafel für Schulen vermittelte<br />
Bilder von Indonesiern als wilden, aggressiven Menschen. Mit<br />
diesen vielen interessanten Aspekten hätte die Gruppe sich sicher<br />
noch länger beschäftigt, was aber aus Zeitgründen leider<br />
nicht möglich war.<br />
An den Museumsbesuchen in Haarlem am Sonntagvormittag<br />
konnte ich wegen der Rückreise nach Berlin leider nicht mehr<br />
teilnehmen, aber es blieb mir noch genug Zeit zum Besuch des<br />
hervorragend gestalteten Widerstandsmuseums in Amsterdam,<br />
das mit viel Zeit sich zu erschließen ich hiermit allen <strong>ICOM</strong>-<br />
Mitgliedern bei einem weiteren Besuch Amsterdams nachdrücklich<br />
empfehlen möchte.<br />
Annegret Ehmann, <strong>ICOM</strong>-Mitglied seit 2006, arbeitet als freiberufliche<br />
Journalistin, Publizistin und Dozentin. Seit fast dreißig Jahren<br />
ist sie in der Gedenkstättenarbeit tätig, u. a. in Yad Vashem/Israel, im<br />
Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin, und im Förderverein Museum<br />
Blindenwerkstatt Otto Weidt; annegret.ehmann@riemer-it.de<br />
Die vollständige Fassung des Betrages finden Sie unter<br />
www.icom-deutschland.de.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 23
RÜCKBLICK<br />
Kulturelles Erbe als Handelsware<br />
Die „Rote Liste der gefährdeten Antiken Perus“ – Beispiel der Partnerschaft des<br />
Internationalen Museumsrates <strong>ICOM</strong> mit den Zoll- und Polizeibehörden im Kampf gegen<br />
den illegalen Handel mit Kulturgütern<br />
York Langenstein<br />
Weltweit spiegeln die Auktionskataloge die Globalisierung des legalen wie des illegalen Handels mit Kulturgütern. Es sind beispielsweise<br />
auch die Ausgrabungsfunde aus Mittel- und Südamerika, die bei seriösen wie bei weniger seriösen Sammlern besonders<br />
beliebt sind, nicht zuletzt auch, weil sie oft für wenig Geld zu haben sind.<br />
Die Sogwirkung dieses globalen Marktes für archäologische<br />
Funde, aber etwa auch für ethnographische Objekte wie Kultgegenstände,<br />
Skulpturen, Masken und Textilien, führt zur<br />
Plünderung und Verarmung ganzer Kulturlandschaften und<br />
nimmt den betroffenen Völkern ihre Geschichte und Identität.<br />
Deshalb zählt der Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern<br />
zu den Kernanliegen des Internationalen Museumsrats<br />
<strong>ICOM</strong>. Bei der Verfolgung, Ermittlung und Rückgabe illegal<br />
in den Handel gelangter Kulturgüter arbeitet <strong>ICOM</strong> eng mit<br />
den internationalen und nationalen Zoll- und Polizeibehörden<br />
zusammen, so insbesondere mit Interpol und der Weltzollorganisation<br />
WZO.<br />
Nicht weniger wichtig ist es, die Machenschaften des Schwarzhandels<br />
ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen und den Bewusstseinswandel<br />
im Kunsthandel wie in Sammlerkreisen zu<br />
unterstützen: Der Handel mit – bzw. der Erwerb von – Objekten<br />
mit unklarer Provenienz ist kein Kavaliersdelikt: Er verstößt<br />
häufig gegen rechtliche Bestimmungen, jedenfalls aber gegen die<br />
ethischen Grundsätze, die in den standesrechtlichen Verhaltensnormen<br />
für den Kunsthandel sowie für die Museen – insbesondere<br />
in den von <strong>ICOM</strong> herausgegebenen Ethischen Richtlinien<br />
– verankert sind.<br />
Sowohl die Richtlinien des Deutschen wie auch des Internationalen<br />
Kunsthandelsverbandes enthalten eine klare Selbstverpflichtung<br />
zu einem fairen und ehren haften kaufmännischen<br />
Handel. Dementsprechend besteht die Sorgfaltspflicht, nicht<br />
mit Kunstwerken zu handeln, bei denen man annehmen muss,<br />
dass der Verkäufer nicht zur Verfügung über den Gegenstand<br />
berechtigt ist oder dass das Objekt unrechtmäßig von einem<br />
Ausgrabungsort entwendet oder unter Ver letzung der Gesetze<br />
im Herkunftsland erworben wurde.<br />
Die von <strong>ICOM</strong> herausgegebene „Rote Liste der gefährdeten<br />
Antiken Perus“, die in <strong>Deutschland</strong> vom <strong>ICOM</strong>-Generaldirektor<br />
Julien Anfruns am 13. Janaur <strong>2009</strong> im Staatlichen Museum<br />
für Völkerkunde in München vorgestellt wurde, unterstützt die<br />
Zoll- und Polizeibehörden bei der Identifizierung widerrechtlich<br />
eingeführter Kulturgüter. Zugleich soll sie die Aufmerksamkeit<br />
des Handels und der Käufer beim Erwerb und der Weiterveräußerung<br />
möglicherweise belasteter Objekte schärfen.<br />
Tatsächlich ist die Beraubung historischer Stätten eine Geißel<br />
der Menschheit, die bis in die Antike zurückreicht. Gerade<br />
die Eroberung und Plünderung der Reiche Südamerikas nach<br />
der Entdeckung der Neuen Welt gehört zu den dunklen Kapiteln<br />
der Weltkulturgeschichte. Aber auch die Abwanderung von<br />
Kulturgut infolge der Kolonialisierung und der Erforschung der<br />
außereuropäischen Kulturen im 19. und 20. Jahrhundert wird<br />
von jenen Ländern und Völkern, aus denen Arbeiten von hohem<br />
künstlerischen Rang und sonstige Zeugnisse ihrer Lebensweise<br />
vor allem in die Museen und Sammlungen der westlichen Welt<br />
gelangten, als ein Verlust ihrer historischen Identität empfunden.<br />
Das Gegenargument, dass viele Objekte nur durch ihre Musealisierung<br />
erhalten geblieben sind, findet bei einem solchen, auch<br />
Emotionen berührenden Reizthema kaum Gehör.<br />
Wie auch immer: Gerade aus dieser Geschichte heraus besteht<br />
heute Anlass, der Gefahr des kulturellen Ausblutens bedeutender<br />
Kultur- und Fundlandschaften in der so genannten Dritten<br />
Welt entgegenzutreten, die sich durch die veränderten technischen<br />
Möglichkeiten und die breite internationale Nachfrage<br />
weiter verschärft hat. Dabei gehe es nicht nur um den Verlust<br />
wertvoller Kunstwerke – so der peruanische Botschafter und<br />
Archäologe Professor Dr. Federico Kaufmann-Doig bei der<br />
Pressekonferenz im Staatlichen Museum für Völkerkunde –,<br />
sondern vor allem auch um die Zerstörung der Fundorte und<br />
-zusammenhänge, durch die Objekte wissenschaftlich gesehen<br />
verstummten, weil sie aus ihrem historischen Kontext gelöst<br />
würden, wie eine aus der Bibel herausgerissene Seite.<br />
Bilder sagen mehr als Worte: Das gilt jedenfalls für die auf der<br />
Pressekonferenz präsentierten Dokumentaraufnahmen von Dr.<br />
Markus Reindel, Referent für Amerika im Deutschen Archäologischen<br />
Institut in Bonn. Die aufgewühlten Nekropolen in<br />
der trockenen Nazca-Wüste südöstlich von Lima vermitteln die<br />
gleiche Tristesse und die gleichen Verlustgefühle wie Braunkohlen-Abbaugebiete,<br />
hier noch gesteigert durch die würdelos<br />
in den Sand verstreuten Überreste der Bestatteten. Der Name<br />
„Huaquerismo“ leitet sich ab von den „Huacas“, den heiligen<br />
Plätzen der alten Peruaner, bzw. den „Huacos“, den Objekten,<br />
die in den Gräbern von den im Nebenerwerb als Ausgräber<br />
tätigen Landarbeitern gefunden werden. Der Huaquerismo ist<br />
24 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
RÜCKBLICK<br />
Die schwierige wirtschaftliche<br />
Situation Perus ist ein idealer<br />
Nährboden für Plünderungen<br />
(„Huaquerismo“) und Kunstraub:<br />
Die kriminellen Organisationen<br />
nutzen die Armut vieler Familien<br />
aus, indem sie ihnen finanzielle<br />
Anreize für die Plünderung<br />
archäologischer Stätten wie der<br />
Nekropole in der Nazca-Wüste<br />
bieten.<br />
ein Phänomen, das sich einer wirksamen Kontrolle weitgehend<br />
entzieht, ebenso wie die Stränge des Schwarzhandels, über die<br />
die Funde ins Ausland geschafft werden.<br />
Welche Chancen gibt es unter diesen Umständen, die Plünderung<br />
und Zerstörung von archäologischen Stätten zu verhindern?<br />
Vielleicht muss man versuchen, die „Nahrungskette“<br />
zwischen den Plünderern vor Ort auf den verschlungenen Wegen<br />
des Handels bis zu den Endverbrauchern in anderen Teilen<br />
der Welt zu unterbrechen.<br />
Erster Hauptkommissar Karl-Heinz Kind von Interpol berichtete<br />
von bescheidenen Fortschritten in der Ausbildung und<br />
der Organisation der Polizei in den Herkunftsländern: Es käme<br />
zu vermehrten Meldungen an Interpol, Datenbanken mit Verzeichnissen<br />
gesuchter und gefundener Objekte würden aufgerüstet,<br />
Dokumentationen von diebstahlsgefährdeten Objekten<br />
nach dem internationalen Standard Object-ID angelegt. Doch<br />
seien diese Erfolge immer in Relation zur organisatorischen<br />
und logistischen Perfektionierung des Schwarzhandels zu setzen,<br />
wie der Mann von Interpol einräumt.<br />
Und selbst wenn es einmal gelingt, in <strong>Deutschland</strong> verdächtige<br />
Kunstimporte anzuhalten, setzt bei den Polizei- oder Zollbeamten<br />
spätestens dann die Ernüchterung ein, wenn die die<br />
Rückgabe fordernden Ursprungsländer lediglich allgemeine archäologische<br />
Gutachten beibringen können, aber keine handfesten<br />
Beweise für eine strafbare Vortat: Dann sind – mit Zähneknirschen<br />
– die inkriminierten Objekte an den letzten Besitzer<br />
herauszugeben.<br />
Aber hin und wieder geht doch ein Fisch ins Netz: Allerdings<br />
bedeutet die Zahl von 1.400 Sicherstellungen in den Jahren<br />
2000 bis 2008, die Oberinspektorin Linn Thier von der Weltzollorganisation<br />
WZO nennt, dass wir von einer flächendeckenden<br />
Kontrolle des illegalen Handels mit Kulturgütern<br />
weit entfernt sind.<br />
Ein großer Fisch wäre etwa der costa-ricanische Antiquitätensammler<br />
und -händler Leonardo Augustus Patterson: Bekanntlich<br />
stellte das Bayerische Landeskriminalamt im April<br />
2008 eine umfangreiche Sammlung präkolumbischer Ausgrabungsfunde<br />
sicher, deren Versicherungswert ca. 60 Millionen<br />
Euro betragen soll. Nach den Rechtshilfeersuchen mehrerer<br />
mittelamerikanischer Länder handelt es sich um Funde aus illegalen<br />
Raubgrabungen. Patterson dagegen beruft sich auf den<br />
rechtmäßigen Erwerb der Stücke. Es lässt sich allerdings noch<br />
nicht absehen, wie diese Farce ausgehen wird.<br />
Unter dem Strich bleibt: Nur wer ein Netzwerk bildet, kann<br />
Fische fangen. Deshalb ist die Zusammenarbeit von <strong>ICOM</strong> mit<br />
Interpol und der Weltzollorganisation im Bereich des Informationsaustauschs<br />
und der gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen<br />
so wichtig. Noch feinmaschiger wird dieses Netz<br />
durch die Kooperation mit den Organen des Kunsthandels, die<br />
allerdings noch intensiviert werden könnte.<br />
Schon jetzt ist ein auch vom Kunsthandel wahrgenommener<br />
Wandel des Käuferverhaltens festzustellen: Neben der Echtheit<br />
eines Objekts entwickelt sich eine klare Provenienz zu einem<br />
maßgeblichen wertbildenden Faktor, ebenso der Nachweis<br />
einer rechtlich korrekten Ausfuhr aus den jeweiligen Ursprungsländern.<br />
Dementsprechend beschäftigen heute die großen internationalen<br />
Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s<br />
Experten, die den Stammbaum der Erwerbungen und das uneingeschränkte<br />
Verfügungsrecht des Einlieferers – bzw. des derzeitigen<br />
Eigentümers – überprüfen.<br />
So begegnen sich hier Ethik und geschäftliche Interessen in<br />
schönster Harmonie, was bekanntlich sonst nicht immer der<br />
Fall ist. Diese positive Entwicklung lässt hoffen, dass sich eines<br />
Tages ein spezieller Wunsch der Oberinspektorin Linn Thier von<br />
der Weltzollorganisation erfüllen könnte: Tatsächlich würde<br />
bei der Einfuhr von Kulturgütern nicht nur ihr das Leben erleichtert,<br />
wenn die jeweiligen Objekte mit einem Exportzertifikat<br />
versehen wären, das die Provenienz und die Ausfuhrgenehmigung<br />
nachweist. Ein solches Zertifikat wäre auch ein<br />
wichtiges Zeugnis für den Kunsthandel, das einerseits das Vertrauen<br />
der Käufer stärken aber auch den Kunsthändler bezüglich<br />
seiner Sorgfaltspflichten entlasten könnte.<br />
Dr. York Langenstein, bis Ende Juli 2008 Leiter der Landesstelle für die<br />
nichtstaatlichen Mu seen in Bayern. Seit 2005 amtiert er als Präsident<br />
von <strong>ICOM</strong> Deutsch land; icom@icom-deutschland.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 25
Rückblick<br />
Museen wandeln sich<br />
Museale Einrichtungen sollen und wollen ihren Aufgaben des Forschens, Sammelns, Bewahrens<br />
und Ausstellens gerecht werden. Dabei orientieren sie sich an den „Ethischen Richtlinien<br />
für Museen von <strong>ICOM</strong>“. Doch nach welchen Kriterien müssen diese definiert und interpretiert<br />
werden, damit sie auch unter den Bedingungen des gesellschaftlichen Wandels und<br />
der Weiterentwicklung der fachlichen Praxis sinnvolle Orientierung für den Museumsalltag<br />
bieten?<br />
Christoph Lind<br />
Die weltweit gültigen Standards des <strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for<br />
Museums – Kodex der Berufsethik – sind ein etabliertes und<br />
längst unverzichtbares Regelwerk für alle Museumsmitarbeiter,<br />
sie gelten für die Führung des Hauses ebenso wie für den<br />
Umgang mit Sammlungen und der Öffentlichkeit bis hin zu den<br />
Zuwendungsgebern. Der Weg zur Vollendung des <strong>ICOM</strong>-Code<br />
of Ethics for Museums war weder leicht noch schnell zu begehen,<br />
denn es mussten zum Teil erheblich divergierende Interessen<br />
und Bedürfnisse berücksich tigt werden. Dass er heute<br />
derart erfolgreich wirkt, zeigt jedoch, dass sein sorgfältiger Aufbau,<br />
die Berücksichtigung aller Interessen und vor allem der<br />
internationale Austausch im Vorfeld der Kompilation eine unabdingbare<br />
Voraussetzung waren. Überarbeitungen und Anpassungen<br />
des Regelwerkes an neue, veränderte Gegebenheiten der<br />
Museumsarbeit garantieren, dass er weiterhin aktuell bleibt.<br />
Insbesondere in diesen Anpassun gen liegen die Herausforderungen<br />
der nächsten Zeit.<br />
Die Aktualisierung des <strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums<br />
erfordert unaufhörliches Hinterfragen der Museumsarbeit vor<br />
dem Hintergrund veränderter Besuchererwartungen, veränderter<br />
Sicherheitsanforderungen und -bedürfnisse, ganz zu schweigen<br />
von Dauerthemen wie Marketing oder Finanzen. Wie diese<br />
Veränderungen mit dem Ziel der Optimierung der Museumsarbeit<br />
erkannt und definiert werden können, war das Thema<br />
der Konferenz „Defining Museum Ethics“, einer Auftaktveranstaltung,<br />
die vom Institute of Museum Ethics an der Seton Hall<br />
University, South Orange NJ, organisiert und am 15. November<br />
2008 ausgerichtet wurde. Die Direktorin des Instituts,<br />
Janet Marstine, betrachtet diese Konferenz als den Beginn<br />
einer Veranstaltungsreihe, die sich weniger Einzelfallstudien<br />
oder adminis trative Aspekte als vielmehr aktuelle Zustandsund<br />
vor allem Strategieanalysen mit dem Versuch einer Prognostizierung<br />
zum Inhalt nimmt. Aktuell reflektiert die dort<br />
geführte Diskussion vor allem die gegenwärtigen Herausforderungen<br />
nordamerikanischer Museen. Dennoch stimmen diese<br />
vielfach mit deutschen Vergleichsbeispielen überein.<br />
Ist barrierefreier Zugang allein glücklich machend?<br />
Richard Sandell, Universität Leicester, hinterfragte innerhalb<br />
seines Einführungsvortrages auf provokative Weise den allseits<br />
positiv konotierten Aspekt der Barrierefreiheit, die uneingeschränkte<br />
Erschließung neuer Besuchergruppen mit dem<br />
Ziel, den Begriff „Access“ neu zu definieren. Offenbar ist dies<br />
nun ein Schritt in die Gegenbewegung zu der seit einigen Jahren<br />
auch bei uns geführten Debatte über Barrierefreiheit im<br />
sowohl unmittelbar-direkten als auch übertragenen, inhaltlichen<br />
Sinne. Ohne das Prinzip „Museum für alle“ und das Bekenntnis<br />
zur sozialen Verantwortung von Museen in Frage zu<br />
stellen, sieht er in einer Überbetonung der allgemeinen örtlichen<br />
wie inhaltlichen Zugänglichkeit eine mögliche Zurückdrängung<br />
der Kernaktivitäten zugunsten einer auch inhaltlichen<br />
vereinfachten Darstellung. So stellt er beispielsweise die<br />
Möglichkeit einer „unforcierten“ Inspiration durch eine gut<br />
strukturiert präsentierte Sammlung einer extra für Besucher<br />
didaktisch herbeigeführten Erfahrung gegenüber, welche in<br />
starkem – zu starkem? – Maße den Besucherblick lenkt. Dabei<br />
gelingt es ihm überzeugend, anschauliche Beispiele zu präsentieren.<br />
Bei aller Abgewogenheit bewertet er die Museumsarbeit<br />
durch Sammlungsprofilierung und intensivere Objektforschung<br />
als „Core Activities“ höher als die physische, vor allem<br />
aber inhaltsmäßige Zugangserweiterung für Museen. Er richtet<br />
somit den Blick verstärkt auf die Kernforderungen des <strong>ICOM</strong>-<br />
Code of Ethics for Museums.<br />
Pam McClusky vom Seattle Art Museum hinterfragte das<br />
„Neutraliätsgebot“ bei den Objektbeschriftungen, welche im<br />
Regelfall über Objekt und Wirkungszusammenhang informieren.<br />
Dadurch wird jedoch dem Besucher ein gerundetes Bild<br />
vorgegeben, in welchem Ansichtsvielfalt, Provenienzkonflikte,<br />
Authentizität, verschiedene Interpretationsansätze u. ä., die<br />
sehr wohl jeweils ihre Berechtigung haben, nicht vorkommen.<br />
Sie diskutiert im Kern die Frage: Wie und wann können Besucher<br />
darauf gestoßen werden, dass Sammeln, Kuratieren und<br />
Kunst Erklären keineswegs so eindeutig und unmissverständlich<br />
gehandelt werden, wie es eine inhaltlich abgerundete Präsentation<br />
zu verstehen gibt. Kontrovers berichtete sie über die<br />
Ergebnisse einer Ausstellung über Massai, deren Objekte von<br />
Massai – und nicht von einem ausgebildeten Museumskurator<br />
– ausgewählt und präsentiert worden sind.<br />
Malcolm Collum, leitender Restaurator des National Air and<br />
Space Museum in Washington D.C., stellte anhand mehrerer<br />
Fallbeispiele den Konflikt von industriellen Sammlungen zwischen<br />
der Präsentation der Objekte und dem Vorführen ihrer<br />
Nutzung dar und versuchte ein anwendbares Regelwerk daraus<br />
zu ermitteln, was erwartungsgemäß nicht gelingen konnte. Ein<br />
26 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Rückblick<br />
immer weiteres Zugehen auf die Besucher bewirkt einen immer<br />
größeren Druck auf die Kuratoren und Restauratoren, die eigentlich<br />
nicht mehr zur Nutzung vorgesehenen Objekte doch<br />
einer Nutzung, zumindest einer Vorführung zuzuführen. Insbesondere<br />
betrifft dies Maschinen und somit weitgehend den<br />
dreidimensionalen Sammlungsbestand des National Air and<br />
Space Museums. Die Wandelbarkeit, besser: ständige Neuanpassung<br />
sowohl an die sich ändernden Bedürfnisse der Besucher<br />
als auch an die Erfordernisse der Sammlung („Bewahren“)<br />
sind hier offensichtlich. Die Herausforderung liegt in der Formulierung<br />
der Wandelbarkeit der ethischen Richtlinien.<br />
In weiteren Sektionen und Podien wurden verschiedene Aspekte<br />
behandelt, die aktuell für die Situation in Europa zwar<br />
von allgemeinem Interesse, wenngleich nicht wesentlich sind.<br />
Die Konferenz war ein fulminanter Auftakt für das Institut,<br />
der auch die Spannweite des Themenradius’ seiner zukünftigen<br />
Arbeit verdeutlichte, ohne ins allzu Mosaikhafte zu gleiten.<br />
Vorbildlich war die Konferenzorganisation: Immer wieder<br />
interessant waren die Bewertungsbögen, die uns in jeder Pause<br />
gereicht wurden; besonders gut erschien die Idee, dass für das<br />
gemeinsame Mittagessen „Thementische“ eingerichtet wurden.<br />
An denen moderierten Vertreter der unterschiedlichen Themen<br />
die Gespräche in ungezwungener Atmosphäre. Zusätzlich nahmen<br />
wir zu Beginn und am Ende der Konferenz an einer Meinungsumfrage<br />
teil, die jeweils sofort elektronisch ausgewertet<br />
wurde: Zu Beginn der Konferenz, d. h. vor dem Einführungsvortrag,<br />
befanden 86 Prozent der Teilnehmer, dass Museumsarbeit<br />
einem ständigen Wandel unterliege, 90 Prozent sahen in<br />
der täglichen Museumsarbeit die soziale Verantwortung für<br />
die Besucher als mindestens gleichwertig gegenüber der „Business<br />
Practice“, ein Wert, der auch von amerikanischen Teilnehmern<br />
in dieser Deutlichkeit nicht erwartet worden war. Nur<br />
25 Prozent fanden, dass die Objekte im Mittelpunkt der Museumsarbeit<br />
stehen sollten gegenüber 75 Prozent, die die Belange<br />
der Besucher in den Vordergrund der Museumsarbeit stellten.<br />
Unabhängig davon, ob diese Prozentverteilung tatsächlich<br />
bei der täglichen Arbeit in den amerikanischen Museen „gelebt“<br />
wird, erstaunte die Tatsache, dass die Umfrage am Ende<br />
der Konferenz mit denselben Fragen in der prozentualen Verteilung<br />
kaum Abweichungen vom morgentlichen Ergebnis zeigte.<br />
Bis auf eine: Am Ende der Tagung glaubten nur noch ca. 71<br />
Prozent der Teilnehmer – immerhin 15 Prozent weniger als zu<br />
Beginn! – an den ständigen Wandel der Museumsarbeit. Museums<br />
are morphing, aber offenbar nicht ganz so schnell wie<br />
zunächst gedacht!<br />
Dr. Christoph Lind, Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, Mitglied des<br />
Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; christoph.lind@mannheim.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Konferenzbeiträge und zusammenfassender Filmbeitrag (3 min.):<br />
www.museumethics.org/<br />
Industrielle Sammlungen wie<br />
die des National Air and Space<br />
Museums in Washington D.C.<br />
stehen vor einem Dilemma:<br />
Einerseits sollen sie ge fährdete<br />
Exponate „bewahren“ und<br />
wollen sie daher, um vor<br />
Verschleiß zu schützen, nur<br />
präsentieren. Andererseits sollen<br />
sie immer stärker auf die<br />
Besucher zugehen und Exponate<br />
auch vorführen oder zur<br />
Nutzung herrichten.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 27
Rückblick<br />
Tätigkeitsbericht des Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für 2008<br />
Gehalten vor der Mitgliederversammlung am 11. Oktober 2008 in Amsterdam<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
unsere letzte Mitgliederversammlung fand im Rahmen der Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in München am 4. Dezember 2007<br />
statt. Hier setzt der Bericht über die Aktivitäten und Veranstaltungen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in den letzten zehn Monaten ein.<br />
Die Vitalität einer Organisation ist in der Regel auch an der Entwicklung<br />
des Mitgliederstandes abzulesen: Wir freuen uns, dass sich das<br />
Wachstum der letzten Jahre fortgesetzt hat und wir im Jahr 2008<br />
bis lang fast dreihundert neue Mitglieder aufnehmen konnten, so dass<br />
<strong>ICOM</strong> Deutsch land mit nunmehr nahezu 3700 Mitgliedern seine Stellung<br />
als das mitgliederstärkste Nationalkomitee im Weltverband des<br />
Internationalen Museumsrats weiter ausbauen konnte. Dabei sind die<br />
Aufnahmeanträge im Hinblick auf den Charakter von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
als Fachverband der Museen und der Angehörigen der Museumsberufe<br />
von der Geschäftsstelle nach strengen professionellen Kriterien<br />
geprüft worden.<br />
Leider haben wir im Berichtsjahr auch Mitglieder verloren, nämlich:<br />
Dr. Sabine Fehlemann, Prof. Dr. Dietrich Kötzsche, Prof. Dr. Kurt Krieger,<br />
Dr. Sigrid Randa-Campani. Darf ich Sie bitten, sich zum Gedenken<br />
an die verstorbenen Kollegin nen und Kollegen zu einer Schweigeminute<br />
zu erheben.<br />
Wie in den letzten Jahren wollen wir Sie über die Entwicklung der<br />
Geschäftsstelle und des Haushalts von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> unterrichten.<br />
Der Haushaltsabschluss 2007 ist vom Beauftragten der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien als unserem Zuwendungsgeber geprüft<br />
worden. Dabei ergaben sich keinerlei Beanstandungen. Diese<br />
Tatsache gibt Anlass dazu, unserer Geschäftsstelle den Dank des Vorstands<br />
auszusprechen. Unser Dank gilt insbesondere unserer erfahre<br />
nen, gewissenhaften und fachlich kompetenten Geschäftsführerin<br />
Johanna Westphal, aber auch Beate von Törne, die vor allem für die<br />
Buchhaltung und für die Erstellung unserer Bilanz verantwortlich ist.<br />
Zum Team der Geschäftsstelle gehören auch Juliana Ullmann, die im<br />
Sekretariat mitarbeitet, und Jan-Dirk Kluge, der den Bereich EDV und<br />
Internet betreut.<br />
Unseren Dank möchte ich auch dem Institut für Museumsforschung<br />
und Herrn Professor Graf als seinem Leiter aussprechen: Unter dem<br />
Dach des Instituts fühlt sich <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> optimal untergebracht,<br />
zumal die fachlichen Kontakte zum IfM wie zum Deutschen Museumsbund,<br />
der ebenfalls im Haus In der Halde 1 seine Geschäftsstelle betreibt,<br />
für unsere tägliche Arbeit so wichtig sind.<br />
Der Haushaltsplan von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für das Jahr 2008 ist über<br />
die letzten Jahre, auch in der Verteilung der Mittel auf die einzelnen<br />
Ausgabengruppen, relativ gleich geblieben: Bei den Personalausgaben<br />
sowie bei den sächlichen Verwaltungsausgaben ist der Aufwand auf<br />
das wirklich Notwendige begrenzt, denn selbstverständlich haben wir<br />
den Wunsch, dass von den verfügbaren Mitteln ein möglichst großer<br />
Betrag für die inhaltliche Arbeit bereitgestellt werden kann. So finden<br />
Sie im zweiten Teil der Haushaltsübersicht die Ausgaben für die Veranstaltungen<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und für die Beihilfen zur Förderung<br />
der Teilnahme von <strong>ICOM</strong>-Mitgliedern an Fachtagungen im In- und<br />
Ausland.<br />
Wenn Sie die Frage danach stellen, was mit Ihren Beiträgen passiert,<br />
dann sollten Sie sich der Tatsache bewusst sein, dass gut 75% der Beitragseinnahmen<br />
an den Weltverband nach Paris abgeführt werden:<br />
Derzeit ist das bei einem Mitgliedsbeitrag von 78 €, den <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
für reguläre individuelle Mitglieder erhebt, eine Abgabe von 58 €.<br />
Immer wieder wird diskutiert, ob nicht den Nationalkomitees ein größerer<br />
Anteil des Beitragsaufkommens für die Aufgaben vor Ort verbleiben<br />
sollte, so für die Veranstaltung und den Besuch von Fachtagungen<br />
im In- und Ausland, die Her ausgabe von Zeitschriften und<br />
Fach publikationen und die Pflege ei ner aktuellen und informativen<br />
Internet-Seite.<br />
Wenn <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> weltweit gesehen diese Ansprüche seiner<br />
Mitglieder sehr viel besser als die meisten Nationalkomitees erfüllen<br />
und die museumsfachlichen Anliegen auch im kulturpolitischen<br />
Bereich wirksam vertreten kann, dann gilt der Dank dafür vor allem dem<br />
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien als unserem<br />
Zuwendungsgeber.<br />
2007 war das Jahr der Generalkonferenz, in der sich etwa 2.500 <strong>ICOM</strong>-<br />
Mitglieder vom 19. bis 24. August in Wien versammelt hatten. Damit<br />
die Anliegen und Themen unserer Mitglieder nicht im Trubel der Ereignisse<br />
des Treffens des Weltverbandes untergehen, fand noch vor<br />
dem Jahresende am 3. und 4. Dezember 2007 in München im Staatlichen<br />
Museum für Völkerkunde, dem wir für seine große Gastfreundschaft<br />
danken, eine separat ausgerichtete Jahrestagung und Mit glieder<br />
versammlung statt, bei der auch die Wahl des neuen Vorstands<br />
an stand.<br />
Inhaltliche Schwerpunkte der Jahrestagung waren die Themen<br />
„Kulturelle Vielfalt“ und „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, für die<br />
Dr. Christoph Bartmann, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Gesellschaft<br />
des Goethe-Instituts München, sowie Professor Dr. Christoph<br />
Wulf, Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Historische Anthropologie<br />
an der Freien Universität Berlin, als Referenten gewonnen werden<br />
konnten.<br />
Der zweite Tag der Begegnung in München stand im Zeichen eines<br />
Workshops, der der Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit und der<br />
Förderung des wechselseitigen Informationstransfers zwischen dem<br />
deutschen Nationalkomitee und den internationalen Komitees des<br />
Internationalen Museumsrats diente. Die Veranstaltung setzte vorangegangene<br />
Arbeitssitzungen mit den deutschen Mitgliedern in leitenden<br />
Funktionen in den internationalen Komitees fort. Erfreulich ist, dass<br />
bei den Vorstandswahlen in den internationalen Komitees in Wien 2007<br />
mehr deutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder in Vorstandspositionen gewählt worden<br />
sind als jemals zuvor: 8 Kolleginnen und Kollegen bekleiden das<br />
Amt des Präsidenten oder Vizepräsidenten, hinzu kommen zahlreiche<br />
weitere Mitglieder in der Funktion des/der Generalsekretärs/in oder<br />
des/der Schatzmeisters/in sowie sonstige Vorstandsmitglieder.<br />
Die Vorstandswahlen bei der Mitgliederversammlung entsprechen<br />
in ihrem Ergebnis dem Anliegen der Wahrung von Kontinuität bei<br />
gleichzeitiger Erneuerung. Aus dem Vorstand ist nach zwei Amtsperioden<br />
Dr. Michael Eissenhauer, Präsident des Deutschen Museumsbundes,<br />
ausgeschieden, und Udo Gößwald, Präsident von <strong>ICOM</strong> Europe,<br />
entschied sich im Hinblick auf seine zahlreichen Verpflichtungen,<br />
nicht mehr für den Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu kandidieren.<br />
Wir danken den 2008 ausgeschiedenen Kollegen, zu denen auch Rainer<br />
Hofmann, Leiter des Fränkische Schweiz Museums in Tüchersfeld/Oberfranken<br />
gehört, für ihre engagierte Mitarbeit im Vorstand sowie für ihre<br />
Anregungen und Impulse, die in die Projekte und Aktivitäten von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit eingeflossen sind.<br />
28 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Rückblick<br />
Der neue Vorstand wurde Ihnen bereits durch einen Newsletter und<br />
in unseren MITTEILUNGEN vorgestellt: Wir freuen uns über die Mitarbeit<br />
von Professor Dr. Lothar Jordan, wissenschaftlicher Leiter des Kleist-<br />
Museums in Frankfurt/Oder und Präsident des Internationalen Komitees<br />
der Literaturmuseen (ICLM), von Dr. Klaus Weschenfelder, Direktor<br />
der Kunstsammlungen der Veste Coburg, sowie von Dr. Gerhard Winter,<br />
Leiter der Museumspädagogik am Museum Senckenberg in Frankfurt/<br />
Main und Präsident des Internationalen Komitees der Naturmuseen<br />
(NATHIST). In ihrem Amt wurden Dr. York Langenstein, Frau Professor<br />
Dr. Rosmarie Beier-de Haan, Dr. Christoph Lind und Frau Dr. Anette<br />
Rein für eine zweite Wahlperiode bestätigt. So lässt sich im neu konstituierten<br />
Vorstand insbesondere auch ein Zuwachs an Kompetenz und<br />
Erfahrung im Bereich der Zusammenarbeit mit den internationalen<br />
Komitees feststellen.<br />
Ein Anliegen des neuen Vorstandes ist es auch, die Reform des Advisory<br />
Committee und einer Optimierung der Zusammenarbeit in den<br />
Gremien des Weltverbandes zu unterstützen. Dieses Thema war einer<br />
der Schwerpunkte der Diskussion der im Advisory Committee vertretenen<br />
Nationalkomitees und internationalen Komitees beim letzten<br />
Treffen in Paris vom 2.–4. Juni 2008. Es wurde auch bei der gleichzeitig<br />
abgehaltenen Generalversammlung erörtert, die entsprechend den<br />
Beschlüssen bei der Generalkonferenz nun alljährlich stattfinden wird<br />
und 2008 erstmals auch in den Jahren zwischen den Generalkonferenzen<br />
durchgeführt wurde.<br />
In den separaten Sitzungen der Nationalkomitees und der internationalen<br />
Komitees wurden York Langenstein, Präsident von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>, und Marie-Paule Jungblut, Präsidentin des Internationalen<br />
Komitees der archäologischen und historischen Museen (ICMAH),<br />
zu den Sprechern der Nationalkomitees bzw. der internationalen Komitees<br />
gewählt. In einer Arbeitsgruppe mit Knut Wik als dem Präsidenten<br />
des Advisory Committee sind sie damit betraut, im Prozess ei ner<br />
Reform des Advisory Committee und seiner Zusammenarbeit mit den<br />
leitenden Organen von <strong>ICOM</strong> die Interessen der von ihnen vertretenen<br />
Komitees einzubringen.<br />
Ganz oben auf der Tagesordnung stand die Aussprache über den<br />
schleppenden Prozess der Berufung eines neuen Generaldirektors, der<br />
nun endlich nach einem schwierigen Auswahlverfahren die Leitung<br />
des Sekretariats am 1. Oktober 2008 übernommen hat: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
hat Julien Anfruns, bisher tätig am Louvre in Paris, Erfolg und eine<br />
glückliche Hand gewünscht. Es ist zu hoffen, dass die notwendigen<br />
Verbesserungen der Kooperation zwischen dem Generalsekretariat einerseits<br />
und den nationalen wie internationalen Komitees andererseits<br />
nun bald den Arbeitsalltag erleichtern werden.<br />
Der Verbesserung der Kommunikation zwischen den Komitees und<br />
der Zentrale in Paris soll auch die Inbetriebnahme der geplanten neuen<br />
Datenbank für die Mitgliederverwaltung dienen, die sich derzeit in<br />
der Erprobungsphase befindet. Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat sich in<br />
der Testphase mit den Rahmenbedingungen für die Anwendung befasst<br />
und auf Probleme hingewiesen, die für den Einsatz in der Praxis<br />
noch zu lösen sind. Dazu gehören auch die Möglichkeit eines problemlosen<br />
Datenaustauschs mit den Datenbanken bei den einzelnen<br />
Nationalkomitees sowie eine möglichst effiziente und unbürokratische<br />
Gestaltung des Verfahrens zur Mitgliederaufnahme und Verwaltung.<br />
Von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wurde erneut eine Überprüfung der weiteren<br />
Unterstützung von <strong>ICOM</strong> für die Entwicklung der Top-Level-<br />
Domain dot.museum angemahnt. Es wurde zugesagt, dass die finanziellen<br />
Zuwendungen eingestellt werden sollen, wenn nicht bis Ende<br />
Juli 2008 von den Verantwortlichen ein überzeugendes Konzept vorgelegt<br />
werden sollte. Allerdings liegt dieses Konzept offensichtlich bis<br />
heute nicht vor: Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Nachfrage beim<br />
Generalsekretariat in Paris. Wir werden aber an diesem Punkt nicht<br />
locker lassen und ihn erneut auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung<br />
des Advisory Committee setzen.<br />
Im Zusammenhang mit dem Anliegen einer Verbesserung der Kommunikation<br />
innerhalb des Advisory Committee wurde auch die Einrichtung<br />
einer Informationsplattform angeregt, die einen unkomplizierten<br />
und übersichtlichen Austausch zwischen dem Präsidenten und<br />
den Mitgliedern des Advisory Committee ermöglicht, so etwa auch<br />
bei der Vorbereitung der Versammlung des Advisory Committee oder<br />
auch bei der Vermittlung von wichtigen Nachrichten aus dem Generalsekretariat<br />
oder vom Executive Council.<br />
Als wünschenswert wurde auch eine zeitgemäße Neukonzeption<br />
der Website von <strong>ICOM</strong> mit differenzierteren Informationen über die<br />
einzelnen Komitees und einfacheren Kontaktmöglichkeiten herausgestellt.<br />
Diese hier aufgeführten Schritte zur Verbesserung der Kommunikation<br />
sollen auch dazu beitragen, dass sich die Komitees effektiver in den<br />
Prozess der Weiterentwicklung des Strategic Plan von <strong>ICOM</strong> einbringen<br />
können.<br />
Die lebhafte Diskussion über die nächsten Schritte zu einer Umsetzung<br />
der Reformvorschläge für die Zusammenarbeit innerhalb des<br />
Advisory Committee wie auch mit den Gremien des Weltverbandes<br />
und mit dem Generalsekretariat setzte bei den gerade angesprochenen<br />
Forderungen nach einer Verbesserung der Kommunikation<br />
einen Schwerpunkt, aber es ging auch ganz allgemein um eine stärkere<br />
Einbindung des Advisory Committee in die Entscheidungen des<br />
Weltverbandes als Schritt zu einer „Demokratisierung“. Dabei wurde<br />
vor allem auch die Beteiligung an Entscheidungen von größerer finanzieller<br />
Tragweite angesprochen, und zwar auch im Hinblick auf die<br />
Rückwirkung auf eventuelle Beitragserhöhungen.<br />
Bei der Diskussion des Haushalts wurden übrigens die zunächst<br />
vorgesehenen Beitragserhöhungen für <strong>2009</strong> und 2010 zurückgenommen,<br />
was nicht zuletzt auch als Reaktion auf die kritischen Fragen von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu einzelnen Haushaltspositionen zu verstehen ist.<br />
Aus der Sitzung der Generalversammlung, die sich auch mit den<br />
aus dem Diskussionsprozess im Advisory Committee ergebenden Forderungen<br />
befasste, soll hier nur der Beschluss für das Motto des Internationalen<br />
Museumstags <strong>2009</strong> herausgegriffen werden: Einer Anregung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> folgend lautet das Motto „Museums and<br />
Tourism“. Wir freuen uns darüber, dass der IMT <strong>2009</strong>, der in <strong>Deutschland</strong><br />
am 17. Mai gefeiert werden wird, nun unter das gleiche Generalthema<br />
gestellt wird wie unsere Jahrestagung <strong>2009</strong>, die wir im kommenden<br />
Jahr wieder im Rahmen der traditionellen, alle drei Jahre<br />
stattfindenden Bodensee-Symposien in Lindau als Gemeinschaftsveranstaltung<br />
mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz ausrichten werden.<br />
Hans-Martin Hinz, der die deutschen und europäischen Interessen<br />
als Mitglied des Executive Council vertritt, hat für den Executive<br />
Council eine gemeinsam mit dem Weltverband der Freunde der Museen<br />
ins Leben gerufene Arbeitsgruppe zum Thema Sustainable Cultural<br />
Tourism geleitet. Das von beiden Vorständen verabschiedete<br />
Memorandum, das auch den Vorschlag einer „Charta mit Empfehlungen<br />
für Museen und den Kulturtourismus“ enthält, ist in die Homepage<br />
des Weltverbands eingestellt worden und dort unter „International<br />
Museum Day <strong>2009</strong>“ aufzurufen.<br />
Die Generalkonferenz in Wien mit <strong>ICOM</strong> Österreich als Gastgeber<br />
gab auch Gelegenheit zu einem Arbeitstreffen der Vorsitzenden der<br />
acht mittel- und osteuropäischen Nationalkomitees, die in der regionalen<br />
Arbeitsgruppe CE<strong>ICOM</strong> vertreten sind. Ich möchte nicht auf<br />
einzelne Punkte der Tagesordnung eingehen, zumal das Protokoll<br />
auf der von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> betreuten Homepage von CE<strong>ICOM</strong><br />
(www.ceicom-icom.org) nachzulesen ist. Zentrale Themen des fachlichen<br />
Austauschs waren die Vermittlung gemeinsamer professionel-<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 29
Rückblick<br />
ler und ethischer Standards im Anschluss an die in <strong>Deutschland</strong> vom<br />
Deutschen Museumsbund in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
herausgegebenen „Standards für Museen“, aber auch die Vertretung<br />
der europäischen Interessen im Weltverband.<br />
Nach dem Bericht über die „Außenpolitik“ nun zu den Themen der<br />
„Innenpolitik“. Wir hatten schon in der letzten Wahlperiode das Ziel<br />
verfolgt, in unserer Arbeit einerseits die grenzübergreifenden Kontakte<br />
durch gemeinsame Veranstaltungen mit Nationalkomitees in anderen<br />
Ländern zu fördern: Unsere Tagung im Amsterdam schließt sich insoweit<br />
nahtlos an die Auslandstagungen der letzten Jahre an. Andererseits<br />
ging es um eine stärker inhaltliche Ausrichtung, nicht zuletzt<br />
auch im Zusammenhang mit aktuellen kulturpolitischen Entwicklungen:<br />
Ich erinnere beispielsweise an den Prozess des Beitritts der Bundesrepublik<br />
<strong>Deutschland</strong> zur UNESCO-Konvention zum Schutz und<br />
zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sowie zum weiteren<br />
UNESCO-Übereinkommen zum Kulturgüterschutz und zur Unterbindung<br />
des illegalen Handels mit Kulturgütern, in den sich <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> aktiv mit eingebracht hat.<br />
Diese Themen haben wir auch im laufenden Berichtsjahr weiterverfolgt,<br />
so beispielsweise durch die Teilnahme an Fachtagungen wie<br />
etwa der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechts- und Steuerfragen des<br />
Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz am 21./22. April in<br />
Schwerin, die sich mit dem Übereinkommen über Maßnahmen zum<br />
Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und<br />
Übereignung von Kulturgut befasste. Dabei geht es auch um den Aufbau<br />
eines Netzwerks mit jenen Institutionen und Verbänden, denen<br />
sich <strong>ICOM</strong> im Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern verbunden<br />
sieht.<br />
Weiterhin ist <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> beratend einbezogen in den Themenkreis<br />
Kulturgutverluste, Provenienzforschung, Restitution. Der<br />
Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wurde in eine Arbeitsgruppe berufen,<br />
die die Tätigkeit der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in<br />
Magdeburg evaluiert. Die Magdeburger Koordinierungsstelle ist die<br />
zentrale Institution für die Erfassung, Dokumentation und Publikation<br />
von Fällen der „Beutekunst“ – also „kriegsbedingt verbrachter Kulturgüter“<br />
wie beispielweise der Bestände aus deutschen Museen, Bibliotheken<br />
und Archiven, die sich heute in Russland befinden, aber auch<br />
„verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter“ mit dem Schwerpunkt<br />
von Beständen aus ehemaligen jüdischen Sammlungen, die in der<br />
Zeit des Dritten Reichs beschlagnahmt oder abgepresst wurden und<br />
später in Museen gelangten.<br />
…<br />
Vollständige Fassung des Tätigkeitsberichtes:<br />
www.icom-deutschland.de<br />
York Langenstein<br />
Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Protokoll der Mitgliederversammlung 2008 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
11. Oktober 2008<br />
Reinwardt Academie, Dapperstraat 315,<br />
1093 BS Amsterdam, Niederlande<br />
Beginn der Mitgliederversammlung: 13:10 Uhr<br />
Anwesende Mitglieder: 40<br />
Der Vorstand ist mit Ausnahme von Prof. Dr. Rosmarie Beier-de Haan<br />
und Dr. Klaus Weschenfelder (beide entschuldigt) vollzählig anwesend.<br />
Der Präsident, Dr. York Langenstein, stellt fest, dass das erforderliche<br />
Quorum für eine Mitgliederversammlung nicht erreicht ist, und schließt<br />
die Sitzung. Gemäß § 4 (Absatz 3) der Geschäftsordnung von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> beruft der Präsident formlos eine neue Mitgliederversammlung<br />
ein, die um 13:15 Uhr eröffnet wird. Die satzungsmäßige<br />
Beschlussfähigkeit ist gegeben.<br />
Billigung der Tagesordnung und Benennung der Protokollführung<br />
Die vorliegende und den Mitgliedern rechtzeitig mit der Einladung<br />
übermittelte Tagesordnung wird einstimmig gebilligt. Ergänzungen<br />
zur Tagungsordnung werden nicht gewünscht. Als Protokollführer<br />
wird das Vorstandsmitglied Dr. Gerhard Winter benannt.<br />
Tätigkeitsbericht des Präsidenten, Vorstellung des Haushalts und<br />
Aussprache<br />
Der Präsident gibt einen Überblick über die Aktivitäten von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> für den Zeitraum seit der letzten Mitgliederversammlung<br />
in München (3.12.2007).<br />
An Hand einer Powerpoint Präsentation wird die Mitgliederentwicklung<br />
aufgezeigt: 274 neue und 28 reaktivierte Mitglieder, insgesamt<br />
3686 Mitglieder für 2008. In einer Schweigeminute wird jener vier<br />
Mitglieder gedacht, die im Berichtsraum verstorben sind: Dr. Sabine<br />
Fehlemann, Prof. Dr. Dietrich Kötzsche, Prof. Dr. Kurt Krieger, Dr. Sigrid<br />
Randa-Campani.<br />
Der Präsident informiert darüber, dass sich bei der Prüfung des<br />
Haushalts 2007 durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur<br />
und Medien als Zuwendungsgeber keinerlei Beanstandungen ergaben.<br />
Er dankt den Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle.<br />
Der Haushaltsplan von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für das Jahr 2008 wird<br />
mit seinen Einnahmen und Ausgaben vorgestellt. Es wird festgestellt,<br />
dass die Verteilung der Mittel auf die einzelnen Ausgabengruppen<br />
über die letzten Jahre relativ gleich geblieben ist.<br />
Bei den Personalausgaben sowie bei den sächlichen Verwaltungsausgaben<br />
ist der Aufwand auf das wirklich Notwendige begrenzt, so<br />
dass von den verfügbaren Mitteln ein möglichst großer Betrag für die<br />
inhaltliche Arbeit bereitgestellt werden kann. Der Mitgliedsbeitrag<br />
wird insbesondere für die Betreuung und für die Information der Mitglieder<br />
(Betrieb der Geschäftsstelle mit Sachausgaben, <strong>Mitteilungen</strong><br />
und andere Publikationen, Homepage), für die Durchführung<br />
von Tagungen und Mitgliederversammlungen sowie für Reisebeihilfen<br />
zur Teilnahme an <strong>ICOM</strong>-Aktivitäten im Ausland und schließlich für<br />
Kooperationsprojekte mit anderen Komitees von <strong>ICOM</strong> (z. B. <strong>ICOM</strong> Europe<br />
oder CE<strong>ICOM</strong>) sowie für die Vertretung im Executive Council,<br />
Advisory Committe und in internationalen Komitees eingesetzt. Die<br />
2008 an die <strong>ICOM</strong>-Zentrale abzuführenden Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen<br />
betragen ca. 232.650 €.<br />
Es gibt zwei Nachfragen zum Haushaltsplan 2008:<br />
• Nachfrage (Dr. Andreas Braun) zur Höhe und Verwendung des jährlichen<br />
Betrags, der nach Paris abgeführt wird. Der Präsident erläutert,<br />
dass dieser Betrag für die Organisation und die Aktivitäten von<br />
30 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Rückblick<br />
<strong>ICOM</strong> als Weltverband (Sekretariat und Mitgliederverwaltung mit<br />
Datenbank, Raummiete, Tagungen und Sitzungen der Gremien von<br />
<strong>ICOM</strong>, Öffentlichkeitsarbeit, u. a. <strong>ICOM</strong>-News und Homepage, Zuwen<br />
dungen für Tagungen und Projekte der internationalen Komitees,<br />
Portokosten u. a. für den Versand der <strong>ICOM</strong>-News an rund<br />
27.000 Mitglieder, u. a. m.) verausgabt wird. Eine Erhöhung des abzuführenden<br />
Mitgliedsbeitrags konnte nicht zuletzt dank der Aktivitäten<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> im Advisory Committee in den letzten<br />
Jahren verhindert werden.<br />
• Nachfrage zur Sponsorensuche für Projekte. Der Präsident erläutert,<br />
dass projektbezogen Sponsoren angefragt werden; für die Tagung<br />
in Amsterdam konnten drei Förderer gewonnen werden.<br />
Der Präsident führt in seinem Bericht zur Zusammenarbeit von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> und den internationalen Komitees (ICs) weiter aus, dass<br />
• an der Generalkonferenz 2007 in Wien rund 70 Mitglieder aus<br />
<strong>Deutschland</strong> teilnahmen. Erfreulich ist, dass in Wien mehr Vertreter<br />
aus <strong>Deutschland</strong> in ICs gewählt wurden als je zuvor.<br />
• bei der Mitgliederversammlung in München etwa 120 Mitglieder<br />
anwesend waren. Als Teil der verstärkten Aktivitäten zur Intensivierung<br />
der Zusammenarbeit zwischen <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und den<br />
ICs wurde am zweiten Tag die Arbeit von fünf ICs vorgestellt.<br />
Die Vorstandswahlen während der Mitgliederversammlung in München<br />
standen unter dem Motto „Kontinuität“ und „Verjüngung“: Drei<br />
Mitglieder wurden im Amt bestätigt, drei neue dazugewählt. Die anwesenden<br />
Mitglieder des Vorstands stellen sich vor (Prof. Dr. Lothar<br />
Jordan, Dr. Christoph Lind, Dr. Anette Rein, Dr. Gerhard Winter). Die<br />
beiden fehlenden Mitglieder (Dr. Klaus Weschenfelder, Prof. Dr. Rosmarie<br />
Beier-de Haan) werden vom Präsidenten vorgestellt.<br />
Anschließend geht der Präsident auf die Entwicklung des Weltverbands<br />
im Berichtszeitraum ein.<br />
• Wichtige Kernanliegen im Leitbild von <strong>ICOM</strong> wie „Transparency“<br />
und „Inclusivness“ sind bislang weitgehend Schlagworte, die noch<br />
mit Inhalten gefüllt werden müssen.<br />
• Die Kommunikationsbasis muss gestärkt werden: Besonders dringlich<br />
erscheinen die Inbetriebnahme einer zeitgemäßen Anforderungen<br />
entsprechenden Mitglieder-Datenbank sowie einer grundlegend<br />
überarbeiteten <strong>ICOM</strong>-Homepage.<br />
• Die jährlichen Sitzungen des Advisory Committee von <strong>ICOM</strong> müssen<br />
demokratischer gestaltet werden.<br />
• Die von <strong>ICOM</strong> unterstützte Top-Level-Domain dot.museum ist in ihrem<br />
Konzept überholt und entspricht nicht mehr heutigen Benutzergewohnheiten<br />
und Recherchemöglichkeiten. Die finanzielle Förderung<br />
sollte deshalb eingestellt werden.<br />
• Entscheidungsprozesse sind oft sehr langwierig, wie z. B. die Berufung<br />
des neuen „Director General“.<br />
Als Thema des Internationalen Museumstags <strong>2009</strong> wurde von der<br />
Generalversammlung das Motto „Museen und Tourismus“ beschlossen.<br />
Auch die Bodensee-Konferenz <strong>2009</strong> in Lindau wird dieses Thema<br />
aufgreifen.<br />
Als Schwerpunkte der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> werden herausgestellt:<br />
• Jahrestagungen im Ausland als Kooperationsprojekte mit den jeweiligen<br />
Nationalkomitees.<br />
• Verstärktes Engagement von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Bereichen der<br />
Provenienzforschung und des Aufbaus eines Netzwerks zur Integration<br />
im Museum.<br />
Geplante Publikationen:<br />
• „Museumsberufe – Eine europäische Empfehlung“, herausgegeben<br />
vom Deutschen Museumsbund in Kooperation mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
und ICTOP.<br />
• „Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung –<br />
Lernen im Museum“, Publikation zur „dritten Tagung der Wissenschaftsmuseen<br />
im deutsch-französischen Dialog“, herausgegeben<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Kooperation mit <strong>ICOM</strong> Frankreich und dem<br />
Deutschen Technikmuseum Berlin.<br />
Weitere Aktivitäten:<br />
• Jahrestagung des Internationalen Komitees für ägyptische und Sudanesische<br />
Sammlungen (CIPEG) vom 6. bis 8. September 2008 in<br />
Hannover und Hildesheim.<br />
• Informationsveranstaltung von <strong>ICOM</strong> Europe und <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
über die vom Erdbeben in der Provinz Sichuan in China beschädigten<br />
Kulturgüter am 31. August 2008 im Deutschen Historischen<br />
Museum in Berlin mit anschließendem Benefizkonzert. Die<br />
eingegangenen Einnahmen und Spenden werden für Hilfsprojekte<br />
bereitgestellt, die mit <strong>ICOM</strong> China abgestimmt werden.<br />
Der Präsident dankt den Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle und<br />
den Mitgliedern von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für ihre aktive Teilnahme und<br />
Unterstützung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />
Genehmigung des Jahresberichts und Entlastung des Vorstands<br />
Der Jahresbericht des Präsidenten wird einstimmig genehmigt und<br />
der Vorstand entlastet, bei Enthaltung des Vorstands.<br />
Änderung der Geschäftsordnung<br />
Der Vorstand schlägt der Mitgliederversammlung vor, § 4 der Geschäftsordnung<br />
des Deutschen Nationalkomitees des Internationalen<br />
Museumsrates <strong>ICOM</strong> vom 20. Oktober 1990 in seinen beiden letzten<br />
Absätzen wie folgt zu ändern und zu ergänzen:<br />
„Alle individuellen Mitglieder und die schriftlich designierten Repräsentanten<br />
von institutionellen Mitgliedern des Nationalkomitees<br />
haben gleiches Stimmrecht und aktives Wahlrecht (Art. 12 Abs. 1). Fördernde<br />
und Ehren-Mitglieder sind nicht wahlberechtigt und können<br />
kein <strong>ICOM</strong>-Amt ausüben (Art. 11 Abs. 4 und 5, Art. 12 Abs. 5).<br />
Vorstandswahlen in der Mitgliederversammlung sind schriftlich und geheim<br />
durchzuführen. Präsident/in und Vorstandsmitglieder werden in<br />
getrennten Wahlgängen gewählt. Wählbar ist jedes individuelle Mitglied<br />
nach § 2 im aktiven Dienst.“<br />
Als Grund für die geplante Änderung führt Herr Dr. Langenstein an,<br />
dass nur persönliche Mitglieder wählbar sein sollten, da eine persönliche<br />
Mitgliedschaft als Kriterium der für eine Vorstandstätigkeit erforderlichen<br />
Identifikation mit den Zielen und Aufgaben von <strong>ICOM</strong> zu<br />
sehen ist.<br />
Die Änderung der Geschäftsordnung wird bei Anwesenheit von 40<br />
zur Stimmabgabe berechtigten Mitgliedern, die insgesamt 43 Stimmen<br />
vereinen, mit 35 Ja-Stimmen, 8 Enthaltungen und 0 Gegenstimmen<br />
angenommen.<br />
Verschiedenes<br />
Es wird von einem Mitglied angeregt, die Homepage von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> mit anderen Webseiten noch intensiver zu verlinken, um<br />
noch wirksamer auf Veranstaltungen von <strong>ICOM</strong> hinzuweisen.<br />
Der Präsident schließt die außerordentliche Mitgliederversammlung<br />
um 14:17 Uhr.<br />
Frankfurt am Main, 12. Oktober 2008<br />
gez. Dr. Gerhard Winter, Protokollführer<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 31
Internationale Komitees<br />
El Mat’haf – Archäologisches Museum des privaten Sammlers Jawdat Khoudary in Sudaniyah: Während der Kriegshandlungen im Januar<br />
<strong>2009</strong> wurde das Museum teilweise beschädigt – die Fenster und mehrere Schaukästen sowie zwölf Amphoren gingen zu Bruch.<br />
Krisenhilfe in Gaza<br />
<strong>ICOM</strong> setzt sich für die durch Kriegshandlungen bedrohten Kulturstätten ein<br />
Thomas Schuler<br />
Die größte Gefahr für Museen geht von Kriegen und Naturkatastrophen<br />
aus. Damit das Ausmaß der Schäden möglichst schnell<br />
dokumentiert wird und Museen als Schatzkammern der Menschheit<br />
auch nach Kriegen und Katastrophen eine Zukunft haben,<br />
ist der <strong>ICOM</strong>-Krisenstab weltweit immer häufiger im Einsatz. So<br />
überwachte er seit dem Ausbruch des Gaza-Konfliktes dessen<br />
Auswirkungen auf die dortigen Museen. Nach aktueller Ein schä t-<br />
zung sind keine substantiellen Schäden entstanden, so dass für<br />
die Reparaturarbeiten voraussichtlich keine ausländische Hilfe<br />
nö tig sein wird.<br />
Wenn wir Gaza-Streifen hören, dann denken wir an Krieg,<br />
Flüchtlingslager und Not. Aber über all dem haben unsere Massenmedien<br />
zu berichten vergessen, dass das Gaza eine Schnittstelle<br />
zahlreicher Zivilisationen war. An diesem Küstenstreifen<br />
haben Pharaonen, Assyrer, Perser, Phönizier, Griechen, Nabatäer,<br />
Römer, Byzanz und Islam ihre Spuren hinterlassen – wenn<br />
auch heute oft unterirdisch. Der Hafen von Gaza war jahrhundertelang<br />
einer der wichtigen Endpunkte der arabischen Karawanenrouten<br />
(„Weihrauchstraße“), und hier wurde der Messwein<br />
aus Palästina ins mittelalterliche Europa verschifft. Die<br />
Wüstenstadt Petra gilt als traumhaftes Reiseziel – aber Gaza<br />
als die dazugehörige Hafenstadt liegt außerhalb unseres kulturhistorischen<br />
Horizontes.<br />
Natürlich haben Krieg und Elend die Arbeit und Existenz<br />
der Museen im Gaza-Streifen bedroht. 1998 waren noch zehn<br />
Museen aufgelistet, 2002 noch fünf. 2007 war nur noch eines<br />
davon in Betrieb; eine Ausstellung zur bedeutenden Karawanserai<br />
von Khan Younis.<br />
Doch es gilt auch von einem ermutigenden Neuansatz zu berichten:<br />
Jawdat N. Khoudary, ein bedeutender Bauunternehmer<br />
in Gaza, hat vor über zwanzig Jahren seine Liebe zu ar<br />
32 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
chäologischen Funden entdeckt. Seither wies er seine Arbeiter<br />
an, beim Abriss von alten Häusern wie auch beim Ausheben<br />
von Baugruben alle Funde bei ihm abzuliefern, und er akzeptierte<br />
die so verursachten Verzögerungen.<br />
Ein weiterer günstiger Umstand war, dass sich das Stadtmuseum<br />
von Genf seit langem der Archäologie in Gaza als Forschungsschwerpunkt<br />
verschrieben hat. Als dessen Kuratoren<br />
Marc-André Haldimann und Marielle Martiniani-Reber vor<br />
einigen Jahren die Schätze dieses passionierten Sammlers zu<br />
sehen bekamen, war ihnen sofort das Potential klar. So wurde<br />
2006 das Projekt eines neuen „Archäologischen Museums von<br />
Gaza“ im Bereich des antiken Hafens gestartet, das von der<br />
Palästinensischen Autonomiebehörde getragen und von der<br />
UNESCO unterstützt wird. Doch der Zwist innerhalb Palästinas<br />
behinderte die Realisierung dieses ambitionierten Projekts.<br />
Jawdat Khoudary ergriff daher die Initiative und errichtete im<br />
Vorgriff ein, ebenfalls im antiken Hafenbereich gelegenes, privates<br />
Museum, das mit 280 Quadratmetern Ausstellungsfläche<br />
im August 2008 eröffnet wurde. Er nannte es El Mat’haf (arabisch:<br />
Museum), denn „die Leute hier hören dieses Wort nicht.<br />
Ich aber möchte, dass es zum Wortschatz gehört“.<br />
Als die Luftangriffe auf Gaza begannen, mailte Marc-André<br />
Haldimann die Koordinaten des Museums wie auch des Hauptmagazins<br />
von Jawdat Khoudary den israelischen Behörden mit<br />
der Aufforderung, diese Gebäude im Sinne der Haager Konvention<br />
für Kulturgutschutz zu verschonen.<br />
Unser <strong>ICOM</strong>-Krisenstab hat sich zunächst ein genaues Bild<br />
über die Situation der Museen in Gaza verschafft und dann<br />
die Kontakte zu Jawdat Khoudary, dem Genfer Stadtmuseum<br />
und dem zuständigen UNESCO-Büro in Ramallah hergestellt.<br />
Da wir in „unserem ersten Krieg“ in Georgien einige Erfahrungen<br />
gesammelt hatten, konnten wir schnell und professionell<br />
reagieren. Auch bei diesem Krieg war uns UNOSAT eine<br />
entscheidende Hilfe: Im Auftrag der UNO werden nämlich in<br />
Genf, im europäischen Forschungsinstitut CERN, Satellitenaufnahmen<br />
der bombardierten Gebiete mit derselben Professionalität<br />
ausgewertet, wie dies die militärischen Dienststellen<br />
zu tun pflegen. Erstmals beim Georgien-Krieg – und nun in<br />
Gaza noch schneller und besser – waren unabhängige Luftbild-<br />
Auswertungen der Bombenschäden per Internet verfügbar<br />
(unosat.web.cern.ch/unosat/asp/prod_free.asp?id=120).<br />
Das neue Museum im Norden von Gaza litt unter den Bomben-Druckwellen:<br />
Die Fenster und Türen wurden zerstört; einige<br />
Glasvitrinen und Informationstafeln beschädigt. Eine Granate<br />
traf direkt den Veranstaltungsraum. Doch entscheidend<br />
war, dass die israelische Panzerfront zweihundert Meter vor<br />
dem Museum und dem Hauptdepot stoppte. Ist dies den übermittelten<br />
Koordinaten oder einem glücklichen Zufall zu verdanken?<br />
Unser Fazit ist ebenso überraschend wie erfreulich: Die Schäden<br />
am Gebäude und an den Einrichtungsgegenständen werden<br />
vom Bauunternehmer Khoudary umgehend behoben. Die<br />
zwölf zerbrochenen Amphoren sind restaurierbar; da das Museum<br />
über eine in Genf und im Louvre ausgebildete Restauratorin<br />
verfügt, kann dies intern geleistet werden.<br />
Auch in der Katastrophenhilfe gibt es neben viel Bedrückendem<br />
hin und wieder kleine Lichtblicke. Als ich am 8. Januar<br />
nach schwieriger Informationsbeschaffung und voller Sorgen<br />
unsere erste „Gaza Watch List“ veröffentlichte, hätte ich<br />
mir nicht träumen lassen, dass das einzige größere Museum<br />
und der Sammlungsbestand des künftigen „staatlichen“ Museums<br />
weitgehend intakt bleiben würden, und dass die Schäden<br />
aus eigener Kraft rasch zu beheben sein würden. Für unsere<br />
<strong>ICOM</strong> Task Force ist es jedenfalls eine große Freude, wenn wir<br />
nicht tätig werden müssen, weil es einen starken Museumsträger,<br />
ein kompetentes Museumsteam und ein engagiertes Partnermuseum<br />
gibt.<br />
Thomas Schuler, Chair von <strong>ICOM</strong> Disaster Relief for Museums Task<br />
Force; Th.Schuler@t-online.de<br />
Der <strong>ICOM</strong>-Krisenstab ist weltweit immer häufiger im Einsatz, besonders stark war er im Frühjahr und Sommer des Jahres 2008 gefordert:<br />
Zyklon in Myanmar: Nach einer extrem schwierigen Informationsbeschaffung<br />
konnten wir erfreut feststellen, dass keines der<br />
zwanzig Museen im betroffenen Gebiet ernsthaft beschädigt worden<br />
ist. (icom.museum/disaster_relief/myanmar2.html)<br />
Erdbeben in Sichuan: Hier ist bis heute die Informationslage<br />
schwierig. Von den 28 Museen, die hundert Kilometer vom Epizentrum<br />
entfernt liegen, ist eines komplett vernichtet und zwei<br />
sind sehr stark betroffen; mindestens sieben Museen wur den<br />
beschädigt. Die Unterstützung durch <strong>ICOM</strong> wurde von den<br />
chinesischen Kollegen zwar sehr willkommen geheißen, bisher<br />
aber nicht konkret angefordert.<br />
(icom.museum/disaster_relief/china.html)<br />
Krieg in Georgien: Während und nach dem Georgien-Krieg<br />
hatten wir insbesondere Sorge um zwölf Museen. Mindestens<br />
drei, die sich direkt in der Kampfzone befinden, wurden stark<br />
beschädigt. Weitere vier sind unter ständiger Beobachtung, fünf<br />
Museen konnten wir unterdessen aus der Beobachtungsliste<br />
streichen, da sie nur gering betroffen waren.<br />
(drfm.info/georgia)<br />
Hurrikan-Saison: Die Museen in der Karibik sind – außer in<br />
Haiti und Kuba – relativ glimpflich davongekommen, was z. B.<br />
beim Nationalmuseum von Turcs and Caicos an ein Wunder<br />
grenzt. In Texas wurden fünf Museen mittelschwer, 19 Museen<br />
leichter beschädigt.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 33
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Die internationalen Komitees<br />
stellen sich vor<br />
Die inhaltliche Arbeit von <strong>ICOM</strong> findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Inzwischen gibt es dreißig verschiedene<br />
International Committees, die selbstständig arbeiten und durch einen Präsidenten, einen Sekretär und einen Vorstand<br />
vertreten sind. Die Komitees widmen sich den speziellen Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps<br />
oder einer speziellen museumsfachlichen Disziplin.<br />
Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung seitens deutscher <strong>ICOM</strong>-Mitglieder in den International Committees.<br />
Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> begrüßt ihr Engagement sehr. Voraussetzung für die Aufnahme in ein internationales Komitee ist<br />
eine individuelle oder institutionelle Mitgliedschaft bei <strong>ICOM</strong>. Weitere Informationen zum Beitritt zu einem der internationalen<br />
Komitees finden Sie auf unserer Webseite www.icom-deutschland.de.<br />
In dieser Ausgabe berichten über ihre Arbeit:<br />
• ICLM – International Committee for Literary Museums<br />
• NATHIST – International Committee for Museums and Collections of Natural History<br />
• GLASS – International Committee for Museums and Collections of Glass<br />
• <strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation<br />
• CIPEG – International Committee for Egyptian and Sudanese Collections<br />
• ICR – International Committee for Regional Museums<br />
• ICMS – International Committee on Museum Security<br />
• CECA – International Committee for Education and Cultural Action<br />
• ICTOP – International Committee for the Training of Personnel<br />
• ICME – International Committee for Museums and Collections of Ethnography<br />
• CIDOC – International Committee of Documentation<br />
• IC MEMO – International Committee of Memorial Museums for<br />
the Remembrance of Victims of Public Crimes<br />
• <strong>ICOM</strong>ON – International Committee of Money and Banking Museums<br />
34 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
International Committee<br />
for Literary Museums – ICLM<br />
ICLM wurde 1977 in Leningrad gegründet, 1978 fand die erste<br />
Jahrestagung in Weimar statt. ICLM hat in Tagungen und<br />
Veröffentlichungen durch die Zeiten des Kalten Krieges hindurch<br />
Ost und West verbunden. In dieser Zeit ist das bis heute<br />
ICLM prägende Bewusstsein entstanden, dass sich die erfolgreiche<br />
Arbeit einer solchen Plattform der Begegnung und der<br />
Kooperation weniger auf Statuten, sondern mehr auf die Verbindung<br />
von Professionalität und Freundschaftlichkeit stützen<br />
muss, wenn sie erfolgreich sein will. Es ist diese Atmosphäre,<br />
die ICLM bis heute auszeichnet. Sie wird seit einigen Jahren<br />
konzentriert um die Absicht ergänzt, die strategischen Ziele<br />
<strong>ICOM</strong>s aktiv mitzuverfolgen, auch in Verbindung mit anderen<br />
Fachkomitees und Gremien, aber auch mit einem starken Nationalkomitee<br />
wie <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />
ICLM hat 150 Mitglieder (Russland ist entsprechend der<br />
großen Bedeutung, die Literatur und Literaturmuseen dort haben,<br />
stark vertreten), davon nur zwanzig außerhalb Europas.<br />
Diese zahlenmäßige Stärke europäischer Mitglieder hat wohl<br />
nicht nur mit der Geschichte von ICLM zu tun, die Wolfgang<br />
Barthel in den Tagungsakten der Jahrestagung 2007 skizziert<br />
hat, sondern mit den besonderen Traditionen einer spezialisierten<br />
Museumsform wie der des Literaturmuseums. Vertreten<br />
sind authentische Dichterhäuser und Memorialstätten – in<br />
diesen Fällen können sich ICLM und DEMHIST berühren<br />
(s. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>Mitteilungen</strong> 2008, S. 33) – ebenso<br />
wie Museen, die sich auf einzelne Literaturepochen beziehen,<br />
so zum Beispiel das Literaturmuseum der Moderne, Marbach,<br />
oder auch die Klassik Stiftung Weimar als museales Ensemble.<br />
Alle Kolleginnen und Kollegen sind sich der besonderen<br />
Schwierigkeit bewusst, dass im Kern der Bedeutung ihrer Häuser<br />
literarische Werke liegen, deren immaterielle Gestalt an eine<br />
sinnliche Vermittlung im Museum besondere Anforderungen<br />
stellt. Auch die primäre materielle Hülle der Literatur, nämlich<br />
Handschriften und Bücher, ist spröder als zum Beispiel Gemälde<br />
und Musik in Museen, die anderen Künsten gewidmet<br />
sind. So sind spezifische Fragen der Vermittlung in Literaturmuseen,<br />
etwa der Gestaltung von Ausstellungen, immer wieder<br />
Gegenstand der Diskussionen und Publikationen ICLMs.<br />
Als Bereicherung der Diskussionen und Tagungen wird empfunden,<br />
dass seit einigen Jahren auch einige Komponisten gewidmete<br />
Museen Mitglieder stellen, da diese kein eigenes Fachkomitee<br />
in <strong>ICOM</strong> haben.<br />
Neben den spezifischen Fragen der Literaturmuseen – und<br />
Komponistenmuseen – werden aber immer wieder Fragen behandelt,<br />
die alle Museen betreffen und die gerade im internationalen<br />
Vergleich und Austausch zu behandeln lohnend sind,<br />
wie zum Beispiel die Arbeit für Kinder und Schüler als Museumsbesucher,<br />
das vielleicht nicht ganz spannungsfreie Verhältnis<br />
von Sammlungen und Eventkultur oder die Funktion der<br />
Forschung in den Museen. Diese Fragen werden in den Jahrestagungen<br />
ICLMs behandelt, zuletzt 2008 in Italien. 75 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer kamen nach Prato und Florenz<br />
zu Vorträgen, einem Workshop, Konzerten und Besuchen von<br />
herausragenden Stätten italienischer Literatur. Vom 21. bis<br />
23. September <strong>2009</strong> wird die Jahrestagung in Budapest zum<br />
Thema „Die Reisen der Schriftsteller und Komponisten – Was<br />
machen die Museen daraus?“ stattfinden, auch in Anlehnung<br />
an das Thema des Internationalen Museumstages <strong>2009</strong>: „Museen<br />
und Tourismus“. Gäste sind immer willkommen.<br />
Referate und andere Beiträge der Jahrestagungen erscheinen<br />
seit 2007 regelmäßig in den Bänden der Reihe „ICLM Publications“.<br />
Ein frisches Erscheinungsbild im Sinne von Corporate<br />
Design für alle Aktivitäten von ICLM wurde 2006 entwickelt.<br />
Seit 2007 beteiligt sich ICLM aktiv am UNESCO-Programm<br />
zum Weltdokumentenerbe „Memory of the World“,<br />
das weltweit dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem<br />
Wert sichern und digital zugänglich machen will. Wir<br />
tun dies auch in der Absicht, wegbereitend für den Weltverband<br />
von <strong>ICOM</strong> zu handeln, da die Museen in diesem wichtigen<br />
Programm bisher nicht so stark repräsentiert werden wie<br />
etwa die Archive und Bibliotheken durch ihre jeweiligen Weltverbände.<br />
Immerhin wurde der Präsident von ICLM jetzt in<br />
eines der Lenkungsgremien des Programms beim Generaldirektor<br />
der UNESCO in Paris berufen. Eine weitere Unterstützung<br />
durch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und seine Mitglieder, etwa in<br />
Form von Ausstellungen oder Informationsvermittlung, würde<br />
sich ICLM wünschen.<br />
Zweimal im Jahr erscheint ein ICLM-Newsletter, der vorzugsweise<br />
per E-Mail verteilt wird. Auch Nichtmitglieder sind<br />
als Leserinnen und Leser willkommen.<br />
Weitere Informationen:<br />
Prof. Dr. Lothar Jordan, Präsident von ICLM<br />
ICLM.Jordan@gmx.de<br />
Literaturmuseen weltweit stehen vor der Frage: Wie wird Literatur<br />
erlebbar? Die meisten befinden sich in ehemaligen Lebens- und Wirkungsstätten<br />
eines Autors und präsentieren neben dem Arbeitszimmer<br />
auch persönliche Gegenstände und wertvolle Erstausgaben.<br />
Sie setzen damit, wie hier das Moskauer Leo-Tolstoi-Museum, auf<br />
die Aura des Ortes: Durch den Einblick in die Lebensverhältnisse eines<br />
Autors werde sein literarisches Schaffen und somit auch seine<br />
Literatur verständlich.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 35
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
International Committee for Museums and<br />
Collections of Natural History – NATHIST<br />
Das Internationale Komitee für naturwissenschaftliche Museen<br />
und Sammlungen ist eines der dreißig internationalen Komitees<br />
von <strong>ICOM</strong>. NATHIST ist verantwortlich für die gesamte<br />
Vielfalt der biologischen, paläontologischen und geologischen<br />
Sammlungen in Museen, für die natürliche Umwelt, die wissenschaftliche<br />
Bearbeitung des Weltnaturerbes in unseren Museen<br />
sowie für Bildung und Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit<br />
durch Ausstellungen, Konferenzen, Exkursion und<br />
P ub l i k a t i o n e n .<br />
Im Rahmen des „Strategic Plan of <strong>ICOM</strong>“ bietet NATHIST<br />
ein Forum für professionelle Interaktionen und für Erfahrungsaustausch<br />
zwischen allen, die in naturwissenschaftlichen Museen<br />
weltweit arbeiten, aber auch allen, die in entsprechenden<br />
Institutionen arbeiten, wie Zoologischen Gärten, Wild Life<br />
Parks, Botanischen Gärten, Aquarien, Naturzentren, geologischen<br />
und paläontologischen Stätten.<br />
NATHIST ist mit 220 Mitgliedern in 56 Ländern weltweit<br />
vertreten und verfolgt als Ziele und Aufgaben:<br />
1) Naturwissenschaftliche Museen ebenso wie Institutionen<br />
mit gleichen Zielen, die Mitglied bei <strong>ICOM</strong> sind, müssen ihre<br />
vitale und einzigartige Rolle bei der Erforschung der Biodiversität,<br />
des globalen Wandels, der Erhaltung der Lebensräume<br />
und in der Umwelterziehung bewusst darstellen. Ihre Sammlungen<br />
und die damit verknüpften Daten und Information sind<br />
grundlegende Voraussetzung, diese Ziele zu erreichen und umzusetzen.<br />
Im Darwin-Jahr <strong>2009</strong> widmen viele naturwissenschaftliche Museen<br />
ihre Ausstellungen der Evolution. Das Royal Belgian Institute of Natural<br />
Sciences blickt nicht nur in die Vergangenheit und Gegenwart,<br />
sondern auch in die Zukunft. Wie werden Lebewesen, folgt man den<br />
Gesetzen der Evolution, in fünfzig Millionen Jahren aussehen?<br />
2) Diese Aktivitäten sollen in enger Zusammenarbeit mit anderen<br />
internationalen Komitees von <strong>ICOM</strong> durchgeführt werden<br />
und, wo immer möglich, mit Universitäten und anderen<br />
Organisationen aus dem Bereich der Umweltforschung und -erziehung.<br />
3) Naturwissenschaftliche Museen sollen verstärkt pädagogische<br />
Programme und Ausstellungen auf hohem Niveau fördern,<br />
dies jedoch so nachhaltig wie möglich, um ein größeres<br />
öffentliches Bewusstsein und Verständnis – sowohl für Biowie<br />
Geowissenschaften – zu entwickeln. Zudem sollen sie die<br />
Gruppen der Öffentlichkeit ermitteln und besonders angesprechen,<br />
die bisher nicht die Museen besuchen.<br />
4) Alle Aktivitäten sollen jedoch so durchgeführt werden,<br />
dass dabei all die Faktoren Berücksichtigung finden, die im Leben<br />
vieler Kulturen Harmonie mit der Natur ausdrücken und<br />
einer aggressiven Ausbeutung widersprechen.<br />
5) Der Grundlage von NATHIST ist der „<strong>ICOM</strong>-Code of<br />
Ethics for Museums“. Als Ergänzungen dazu hat NATHIST<br />
einen speziellen „<strong>ICOM</strong> NATHIST Code of Ethics for Natural<br />
History Museums“ entwickelt. Derzeit wird die zweite Fassung<br />
diskutiert.<br />
6) Seit der Generalkonferenz in Seoul 2004 wurden auf den<br />
NATHIST-Treffen zahlreiche Projekte zum Thema „Intangible<br />
Natural Heritage“ vorgestellt. Da dieser Aspekt bisher in einschlägigen<br />
Veröffentlichtungen kaum berücksichtigt wurde,<br />
haben wir eine Publikation dazu in Angriff genommen und erwarten<br />
diese für September <strong>2009</strong>.<br />
Da die Bedrohung der Bio- und Geodiversität weltweit stark<br />
zunimmt, hat sich NATHIST diesem Thema besonders verschrieben,<br />
denn wir sind überzeugt, dass naturwissenschaftliche<br />
Museen einen bedeutenden Beitrag für eine nachhaltige<br />
Entwicklung leisten können. NATHIST kann dies jedoch nur<br />
dann erreichen, wenn sich viele Mitglieder aktiv beteiligen.<br />
2008 fand die Jahrestagung im State Darwin Museum statt.<br />
Als Thema für die Konferenz war „Presentation of Evolution<br />
in Museum Exhibitions“ gewählt worden, um in Vorfeld des<br />
Darwin-Jahrs Ideen, Möglichkeiten und Probleme zu diskutieren,<br />
die mit der Darstellung moderner Evolutions-Wissenschaft<br />
in naturwissenschaftlichen Museen verknüpft sind.<br />
Ausführlich wurde über Evolution und deren Bedeutung<br />
für das Selbstverständnis der naturwissenschaftlichen Museen<br />
diskutiert. Die Teilnehmer fanden eine einvernehmliche Übereinstimmung,<br />
die in einem so genannten Position Statement formuliert<br />
wurde: Evolution ist sowohl eine Tatsache wie eine<br />
Theorie (www.icom-nathist.de/icom/fpe.htm).<br />
Die Jahrestagung <strong>2009</strong> ist für den 18. bis 22. Oktober in Guarujá,<br />
Brasilien, geplant als eine gemeinsame Konferenz der<br />
Internationalen Komitees von ICTOP und NATHIST, zusammen<br />
mit dem Nationalkomitee von Brasilien und dem <strong>ICOM</strong>-<br />
ETHICS Committee unter dem Thema „Culture and Nature<br />
– a Challenge for Museum Practicians“ (Arbeitstitel).<br />
Weitere Informationen:<br />
Dr. Gerhard Winter, Präsident von NATHIST<br />
gerhard.winter@senckenberg.de<br />
Ulrike Stottrop, Schatzmeisterin von NATHIST<br />
ulrike.stottrop@ruhrmuseum.de<br />
Aktuelle Informationen: nathist.icom.museum<br />
Abstracts der Jahrestagung 2008:<br />
www.icom-nathist.de/icom/fam.htm<br />
36 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Tagungsberichte<br />
GLASS – International Committee for Museums and Collections<br />
of Glass<br />
French Glass – Past, Present and Future<br />
Jahrestagung vom 27. bis 31. Oktober 2008 in Nancy, Frankreich<br />
Helena Horn, Claudia Kanowski, Karin Rühl<br />
Rund dreißig Museumsfachleute aus den USA, Israel und Europa<br />
trafen sich zum Fachdialog, Netzwerken und zur Erkundung<br />
der elsässisch-lothringischen Glasregion. Die ersten drei<br />
Referentinnen stellten die französischen Gläser des Art Nouveau,<br />
Art Déco und Jugendstils aus ihren Sammlungen vor:<br />
Janette Lefranq präsentierte die Glassammlung des Musee<br />
Royaux d’Art et d’Histoire in Brüssel, Claudia Kanowski die<br />
des Bröhan-Museums in Berlin und Susanne Netzer die des<br />
Berliner Kunstgewerbemuseums. Marketa Tronnerova von der<br />
Mährischen Galerie in Brünn diskutierte stilistische Zusammenhänge<br />
zwischen den Produkten der Hütten in Mähren, Böhmen<br />
und Lothringen in der Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />
Helena Horn sprach über den Zusammenhang zwischen Glas<br />
und Licht in der zeitgenössischen Kunst – zunächst am Beispiel<br />
der Installation „Age Quod Agis – a Sundail or the Possibility<br />
of Stopping the Time“ (2005) der schwedischen Künstlerin<br />
Anna Viktoria Norberg. Da in dieser Installation natürliches<br />
Licht über Glasstäbe transportiert wird, ist das Kunstwerk von<br />
den jeweiligen Lichtverhältnissen abhängig und erzeugt ungewöhnlich<br />
intensive Stimmungen. Als zweites Beispiel diente die<br />
Feldkapelle von Peter Zumthor in Wachendorf. Darin wird das<br />
natürliche Licht mit Hilfe von Halbkugeln aus Glas gefiltert<br />
und fokussiert, so dass die gesamte Architektur in einem atmosphärisch<br />
aufgeladenen Kontext erscheint. Beide Male wird<br />
Glas nicht zum Kunstwerk gemacht, sondern dient als Mittel<br />
zum Zweck: Es transportiert das natürliche Licht, das sowohl<br />
in der Installation als auch in der Kapelle eine zentrale Aufgabe<br />
übernimmt.<br />
Henrietta Brunner vom Tel Aviv Museum stellte Glasarbeiten<br />
von israelischen Künstlern vor. Es war höchst überraschend,<br />
wie viele Künstler in Israel mit Glas arbeiten und welche<br />
Vielfalt sich innerhalb kürzester Zeit herausgebildet hat,<br />
denn Glas ist in der iraelischen Kunstlandschaft ein relativ<br />
neues Medium.<br />
Im Rahmen des dicht gedrängten Exkursionsprogramms besichtigten<br />
wir nicht nur Museen, Archive und Sammlungen,<br />
sondern auch kommerzielle Galerien, Werkstätten, Künstlerstudios<br />
oder Fabriken – ein umfassender Überblick über die<br />
elsässisch-lothringische Glasgeschichte bis hin zur Gegenwart<br />
war somit garantiert. Nicht nur funkelnde Kristalle von Baccarat<br />
und St. Louis oder stimmungsvolle Art-Nouveau-Gläser<br />
von Emile Gallé und Daum Fréres gehören zu dieser Geschichte,<br />
sondern leider auch der wirtschaftliche Niedergang einiger<br />
bedeutender Hütten wie etwa Meisenthal. Interessant war jedoch,<br />
dass die Kommunen und Départements darum bemüht<br />
sind, die einstige Glasregion durch künstlerische und touristische<br />
Impulse neu zu beleben. So werden in Vannes-le-Châtel,<br />
finanziert durch Eigeninitiativen und staatliche Subventionen,<br />
junge Glaskünstler aus aller Welt ausgebildet.<br />
Die Glashütte in Meisenthal wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in<br />
der Epoche des französischen Jugendstils „Art Noveau“ weltweit bekannt.<br />
Trotz stagnierender Wirtschaft werden dort auch heute noch<br />
gläserne Kunstwerke hergestellt, u. a. die in Lothringen erfundenen<br />
Weihnachtskugeln. Während der Adventszeit schauen daher besonders<br />
viele Besucher den Hüttenarbeitern über die Schulter.<br />
Ebenso versucht die lothringische Ortschaft Baccarat, der<br />
Entlassungswelle des Jahres 2003 zu begegnen. Beispielsweise<br />
bemüht sich das Le-pôle-Bijou-Projekt, Schmuckkünstler heranzuholen<br />
und somit in der Region neue Arbeitsplätze zu schaffen.<br />
Denn Baccarat beherbergt die komplett erhaltenen Glaswerke<br />
der Cristallerie Baccarat. Diese umfasst neben der Hütte<br />
auch eine Kirche sowie die Arbeiterhäuschen und geht auf das<br />
18. Jahrhundert zurück. In den Werkhallen wird, trotz schwieriger<br />
finanzieller Bedingungen, nach wie vor hochwertiges Kristall<br />
produziert. Besonders eindrücklich war die Besichtigung<br />
der historischen Guillochiermaschine, die noch immer in Betrieb<br />
ist.<br />
Der letzte Tag des Meetings war dem aktuellen Glas gewidmet:<br />
einer privaten Glassammlung in Vendenheim sowie einer<br />
eigens für das <strong>ICOM</strong>-GLASS-Komitee vorzeitig eröffneten<br />
Ausstellung mit den Arbeiten der Studenten der Glasklassen der<br />
Hochschule für Bildende Kunst in Strassburg und der Moholy-Nagy-Universität<br />
für Kunst und Design in Budapest, dem<br />
Partnerinstitut.<br />
Organisiert von den Vorstandsmitgliedern von <strong>ICOM</strong> GLASS,<br />
Paloma Pastor, Jane Spillmann und Karin Rühl, sowie von<br />
den französischen Kuratoren Jean Luc Olivié, von Véronique<br />
Brumm, Emmanuelle Guiotat und Valérie Thomas, hat die<br />
Tagung ihr Ziel, Kontakte zwischen den internationalen Museumskuratoren<br />
zu stärken und einen Überblick über die elsässisch-lothringische<br />
Glasregion zu vermitteln, aufs Beste erreicht.<br />
Dr. des. Helena Horn, Kunsthistorikerin, war von 1999 bis 2001 Vorstandsmitglied<br />
von <strong>ICOM</strong> GLASS, sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
der Kunstsammlungen der Kreissparkasse Köln.<br />
Dr. Claudia Kanowski, Kuratorin und stellvertretende Direktorin des<br />
Bröhan-Museums Berlin, arbeitet derzeit schwerpunktmäßig an einem<br />
Bestandskatalog der Glassammlung; c.kanowski@broehan-museum.de<br />
Karin Rühl, M.A., seit 2007 Vorstandsmitglied von <strong>ICOM</strong> GLASS, leitet<br />
das Glasmuseum Frauenau; karin.ruehl@glasmuseum-frauenau.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 37
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
<strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation<br />
Diversity in Heritage Conservation:<br />
Tradition, Innovation and Participation<br />
15. dreijährliche Tagung vom 22. bis 26. September 2008<br />
in Neu-Delhi, Indien<br />
Christine Müller-Radloff<br />
Erstmalig in seiner vierzigjährigen Geschichte tagte das <strong>ICOM</strong>-<br />
CC in einem asiatischen Land mit der bisher größten Teilnehmerzahl<br />
von über sechshundert Gästen aus allen Erdteilen.<br />
Der zentral gelegene Veranstaltungsort Neu-Delhi sorgte für<br />
zahlreiche Teilnehmer aus asiatischen Ländern wie Bangladesch,<br />
Bhutan, Brunei, China, Indonesien, Israel, Iran, Japan, Kambodscha,<br />
Malaysia, Mongolei, Nepal, Taiwan, Pakistan, Philippinen,<br />
Sri Lanka, Vietnam und dem Gastgeber Indien.<br />
Die Veranstaltungen fanden im Kongresszentrum Vigyan<br />
Bhawan im Zentrum von Neu-Delhi statt. Die Ausstattung der<br />
Vortragssäle ließ eine sehr gute Konferenzatmosphäre aufkommen.<br />
So waren sie zum einen technisch gut ausgestattet und<br />
klimatisiert, zum anderen war das Gelände sicher bewacht.<br />
Dies ist besonders anzumerken, da eine Woche vor Tagungsbeginn<br />
mehrere Attentate auf öffentlichen Plätzen der Stadt<br />
stattfanden.<br />
Auch für unser leibliches Wohl war bestens gesorgt, so dass<br />
wir unsere Kraft auf die Vorträge und den Erfahrungsaustausch<br />
mit den Kollegen konzentrieren konnten. Manchmal<br />
mussten wir jedoch auch lernen, dass zahlreicheres Personal für<br />
Organisation und Betreuung nicht unbedingt bedeutet, dass<br />
die anstehenden Aufgaben auch schneller gelöst werden. Alle<br />
Mitarbeiter waren aber stets freundlich und hilfsbereit.<br />
Aus der Vielzahl der Vorträge ist der gemeinsam von der<br />
ethnographischen, der textilen und der Gemäldearbeitsgruppe<br />
veranstaltete Zyklus zu den Rollbildern des tibetischen Buddhismus,<br />
den so genannten Thangkas, hervorzuheben. Hierbei<br />
referierten Sabine Cotte über „Thangkas: Presenting a Living<br />
Religious Heritage“, Ann Shaftel über „The Continous<br />
Evolving Form of Thangkas“ und Ute Griesser über „Presenting,<br />
Handling and Treating Sacred Thangkas According to Western<br />
Standards and Respecting Their Cultural Context – An<br />
Achievable Common Purpose?“. Besonders interessant war<br />
auch der von Ephraim Jose und dem bhutanischen Mönch Sonam<br />
Dorji gemeinsam gehaltene Vortrag, in dem sie über ihre<br />
Zusammenarbeit berichteten. Dabei thematisierten sie vor allem,<br />
wie die Mönche auf dem Gebiet der Restaurierung und<br />
Konservierung geschult werden. Von den weiteren Vorträgen<br />
zum Thangka-Themenkreis seien auch die der beiden indischen<br />
Referenten Kamlesh Kumar Gupta „Thangka Conservation at<br />
the National Museum New Delhi“ und Nilabh Sinha „Thangka<br />
Conservation at INTACH Art Conservation Centre in New<br />
Delhi“ genannt. Sie zeigten deutlich den Wandel der Ansicht<br />
über die Restaurierung von Thangkas in den letzten Jahrzehnten.<br />
Während anfangs wie auch im buddhistischen Gebrauch<br />
nur Wert auf die Erhaltung des zentralen Gemäldeteils<br />
gelegt wurde, wird heute ein Thangka als Gesamtkunstwerk<br />
angesehen und erhalten.<br />
Neben Vorträgen und Diskussionen standen auch Exkursionen<br />
zu musealen Einrichtungen auf der Tagesordnung, so beispielsweise<br />
zum Qutub Minar, zum Humayun-Mausoleum, zur<br />
Jami-Moschee, dem Roten Ford oder ins Nationalmuseum.<br />
Ein Rundgang durch die Restaurierungswerkstätten des Nationalmuseums<br />
Janpath vermittelte uns anschaulich den Stand<br />
der Restaurierung in Indien, wir konnten den Mitarbeitern bei<br />
der Arbeit zusehen und mit ihnen Erfahrungen austauschen.<br />
Den Abend im Alten Fort haben viele Teilnehmer als einen<br />
zentralen Höhepunkt des Treffens wahrgenommen. Dabei<br />
zeigten Schüler der National Academy of Music, Dance and<br />
Drama New Delhi ihr Können in traditioneller Musik und traditionellem<br />
Tanz.<br />
Als letztes sei auch über eine Wortlautänderung des Statuts<br />
von <strong>ICOM</strong>-CC berichtet, die eine hitzige Debatte erzeugte. Es<br />
ging um den englischen Wortlaut, in dem von nun an für<br />
„Konservierung und Restaurierung“ nur noch das Wort<br />
„Conservation“ verwendet werden soll – dies wird international<br />
sicher zu Verständigungsschwierigkeiten führen. Da aber<br />
die Mehrheit der Teilnehmer englischsprachig war, wurde per<br />
Mehrheitsbeschluss „Conservation“ festgelegt – zumindest in<br />
der englischen Version.<br />
Christine Müller-Radloff, Dipl.-Ing. für Textil- und Bekleidungstechnik/<br />
Textilrestaurator, arbeitet seit 1982 am GRASSI Museum für Völkerkunde<br />
zu Leipzig. Sie hat sich auf die Restaurierung ethnographischer<br />
textiler Objekte aus allen Regionen der Welt spezialisiert. Bei <strong>ICOM</strong><br />
bekleidet Sie die Funktion des Co-Assistant for the Inventory of the<br />
Textile Working Group of <strong>ICOM</strong>-CC;<br />
christine.mueller-radloff@ses.smwk.sachsen.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Die vollständige Übersicht zu den Vorträgen und Exkursionen ist erreichbar<br />
unter: www.icom-cc2008.org, die Tagungsbeiträge wurden<br />
als Preprints bei Allied Publishers Pvt. Ltd. in zwei Bänden plus CD<br />
unter ISBN 81-8424-346-4 veröffentlicht.<br />
(www.alliedpublishers.com)<br />
Gemalte oder gestickte Rollbilder, so genannte Thangkas, werden im<br />
Tibetischen Buddhismus u. a. zur religiösen Bildung und zur Meditation<br />
verwendet. <strong>ICOM</strong>-CC-Mitglied Ute Griesser wohnte 2002 in Kham<br />
(Tibet) einer Klosterzeremonie des Gelupka-Ordens bei, während<br />
derer die Pilger unter freihängenden Thangkas entlangschritten und<br />
diese ehrfürchtig berührten.<br />
38 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CIPEG – International Committee for Egyptian<br />
and Sudanese Collections<br />
Cooperation between Museums, Collections<br />
and Research Institutions<br />
Jahrestagung vom 6. bis 8. September 2008 in Hannover<br />
und Hildesheim<br />
Gabriele Pieke<br />
Die Einladung zur CIPEG-Jahrestagung 2008 hatten das Museum<br />
August Kestner und das Roemer-Pelizaeus-Museum gemeinsam<br />
ausgesprochen – um sowohl die enge Beziehung beider<br />
Häuser zu betonen als auch an die Anfänge von CIPEG in<br />
Niedersachsen anzuknüpfen. 54 Teilnehmer aus dreizehn Ländern<br />
waren ihr gefolgt. Die Gründung von CIPEG liegt nunmehr<br />
25 Jahre zurück und ist der maßgeblichen Initiative von<br />
Arne Eggebrecht, dem ehemaligen leitenden Direktor des Roemer-Pelizaeus-Museums,<br />
zu verdanken. Somit fand die Tagung<br />
anlässlich des 25. Geburtstages unseres Komitees unter dem<br />
heimlichen Motto „Back to the Roots“ statt, und Gründungsmitglied<br />
Rolf Gundlach ließ in seinem Festvortrag die vergangenen<br />
Jahrzehnte auf unterhaltsame Weise Revue passieren.<br />
Dank der Förderung durch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> sowie der Stiftung<br />
Niedersachsen konnten wir auch zahlreiche Gäste aus<br />
Ägypten und dem Sudan begrüßen.<br />
Den Programmstart übernahm Lothar Jordan mit einem<br />
Vortrag zum UNESCO-Programm „Memory of the World“<br />
– einem digitalen Netzwerk mit derzeit 158 Kulturzeugnissen<br />
aus Europa, Afrika, Zentralasien und Lateinamerika. Ziel des<br />
„Menschheits-Gedächtnisses“ ist es, dokumentarische Zeugnisse<br />
von enormem Wert zu sichern und auf modernen informationstechnischen<br />
Wegen zugänglich zu machen. Der Vort<br />
rag fa nd g roße s I ntere sse , d a d ie se s Doku ment at ion svorh ab en<br />
vielen Mitgliedern bisher unbekannt war.<br />
Ein fester Bestandteil jeder Jahrestagung ist der Bericht der<br />
teilnehmenden Institutionen über ihre aktuellen Tätigkeiten.<br />
So erhielten alle Teilnehmer – über die gehaltenen Vorträge<br />
hinaus – einen Überblick über die Ausstellungen oder Forschungsprojekte<br />
der verschiedenen Sammlungen.<br />
Mit großer Spannung verfolgten wir die Referate der offiziellen<br />
Vertreter der Antiken- und Museumsbehörden aus Ägypten<br />
und dem Sudan. So sind zum Beispiel in den letzten Jahren<br />
in beiden Ländern zahlreiche neue Museen entstanden, die<br />
der bisherigen Zentralisierung in den Hauptstädten entgegenwirken<br />
sollen. Allein neunzehn Museen, etwa in Alexandria,<br />
Sohag oder auch Minia, wurden in den letzten fünf Jahren in<br />
Ägypten eröffnet, weitere sind in Planung oder bereits im Bau.<br />
Im Sudan zeichnet sich ähnliches ab, da die Behörden ebenfalls<br />
die Gründung regionaler Museen insbesondere im südlichen<br />
Landesteil sowie im Norden, in der Region des vierten<br />
Nil-Kataraktes, forcieren. Dort sollen in Verbindung mit den<br />
archäologischen Stätten vermehrt so genannte Sites-Museen<br />
entstehen. Ein besonderes Projekt, das erstmalig ägyptische<br />
und sudanesische Museen zusammenbringt, hat der Direktor<br />
des Nubien-Museums in Assuan vorgestellt. In Wadi Halfa,<br />
ca. zehn Kilometer südlich der Grenze zu Ägypten, soll demnach<br />
mit internationaler Hilfe ein Museum entstehen, von dem<br />
man sich neue kulturelle und touristische Impulse für diese<br />
wichtige Transitregion erhofft. Zudem berichteten die ägyptischen<br />
Kollegen über weitere Projekte aus ihren Einrichtungen<br />
Im Jahr 2008 wurde in einer feierlichen Zeremonie der Grundstein<br />
für das Museum in Wadi Halfa (Sudan) gelegt.<br />
und kündigten die intensive Zusammenarbeit mit sudanesischen<br />
Museen an.<br />
Außerordentlich spannend, da selbst den Fachleuten weitgehend<br />
unbekannt, waren die Aktivitäten verschiedener kleinerer<br />
Sammlungen in Italien und Großbritannien. Zur verbesserten<br />
Netzwerkpflege haben sich die Kuratoren der kleineren<br />
englischen Museen zusammengetan und eine eigene Website<br />
entwickelt, die neben einer Objektdatenbank auch viele nützliche<br />
Informationen präsentiert.<br />
Für Gesprächsstoff sorgte ein Vortrag, der den Umgang mit<br />
ausgewickelten Mumien im Museum in Manchester präsentierte.<br />
Dabei wurde mittels eines Internetblogs sowie einer Besucherbefragung<br />
die öffentliche Meinung zu dieser speziellen<br />
Präsentationsform evaluiert. Mehr als sechzig Prozent des Publikums<br />
sprachen sich für das Ausstellen ausgewickelter Mumien<br />
inklusive so sensibler Objekte wie beispielsweise einer<br />
Kindermumie aus. Für große Diskussion sorgte zudem die Präsentation<br />
einer Gruppe von Fälschungen, die im frühen 19. Jahrhundert<br />
angefertigt wurde und u. a. antike Papyrusfragmente<br />
beinhaltet. Ein Teil der Museen hatte sich zum Auswickeln der<br />
Rollen entschieden, wohingegen andere die zweihundert Jahre<br />
alten Fälschungen als eigenständiges Kulturgut werten und<br />
eine Ausrollung oder Zerstörung ablehnen.<br />
In der Schlussdiskussion stimmten wir über mehrere Resolutionen<br />
ab. Ein Schwerpunkt lag auf der Unterstützung der<br />
Museumskooperation zwischen Ägypten und dem Sudan sowie<br />
den Bestrebungen kleinerer Sammlungen nach einer besseren<br />
Vernetzung und Wahrnehmung. Darüber hinaus beschlossen<br />
wir, ein CIPEG-Archiv zu gründen, und diskutierten die<br />
Gestaltung der längst überfälligen CIPEG-Website. Diese soll<br />
sowohl Online-Publikationen als auch eine Mitglieder-Datenbank<br />
enthalten.<br />
Die nächste Jahrestagung wird in Atlanta, USA, stattfinden,<br />
im Anschluss an die Jahrestagung des American Research<br />
Center in Egypt in Dallas. Insgesamt haben die internationalen<br />
Kollegen die Tagung sehr positiv aufgenommen und die Qualität<br />
der deutschen Museumslandschaft ausgiebig gelobt.<br />
Dr. Gabriele Pieke ist seit 2007 Generalsekretärin von CIPEG; sie ist<br />
Kuratorin des Ägyptischen Museums der Universität Bonn. Neben ihrer<br />
Ausstellungs- und Museumstätigkeit unterrichtet sie altägyptische<br />
Kunstgeschichte an der Universität Bonn; g.pieke@uni-bonn.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 39
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICR – International Committee for Regional Museums<br />
Regional Museums in a Post Industrial Age<br />
Jahrestagung vom 20. bis 25. Oktober 2008 in Pittsburgh<br />
und Johnstown, USA<br />
Otto Lohr<br />
Das Senator John Heinz History Center ist mit rund 20.000 m 2 Ausstellungsfläche<br />
das größte Historische Museum in Pennsylvania. Insgesamt<br />
gibt es in Pennsylvania 1430 Museen, von denen die meisten<br />
als Non-Profit-Organisationen durch Privatpersonen betrieben werden.<br />
Wie sehen regionale Museen zukünftig aus? Welche Strategien<br />
müssen sie verfolgen, um in einer globalisierten Wirtschaft zu<br />
bestehen? Diese Fragen im Blick, diskutierten wir vor allem<br />
Aspekte der ökonomischen Nachhaltigkeit, Methoden, mit denen<br />
die Bevölkerung stärker in die Museumsarbeit einbezogen<br />
werden kann, und Fragen, wie regionale Museen ihre Sammlungen<br />
den veränderten ökonomischen und kulturellen Bedingungen<br />
anpassen können.<br />
Zwei Impulsreferate führten in das Tagungsthema ein: Barbara<br />
Franco betonte in ihrem Beitrag „Regional Museums and<br />
Economic Sustainability“, dass die Museen in den Vereinigten<br />
Staaten stärker in ökonomischen Kategorien denken als in denen<br />
ihrer Bildungsaufgaben. So haben sie von den Unternehmern<br />
gelernt, die modernen Kommunikationsmethoden zu<br />
nutzen: Wenn ein Museum Fundraising betreibt, muss es sich<br />
auch Fragen über seinen Wert für die Gesellschaft gefallen lassen.<br />
Zudem ändert sich, wie sie berichtete, die Rolle der Museen<br />
in den USA. Da die Besucher zunehmend an Gegenwart<br />
und Zukunft interessiert seien, griffen viele Museen diese Entwicklung<br />
auf und böten mithilfe der Vergangenheit Erklärungen<br />
für die Gegenwart.<br />
Torill Thoemt vom Valdresmuseum Fagernes in Norwegen<br />
stellte die Frage: Why Regional Museums? In ihrer Antwort<br />
betonte sie, dass es nötig sei, die Gesellschaft in die Arbeit der<br />
Museen einzubeziehen. Denn die Zeiten hätten sich so rapide<br />
verändert, dass den Jungen die alten lokalen Traditionen nicht<br />
mehr bekannt seien, und ein Museum die Gelegenheit böte,<br />
diese Wissenslücken zu schließen. Auch müsse das Museum stärker<br />
der Ort für Diskussionen über aktuelle Veränderungen werden,<br />
etwa über Klimawandel oder gesellschaftlichen Wandel.<br />
Die Museen sollten dabei nicht nur reagieren, sondern selbst<br />
eine aktive Rolle übernehmen.<br />
Aus der Fülle der Präsentationen ist das von der Europäischen<br />
Union geförderte Projekt „Craftattract“ zu nennen, das<br />
Slowenien, Ungarn und Kroatien gemeinsam betreiben. Dabei<br />
sollen Verbindungen zwischen traditionellem Erbe und Tourismus<br />
hergestellt werden, die sich positiv auf die Entwicklung der<br />
beteiligten Regionen in der Grenzregion der drei Länder auswirken<br />
sollen.<br />
Kelly Armor berichtete von einem Projekt des Erie Art Museums<br />
in Erie, Pennsylvania, bei dem Kinder die Aufgabe von<br />
Kuratoren übernehmen und Kunstausstellungen mit ihren eignen<br />
Objekten gestalten. Durch die interaktive Arbeit gelang es,<br />
etliche der Kinder langfristig für das Museum zu begeistern.<br />
Einige sind später zu ehrenamtlichen Mitarbeitern geworden.<br />
Anne Madarasz vom Heinz History Center nahm in ihrem Beitrag<br />
„The Challenges of Collecting Twentieth Century Material<br />
for a History Museum“ Bezug auf die spezielle Situation<br />
Pittsburghs. Das Heinz History Center wurde gegründet, nachdem<br />
die Stahlproduktion als Schlüsselindustrie 1986 ihre letzte<br />
Produktionsstätte geschlossen hatte. Der Verlust der kulturellen<br />
Identität der Einwohner lässt sich im Museum schwer<br />
dar stellen, am ehesten in seinen emotionalen und psychologischen<br />
Auswirkungen.<br />
Der Wertewandel bedroht auch die Existenz der Kirchen, die<br />
für Heimo Kaindl noch immer die Einrichtungen mit dem größten<br />
kulturellen Angebot sind. In seinem Beitrag „The Challenge<br />
of Preserving and Promoting Religious Heritage by Religious<br />
Museums in a Secularized Post Industrial Society“ stellte<br />
er die Frage, wie Kirchen, die keine Gemeinde mehr haben, genutzt<br />
werden könnten. Als Beispiel nannte er, dass kirchliche<br />
Mu seen Pfarrern und Freiwilligen in den Kirchengemeinden<br />
den alltäglichen Umgang mit den Kunstgegenständen und die<br />
Bedeutung der Objekte vermitteln könnten.<br />
Selbstverständlich war auch die Besichtigung der zahlrei chen<br />
Museen in Pittsburgh Teil der Tagung. Unter anderen fanden<br />
Führungen und Gespräche im Andy Warhol Museum, im Kindermuseum<br />
und im Wohnhaus des Industriellen Henry Clay<br />
Frick statt. Die Exkursion führte nach Fallingwater, Somerset<br />
und Johnstown. Johnstown, das früher ebenfalls eine bedeutende<br />
Stahlindustrie hatte, wurde 1889 durch eine große Flut<br />
weitgehend zerstört, wobei rund dreitausend Menschen ums<br />
Leben kamen. An das bedeutende Ereignis erinnert das Flut-<br />
Museum.<br />
An der von Susan Hanna, Secretary von ICR, hervorragend<br />
organisierten Jahrestagung nahmen Museumsspezialisten aus<br />
elf Ländern teil. Gastgeber in Pittsburgh war das Senator Heinz<br />
History Center, unterstützt wurde die Tagung von der Pennsylvania<br />
Federation of Museums and Historical Organizations,<br />
dem Western Pennsylvania Museum Council und der Pennsylvania<br />
Historical and Museum Commission.<br />
Dr. Otto Lohr arbeitet in der Landestelle für die nichtstaatlichen Museen<br />
in Bayern, München, dort ist er verantwortlich für die kunst- und<br />
kulturhistorischen Museen in Mittelfranken und der Oberpfalz sowie<br />
für die jüdischen Museen; otto.lohr@blfd.bayern.de<br />
Weitere Informationen:<br />
www.icr-icom.org<br />
40 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICMS – International Committee on Museum Security<br />
Integrated Risk Management<br />
Jahrestagung vom 22. bis 26. September 2008 in Amsterdam,<br />
Niederlande<br />
Barbara Fischer, Frauke van der Wall<br />
Das Tagungsthema „Integrated Risk Management“ war besonders<br />
passend gewählt, da in Amsterdam mit dem Rijksmuseum<br />
und dem Van-Gogh-Museum erstmalig zwei Weltmuseen eine<br />
gemeinsam entwickelte Sicherheitsanlage in Betrieb nehmen<br />
werden. Die Leiter der jeweiligen Sicherheitsabteilungen stellten<br />
die Organisation und Planung dieses wegweisenden Projektes<br />
vor, mit dem Synergieeffekte genutzt und langfristig auch<br />
Kosten gespart werden können. Die Erfahrungen mit einer solch<br />
neuartigen Sicherheitsanalge werden für alle ICMS-Mitglieder<br />
von besonderem Interesse sein.<br />
Einen weiteren Schwerpunkt der Tagung bildeten die vier<br />
Work shops im Frans-Hals-Museum, im Teylers-Museum, im<br />
Museum de Cruquius sowie im Zuiderzee-Museum. In Kleingruppen<br />
haben wir diese Museen unter den sicherheitstechnischen<br />
Aspekten Organisation, elektronische Ausrüstung, bauseitige<br />
Ausrüstung und spezielle Gegebenheiten untersucht und<br />
anschließend unsere Ergebnisse allen Kollegen und den jeweiligen<br />
Museums- oder Sicherheitsdirektoren präsentiert. Auf<br />
diese Weise können sowohl die Museen direkt von der ICMS-<br />
Tagung profitieren, weil sie sofort eine Bestandsaufnahme ihrer<br />
Sicherheitstechnik erhalten, als auch die Teilnehmer, da sie<br />
während der Arbeit viel von ihren Kollegen lernen. Im Jahr<br />
2006 haben wir mit diesem Vorgehen bereits gute Erfahrungen<br />
gesammelt, damals galt es, den Danziger Kran auf Sicherheitsmängel<br />
hin zu untersuchen. Piotr Ogrodzki, Direktor des Zentrums<br />
für den Schutz von Kunstsammlungen im polnischen<br />
na tionalen Kulturinstitut, berichtete uns nun, welche unserer<br />
da maligen Empfehlungen umgesetzt werden konnten.<br />
Weitere Vorträge steuerten die Kollegen aus Amerika, Bang ladesch,<br />
Großbritannien, Russland und Spanien bei. Ihre Themen<br />
umfassten verschiedene Ansätze der Personalschulung, Ri si ken<br />
bei Großveranstaltungen in Museen und besondere Risikofaktoren.<br />
David Sanders vom Natural History Museum in London<br />
stellte die britische Organisation The International Association<br />
of Museum Facility Managers (IAMFA) vor, die sich – ähnlich<br />
wie der ICMS – mit der Sicherheit in Museen befasst. Es<br />
wird ein gegenseitiger Austausch der beiden Organisationen ang<br />
e s t r e b t .<br />
Besonders interessant war die Präsentation der staatlichen<br />
holländischen Organisationen State Inspectorate for Cultural<br />
Heritage und Netherlands Institute for Cultural Heritage, die<br />
die Museumsarbeit kontrollieren und unterstützen. Sie sorgen<br />
vor allem bei kleineren Museen für einen bestimmten Standard<br />
in der Museumsarbeit. Ein ähnliches System wäre für <strong>Deutschland</strong><br />
durchaus wünschenswert.<br />
Der Jahresbericht des ICMS wurde vom Vorsitzenden Hans-<br />
Jürgen Harras vorgestellt. Besonders hervorzuheben sind daraus<br />
die diversen Aktivitäten von ICMS-Mitgliedern bei der<br />
Beratung von Museen in Sicherheitsfragen – auch über Ländergrenzen<br />
hinweg. Ferner hatte ICMS im Jahr 2008 zwei Stipendien<br />
für die Teilnahme von Mitgliedern aus Entwicklungsländern<br />
vergeben: an Bangladesch und Nepal. Schließlich ent schied<br />
ICMS im Business Meeting, einen gemeinsamen Workshop mit<br />
Workshop-Teilnehmer bei der Arbeit im Zuiderzee-Museum (v.l.n.r.):<br />
Louis Létourneau, Québec, Hans-Peter Thiele, Berlin, David Tremain,<br />
Ottawa, Josef Flack, Graz<br />
<strong>ICOM</strong> Malta zum Thema „Security for Small Museums and<br />
Historic House Museums“ um den Internationalen Museumstag<br />
<strong>2009</strong> zu veranstalten und durch die Entsendung profilierter<br />
Mitglieder zu unterstützen.<br />
Die Organisatoren der Tagung, Hanna Pennock, Marja Peek,<br />
Willem Hekman und Dick Drent, hatten ein interessantes Programm<br />
zusammengestellt, besonders abwechslungsreich gestalteten<br />
sie das Rahmenprogramm. So gab es am ersten Abend im<br />
Van-Gogh-Museum ein Dinner mit wechselnder Sitzordnung,<br />
wodurch man zwanglos mit Kollegen ins Gespräch kam und<br />
Neulinge sich schnell integriert fanden. Neben einem Empfang<br />
im Rijksmuseum, der die Gelegenheit bot, die „Nachtwache“<br />
von Rembrandt exklusiv ohne Touristen zu betrachten, hatte<br />
Willem Hekman, Leiter der Sicherheitsabteilung, seine Verbindungen<br />
zur Marine für eine Abendfahrt auf den ehemaligen<br />
Marine-Schiffen Waddenzee und Zeefackel genutzt. Dies war<br />
ein besonderes Erlebnis, da es das Umsteigen vom einen auf das<br />
andere Schiff mitten auf dem Wasser beinhaltete. Das Manöver<br />
absolvierten nach entsprechender „Risk Analysis“ dann auch<br />
alle Teilnehmer erfolgreich. Am letzten Nachmittag besichtigten<br />
wir das Schloss Amerongen, besser gesagt, die Baustelle.<br />
Während das Schloss mit massiven Wasserschäden zu kämpfen<br />
hat, präsentierte sich der barocke Garten in herrlichstem<br />
Sonnenschein.<br />
Zu den über neunzig Teilnehmern gehörten neben den ICMS-<br />
Mitgliedern und Kollegen holländischer Institutionen auch die<br />
Kollegen aus dem Henan-Museum in China, die das ICMS-<br />
Meeting innerhalb der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2010 in<br />
Shang hai vorbereiten werden.<br />
Louis Létourneau vom Musée de la Civilisation, Québec,<br />
lud zur nächsten ICMS-Jahrestagung vom 13. bis 18. September<br />
<strong>2009</strong> nach Quebec ein. Das Thema der Konferenz lautet:<br />
„Security in Museums – Problems, Trends and Solutions“.<br />
Auch Kollegen, die noch nicht Mitglied des ICMS sind, sind<br />
herzlich eingeladen.<br />
Dipl.-Ing. Barbara Fischer leitet den Servicebereich Gebäudemanagement<br />
bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin; fischer@stadtmuseum.de<br />
Dr. Frauke van der Wall, Kunsthistorikerin, arbeitet am Mainfränkischen<br />
Museum Würzburg; fraukevanderwall@mainfraenkisches-museum.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 41
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CECA – International Committee for Education and Cultural Action<br />
Cultural Tourism: Trends and Strategies<br />
Jahrestagung vom 29. September bis 3. Oktober 2008<br />
in Montréal, Kanada<br />
Stéphanie Wintzerith<br />
Markante Erlebnisse erzählt man gerne und oft – dies können Museen<br />
für sich nutzen, indem sie die Erwartungen der touris ti schen Besucher<br />
nach der Begegnung mit dem Anderen erfüllen (Les Chuchoteuses,<br />
Bronzeskulptur von R.-A. Bélanger, Montréal).<br />
Auf Tagungen in Montréal wird viel Französisch gesprochen.<br />
In der „Schönen Provinz“ Kanadas pflegt man den Umgang<br />
mit der Sprache Molières – mit diesem unnachahmlich charmanten<br />
Akzent, der die Franzosen so entzückt – sehr gewissenhaft.<br />
So lautete auch der Begriff, der sich allmählich als<br />
leitender Gedanke der gesamten Tagung etablierte, „expérience<br />
mémorable“ statt seines englischen Pendants „memorable experience“.<br />
Die Tagung fand im Centre des Sciences de Montréal statt<br />
und stand unter dem Motto „Kulturtourismus: Trends und<br />
Stra tegien“ – die Vorträge, Debatten und Fallstudien kreisten<br />
also um die besondere Zielgruppe der Touristen unter den Besuchern.<br />
Den Touristen gibt es ebenso wenig wie den Besucher. Vielmehr<br />
sind es Gruppen, die zwar vieles gemeinsam haben, sich<br />
dennoch voneinander unterscheiden. Man denke etwa an Auslands-<br />
oder Inlandstouristen, an Tages- oder Langzeit-, an<br />
Strand- oder Kulturtouristen, Reisende in einer Gruppe, mit<br />
der Familie oder allein. Auf sie alle trifft zu, dass sie sich an<br />
dem Ort, an dem sie Touristen sind, nur vorübergehend aufhalten<br />
– sie also kommen, verweilen und reisen wieder ab.<br />
So trivial diese Definitionsfragen auch scheinen, sie haben<br />
Konsequenzen auf die besucherorientierte Museumsarbeit. Im<br />
Musée de la Civilisation de Québec zum Beispiel möchten europäische<br />
Touristen hauptsächlich die Kultur Québecs kennenlernen<br />
und besuchen daher vorrangig die Dauerausstellungen<br />
zur Geschichte der Provinz und zu den Indianern. Kanadische<br />
Touristen interessieren sich ebenfalls eher für das ihnen Fremde,<br />
besuchen daher aber vorzugsweise die Wechselausstellungen.<br />
Touristen haben spezifische Motivationen und oft auch einen<br />
anderen Wissensstand als lokale Besucher. Deshalb sollten sie<br />
als eine eigenständige Gruppe (vielmehr als Gruppen) betrachtet<br />
werden, für die es sich lohnt, ein zielgerichtetes Angebot<br />
vorzubereiten. Der Schlüssel zum Erfolg wäre, den touristi schen<br />
Besuchern zugleich Wissen zu vermitteln, Emotionen zu ermöglichen<br />
und vor allem ein unvergessliches Erlebnis anzubieten<br />
– eben die expérience mémorable.<br />
Doch was prägt diese bleibenden Erinnerungen, die das Museum<br />
anzubieten versucht? Sie sind an einen Ort oder eine Aktivität<br />
gebunden. Sie berühren den Besucher, binden ihn in das<br />
Ausstellungserlebnis ein. Sie ermöglichen eine Begegnung – hier:<br />
mit einem Volk und dessen Kultur – und sie sind es wert, erzählt<br />
zu werden. Dafür muss das angebotene Produkt hervorragender<br />
Qualität sein. Genauer: Es ist authentisch, original<br />
bzw. einzigartig, ästhetisch, einprägsam und zugänglich, es erregt<br />
die Aufmerksamkeit, befasst sich mit der Identität eines<br />
Volkes und lässt Verknüpfungen mit dem Leben des Besuchers<br />
zu.<br />
Die Qualität der Ausstellungen und aller besucherbezogenen<br />
Leistungen ist ausschlaggebend. Touristen sind schon beim<br />
ersten Besuch zu überzeugen, da sie selten wiederkommen<br />
(können). Sie berichten aber über ihren Besuch – Mundpropaganda<br />
als Marketinginstrument – und markante Erlebnisse erzählt<br />
man gerne und oft.<br />
Tourismus birgt allerdings auch Risiken. So erfreulich hohe<br />
Besuchszahlen einerseits sind, beeinflussen sie andererseits das<br />
Erlebnis im Museum erheblich. Lange Schlangen und überfüllte<br />
Räume etwa erleben die meisten Besucher negativ – eine<br />
sorgfältige Planung könnte die abschreckende Wirkung verringern<br />
und Unzufriedenheit verhindern, so z. B. durch Unterhaltung<br />
in den Warteschlangen oder geeignete Gestaltung der<br />
Ausstellungsflächen.<br />
Zu den unerwünschten Nebeneffekten von massiven Touristenströmen<br />
gehört auch das „Mona-Lisa-Syndrom“, wonach<br />
Besucherscharen im Eilschritt den selben Weg zu den Starexponaten<br />
zurücklegen. Folgen davon sind Frustration seitens der<br />
Besucher sowie konservatorische und organisatorische Probleme<br />
seitens des Museums. Ausweichstrategien und durchdachte<br />
Planung können Abhilfe schaffen.<br />
Viele Museen rutschten quasi passiv in die Thematik des<br />
Tourismus hinein. Die CECA-Tagung war ein Aufruf, diese<br />
aktiv aufzugreifen. So können die Chancen, die diese spezifische<br />
Zielgruppe bietet, genutzt werden. Darunter sind natürlich<br />
die Hoffnung auf höhere Besuchszahlen zu verstehen sowie<br />
eine bessere Qualität, ein hohes Interesse an kultureller<br />
Begegnung und die Möglichkeit, an der nachhaltigen Entwicklung<br />
der Städte und Regionen durch kulturelle Angebote beizutragen.<br />
Von den Maßnahmen werden nicht nur Touristen,<br />
sondern alle Besucher und die allgemeine Bevölkerung profitieren.<br />
Die zweite zentrale Aussage dieser Tagung wurde in nahezu<br />
allen Beiträgen immer wieder betont bzw. demonstriert: Es ist<br />
unumgänglich, seine Besucher gründlich zu kennen, ihre Erwartungen<br />
zu ermitteln und ihre Zufriedenheit zu evaluieren.<br />
Nur so kann das Museum auf Erwartungen und Bedürfnisse<br />
eingehen sowie besonders für die komplexe Zielgruppe „(Kultur-)Touristen“<br />
lohnende Maßnahmen einleiten. Damit auch<br />
bei jedem Besuch eine schöne, bereichernde expérience mémorable<br />
entsteht.<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige Besucherforscherin. Sie führt<br />
Besucherbefragungen und Evaluationen für Museen und weitere Kultureinrichtungen<br />
durch; swi@wintzerith.de<br />
42 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICTOP – International Committee for the Training of Personnel<br />
New Approaches to Museum Studies<br />
and Training. A Critical Review<br />
Jahrestagung vom 9. bis 11. Oktober 2008 in Lissabon, Portugal<br />
Angelika Ruge<br />
ICTOP diskutiert seit Jahren innerhalb und außerhalb der eigenen<br />
Komiteegrenzen Fragen der Aus- und Weiterbildung des<br />
Museumspersonals. Aus diesem Grund beteiligte sich ICTOP<br />
auch an der Erstellung der Broschüre „Museumsberufe – Eine<br />
europäische Empfehlung“. Im Vorwort habe ich als Vorsitzende<br />
der internationalen Arbeitsgruppe nicht nur alle Interessierten<br />
zu einer intensiveren thematischen Auseinandersetzung mit<br />
den Tätigkeiten im Museum aufgerufen, sondern auch verdeutlicht,<br />
dass es bei Anerkennung aller nationalen Besonderheiten<br />
und bei Berücksichtigung der verschiedenen Museumstypen<br />
und -größen dennoch zu einem gemeinsamen Verständnis über<br />
die Qualität der Museumsarbeit und ihrer gesellschaftlichen<br />
Bedeutung kommen muss. Zweifellos besitzen in diesem Zusammenhang<br />
sowohl die Hochschulausbildung als auch die berufsorientierte<br />
Weiterbildung weiterhin besondere Bedeutung.<br />
Daraus abgeleitet schien es angezeigt, die vorhandenen Programme<br />
einer kritischen Reflexion zu unterziehen und die Jahrestagung<br />
2008 in Lissabon unter den Titel zu stellen: New<br />
Approaches to Museum Studies and Training. A Critical Review.<br />
Als Gastredner konnten wir Dr. Anwar Tlili, Soziologe am<br />
King’s College London, für einen Vortrag zum Thema „Efficiency<br />
and Social Inclusion: Implications for the Museum Profession”<br />
gewinnen. „Efficiency“ und „Social Inclusion“ sind<br />
zwei Bedingungen für die Museumsarbeit, unter denen in den<br />
angelsächsischen Ländern nach einer neuen Ausrichtung der<br />
Museen gesucht wird. Übersetzt heißt dies: Unter welchen Voraussetzungen<br />
können und sollen Museen leistungsfähiger und<br />
an einem breiten Publikum orientiert arbeiten? In seinen Ausführungen<br />
bot Tlili keine einfachen Lösungen an, sondern nannte<br />
zwei Schwerpunkte, in denen sich deutliche Änderungen ergeben<br />
müssten: Zum einem sollten sich Museen stärker in der<br />
Personalentwicklung engagieren, zum anderen sollten Hochschulen<br />
und Museen in der primären Ausbildung von Museums<br />
mitarbeitern stärker als bisher zusammenarbeiten.<br />
Die ausführlichen Berichte aus der Praxis offenbarten erneut,<br />
dass grundsätzliche Aspekte der Museumsarbeit einer weite ren<br />
Klärung bedürfen. Dazu gehören die Fragen nach der Definition<br />
des Museums: Handelt es sich dabei eher um eine Schatzkammer<br />
oder um ein Forum? An welches Auditorium richtet<br />
sich die Museumsarbeit? – Wenn wir uns an Kinder richten,<br />
müssen wir die Erwachsenen in jedem Falle mitdenken. – Wie<br />
können diese Anforderung in der Aus- und Weiterbildung berücksichtigt<br />
werden? Wie lassen sich die Spannungen zwischen<br />
theoretischer und praktischer Museumsausbildung überwinden?<br />
Welche Anforderungen werden an die Ausbildung durch<br />
die neurobiologische Forschung gestellt? Ergeben sich durch<br />
die digitale Entwicklung auch neue Ausbildungsformen? Die<br />
meisten Anwesenden waren sich einig, dass es den folgenden<br />
Jahrestreffen überlassen bleibt wird, diese und weitere Grundsatzfragen<br />
schrittweise zu beantworten.<br />
Die ICTOP-Jahrestagung 2008 fand auf Einladung der Universidade<br />
Lusófona de Huminidades e Tecnologias, einer privaten<br />
Universität in Lissabon, statt, deren Rektor, Mário Moutinho,<br />
Vorsitzender des Verbandes Mouvement International<br />
pour la Nouvelle Muséologie (MINOM) ist. MINOM entstand<br />
aus der Éco-Musée-Bewegung und hat sich seit den<br />
1970er Jahren der kommunalen Museumsarbeit verschrieben.<br />
Die aus dieser Bewegung heraus entwickelte „Sociomuseology“<br />
war die Grundlage der Berichte aus Portugal und Brasilien.<br />
Ein Ausflug führte uns nach Setúbal, wo wir die Stadt und<br />
ihre beachtenswerten Museen kennenlernten. Mit einem fröhlichen<br />
Abend im Museu do Tabalho Michel Giacometti schlossen<br />
wir die Tagungsarbeit ab. In diesem Rahmen feierten wir<br />
das vierzigste Gründungsjahr von ICTOP für diesmal mit einer<br />
Geburtstagstorte. Die vierzigste ICTOP-Jahrestagung, die<br />
im Jahr 2010 in Shanghai stattfinden wird, wollen wir dann<br />
zum Anlass nehmen, eine offizielle Geburtstagsfeier zu veranstalten.<br />
Am letzten Tag befassten wir uns ausführlich mit einem<br />
wich tigen Dokument der ICTOP-Geschichte, den sogenannten<br />
Guidelines for Museum Professional Development. Nach langer<br />
Diskussion entschied die Mehrheit der anwesenden ICTOP-<br />
Mitglieder, dass wir uns weiterhin mit der grundsätzlichen<br />
Revision dieser Empfehlungen beschäftigen müssen. Dies soll<br />
in Arbeitsgruppen und über ein Internetforum geschehen. Das<br />
Ergebnis der Diskussion wird dann Gegenstand der nächsten<br />
Jahrestagung in Guaruja, Brasilien, sein. Dort werden ICTOP,<br />
NATHIST und <strong>ICOM</strong> Brazil vom 18. bis 22. Oktober <strong>2009</strong><br />
zu einem gemeinsamen Treffen zusammenkommen.<br />
Professor em. Dr. Angelika Ruge, lehrte Museumskunde an der Fachhochschule<br />
für Technik und Wirtschaft Berlin. Sie ist seit 2004 Präsidentin<br />
von ICTOP; angelika.ruge@online.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Publikation zum Thema Sociomuseology: Bruno, Cristina; Chagas,<br />
Màrio; Moutinho, Mário (Hrsgg.): Sociomuseology, Cadernos de Sociomuseologia.<br />
Resista Lusófona de Museologia, Lisbon 2007.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 43
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICME – International Committee for Museums and Collections<br />
of Ethnography<br />
Migration, Diaspora, Pilgrimage<br />
Jahrestagung vom 17. bis 21. November 2008 in Jerusalem, Israel<br />
Lothar Stein, Lydia Icke-Schwalbe<br />
Zum Thema der Jahrestagung konnte kein besserer Ort als<br />
Jerusalem gewählt werden. Etwa 55 Komitee-Mitglieder waren<br />
der Einladung des Isaac Kaplan Old Yishuv Court Museum<br />
Jerusalem, das in einem Gebäude aus dem 15./16. Jahrhundert<br />
in der Altstadt eingerichtet ist, gefolgt. Teilnehmer aus Argentinien,<br />
Australien, Korea, Südafrika, mehreren europäischen<br />
Ländern und den USA trugen zu einem gelungenen Treffen mit<br />
intensiven Gesprächen und dichter Programmfolge bei.<br />
Zwischen den zahlreichen Referaten und Diskussionen fanden<br />
Besichtigungen musealer und religiöser Stätten, einschließlich<br />
der jüngsten Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, sowie<br />
historisch geführte Stadtrundgänge statt, so dass sich gleichsam<br />
ein Dialog zwischen den vielfältigen Vortragsinhalten und<br />
den Einrichtungen in Israel entspann.<br />
Zahlreiche Nationen und ethnische Gruppen tragen als Einwanderer<br />
den politischen Staat Israel mit einem gemeinsamen<br />
religionshistorischen Hintergrund. Dennoch versteht sich das<br />
Land nicht als multikulturell oder nationalistisch. Das neue<br />
Israel-Museum will die politische Homogenität in den Vordergrund<br />
stellen, in dem auch die orthodoxen Khassidim, die in<br />
Brauchtum und Sitte noch immer ihren Exilstatus in Erwartung<br />
der Wiederkehr des Messias zeigen und Israel nicht als Staat<br />
der Juden akzeptieren, eine innere Heimat gestalten können,<br />
wie Ester Muchawsky-Schnapper in ihrer Vorstellung des im<br />
Bau befindlichen Nationalmuseums darstellte. Weitere regionale<br />
Dokumentationen wurden aus den USA, Italien, <strong>Deutschland</strong>,<br />
Estland sowie aus dem benachbarten Iran vorgetragen.<br />
Dazu gehörte zum Beispiel der Vortrag über eine Zigeunergruppe<br />
vom Schwarzen Meer, die so genannten Thrakischen<br />
Kalaydzhi, die den Winter in festen Dörfern verbringen, ansonsten<br />
aber mobil sind und nur zu bestimmten Zeiten im Bachkovo-<br />
Kloster, in den Rhodopen gelegen, zusammenkommen. Ferner<br />
referierte Lothar Stein über das Wanderverhalten der Schammar-Beduinen<br />
im Irak, die aufgrund von ökonomischen und<br />
politischen Entwicklungen ihre Lebensweise als Nomaden allmählich<br />
aufgeben und sich einem sesshaften Dasein annähern.<br />
Der zweite Teil der Tagung konfrontierte uns mit der Siedlungspolitik<br />
und dem religiösen Pilgertum im Norden von Israel.<br />
Die Besuche in den Kibbuzim und musealen Kulturzentren<br />
vermittelten eindrucksvoll die Lebenskraft der Einwanderer in<br />
Geschichte und Gegenwart. Im Kibbuz Yifat lernten wir anhand<br />
von Lebensbildern die Gründergeneration kennen, die als<br />
Pioniere zwischen 1911 und 1951 das Jesreel-Tal besiedelt haben.<br />
Diese ersten Migranten waren verarmte Landarbeiter aus<br />
russischen Gebieten, denen gestattet wurde, sich in den Sumpfgebieten<br />
entlang des Kishon-Flusses anzusiedeln. Sie kamen,<br />
um zu bauen und geformt zu werden, heißt es in der historischen<br />
Darstellung. Mithilfe eines arbeitsintensiven Ent- und<br />
Bewässerungssystems entstanden fruchtbare Oasenländereien<br />
als Grund lage selbstgenügsamer kommunistischer Gemeinschaf<br />
ten. Im barackenartig gebauten Speiseraum aßen wir gemeinsam<br />
mit den Siedlern die Produkte der Kommune. Eine junge,<br />
schwangere Frau erklärte uns den Vorzug des so genannten<br />
Kinderhauses, in dem alle Kibbuz-Kinder geboren und tags wie<br />
nachts umsorgt werden. Diese Betreuungsweise ermögliche jeder<br />
Frau, ihren notwendigen Arbeitsanteil zu erbringen. Im<br />
Kibbuz Kfar Giladi lernten wir sowohl die sich selbst tragende<br />
Versorgung in traditioneller kommunistischer Gesellschaftsstruktur<br />
kennen als auch die inzwischen zu Verkauf und Gewinnerzielung<br />
notwendige Überschussproduktion. Mit letzterer<br />
versuchen die Bewohner, die modernen Tendenzen einer international<br />
orientierten Jugend zu integrieren. Die Entwicklung<br />
hin zu Privateigentum und privatwirtschaftlichen Nachbarschaften,<br />
wie sie in den Moshavs schon seit langem vor sich geht,<br />
diskutierten die Kibbuzmitglieder in ihren Versammlungen offen<br />
und kontrovers. Eine moderne Entwicklung lernten wir im<br />
Kulturzentrum der deutschsprachigen Juden, der so genannten<br />
Jeckes, kennen. Es wurde 1970 gegründet und 1991 in das offene<br />
Industriepark-Museum Tefen in West-Galiläa eingeschlossen.<br />
Neben den jüdischen Kultur- und Lebensformen besuchten<br />
wir auch christliche Pilgerstätten in Galiläa und ein Dorf der<br />
islamischen Religionsgruppe der Drusen. Die geschlossene, israelfreundliche<br />
Gemeinschaft kam ursprünglich aus dem Libanon<br />
und lebt heute selbstgenügsam oberhalb des Sees Genezareth.<br />
Am Ende der Konferenz wurde klar, dass wir das Thema sehr<br />
weit gefasst hatten, wir viele Probleme nur aufnehmen, konkrete<br />
Fragen nur sammeln konnten. Den weiteren Austausch werden<br />
wir in Arbeitsberatungen und Workshops fortsetzen, um<br />
den vielen Detailfragen und regionalen Besonderheiten mehr<br />
Platz einzuräumen. Alle verließen den Tagungsort und die internationale<br />
Kollegengruppe mit reichen fachwissenschaftli chen<br />
und persönlichen Erfahrungen und tiefem Dank an die verantwortlichen<br />
Organisatoren, die derzeitige ICME-Präsidentin,<br />
Annette Fromm, und an Galia Gavish von <strong>ICOM</strong> Israel.<br />
Dr. Lothar Stein, Ethnologe, war von 1980 bis 2000 Direktor des Museums<br />
für Völkerkunde zu Leipzig.<br />
Dr. Lydia Icke-Schwalbe ist Kustodin i.R. des Museums für Völkerkunde<br />
in Dresden; dr.ickeschwalbe@t-online.de<br />
Im Kibbuz Yifat erzählt das Museum der Gründer die Geschichte<br />
der frühen Pioniere, die sich ab 1911 im Jesreel-Tal niedergelassen<br />
haben.<br />
44 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CIDOC – International Committee of Documentation<br />
The Digital Curation of Cultural Heritage<br />
Jahrestagung vom 15. bis 18. September 2008 in Athen,<br />
Griechenland<br />
Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug, Regine Scheffel<br />
Tagungsteilnehmer im Museum für Byzantinische Kunst, Athen<br />
Die Tagung umfasste mehr als sechzig Vorträge, Podiumsdiskussionen<br />
und Arbeitsgruppensitzungen, die auf vierzehn Plenar-<br />
wie parallel gehaltenen Sessions verteilt waren und das<br />
gesamte Spektrum der internationalen Museumsdokumentation<br />
in Theorie und Praxis abdeckten.<br />
Aus der Fülle von Beiträgen sollen hier nur einige beispielhaft<br />
genannt werden: In seinem Eröffnungsvortrag „Digital<br />
Curation, Sensemaking und Participatory Storytelling“ führte<br />
Seamus Ross von der Universität Glasgow in das Tagungsthema<br />
ein. „Digital Curation“ beinhaltet alle Aktivitäten, die<br />
not wendig sind, um digitalisierte und digital entstandene Kultur<br />
objekte und deren Daten zu erhalten. Dies umfasst den<br />
kompletten Lebenszyklus der digitalen Objekte von den Vorüberlegungen<br />
vor ihrer Erstellung über ihre Anreicherung mit<br />
(Meta-)Daten beschreibender, technischer oder rechtlicher Art,<br />
über ihre Nutzung bis hin zur Evaluierung ihrer Archivwürdigkeit<br />
und ihre Bereithaltung in einem digitalen Langzeitarchiv.<br />
Als Beispiel für zahlreiche deutsche Redner sei hier auf den<br />
gemeinsamen schwedisch-deutschen Beitrag von Susanne Nickel<br />
und Stefan Rohde-Enslin hingewiesen, der die Aufgabe<br />
der zukünftigen Erhaltung von digitalen Bildern zum Inhalt<br />
hatte. Digitalisierung und digitale Bildarchive wurden von vielen<br />
Beiträgen thematisiert, die über nationale Projekte berichteten.<br />
Deutlich zeichnet sich die Tendenz ab, digitale Bestände<br />
von Museen, Archiven und Bibliotheken sowohl national als<br />
auch international zu vernetzen und mit E-Science-Ressourcen<br />
zu verknüpfen. Überlegungen zu der dafür notwendigen Infrastruktur<br />
wurden ebenso vorgetragen wie grundlegende, z. T.<br />
provozierende Fragen zu den Voraussetzungen solch hochgesteckter<br />
Ziele im Museum – so im brillanten Beitrag „Digital<br />
Assets and Digital Burdens: Obstacles to the Dream of Universal<br />
Access“ von Nick Crofts (Schweiz).<br />
Ferner tauschten wir uns über den neuesten Stand in der<br />
Entwicklung von grundlegenden Standards aus, zur Sprache<br />
kamen beispielsweise Anwendungen der ISO-zertifizierten Ontologie<br />
für den Kulturerbebereich CRM – Conceptual Reference<br />
Model, aber auch über Standards im Datenaustausch oder<br />
über Terminologiekontrolle. Von Seiten der Softwareprovider<br />
berichtete Norbert Kanter humorvoll und kritisch über den<br />
Sinn und die Machbarkeit von Anforderungen bezüglich der<br />
zahlreichen Standards, die die Museen heute von Museumssoftware<br />
zwar fordern, aber nur selten gebrauchen.<br />
Vor der Mitgliederversammlung diskutierten CIDOC-<br />
Board-Mitglieder in einem abschließenden Panel mit dem Titel<br />
„Data Island: Lets Stop Building Canons and Start Building<br />
Bridges“ darüber, wie man die Qualität, Tragfähigkeit und<br />
Langzeiterhaltung der Museumsdaten sichern kann, welche<br />
Schritte im Bereich Museumsdokumentation anstehen und wie<br />
CIDOC diese Schritte unterstützen kann. In diesem Kontext<br />
spielen die CIDOC-Working-Groups als Foren für die Entwicklung<br />
von Empfehlungen und Best-Practice-Beispielen eine<br />
wesentliche Rolle, in Athen mit dabei waren die Gruppen<br />
Archaeological Sites, Conceptual Reference Model SIG, Documentation<br />
Standards, Digital Preservation, Information Centers,<br />
Multimedia, Co-Reference sowie Transdiciplinary Approaches.<br />
Traditionsgemäß konnten die Teilnehmer auch thematisch<br />
zentrierte Workshops besuchen, auf dem Plan standen: Conceptual<br />
Reference Model – Special Interest Group (CRM-SIG),<br />
Using XSLT to Transform XML-Resources, SGML/XML and<br />
Museum Information Consultancy sowie Museum Documentation<br />
in Transdisciplinary Perspective.<br />
Das griechische Organisationsteam mit Ifigenia Dionissiadou<br />
vom Benaki-Museum an der Spitze hatte als Rahmenprogramm<br />
für die insgesamt 149 Teilnehmer aus 37 Ländern zahlreiche<br />
Besuche in den Athener Museen organisiert. Dazu zählten das<br />
Museum für Islamische Kunst, das Benaki-Museum sowie die<br />
Museen für Byzantinische Kunst und Kykladische Kunst. Abendveranstaltungen<br />
wie das Konzert im Garten des Museums für<br />
Volksmusik und ein Empfang im griechischen numismatischen<br />
Museum – der früheren klassizistischen Villa Heinrich Schliemanns<br />
– ergänzten das eindrucksvolle Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm.<br />
Die diesjährige CIDOC-Tagung zum Thema „Documentation<br />
in the XXI Century: Connecting Cultural Heritage Information“<br />
findet vom 28. bis 30. September <strong>2009</strong> in Santiago<br />
de Chile statt.<br />
Axel Ermert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Museumsforschung<br />
in Berlin, Vorstandsmitglied von CIDOC;<br />
a.ermert@smb.spk-berlin.de<br />
Professor Monika Hagedorn-Saupe ist stellvertretende Leiterin des<br />
Instituts für Museumsforschung in Berlin und Generalsekretärin von<br />
CIDOC; m.hagedorn@smb.spk-berlin.de<br />
Martina Krug leitet das Städtische Museum in Hann. Münden;<br />
museum@hann.muenden.de<br />
Professor Regine Scheffel arbeitet seit 2000 am Fachbereich Medien<br />
der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig;<br />
scheffel@fbm.htwk-leipzig.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Dokumentation der CIDOC-Tagung 2008: www.cidoc2008.gr<br />
Aktuelle Informationen zu CIDOC: www.cidoc.mediahost.org<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 45
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Das Areal der alten Rampe, an der bis 1944 die nach Birkenau Verschleppten<br />
den Deportationszug verlassen mussten, ist nun durch<br />
Informationsstelen gekennzeichnet.<br />
IC MEMO – International Committee of Memorial Museums<br />
for the Remembrance of Victims of Public Crimes<br />
History and Presentation: The Place of Nazi<br />
Crimes<br />
Jahrestagung vom 6. bis 8. Oktober 2008 in Oświęcim, Polen<br />
Jan Erik Schulte, Kirsten John-Stucke<br />
Eine Tagung in Auschwitz ist kein einfaches Unterfangen. Selbst<br />
wenn die meisten Teilnehmer den Ort aus eigener Anschauung<br />
kannten oder sich ihm durch Lektüre angenähert hatten, bleibt<br />
Auschwitz immer wieder eine neue Herausforderung. Denn das<br />
ehemalige Lager ist nicht einzig ein Symbol für die Vernichtung<br />
der europäischen Juden. Vielmehr ist Auschwitz auch ein historischer<br />
Ort, der als solcher erinnert werden soll – dieses Leitmotiv<br />
zog sich durch die Konferenz. Aus diesem Grund leiteten<br />
zwei historische Vorträge die Tagung ein. Piotr Setkiewicz von<br />
der Gedenkstätte Auschwitz und Jan Erik Schulte von der<br />
Ruhr-Universität Bochum ordneten die vorbereitenden Maßnahmen<br />
zum Völkermord in Auschwitz in den Zusammenhang<br />
der neueren Forschungsergebnisse zum Lager und in den Kontext<br />
der regionalen Maßnahmen der SS in Polen der Jahre<br />
1941/42 ein.<br />
Um die konkrete museale Auseinandersetzung mit den Orten<br />
ehemaliger Konzentrationslager ging es in den Beiträgen<br />
von Grzegorz Plewik zum Staatlichen Museum Majdanek und<br />
Reimer Möller zur Gedenkstätte Neuengamme. Während in<br />
Neuengamme das um- und rückgebaute Gelände mit neukonzeptionierten<br />
Ausstellungen bereits erschlossen ist, steht die Neugestaltung<br />
von Majdanek erst am Anfang. Einhellige Meinung<br />
der Vortragenden und Diskutanten war es, zerstörte Gebäude<br />
nicht zu rekonstruieren und bauliche Überreste vorsichtig konservierend<br />
zu erhalten. Dabei müssen insbesondere die verschiedenen<br />
Überlieferungsschichten, durch vielfältige Nutzungen und<br />
Eingriffe entstanden, dokumentiert werden.<br />
Bildungsarbeit und neue Dauerausstellung standen im Mittelpunkt<br />
der Beiträge von Alicja Bialecka, Leiterin der Bildungs abteilung<br />
des International Center for Education about Auschwitz<br />
and the Holocaust, und Tereza Świebocka, stellvertretende<br />
Museumsleiterin der Gedenkstätte Auschwitz. Frau Bialecka<br />
stellte beindruckende Besucherzahlen vor, allein im Zeitraum<br />
von 2001 bis 2007 stieg die Zahl der Besucher um das dreifache<br />
von rund 400.000 auf über 1,2 Millionen an. Etwas mehr als<br />
ein Drittel der Besucher kämen aus Polen, über 100.000 aus<br />
Großbritannien, etwa 90.000 aus den USA, 60.000 aus <strong>Deutschland</strong><br />
und 44.000 aus Israel. Neben der Zahl der Besucher würde<br />
auch deren häufig kurze Verweildauer in Auschwitz höchste<br />
Anforderungen an das pädagogische Personal stellen.<br />
Einen ersten Einblick in die Planungen zur Neukonzeption<br />
erlaubte Frau Świebocka. Völlig neu gestaltet, wird die Auschwitzer<br />
Dauerausstellung, auf die Blocks 1 bis 10 verteilt, die<br />
Geschichte des Lagers präsentieren. In der unteren Etage der<br />
Gebäude sollen die großen Themen behandelt werden, in der<br />
oberen Etage darauf aufbauende Vertiefungsbereiche Platz finden.<br />
Im Rahmen der Diskussion wurde von den Teilnehmern<br />
angeregt, die alte Ausstellung, die über Jahrzehnte weltweit das<br />
Bild von der Gedenkstätte mitgeprägt hat, in Auswahl zu erhalten.<br />
Dies wird allerdings aus praktischen Gründen vermutlich<br />
nicht möglich sein.<br />
Die Tagung schloss mit dem Themenschwerpunkt „Lagerkunst“.<br />
Nach einem Besuch in der Kunstsammlung des Museums<br />
Auschwitz-Birkenau, in der zahlreiche Zeichnungen und<br />
Gemälde, die von KZ-Häftlingen zum Teil als Zeichen der<br />
Selbstbehauptung oder auch als Auftragskunst angefertigt worden<br />
waren, besichtigt werden konnten, folgten mit Vorträgen<br />
von Pnina Rosenberg vom Ghetto Fighters Museum in Israel<br />
und von Vojtech Blodig von der Gedenkstätte Theresienstadt<br />
zwei unterschiedliche Referate zur Kunst des Holocaust. Pnina<br />
Rosenberg arbeitete in ihrer Analyse von Häftlingszeichnungen<br />
verschiedene Kategorien von Bildmotiven heraus, die sie<br />
zwischen Dokumentation der Lagerrealität und der geistigen<br />
Selbstbehauptung ansiedelt. Häufig vorkommende Motive seien<br />
Stacheldrahtzäune und Wachtürme sowie Darstellungen<br />
aus dem Inneren der Baracken, die – im Kontrast zu der sehnsuchtsvoll<br />
gezeichneten, malerischen, schönen Landschaft außerhalb<br />
der Lagerwelt – auf die täglich erlebte Enge und den<br />
Verlust der Freiheit hinwiesen. Bei den Motiven von Hunger und<br />
Mangel an Hygiene sei auffällig, dass Frauen im Gegensatz zu<br />
männlichen Künstlern ihre Figuren ohne Gesichter zeichneten,<br />
sie blieben unpersönlich und abstrakt. Vojtech Blodig hob in<br />
seinem Referat die Bedeutung des kulturellen Lebens und der<br />
Kunst für die Menschen im Ghetto Theresienstadt hervor. Es<br />
hätte ihnen geistige Kraft für das Leben im Angesicht der Leiden<br />
und des Sterbens im Ghetto gegeben.<br />
Ziel der Konferenz war es, vor dem Hintergrund neuerer<br />
Entwicklungen verschiedenartige Herausforderungen aufzuzeigen<br />
und komplexe Annäherung zu diskutieren, die für Gedenkstätten<br />
an authentischen Orten besonders in Mittel- und<br />
Mittelosteuropa relevant sind. In vielfältiger Weise standen<br />
hierbei das Staatliche Museum und der Ort Auschwitz im Mittelpunkt.<br />
Es erwies sich, dass Fragestellungen und Probleme<br />
international vergleichbar sind. Dies gilt für den Umgang mit<br />
dem hinterlassenen Gelände, der Bedeutung der Täter für die<br />
Geschichtserzählung oder das zunehmend disparater werdende<br />
Vorwissen der Besucher. Für Auschwitz allerdings erreichen<br />
die Probleme andere Dimensionen als für die Gedenkstätten aus<br />
Polen, Tschechien, Frankreich, Norwegen, Israel und <strong>Deutschland</strong>,<br />
die auf der Tagung durch Mitarbeiter vertreten waren.<br />
Dr. Jan Erik Schulte, Zeithistoriker, Ruhr-Universität Bochum, Vizepräsident<br />
des Internationalen Gedenkstättenkomitees IC MEMO;<br />
jan.e.schulte@ruhr-uni-bochum.de<br />
Kirsten John-Stucke, M. A., Zeithistorikerin, stellvertretende Leiterin des<br />
Kreismuseums Wewelsburg; john-stuckek@kreis-paderborn.de<br />
46 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
<strong>ICOM</strong>ON – International Committee of Money<br />
and Banking Museums<br />
Geldmuseen und der moderne<br />
Informationsfluss<br />
Jahrestagung vom 27. bis 29. Oktober 2008 in Utrecht,<br />
Niederlande<br />
Reiner Cunz, Niklot Klüßendorf<br />
Die 15. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung fand im Geldmuseum Utrecht<br />
statt, das in Symbiose mit der Königlich Niederländischen Münze<br />
wirkt. Dessen Besucher können sogar die laufende Produktion<br />
von Euros und Cents über eine Fensterfront beobachten.<br />
Doch ist die in unserem Kulturkreis seit dem siebten Jahrhundert<br />
v. Chr. übliche Münze heute nur noch altehrwürdige Erscheinungsform<br />
des Geldes, während das moderne Geld in papierenen<br />
Formen auftritt, durch Plastik ersetzt wird und als<br />
Buchgeld gar in elektronische Formen übergeht.<br />
Dieses Spannungsfeld vereinte 75 Kollegen aus allen fünf<br />
Kontinenten, darunter sechs Kollegen aus der Bundesrepublik.<br />
Das Teilnehmerfeld ging von mit Museumsaufgaben betrauten<br />
Historikern aller Epochen über Archäologen, Archivare, Bibliothekare,<br />
Ethnologen, Volkswirte, Juristen bis zu Fachleuten<br />
aus dem Bankwesen.<br />
Allenthalben sind derzeit kleine Fächer wegen fehlenden institutionellen<br />
Rückhalts im Rückzug. Oft müssen sie auf Kooperation<br />
mit auswärtigen Kräften setzen, etwa mit Ama teuren<br />
bzw. Sammlern, die Zugriff auf Material haben, das Museen<br />
fehlt. In der einführenden Sektion über Zustand und Zukunft<br />
der Numismatik als Wissenschaft war dies der rote Faden.<br />
Dabei spiegelten die Wiener Sicht (Dr. Ros witha Denk, Münzkabinett<br />
des Kunsthistorischen Museums Wien) wegen der<br />
derzeitig umstrittenen Zukunft des einzigen Ordinariats im<br />
deutschen Sprachraum und die deutsche Sicht in der Keynote<br />
Speech („How to Convey Numismatics and Monetary History<br />
to General Historians – A Problem Not Reserved to<br />
Museums“) von Niklot Klüßendorf, Marburg, zwei Seiten<br />
einer Medaille. Der Spagat zwischen der Rolle des auf seinem<br />
Felde unersetzlichen, in seiner Institution eher randständigen<br />
Spezialisten und der des Generalisten, der von der Münzbeschreibung<br />
bis zur differenzierten Erklärung moderner Währungskrisen<br />
alles bietet, ist dabei die Forderung, der sich fast<br />
alle Mitarbeiter kleinerer Geld- und Bankmuseen nach dem<br />
Prinip des Learning by Doing stellen müssen.<br />
Gleich, ob Numismatiker aus eher historischer oder archäologischer<br />
Schule kommen, bleibt der Umstand, dass Hochschulen<br />
bevorzugt in Epochen ausbilden. Sie entsenden also<br />
Althistoriker, Mediävisten und Neuhistoriker in das Berufsleben.<br />
Für historische Mitarbeiter in Bankeinrichtungen aber<br />
wird solche Periodisierung leicht zum Hindernis, die Anerkennung<br />
ihrer Allgemeinkompetenz durchzusetzen. Und viele<br />
Historiker lernen im Studium zu wenig über Grundbegriffe<br />
und Funktion des Geldes. Numismatik und Geldgeschichte müssen<br />
also auch in das Bewusstein von Allgemeinhistorikern herübergebracht<br />
werden. Denn das Geld als allgemeines Phänomen<br />
ist zu wichtig, um es nur den Spezialisten zu überlassen.<br />
Kein Historiker, der in einem Bankinstitut museal arbeitet,<br />
kann sich auf seine Spezialepoche zurückziehen. Er steht vielmehr<br />
vor der Aufgabe, für die Geschichte als Ganzes in einem<br />
nichthistorischen Feld zu wirken. Auch klassischen „Bankern“<br />
Die Münzpresse in Aktion: Gleich kommt das erste 5-Euro-Stück in<br />
Silber heraus.<br />
kann ein Historiker vieles bieten und etwa die gefürchteten<br />
„Schnellschüsse“ in den Public Relations zurechtrücken. Der<br />
Referent belegte dies an Beispielen aus der jüngsten deutschen<br />
Geschichte, in der etwa die Bundesbank versprach, alle auf DM<br />
lautenden deutschen Banknoten jederzeit zum Nennwert einzulösen<br />
und dabei vergaß, dass die Währung der DDR bis 1964<br />
ebenfalls DM hieß.<br />
Weitere zentrale Themenkreise der Tagung behandelten numismatische<br />
Datenbanken für Museen und nationale Fundunternehmungen,<br />
den Informationsfluss zwischen den einzelnen<br />
Medien und das Entstehen kleiner nationaler Sammlungen,<br />
namentlich in Uganda und auf den Kapverdischen Inseln, die<br />
unersetzliche Quellen, etwa aus der Kolonialzeit, praktisch im<br />
letzten Moment retten.<br />
Am Ort hatten die Gastgeber Vorzügliches zu bieten, das aus<br />
der Nachbarschaft der Münzstätte zum Geldmuseum rührte.<br />
Dazu gehörte die Zeremonie zur ersten Prägung eines nationalen<br />
5-Euro-Gedenkstücks auf die Architektur der Niederlande.<br />
Und weit über Münzen und Geldscheine hinaus wurde<br />
das Geldmuseum seinem allumfassenden Anspruch gerecht,<br />
indem es seine Besucher individuell die Prozesse des Geldumlaufs,<br />
der Lohn- und Preis-Entwicklung, des langfristigen Vermögensaufbaus<br />
bis zur Altersversorgung in einem interaktiven<br />
elektronischen Spielsystem erarbeiten ließ. Die virtuelle Währung<br />
musste durch Aufmerksamkeit und Intelligenz erarbeitet<br />
werden, zum Teil auch durch Einsatz am Schwungrad. Das so<br />
verdiente „Spielgeld“ wurde auf der elektronischen Eintrittskarte<br />
gespeichert und reichte meist für den nächsten Automaten,<br />
aus dem originelle Souvenirs zu beziehen waren. Didaktisch<br />
war dies ein Genuss!<br />
Dr. Reiner Cunz, Niedersächsischer Landesnumismatiker, Niedersächsisches<br />
Münzkabinett der Deutschen Bank; reiner.cunz@t-online.de<br />
Prof. Dr. Niklot Klüßendorf, apl. Professor für Numismatik und Geldgeschichte<br />
am Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der<br />
Philipps-Universität Marburg; kluessen@staff.uni-marburg.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Die 16. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung findet im September <strong>2009</strong> in Glasgow<br />
statt, die 17. Jahrestagung im September 2010 in Shanghai, siehe dazu:<br />
www.icomon.org<br />
Sammelband der 11. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung: Money and Identity. Hrsg.<br />
von Reiner Cunz, Hannover 2007, ISBN 978-3-87707-731-3<br />
Sammelband der 12. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung: La moneda el público y<br />
los museos, San José 2007, ISBN 978-9968-9607-7-9<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 47
AUSBLICK<br />
Étrangers – Fremde?<br />
Bilder vom Anderen in <strong>Deutschland</strong><br />
und Frankreich seit 1870<br />
Ein Ausstellungsprojekt des Deutschen Historischen Museums, Berlin,<br />
und der Cité nationale de l’histoire de l’immigration, Paris<br />
Jan Werquet<br />
Wer sind wir? – Wer die Anderen? Diese Fragen prägen nicht<br />
nur individuelle Alltagserfahrungen. Auch die Idee der Nation<br />
wurde maßgeblich durch die gezielte Abgrenzung vom „Anderen“<br />
bestimmt. Hierbei handelte es sich nicht um Prozesse,<br />
die sich an gegebenen objektiven Größen orientierten, sondern<br />
um eine Abfolge verschiedenster, oft einander widersprechender<br />
Konstruktionen und Projektionen. Dies zu zeigen ist das<br />
Anliegen der Ausstellung „Étrangers – Fremde? Bilder vom Anderen<br />
in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich seit 1870“. Die mit zahlreichen<br />
historischen Exponaten bestückte Schau wurde im<br />
Dezember 2008 in der Pariser Cité nationale de l’histoire de<br />
l’immigration eröffnet und wird ab Oktober dieses Jahres in<br />
einer erweiterten Fassung im von I. M. Pei errichteten Ausstellungsgebäude<br />
des Deutschen Historischen Museums (DHM)<br />
zu sehen sein. In einer transnationalen Perspektive betrachtet<br />
sie die Entwicklung in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich während<br />
der letzten 130 Jahre und zeigt dabei historische Brüche und<br />
Kontinuitäten sowie zahlreiche Verflechtungen zwischen beiden<br />
Ländern auf. Indem sie geschichtliche und aktuelle Themen<br />
in einen übergreifenden Zusammenhang stellt, wirft die<br />
Ausstellung auch einen neuen Blick auf die gesellschaftspolitischen<br />
Debatten der Gegenwart, die sowohl in <strong>Deutschland</strong> als<br />
auch in Frankreich in zunehmendem Maße von Fragen der nationalen<br />
Selbstdefinition und der Integration von Minderhei ten<br />
bestimmt sind.<br />
In ihrer Pariser Fassung konfrontiert die Ausstellung historische<br />
Exponate mit Werken der Gegenwartskunst und eröffnet<br />
so unterschiedliche Perspektiven auf aktuelle soziale Konfliktfelder.<br />
Den Kern bildet dabei eine nach Epochen gegliederte<br />
historische Erzählung. Um den konstruierten Charakter von<br />
gesellschaftlichen Selbst- und Fremdbildern zu unterstreichen,<br />
wurde hier eine neuartige Form der Ausstellungsarchitektur<br />
entwickelt: Eine offene, gerüstartige Installation durchzieht den<br />
langgestreckten Ausstellungsraum und ordnet als „Matrix“<br />
die verschiedenen chronologisch angeordneten Themenberei che<br />
mit ihren jeweiligen Ausstellungsobjekten. Zahlreiche Durchblicke<br />
sowie Vor- und Rücksprünge der Hängeflächen lassen<br />
die Matrix als einen vielgestaltigen Organismus erscheinen,<br />
der den Ausstellungsraum nach Sinneseinheiten gliedert und<br />
zugleich die visuelle Wirkung einzelner Exponate hervorhebt<br />
oder bricht. Dabei stehen Postkarten, Zeitschriftenkarikatu ren<br />
und Plakate neben plastischen Werken, die dem Bild vom Fremden<br />
räumliche Präsenz verleihen. In die Ausstellungsarchitektur<br />
integrierte Monitore zeigen Ausschnitte aus Spiel- und Propagandafilmen<br />
sowie aktuellen Musikvideos. Auf diese Weise<br />
dokumentiert der Ausstellungsparcours die Produktion von<br />
Fremdbildern im Rahmen eines mediengeschichtlichen Überblicks,<br />
der vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart<br />
reicht.<br />
Die Monate bis zur Eröffnung in Berlin wird das Kurato renteam<br />
des DHM nutzen, um die Ausstellung an die räumlichen<br />
Gegebenheiten des Pei-Baus anzupassen und konzeptionell zu<br />
erweitern. Dabei werden „Zooms“ die aus Paris übernommene<br />
„Matrix“ ergänzen und ausgewählte inhaltliche Aspekte vertiefend<br />
behandeln. Diese neuen Ausstellungsbereiche bieten<br />
Raum für geschichtliche Exkurse, die jeweils einzelnen Zeitabschnitten<br />
zugeordnet und exemplarisch jenen Gruppen gewidmet<br />
sind, die in den einzelnen Epochen in besonderem Ma ße zu<br />
Objekten der gesellschaftlichen Aus- und Abgrenzung wurden.<br />
In ihrer chronologischen Abfolge entwerfen die „Zooms“<br />
48 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Ausblick<br />
„Étrangers – Fremde?“ verwendet eine offene, gerüstartige Ausstellungsarchitektur, die den konstruierten Charakter von gesellschaftlichen<br />
Selbst- und Fremdbildern unterstreicht. Zu den Exponaten gehören neben Postkarten, Karikaturen, Plakaten und plastischen Werken<br />
auch Sequenzen aus Spiel- und Propagandafilmen sowie aktuellen Musikvideos.<br />
eine Geschichte der rassenbiologischen und fremdenfeindli chen<br />
Diskurse, die in beiden Ländern vielfältige Berührungspunkte<br />
aufweist. Sie reicht vom Bild des „kolonialen Ureinwohners“<br />
im späten 19. Jahrhundert, über die so genannte „Schwarze<br />
Schmach“ – der Besetzung des Rheinlandes durch französische<br />
Kolonialtruppen nach dem Ersten Weltkrieg –, dem Bild<br />
„des Juden“ während des Nationalsozialismus und des Zweiten<br />
Weltkrieges bis zum kontrovers diskutierten Islambild<br />
der Gegenwart. Dabei geht es nicht allein um eine Dokumentation<br />
der einzelnen Feind- und Fremdbilder auf einer rein ikonographischen<br />
Ebene. Ziel ist es vielmehr, deren gesellschaftliche<br />
Funktion vor dem jeweiligen historischen Hintergrund<br />
zu analysieren und auf diese Weise ihre temporäre Bedeutung<br />
für die nationale Selbstdefinition offen zu legen. So werden<br />
Raumtexte und Schautafeln Auskunft über die Zusammenhänge<br />
zwischen der oft gezielt gesteuerten Bildproduktion und den<br />
damit verbundenen politischen Interessenlagen geben.<br />
Gerade in der Abschlusssequenz der Ausstellung, die dem<br />
Islambild der Gegenwart in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich gewidmet<br />
ist, erscheint es in besonderem Maße geboten, die<br />
Vergegenwärtigung der Bilder vom Fremden mit der kritischen<br />
Reflexion aktueller gesellschaftlicher Debatten zu verbinden.<br />
So werden mediale Zerrbilder, die sowohl im Kontext von<br />
Moscheebau- und Kopftuchdebatten als auch durch Gleichsetzung<br />
von „Islam“ und „Islamismus“ entstanden, an ausgewählten<br />
Exponaten behandelt. Gleichzeitig wird der Besucher<br />
mit der Vielseitigkeit muslimischer Lebenswelten<br />
konfrontiert, um Vorstellungen vom zeitlosen „Wesen“ islamischer<br />
Kultur und monokausale Erklärungsmuster zu problematisieren.<br />
Während der Laufzeit in Berlin ist ein museumspädagogisches<br />
Begleitprogramm geplant, das die Ausstellung für ein<br />
brei tes Publikum erschließen und ihr so eine große gesellschaftspolitische<br />
Wirksamkeit verleihen soll. Film- und Geschichtswerkstätten,<br />
Führungen und Seminare werden verschiedene<br />
Zielgruppen ansprechen und diese mit unterschiedlichen<br />
Wahrnehmungen der gesellschaftlichen Realität konfrontieren.<br />
In diesem Sinne hofft die Ausstellung auch einen Beitrag zum<br />
gegenseitigen Verständnis von Menschen mit und ohne Migrationhintergrund<br />
und zur Überwindung überkommener Fremdbilder<br />
zu leisten.<br />
Jan Werquet, Mitkurator der Ausstellung, Deutsches Historisches Museum;<br />
werquet@dhm.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Die Ausstellung läuft vom 15. Oktober <strong>2009</strong> bis zum 31. Januar 2010<br />
im Pei-Bau des Deutschen Hinstorischen Museums.<br />
www.dhm.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 49
AUSBLICK<br />
<strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums<br />
Deutsche Übersetzung der<br />
überarbeiteten Fassung ist in Arbeit<br />
Die drei <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees <strong>Deutschland</strong>, Schweiz und<br />
Österreich planen für dieses Jahr die deutschsprachige Übersetzung<br />
des aktuellen „<strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums“.<br />
Die darin formulierten und weltweit anerkannten ethischen<br />
Richtlinien bilden die Grundlage der professionellen Arbeit von<br />
Museen und Museumsfachleuten.<br />
Der „Code of Ethics“ spiegelt eine Momentaufnahme der<br />
„Verfassung“ der Museen der Welt wider, denn der internationale<br />
Dialog um die Grundlagen und Ziele der Museumsarbeit<br />
ist ein permanenter Prozess. Sie als Institution oder als Repräsentantin<br />
bzw. Repräsentant Ihres Museums können an diesem<br />
internationalen Dialog mitwirken. Die Museums- und Ausstellungsarbeit<br />
hat heute stärkere internationale Dimensionen als<br />
in früheren Jahrzehnten. Wir vermitteln unsere Geschichte und<br />
Kultur intensiver vernetzt sowohl in der konzeptionellen Arbeit<br />
als auch für ein breiteres Publikum, das heute mehr über<br />
eigene Wurzeln und fremde Entwicklungen erfahren möchte.<br />
Ausstellungen und Museumsarbeit helfen – auf allen Ebenen<br />
– bei der Findung von Identitäten, eine Voraussetzung für die<br />
Gestaltung der Gegenwart und Zukunft.<br />
Der „<strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums“ wurde zuletzt<br />
2004 fortgeschrieben und von der <strong>ICOM</strong>-Generalversammlung<br />
in Seoul (Süd-Korea) in einer neuen Fassung verabschiedet.<br />
Die englische und französische Originalversion erhalten Sie<br />
in gedruckter Form oder können Sie als pdf-Dokument herunterladen:<br />
icom.museum/ethics.html.<br />
Die im Jahr 2003 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>ICOM</strong> Schweiz und<br />
<strong>ICOM</strong> Österreich herausgegebene deutsche Fassung „<strong>ICOM</strong> –<br />
Ethische Richtlinien für Museen“ ist vergriffen und nur noch<br />
als PDF-Dokument auf der Webseite von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
erhältlich.<br />
Weitere Informationen:<br />
Den aktuellen Stand der Planungen entnehmen Sie unserer Webseite<br />
www.icom-deutschland.de.<br />
Arbeitskreis Volontariat<br />
Tagung erfolgreich beendet –<br />
neuer Sprecherrat gewählt<br />
Zu ihrem nunmehr 19. bundesweiten Treffen versammelten sich<br />
die wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontäre an Museen,<br />
Gedenkstätten und in der Denkmalpflege vom 20. bis 22.<br />
März <strong>2009</strong> in Chemnitz und Leipzig; rund 120 Tagungsteilnehmer<br />
ließen sich nach Sachsen locken. Seit 1991 kommen die<br />
jungen Akademiker jährlich zusammen, um sich wissenschaftlich<br />
durch Vorträge wie auch Besichtigungen fortzubilden und<br />
überregional auszutauschen. Ehrenamtlich und eigeninitiativ<br />
organisiert, hat jede Zusammenkunft einen selbstbestimmten,<br />
aktuellen Schwerpunkt.<br />
Nach einem Grußwort der Chemnitzer Oberbürgermeisterin<br />
Barbara Ludwig stellten sechs Referenten – fast durchweg Volontäre<br />
– gemäß dem Tagungsthema „Provenienz – Herkunft“<br />
in abwechslungsreichen Werkstattberichten Bereiche ihres Arbeitsalltages<br />
vor. So wechselte etwa die Darstellung von Förderungsmöglichkeiten<br />
durch die 2008 eingerichtete Berliner Arbeitsstelle<br />
für Provenienzrecherche/-forschung mit einem Bericht über<br />
das Phänomen der Häufung paläontologischer Privatsammlungen<br />
auf der Schwäbischen Alb.<br />
Als Tagesordnungspunkt ins Vortragsprogramm integriert<br />
war die Wahl eines neuen Sprecherkollegiums des Arbeitskreises<br />
(AK) Volontariat im Deutschen Museumsbund. Die elementare<br />
Rolle dieser Interessenvertretung der Volontäre hatte Vera Neukirchen,<br />
kommissarische Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes,<br />
bereits während ihrer Eröffnungsrede hervorgehoben.<br />
Zur Arbeit des AK gehört neben der Entwicklung<br />
eines Ausbildungsleitfadens für wissenschaftliche Museumsvolontariate<br />
die Aufstellung von Verbleibstudien sowie die kontinuierliche<br />
Erhebung von Daten zu Arbeitsbedingungen von<br />
Volontären.<br />
Überdies lud ein abwechslungsreiches Exkursions- und Führungsprogramm<br />
dazu ein, die Museumslandschaft und kulturelle<br />
Einrichtungen der Gastgeberstädte Chemnitz und Leipzig<br />
mit fachlicher Begleitung zu erkunden.<br />
Möglichkeit zum Austausch und Networking boten am Eröffnungsabend<br />
ein Empfang in den Kunstsammlungen Chemnitz,<br />
zu dem Generaldirektorin Ingrid Mössinger geladen hatte,<br />
und die abschließende Zusammenkunft im Museum der<br />
bildenden Künste Leipzig, bei der Direktor Dr. Hans-Werner<br />
Schmidt die Tagungsteilnehmer im Namen der Bürgerstadt begrüßte.<br />
Der neu gewählte neunköpfige Sprecherrat des AK wird im<br />
März 2010 während der 20. bundesweiten Volontärstagung in<br />
Berlin/Brandenburg den „Staffelstab“ übergeben – man darf<br />
auf ein weiteres aufschlussreiches und kommunikatives Jahrestreffen<br />
gespannt sein.<br />
Die Tagung wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und weiteren Sponsoren.<br />
Weitere Informationen:<br />
Pavla Langer<br />
pavla.langer@web.de<br />
50 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
AUSBLICK<br />
Neuerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Museumsberufe – Eine<br />
europäische Empfehlung<br />
Im November 2008 hat der Deutsche<br />
Museumsbund gemeinsam mit <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> und dem International Committee<br />
for the Training of Personnel<br />
(ICTOP) die Broschüre „Museumsberu fe<br />
– Eine europäische Empfehlung“ he r au s<br />
gegeben.<br />
Die Rolle der Museen als Orte der<br />
Bildung und der Kommunikation hat sich<br />
in den letzten Jahren gewandelt. Mehr<br />
als früher wenden sich die Museen den<br />
Besuchern und Nichtbesuchern aktiv zu.<br />
Die aktuelle Diskussion darüber, wie sie<br />
ihre Aufgaben optimal erfüllen können,<br />
betrifft auch die innere Organisation:<br />
Management, Führung und Zusammenarbeit,<br />
zweckmäßige Aufgabenverteilung<br />
und effiziente Aufgabenwahrnehmung<br />
sind hier nur einzelne Stichworte.<br />
In der nun vorliegenden Publikation<br />
werden die Anforderungsprofile für insgesamt<br />
zwanzig Museumsberufe beschrie<br />
ben, die lediglich Empfehlungscharakter<br />
haben. Die Broschüre will<br />
An stöße für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung<br />
der museumsspezifi schen<br />
Berufsbilder und die darauf hinführende<br />
Ausbildung geben.<br />
Das Dokument kann unter www.icomdeutschland.de<br />
> Publikationen heruntergeladen<br />
oder als Broschüre beim Deutschen<br />
Museumsbund bestellt werden.<br />
Museumsberufe –<br />
Eine europäische Empfehlung<br />
Hrsg. Deutscher Museumsbund e. V.<br />
gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
und ICTOP, Berlin 2008, 50 Seiten.<br />
ISBN 978-3-9811983-3-1<br />
Das Museum<br />
als Ort des Wissens<br />
<strong>ICOM</strong> Schweiz hat einen Band mit den<br />
Tagungsbeiträgen des Internationalen<br />
Bo densee-Symposiums 2006 herausgegeben.<br />
Alle drei Jahre findet das Internationale<br />
Bodensee-Symposium der drei<br />
<strong>ICOM</strong>-Länder <strong>Deutschland</strong>, Österreich<br />
und Schweiz statt. Im Jahr 2006 wurde<br />
die Veranstaltung in Schaffhausen, Schweiz,<br />
zu dem Thema „Das Museum als Ort des<br />
Wissens“ durchgeführt.<br />
Das Thema weist auf die wenig spektakuläre,<br />
aber notwendige Hintergrundarbeit<br />
der Museen hin. Die verschiedenen<br />
Beiträge zeigen Beispiele spezialisierter<br />
Forschung in den großen, meist universitätsnahen<br />
Institutionen und neuartige<br />
Modelle der Zusammenarbeit zwischen<br />
den Museen oder auch Museen und<br />
Hochschulen. Sie sind aber auch Beleg<br />
dafür, dass die mühsame Kernarbeit der<br />
Inventarisierung und minutiösen Detailabklärung<br />
selbst in den kleinen und mittleren<br />
Museen zur Vermehrung des Wissens<br />
beiträgt.<br />
Der Tagungsband kann unter:<br />
www.icom-deutschland.de > Publikationen<br />
heruntergeladen oder in Buchform bei<br />
<strong>ICOM</strong> Schweiz bestellt werden. <strong>ICOM</strong>-<br />
Mitglieder aus der Schweiz, Österreich<br />
und <strong>Deutschland</strong> profitieren von einem<br />
Spezialpreis.<br />
Das Museum als Ort des Wissens<br />
Hrsg. <strong>ICOM</strong> Schweiz, 2008, 150 Seiten.<br />
ISBN 978-3-9523484-1-3<br />
Zu bestellen bei: <strong>ICOM</strong> Schweiz<br />
c/o Schweizerisches Landesmuseum<br />
Postfach, Museumstr. 2, 8021 Zürich<br />
Tel. +41 44 2186588, Fax +41 44 2186589<br />
info@museums.ch, www.museums.ch<br />
Wissenschaftskommu nikation<br />
– Perspek tiven<br />
der Ausbildung – Lernen<br />
im Museum<br />
Welche Wege der Wissenschaftskommunikation<br />
und Wissenschaftsdidaktik lassen<br />
sich in Frankreich und <strong>Deutschland</strong><br />
beobachten? Welche Rolle spielen dabei<br />
Museen, Science Center und Forschungseinrichtungen?<br />
Wie ist es in beiden Ländern<br />
um die Ausbildung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses an Museen<br />
bestellt? Was heißt „Lernen im Museum“?<br />
Die lebendige Entwicklung der Wissenschaftsmuseen<br />
in Frankreich und<br />
<strong>Deutschland</strong> spiegelt sich in den wissenschaftlichen<br />
Beiträgen und Präsentationen<br />
ak tueller Projekte im vorliegenden<br />
Band zur dritten Tagung der Wissenschaftsmuseen<br />
im deutsch-französischen<br />
Dialog wider, die in der Zeit vom 14. bis<br />
16. Oktober 2007 in Berlin veranstaltet<br />
wurde.<br />
Wissenschaftskommunikation –<br />
Perspek tiven der Ausbildung – Lernen im<br />
Museum<br />
Dritte Tagung der Wissenschaftsmuseen<br />
im deutsch-französischen Dialog<br />
Berlin, 14. bis 16. Oktober 2007.<br />
Herausgegeben von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
<strong>ICOM</strong> Frankreich und dem Deutschen<br />
Technikmuseum Berlin,<br />
mit einem Vorwort von Bernhard Graf<br />
und Thomas Schneider.<br />
Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main,<br />
<strong>2009</strong>.<br />
ISBN 978-3-631-58095-0<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 51
Veranstaltungen<br />
10. bis 13. Mai <strong>2009</strong>, Stralsund<br />
Tagung der Kulturstiftung der Länder und des Deutschen Museumsbundes<br />
Chefsache Bildung<br />
www.museumsbund.de<br />
14 . bis 17. Mai <strong>2009</strong>, Hannover<br />
Museum August Kestner (M.A.K.)<br />
Jahrestagung des International Committee for Museums and Collections<br />
of Decorative Arts and Design (ICDAD)<br />
The Intersection of Art and Technical Innovation<br />
www.icom-icdad.com/<br />
16. Mai <strong>2009</strong><br />
Nacht der Museen<br />
www.nuitdesmusees.culture.fr/<br />
17. Mai <strong>2009</strong><br />
Internationaler Museumstag<br />
Museen und Tourismus<br />
www.museumstag.de<br />
15. bis 19. Juni <strong>2009</strong>, Dresden und Nürnberg<br />
Jahrestagung des International Association of Transport<br />
and Communications Museums (IAMT)<br />
Transport and Communications Museums – Attractive Offers to the Public<br />
www.iatm.org<br />
18. bis 20. Juni <strong>2009</strong>, Lindau (Bodensee)<br />
Internationales Bodensee-Symposium von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
<strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz<br />
in Kooperation mit dem International Council of Monuments and Sites (<strong>ICOM</strong>OS)<br />
Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus<br />
www.icom-deutschland.de<br />
24. bis 26. September <strong>2009</strong>, Dubrownik<br />
The Best in Heritage with Dubrovnik Global Heritage Forum<br />
www.thebestinheritage.com<br />
5. bis 7. November <strong>2009</strong>, Berlin<br />
Jahrestagung des International Committee for Architecture<br />
and Museum Techniques (ICAMT)<br />
Concepts and Project Outcomes<br />
www.icamt.com<br />
17. bis 20. November <strong>2009</strong>, Köln<br />
EXPONATEC COLOGNE<br />
Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung und Kulturerbe<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird auf der Messe mit einem Stand vertreten sein.<br />
<strong>ICOM</strong>-Mitglieder haben freien Eintritt.<br />
www.exponatec.de<br />
7. bis 13. November 2010, Shanghai<br />
<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
Museums and Harmonious Society<br />
www.icom.museum<br />
Die aktuellen Termine der Tagungen der internationalen Komitees finden Sie unter:<br />
icom.museum/calendar.html<br />
52 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>
Vorstand<br />
Präsident<br />
Dr. York Langenstein<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
In der Halde 1<br />
14195 Berlin<br />
Tel.: +49 30 69504525<br />
Fax: +49 30 69504526<br />
icom@icom-deutschland.de<br />
Vorstandsmitglieder<br />
Prof. Dr. Rosmarie Beier-de Haan<br />
Deutsches Historisches Museum<br />
Unter den Linden 2<br />
10117 Berlin<br />
Tel.: +49 30 20304270<br />
Fax: +49 30 20304543<br />
beier@dhm.de<br />
Prof. Dr. Lothar Jordan<br />
Kleist-Museum<br />
Faberstraße 7<br />
15230 Frankfurt (Oder)<br />
Tel.: +49 335 61016405<br />
Fax: +49 335 3871452<br />
jordan@kleist-museum.de<br />
Dr. Christoph Lind<br />
Reiss-Engelhorn-Museen<br />
C4 Direktion<br />
68159 Mannheim<br />
Tel.: +49 621 2932083<br />
Fax: +49 621 2933099<br />
christoph.lind@mannheim.de<br />
Dr. Anette Rein<br />
ar_welten@yahoo.de<br />
Dr. Klaus Weschenfelder<br />
Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />
Veste Coburg<br />
96450 Coburg<br />
Tel.: +49 9561 8790<br />
Fax: +49 9561 87966<br />
k.weschenfelder@kunstsammlungen-coburg.de<br />
Dr. Gerhard Winter<br />
Senckenberg Forschungsinstitut<br />
und Naturmuseum<br />
Senckenberganlage 25<br />
60325 Frankfurt am Main<br />
Tel.: +49 69 75421356<br />
Fax: +49 69 75421331<br />
gerhard.winter@senckenberg.de<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Dr. York Langenstein<br />
Johanna Westphal M.A.<br />
Geschäftsstelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />
Johanna Westphal M.A.<br />
Beate von Törne M.A.<br />
Jan-Dirk Kluge<br />
Juliana Ullmann M.A.<br />
In der Halde 1, 14195 Berlin<br />
Tel.: +49 30 69504525<br />
Fax: +49 30 69504526<br />
icom@icom-deutschland.de<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Redaktion: Anke Ziemer M.A., a.ziemer@t-online.de<br />
Gestaltung: Claudia Heckel, Berlin, www.besseresdesign.de<br />
Druck: Oktoberdruck, Berlin<br />
Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen.<br />
Inhaber von Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten,<br />
bitten wir um Kontaktaufnahme.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht<br />
unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.<br />
Titel: Jan Erik Schulte; RegierungOnline; Reiss-Engelhorn-Museum,<br />
Mannheim, Foto: Jean Christen; eciec.eu; Martina Krug; Fotolia, Ljupco<br />
Smokovski; wikipedia, AdMeskens; Jawdat Khoudary; Zentralinstitut<br />
für Kunstgeschichte München; Stéphanie Wintzerith; Royal Belgian<br />
Institute of Natural Sciences<br />
Heft 31 (16. Jahrgang)<br />
Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr<br />
Auflage: 5.000<br />
Gefördert durch die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> mit einer Zuwendung<br />
des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien<br />
Berlin, Mai <strong>2009</strong><br />
ISSN 1865-6749
Aktuelle Informationen finden Sie unter<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Informationen über den Weltverband, seine Komitees<br />
und Projekte können Sie aufrufen unter<br />
www.icom.museum<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
In der Halde 1 · 14195 Berlin<br />
Telefon +49 30 69504525<br />
Fax +49 30 69504526<br />
icom@icom-deutschland.de · www.icom-deutschland.de<br />
Gefördert aus Mitteln des