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ICOM Deutschland Mitteilungen 2009

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<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong><br />

ISSN 1865-6749 | Heft 31 (16. Jahrgang)<br />

Reiseziel Museum:<br />

Historisches Erbe und Kulturtourismus<br />

Bildung, Identität, Integration:<br />

Die Rolle der Museen<br />

Provenienzforschung:<br />

Zehn Jahre Washingtoner Konferenz


Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

wenn Sie die aktuelle Ausgabe der MITTEILU NGEN von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zur Hand nehmen, bietet sich Ihnen wie gewohnt<br />

ein Überblick über Themenschwerpunkte unserer Arbeit<br />

sowie über ausgewählte Ereignisse im Kalender von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>: Wir wollen Sie, liebe Mitglieder, auf diese Weise<br />

an den nationalen und internationalen Aktivitäten des vergangenen<br />

Jahres teilhaben lassen. Zugleich richten wir den Blick<br />

nach vorn und möchten Sie sowohl zur Teilnahme am Internationalen<br />

Museumstag als auch zum Bodensee-Symposium sehr<br />

herzlich einladen, das heuer wieder zusammen mit <strong>ICOM</strong> Österreich<br />

und <strong>ICOM</strong> Schweiz in Lindau ausgerichtet wird. Bei<br />

beiden Veranstaltungen wird das Generalthema „Museen und<br />

Tou ris mus“ im Mittelpunkt stehen (S. 4 f.).<br />

Von den Nachbarn lernen: Das gilt auch für die zurückliegende<br />

Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, die in Kooperation<br />

mit <strong>ICOM</strong> Niederlande und der Reinwardt-Akademie<br />

unter dem Motto „Museen – Orte der kulturellen Bildung und<br />

Integration“ im Oktober 2008 in Amsterdam stattfand. Einmal<br />

mehr wurde dabei sichtbar, dass das internationale Netzwerk<br />

von <strong>ICOM</strong> besondere Chancen bietet, Erfahrungen im<br />

Rahmen eines grenzübergreifenden Dialogs auszutauschen: Bekanntlich<br />

spielen Integration und interkulturell ausgerichtete<br />

Bildungsarbeit in den Niederlanden als dem Zentrum eines ehemaligen<br />

Kolonialreichs schon seit vielen Jahren eine wichtige<br />

Rolle. So vermochte die Tagung anregende Einblicke in Konzepte<br />

und Projekte von Museen in den Niederlanden und <strong>Deutschland</strong><br />

zu vermitteln, aber auch weiterwirkende Kontakte herzu<br />

stellen, die Perspektiven für die Fortsetzung des fachlichen<br />

Aus tauschs eröffnen (S. 18).<br />

Zum Themenschwerpunkt Museen und Integration finden<br />

Sie im vorliegenden Heft Beiträge von Matthias Buth (S. 6), der<br />

als Referatsleiter beim Beauftragten der Bundesregierung für<br />

Kultur und Medien für die kulturelle Förderung von Zuwanderern<br />

und damit auch für die Umsetzung des Nationalen Integrationsplans<br />

im Bereich der Museen zuständig ist, sowie<br />

von Matthias Hamann (S. 9), Leiter des Museumsdiensts der<br />

Kölner Museen: An einem Brennpunkt der Bemühungen um<br />

einen interkulturellen Dialog tätig, berichtet er über die praxisbezogenen<br />

Ansätze der musealen Bildungsarbeit im Dienste der<br />

Integration.<br />

Zu den zentralen Anliegen von <strong>ICOM</strong> als Weltverband der<br />

Museen und Museumsfachleute gehört auch der Kulturgutschutz<br />

in seinen vielfältigen Facetten – von der Bewahrung der Vielfalt<br />

kultureller Ausdrucksformen bis zur Bekämpfung des illegalen<br />

Handels mit Kulturgütern: Es ist gut, dass sich die Diskussion<br />

darüber verstärkt hat, wo Kulturgüter herkommen und<br />

wo sie hingehören. So sind die nachvollziehbare Provenienz von<br />

Objekten und geklärte Eigentumsverhältnisse heute bei Erwerbungen<br />

durch Museen wie inzwischen auch im Kunsthandel<br />

und bei privaten Sammlern ein wesentliches Kriterium, das<br />

Wert und Wertschätzung im materiellen wie im ideellen Sinne<br />

maßgeblich mitbestimmt. Trotzdem gilt es, das Bewusstsein<br />

dafür zu schärfen, dass das kulturelle Erbe vor allem der Länder<br />

der Dritten Welt in der Folge der Plünderung historischer<br />

Stätten und der Aktivitäten des Schwarzhandels mit Antiquitäten<br />

weiterhin ausblutet. Ein bedrückendes Beispiel ist etwa<br />

die Beraubung der präkolumbischen Gräber in Peru, die im Zentrum<br />

einer anlässlich der Präsentation der deutschen Ausgabe<br />

der „Roten Liste der gefährdeten Antiken Perus“ durch den<br />

neuen Generaldirektor von <strong>ICOM</strong>, Julien Anfruns, veranstalteten<br />

Pressekonferenz stand. Mehr über die Hintergründe erfahren<br />

Sie in einem Bericht auf Seite 24.<br />

Die geklärte Provenienz von Kulturgütern als Grundlage für<br />

den rechtmäßigen Erwerb und Besitz ist ein Thema, das auch<br />

im Zusammenhang mit dem Aufspüren und gegebenenfalls der<br />

Rückgabe von „Raubkunst“ in den Sammlungen unserer Museen<br />

in die öffentliche Diskussion geraten ist. Zehn Jahre nach<br />

der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der<br />

Zeit des Holocaust“ lässt sich eine erste Bilanz ziehen: Was<br />

wurde getan, um belastete Objekte zu identifizieren und sie zu<br />

restituieren, welche Aufgaben kommen auf die Museen und ihre<br />

Träger noch zu, und wie lassen sie sich bewältigen? Auf die se<br />

und andere Fragen geht die Einführung ab Seite 12 ein, die<br />

auch erste Hilfestellungen bieten soll.<br />

Diese ersten Schlaglichter auf aktuelle Themen der Museumsarbeit<br />

sollen Sie auch auf die weiteren Beiträge der vorliegenden<br />

Ausgabe unserer MITTEILUNGEN neugierig machen,<br />

für die wir den Autorinnen und Autoren an dieser Stelle noch<br />

einmal danken.<br />

Ihr<br />

Dr. York Langenstein<br />

Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>


Inhalt<br />

AKTUELLES<br />

Museen und Tourismus<br />

32. Internationaler Museumstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Museen und Denkmäler – Historisches Erbe<br />

und Kulturtourismus<br />

Internationales Bodensee-Symposium <strong>2009</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Identität und Integration<br />

Der Nationale Integrationsplan der Bundesregierung ............6<br />

Die Herausforderungen für museale Bildungsarbeit<br />

Mit interkultureller Öffentlichkeitsarbeit<br />

neue Besuchergruppen gewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

„Raubkunst“ in musealen Sammlungen –<br />

zehn Jahre Washingtoner Konferenz<br />

Zum Umgang mit „verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“ ...12<br />

Rückblick<br />

Kulturelle Bildung und Integration<br />

Höhepunkte der Jahrestagung 2008 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> .....18<br />

Kulturelles Erbe als Handelsware<br />

„Rote Liste der gefährdeten Antiken Perus“ ........................24<br />

Museen wandeln sich<br />

Kriterien für die Definition museumsethischer Richtlinien . . . . . . . . .26<br />

Tätigkeitsbericht des Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> . . . . . . . . .28<br />

Protokoll der Mitgliederversammlung 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30<br />

Internationale Komitees<br />

Krisenhilfe in Gaza<br />

<strong>ICOM</strong> setzt sich für bedrohte Kulturstätten ein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32<br />

Die internationalen Komitees stellen sich vor<br />

International Committee for Literary Museums (ICLM) .............35<br />

International Committee for Museums and Collections<br />

of Natural History (NATHIST) ......................................36<br />

Tagungsberichte<br />

French Glass – Past, Present and Future<br />

GLASS – International Committee for Museums<br />

and Collections of Glass. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37<br />

Tradition, Innovation and Participation:<br />

Diversity in Heritage Conservation<br />

<strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation . . . . . . . . . . . .38<br />

Cooperation between Museums, Collections<br />

and Research Institutions<br />

CIPEG – International Committee for Egyptian<br />

and Sudanese Collections . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39<br />

Regional Museums in a Post Industrial Age<br />

ICR – International Committee for<br />

Regional Museums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40<br />

Integrated Risk Management<br />

ICMS – International Committee on Museum Security . . . . . . . . . . . .41<br />

Cultural Tourism: Trends and Strategies<br />

CECA – International Committee for Education<br />

and Cultural Action ...............................................42<br />

2 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Ausblick<br />

New Approaches to Museum Studies and Training.<br />

A Critical Review<br />

ICTOP – International Committee for the Training of Personnel ....43<br />

Migration, Diaspora, Pilgrimage<br />

ICME – International Committee for Museums<br />

and Collections of Ethnography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44<br />

The Digital Curation of Cultural Heritage<br />

CIDOC – International Committee of Documentation .............45<br />

History and Presentation: The Place of Nazi Crimes<br />

IC MEMO – International Committee of Memorial Museums<br />

for the Remembrance of Victims of Public Crimes .................46<br />

Geldmuseen und der moderne Informationsfluss<br />

<strong>ICOM</strong>ON – International Committee of Money<br />

and Banking Museums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47<br />

Étrangers – Fremde?<br />

Ein deutsch-französisches Ausstellungsprojekt ....................48<br />

<strong>ICOM</strong>-Codes of Ethics for Museums<br />

Übersetzung der überarbeiteten Fassung ist in Arbeit .............50<br />

Arbeitskreis Volontariat<br />

Neuer Sprecherrat gewählt .......................................50<br />

Museumsberufe – Eine europäische Empfehlung<br />

Broschüre erschienen .............................................51<br />

Das Museum als Ort des Wissens<br />

Tagungsband des Internationalen<br />

Bodensee-Symposiums 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51<br />

Wissenschaftskommunikation –<br />

Perspek tiven der Ausbildung – Lernen im Museum<br />

Tagungsband der Wissenschaftsmuseen<br />

im deutsch-französischen Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51<br />

Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52<br />

Vorstand/Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 3


AKTuelles<br />

Museen und Tourismus<br />

32. Internationaler Museumstag<br />

Unter dem vom Internationalen Museumsrat <strong>ICOM</strong> ausgerufenen<br />

Motto „Museums and Tourism – Museen und Tourismus“<br />

feiern die Museen im Mai <strong>2009</strong> weltweit den Internationalen<br />

Museumstag. In <strong>Deutschland</strong>, Österreich und der Schweiz<br />

wird das Ereignis am Sonntag, dem 17. Mai <strong>2009</strong>, begangen.<br />

Zum Auftakt des Internationalen Museumstages findet am<br />

16. Mai <strong>2009</strong> zum fünften Mal europaweit die von Frankreich<br />

initiierte „Nacht der Museen“ statt.<br />

Der Internationale Museumstag steht in <strong>Deutschland</strong> unter<br />

der Schirmherr schaft des Präsidenten des Bundesrates, des Minister<br />

präsidenten des Saarlan des, Peter Müller, und wird von<br />

zahlreichen Stiftun gen und Verbänden der<br />

Sparkassen-Finanz gruppe unterstützt.<br />

Die beste Bildung findet ein gescheiter<br />

Mensch auf Reisen: Nicht erst für Johann<br />

Wolfgang von Goethe, von dem dieser Satz<br />

stammt, verbanden sich mit dem Reisen E r­<br />

lebnis und Er kenntnis. Unsere Reiseerfahrungen<br />

prägen auch unsere Vorstel lung von<br />

Raum und Zeit: So sprechen wir beispielsweise<br />

von einer Reise in die Vergangenheit,<br />

wenn wir uns mit Aspekten des Lebens in<br />

früheren Zeiten befassen.<br />

Museen haben einen herausragenden Stellenwert<br />

als Reiseziele. Doch muss man nicht<br />

immer ein Flugzeug oder ein Schiff besteigen:<br />

Auch die Museen im eigenen Lande,<br />

manchmal sogar vor der eigenen Haustür,<br />

bieten in der Vielfalt ihrer Sammlungen den<br />

Stoff, um sich die Welt gedanklich oder sinnlich an zueignen. So<br />

verbindet sich der Besuch eines Museums immer wieder mit<br />

der Einladung zu Entdeckungsreisen und unerwarteten Begegnungen.<br />

Museen führen die Menschen zusammen und schaffen Brücken<br />

der Verständigung. Sie spiegeln die Kultur und Geschichte<br />

eines Landes, einer Region, eines Ortes. Sie schaffen Bezugspunkte<br />

des Selbstverständnisses und der heimatlichen Identifikation.<br />

Doch sind sie auch ein Schaufenster, das seinen Besuchern<br />

Einblicke in Kulturlandschaften sowie in die Lebensformen und<br />

Traditionen ihrer Bewohner vermittelt.<br />

Kulturtourismus als ein Massenphänomen dagegen führt zu<br />

der Frage, welchen Herausforderungen sich Museen, Kulturdenkmäler<br />

und Kulturlandschaften stellen müssen. Daher ist<br />

das weltweit steigende Besucherinteresse zwar zu begrüßen,<br />

denn die Begegnung mit Kunst und Kultur, mit dem materiellen<br />

wie dem immateriellen Kulturerbe, erweitert den Horizont<br />

und fördert die Aufgeschlossenheit für das Leben und die Leistungen<br />

der anderen Kulturkreise und Gesellschaften. Auch die<br />

positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus, besonders<br />

für die Länder der Dritten Welt, sind den manchmal zu<br />

einseitig herausgestellten Belastungen in einer ausgewogenen<br />

Weise gegenüberzustellen.<br />

Aber Museen sollten viel dafür tun, der großen Beanspruchung,<br />

und dem Verschleiß von Kulturgütern und Na turerbe<br />

durch den Tourismus entgegenzutreten und das Verantwortungsgefühl<br />

für einen angemessenen Umgang mit dem kul turellen<br />

Erbe zu stärken. So sind sie wichtige Partner in einem Netzwerk<br />

für einen nachhaltigen Kulturtourismus. Das gilt zunächst<br />

einmal für die Fürsorge der in ihrer Obhut<br />

bewahrten Sammlungen und histori schen<br />

Gebäude, aber auch für ihren Auftrag, den<br />

Museumsbesuch zu einem ge winn brin genden<br />

Erlebnis werden zu lassen. <strong>ICOM</strong> und<br />

der Weltverband der Freunde der Museen<br />

(WFFM – World Federation of Friends of<br />

Museums) haben hierzu im Dezember 2007<br />

eine Deklaration zum nachhaltigen Kulturtourismus<br />

herausgegeben.<br />

Die Zusammenarbeit nicht nur mit anderen<br />

gesellschaftli chen Institutionen, die sich<br />

für einen verantwortungsvollen Umgang<br />

mit dem kulturellen und natürlichen Erbe<br />

einsetzen, sondern auch mit den Organisationen<br />

der Tourismuswirtschaft bietet<br />

Chancen, die Anliegen eines schonenden<br />

und nachhaltigen Tourismus unter dem internationalen<br />

Motto „Enjoy not Destroy“ wirksam zu vermitteln.<br />

Museen sehen sich daher in einem Verbund mit allen<br />

Institutionen und allen Bürgern, die sich dem Anliegen der Bewahrung<br />

der kulturellen und natürlichen Vielfalt verpflichtet<br />

fühlen.<br />

Wir freuen uns mit Ihnen auf einen lebendigen Internationalen<br />

Museumstag <strong>2009</strong>, der zu einem Fest für die Mitarbeiter<br />

und die Besucher der Museen wird!<br />

Johanna Westphal<br />

Geschäftsführerin <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

Deklaration zum nachhaltigen Kulturtourismus:<br />

icom.museum/<strong>2009</strong>_contents.html<br />

www.museumstag.de<br />

icom.museum/imd.html<br />

4 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Aktuelles<br />

Museen und Denkmäler –<br />

Historisches Erbe und Kulturtourismus<br />

Internationales Bodensee-Symposium <strong>2009</strong><br />

Das traditionelle Bodensee-Symposium, das im Dreijahres-<br />

Rhyth mus als gemeinsame Tagung der <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees<br />

von <strong>Deutschland</strong>, Österreich und der Schweiz ausgerichtet<br />

wird, findet vom 18. bis 20. Juni <strong>2009</strong> in Lindau (Bodensee)<br />

statt, dies mal mit dem Internationalen Rat für Denkmalpflege<br />

(<strong>ICOM</strong>OS) als weiterem Kooperationspartner. Das Tagungsthema<br />

lehnt sich an das Motto des Internationalen Museumstages<br />

an und lautet „Museen und Denkmäler – Historisches<br />

Erbe und Kultur tourismus“.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird seine Mitgliederversammlung <strong>2009</strong><br />

im Rahmen des Internationalen Bodensee-Symposiums am<br />

19. Juni in Lindau veranstalten.<br />

„Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus“<br />

– das Thema des Bodensee-Symposiums <strong>2009</strong> richtet<br />

den Blick auf die Museen als Anziehungspunkte des Kulturtourismus<br />

im Kontext des historischen Erbes: Museen, Denkmäler,<br />

Stadtlandschaften sind alljährlich das Ziel der Reiseplanungen<br />

von Millionen von Touristen.<br />

Auf den Reiseprospekten der Tourismus-Industrie sind es<br />

nicht nur die Palmenstrände, die Reisewünsche wecken, sondern<br />

auch die Markenartikel des Kulturtourismus, von den Tempeln<br />

von Angkor Wat bis zu den Kulturtempeln der Neuzeit wie etwa<br />

dem Guggenheim-Museum in Bilbao.<br />

Die vielfältigen Erscheinungsformen und Wirkungen des globalen<br />

Massentourismus als Phänomen unserer Zeit werden insbesondere<br />

auch in den Wechselbeziehungen zu den Museen sichtbar.<br />

Dabei stehen die positiven Aspekte der „Demokratisierung“<br />

des Reisens und der sich damit verbindenden Chancen, die eigene<br />

wie andere Kulturen und ihre Leistungen kennen zu lernen,<br />

den Risiken der Abnutzung von kulturellen Ressourcen<br />

gegenüber, im tatsächlichen wie auch im übertragenen Sinne.<br />

Museen öffnen sich ihren Besuchern, geben Einblicke in Kultur,<br />

Geschichte und gesellschaftliches Leben einer Stadt, einer<br />

Region, eines Landes.<br />

Wie wird der Museumsbesuch zum Erlebnis, wie lässt sich<br />

der Blick über die oberflächliche Faszination der als „Highlights“<br />

vermarkteten Meisterwerke hinaus für tiefere Einsichten<br />

öffnen, wie bieten und schaffen wir Dialogbereitschaft und<br />

Aufgeschlossenheit?<br />

Die Klärung dieser Fragen setzt auch die Bereitschaft zum Perspektivwechsel<br />

und das Interesse voraus, die Erwartungen der<br />

Besucher wie auch der Tourismusorganisationen an einen gut<br />

organisierten und lohnenden Museumsbesuch kennen zu lernen.<br />

Über die hier nur kurz beleuchteten Grundsatzfragen hinaus,<br />

die in den Referaten des Tagungsprogramms vertieft werden,<br />

soll vor allem auch an praktischen Beispielen dargestellt werden,<br />

wie Museen ihre Angebote auf den Tourismus ausrichten<br />

und zu einer nachhaltigen Bildungsarbeit beitragen können, die<br />

auch Brücken der Verständigung baut.<br />

Zur bevorstehenden Tagung in Lindau sind nicht nur die Mitglieder<br />

von <strong>ICOM</strong> und <strong>ICOM</strong>OS in <strong>Deutschland</strong>, Österreich<br />

und der Schweiz, sondern alle Museumsfachleute wie auch Vertreter<br />

der Touris musorganisationen und der Fachbehörden herzlich<br />

eingeladen.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> startet in Lindau den Versuch, die Mitglieder<br />

noch aktiver am Programm zu beteiligen. Am Samstag,<br />

dem 20. Juni <strong>2009</strong>, bietet die „Open Box“ Gelegenheit, in Kurzpräsentationen<br />

von etwa fünf Minuten Länge zum Themenkreis<br />

der Konferenz Stellung zu nehmen. Dabei kann es sich um Best-<br />

Practice-Beispiele ebenso handeln wie um grundsätzliche Überlegungen.<br />

Mitglieder, die in diesem Rahmen sprechen möchten, senden<br />

bitte ihre Vorschläge bis zum 20. Mai <strong>2009</strong> an icom@icomdeutschland.de.<br />

Bitte geben Sie Ihren Namen, Ihre Einrichtung<br />

und Ihr Thema an und fügen Sie eine ca. achtzeilige Zusammenfassung<br />

bei! Bei einer grö ßeren Anzahl von Angeboten treffen<br />

wir eine Auswahl: Wir werden dabei den Zeitpunkt der Anmeldung<br />

und die Bedeutung der jeweiligen Beiträge als Ergänzung<br />

des Tagungsprogramms be rücksichtigen.<br />

Bei Erfolg der „Open Box“ könnte ein Forum für Beiträge<br />

aus den Reihen der Mitglieder auch in Zukunft ein Programmpunkt<br />

unserer Tagungen sein. Wir suchen derzeit noch eine<br />

deutsche Bezeichung für die „Open Box“ und laden Sie ein,<br />

Ideen dafür nach Lindau mitzubringen.<br />

Weitere Informationen:<br />

Aktuelles Programm und weitere Hinweise zur Tagung:<br />

www.icom-deutschland.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 5


Aktuelles<br />

Identität und Integration<br />

Der Nationale Integrationsplan der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> repräsentiert<br />

den gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit von Integration.<br />

Museen übernehmen dabei als Lern- und Erlebnisorte eine wichtige Rolle.<br />

Gastbeitrag von Matthias Buth<br />

Dr. Matthias Buth, Ministerialrat beim Beauftragten der Bundes regierung<br />

für Kultur und Medien, sprach auf der Jahrestagung von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Amsterdam am 9. Oktober 2008.<br />

Mit seinem Vers „Sei Du, Gesang, mein freundlich Asyl!“ setzte<br />

Friedrich Hölderlin auf das Grenzenlose, das Schwebende<br />

des eigenen Gesangs. Und dieser Gesang, somit die eigene Stimme,<br />

die eigene Identität, war ihm Asyl, ein Zufluchtsort, der auf<br />

fremdem Terrain Sicherheit und Schutz geben sollte.<br />

Wer seine eigene Stimme nicht kennt, kann sich nicht mit einem<br />

Chor verbinden und aus diesem einen Klangkörper entwickeln.<br />

Diesem Prinzip folgt auch JEKI, das Vorhaben „Jedem<br />

Kind ein Instrument“, das zwar nach „weit weg“ klingt, jedoch<br />

mitten in <strong>Deutschland</strong> angesiedelt ist. Von der Kulturstiftung<br />

des Bundes, dem Land Nordrhein-Westfalen, von Kommunen<br />

und vielen Sponsoren werden fünfzig Millionen Euro aufgebracht,<br />

um im Ruhrgebiet anlässlich des Kulturhauptstadtjahres<br />

Essen-Ruhrgebiet 2010 zu ermöglichen, was jedem Kind<br />

Freude geben kann: sich in einem Instrument zu hören, im eigenen,<br />

d. h. in der Stimme, ebenso wie in einer Geige, einem<br />

Cello, einer Trompete, einer Gitarre oder auch in einer Baglama<br />

oder Bouzouki.<br />

Essen und das Ruhrgebiet wurden zur europäischen Kulturhauptstadt<br />

2010 auch deshalb ausgerufen, weil dort rund 150<br />

Ethnien zusammenleben und es wohl in keiner anderen Region<br />

der Welt so viele Musiker, Chöre, Bands und Gruppen der<br />

U- und E-Musik gibt. Sie alle werden musizieren und sich darüber<br />

hinaus in Tanz, Film, Literatur und vielen anderen Formen<br />

der Kultur gemeinsam zu Gehör und auf die Bühne bringen.<br />

Wenn man über Integration, Akkulturation oder gar Assimilation<br />

nachdenkt – von dem einen gefordert, von dem anderen<br />

gefürchtet – sollte man sich klar werden, von welchen Vorstellungen<br />

von Staat und Nation man sich leiten lässt. Denn in welche<br />

Gegenwart oder in welche Projektion von gesellschaftlichem<br />

Zusammenleben soll integriert werden?<br />

Diese Frage ist in <strong>Deutschland</strong> ebenso aktuell wie etwa in<br />

den Niederlanden, in Polen, Frankreich oder Spanien. Das nationale<br />

Selbstverständnis verbindet sich mit der Frage nach der<br />

kulturellen Identität. Und diese Frage wird grundiert vom Demokratieverständnis.<br />

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“<br />

– das ist der Leitsatz der Demokratie in Artikel 20 des Grundgesetzes.<br />

Alles staatliche Handeln muss aus dem Demokratieprinzip<br />

legitimiert sein. Deshalb ist sein Bezugspunkt stets das Volk und<br />

somit das Volksherrschaftsprinzip der Verfassung. Das Volk ist<br />

6 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Aktuelles<br />

Die Bundesregierung wirbt für den Nationalen Integrationsplan mit dem Slogan „... keine Frage der Herkunft“. Die Plakatkam pagne<br />

thematisiert verschiedene Bereiche des Lebens, in denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft begegnen.<br />

Ausgangs- und Bezugspunkt demokratischer Legitimation und<br />

gleichzeitig Grundbegriff der Demokratie. Unklar bleibt jedoch,<br />

welche Bezugsgröße damit gemeint ist. Es gilt daher, Begriffe<br />

wie Staatsvolk, Verbandsvolk und deutsches Volk im Sinne des<br />

Grundgesetzes zu ordnen.<br />

Staatstheoretische Ordnungs-Überlegungen könnte man in<br />

den Blick nehmen, wenn man sich der gegenwärtigen Bevölkerungsstruktur<br />

in <strong>Deutschland</strong> nähert. Die Vorstellung eines homogenen<br />

deutschen Volkes war kultur- und bevölkerungsgeschichtlich<br />

immer schon obsolet und nur von 1933 bis 1945 in<br />

der rassistischen NS-Ideologie ein Struktur- oder besser: Glaubensprinzip.<br />

Denn kaum ein Land ist so sehr geprägt durch die<br />

Zu- und Abwanderung von Menschen durch erzwungene und<br />

freiwillige Migration wie <strong>Deutschland</strong>.<br />

Und wie ist die Lage heute?<br />

In <strong>Deutschland</strong> leben gegenwärtig fünfzehn Millionen Menschen<br />

mit Migrationshintergrund aus zweihundert Staaten. Der<br />

Begriff „Migrationshintergrund“ hat sich „eingebürgert“. Manche<br />

sprechen von Mitbürgern mit Einwanderungsgeschichte oder<br />

versuchen anderswie zu umschreiben, dass diese nicht schon vor<br />

hundert Jahren, sondern erst vor Jahrzehnten oder noch kürzerer<br />

Zeit zu uns gekommen sind, um hier dauerhaft zu leben.<br />

Im Juli 2006 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum ersten<br />

Integrationsgipfel eingeladen und sodann im Juli 2007<br />

nach einem einjährigen Dialog mit Ländern, Kommunen, freien<br />

Trägern und zahlreichen Migrantenverbänden den Nationalen<br />

Integrationsplan (NIP) bekannt gegeben. Sie hatte dabei betont,<br />

dass wir ein „gemeinsames Verständnis von Integration zu entwickeln“<br />

haben.<br />

Die für den NIP zuständige Staatsministerin Maria Böhmer<br />

stellte bei der Vorstellung dieses Integrationsplans u. a. heraus,<br />

dass <strong>Deutschland</strong> als „europäisch gewachsene Kulturnation“<br />

stets vielfältige Einflüsse von außen aufgenommen habe, die<br />

wir heute ganz selbstverständlich als Teil unseres Landes und<br />

seiner Kultur betrachten.<br />

Sie greift damit einen Begriff des 2005 in Kraft getretenen<br />

novellierten Deutsche-Welle-Gesetzes, dem Gesetz zum deutschen<br />

Auslandssender, auf. Denn dort ist die „europäisch gewachsene<br />

Kulturnation“ erstmalig in einem Bundesgesetz zitiert<br />

worden. Der Deutschen Welle ist aufgegeben, <strong>Deutschland</strong><br />

als europäisch gewachsene Kulturnation und als freiheitlich verfassten<br />

demokratischen Rechtsstaat im Ausland darzustellen.<br />

Beim rechtlichen und kulturpolitischen Diskurs zu Fragen<br />

der Integration werden wir in <strong>Deutschland</strong> mit der Frage befasst,<br />

was uns – um Goethe aufzurufen – „im Innersten zusammenhält“.<br />

Nimmt man das Deutsche-Welle-Gesetz zur Hand<br />

und berücksichtigt die staatstheoretischen Ausführungen des<br />

Bundesverfassungsgerichts seit den 1990er Jahren, so wird erkennbar,<br />

dass der moderne Verfassungsstaat, der nunmehr in<br />

einer neuen Prägung in <strong>Deutschland</strong> sechzig Jahre demokratisches<br />

Leben entfaltet hat, auf Voraussetzungen aufsetzt, die<br />

er selbst nicht geschaffen hat. Die Antwort nach kultureller<br />

Identität <strong>Deutschland</strong>s als Staat und Nation ergibt sich aus<br />

dem Grundgesetz und seinen bundesverfassungsgerichtlichen<br />

Erläuterungen. Jedoch entwickelt sich das Kulturverständnis<br />

ebenso aus einem Wertegefüge, das auch außerhalb der Verfassung<br />

liegt und diese geradezu trägt und immer wieder befragt.<br />

Kulturelle Identität, der Spiegelbegriff zu Kulturnation<br />

oder Nationalkultur, ist kein homogener, sich geradezu zirkelnder<br />

Begriff, sondern ein ständiger Prozess, ein Vorgang der Suche<br />

nach Identität, ein Suchen, das sich nie ganz wird stillen<br />

lassen. Sie gründet auf Geschichte, geistige Werte, gemeinsame<br />

Tradition und natürlich auch auf Religion. So wie in anderen<br />

Staaten der Welt der Islam, der Konfuzianismus, der Buddhismus<br />

oder der Hinduismus Kultur prägend sind, so ist die politische<br />

Integrationswirkung des westlichen, besonders des westeuropäischen<br />

Kulturverständnisses im Christentum, in der<br />

Aufklärung sowie in der römischen und griechischen Antike<br />

begründet.<br />

Das moderne Nationenverständnis stützt sich weltweit auf<br />

das der Kulturnation. Sie ist kein Strategiebegriff für angeblich<br />

kulturelle Überlegenheit, sondern ein Integrationsprinzip, das<br />

das Eigene und Fremde in einem Prozess von Nehmen und Geben<br />

ausprägt. Dies ist die Essenz von Kultur, die indes unter dem<br />

Dach des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates besonders<br />

gedeiht und Verbindungen in der Wahrnehmung der Welt offen<br />

legt. Wie mühsam die Diskussion in der Deutschen Islamkonferenz<br />

ist, die parallel zum Nationalen Integrationsplan von<br />

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen<br />

wurde, machen die Einlassungen der Vertreter des Koordinierungsrats<br />

der Muslime in <strong>Deutschland</strong> deutlich. Die in den Ein­<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 7


Aktuelles<br />

Die Integrationsbeauftragte, Maria Böhmer, betonte nach einem<br />

Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorganisationen,<br />

diese seien mit großem Engagement dabei, ihre Selbstverpflichtungen,<br />

die sich aus dem Nationalen Integrationsplan ergeben,<br />

einzulösen.<br />

leitungen zum Nationalen Integrationsplan statuierten Prinzipien<br />

für die Integration sind dort nicht unumstritten, da man<br />

schon dem Begriff der Integration nicht traut und vor allem dem<br />

Prinzip der Religionsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes<br />

eher eine exklusive Rolle zuschreibt. Zu Recht hat aber der Bundesverfassungsrichter<br />

Udo di Fabio diesem Grundrecht keine<br />

„De-Luxe“-Stellung attestiert, die berechtige, sich über alle anderen<br />

verfassungsrechtlichen Grundwerte der Verfassungsordnung<br />

hinwegzusetzen. Der moderne Verfassungsstaat ist verbindlich<br />

und kann keine Rechtsnischen erlauben. Die Regeln der<br />

Scharia können daher nicht an die Stelle unserer rechtsstaatlichen<br />

Prinzipien treten, und ein „anderes Kulturverständnis“<br />

muslimisch geprägter Migranten kann die Verbindlichkeit der<br />

rechtsstaatlichen Ordnung nicht in Frage stellen. Indes gilt: Die<br />

Vielfalt der Kulturen, regional, lokal, ja individuell bei jedem<br />

einzelnen Menschen zu schützen und auszuprägen, ist Grundprinzip<br />

des demokratischen Rechtsstaates. Jedoch führt die<br />

Idee eines Multikulturalismus oder ein anderes synkretisches<br />

Kulturverständnis zur Relativierung von Geschichte und Tradition,<br />

ebnet ein und führt gerade nicht zur Differenzierung<br />

und zur Distanz zur Welt – dem Wesenszug jedes Kunstwerks.<br />

Dies wäre mit dem Stand der kulturellen Zivilisation in <strong>Deutschland</strong><br />

nicht überein zubringen. Menschenrechte, Demokratie und<br />

Rechtsstaat bilden einen Dreiklang der Verfassungs- und damit<br />

Kulturprinzipien in <strong>Deutschland</strong> und in allen EU-Mitgliedstaaten.<br />

Für diese gilt es, offensiv zu werben.<br />

Beitrag der Museen zur Integration<br />

Zahlreiche Ausstellungen haben in den letzten Jahren die Migrationsprozesse<br />

in <strong>Deutschland</strong> thematisiert, manche Museen,<br />

etwa das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven, befassen<br />

sich ausschließlich mit diesen Fragen. 2007 hat das Institut<br />

für Museumsforschung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz<br />

bei sechstausend deutschen Museen eine Umfrage durchgeführt,<br />

die belegt, dass der Lern- und Erfahrungsort Museum hinsichtlich<br />

der verschiedenen Migrantengruppen in <strong>Deutschland</strong> noch<br />

gestärkt oder belebt werden kann. Bei etwa zweihundert Ethnien<br />

in <strong>Deutschland</strong> ist eine pauschale Darstellung nicht möglich,<br />

sondern man muss differenzieren und die Menschen dort<br />

ansprechen, wo sie leben. Ein Verbund aus Schule, Erwachsenenbildung,<br />

Vereinen und Medien wäre nützlich, um den Menschen<br />

das Gefühl zu vermitteln, dass sie willkommen sind und dass<br />

man mit ihnen gern zusammenleben will. Wer eingebürgert worden<br />

ist, ist Mitbürger zu hundert Prozent und hat Anspruch<br />

darauf, nicht als Exot betrachtet zu werden. Und wer als Ausländer<br />

rechtstreu hier lebt und sich so auf uns einlässt, ist ebenso<br />

willkommen. Dies ist zu vermitteln, könnte als museumspädagogisches<br />

Prinzip stärker betont werden.<br />

Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist eine Plattform<br />

für internationale Kultur- und Kunstprojekte. Die Staatlichen<br />

Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befassen sich mit<br />

vielen Herkunftsregionen der Zuwanderer. Die Deutsche Welle<br />

beschäftigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sechzig<br />

Nationen. Dies alles mag belegen, dass Zuwanderung nach<br />

<strong>Deutschland</strong> im Orient, in Asien oder den GUS-Staaten beginnt<br />

und diese Regionen uns daher etwas angehen.<br />

Dass Museen nicht alles leisten können, wo Bildungsanstrengungen<br />

auf der Strecke geblieben sind, ist unbestritten. Aber<br />

Museen sind Schmelztiegel der Bildung, und sie helfen, einen<br />

ei genen Standort zu finden. Deshalb heißt es im Nationalen<br />

Integrationsplan u. a.: „… wird BKM die Initiative ergreifen<br />

und beim International Council of Museums (<strong>ICOM</strong>) die Gründung<br />

einer Arbeitsgemeinschaft ‚Museum – Migration – Kultur<br />

– Integration‘ anregen. Sie soll das Ziel haben sich aus zutauschen,<br />

gemeinsame Ausstellungen zu planen oder zu ver mitteln<br />

und museums pädagogisch besser auf die in <strong>Deutschland</strong> lebenden<br />

Migran ten zuzugehen.“ Wer den soeben erschienenen Roman<br />

von Güner Yasemin Balci „Arabboy“ liest, weiß mehr über<br />

die Abgründe der Jugend in Berlin-Neukölln und damit auch<br />

von den Schwierigkeiten, solche Jugendliche museumspädagogisch<br />

anzusprechen.<br />

Die geplante Arbeitsgemeinschaft der Museen ist ein Vorhaben,<br />

das ganz dem entspricht, was Bundeskanzlerin Angela<br />

Merkel im Sommer 2007 sagte: „Integration ist eine Schlüsselaufgabe<br />

unserer Zeit“. Das ist in der Tat so, weshalb die Bundesregierung<br />

auch mit den EU-Partnern darüber im Gespräch<br />

ist. Die Migrationen in der Gegenwart und in den kommenden<br />

Jahren werden weiter auch die Kulturpolitik internationalisieren.<br />

Und immer geht es um die Frage des kulturellen Selbstverständnisses<br />

und somit auch um die Nationen und die Menschen,<br />

die wohl doch nicht in einer nur schwer zu fassenden<br />

„europäischen Identität“ aufgehen, sondern die unbedingt wahrnehmbar<br />

bleiben wollen. Wie schwierig das ist und wie sehr<br />

Identitäten – religiöse, kulturelle und nationale – brüchig zu<br />

werden drohen, sehen wir täglich in den Medien. Nicht wenige<br />

befürchten die Atomisierung der Gesellschaften – das ist die<br />

Angst, Halt zu verlieren.<br />

Wie Friedrich Hölderlin suchen viele daher ihr „freundlich<br />

Asyl“ im Gesang, in der Kunst und schließlich auch in den<br />

Museen. Denn die Künste spiegeln die Gestaltungs- und Erfahrungsweite<br />

eines Menschen. Da wir uns nicht verlieren wollen,<br />

braucht eine ganzheitliche Integrationspolitik gerade die Museen<br />

und deren internationale Zusammenarbeit.<br />

Die vollständige Fassung des Vortrages, den Dr. Matthias Buth am<br />

9. Oktober 2008 anlässlich der <strong>ICOM</strong>-Jahrestagung in Amsterdam<br />

gehalten hat, finden Sie unter www.icom-deutschland.de.<br />

8 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Aktuelles<br />

Die Herausforderungen<br />

für museale Bildungsarbeit<br />

Im Bereich der Schulen leisten Museen schon enorme Integrationsarbeit. Um<br />

aber auch Migranten jenseits schulischer Organisationsformen zu erreichen,<br />

müssten sich Museen stärker an deren Bedürfnissen orientieren und mit interkultureller<br />

Öffentlichkeitsarbeit auf sie zugehen.<br />

Matthias Hamann<br />

Älter, bunter, weniger – der demographische Wandel, der die<br />

europäischen Gesellschaften erfasst hat, lässt sich in drei knappen<br />

Begriffen zusammenfassen. Die Lösungen sind leider nicht<br />

so einfach. Barrierefreiheit, Integration und Wandel der sozialen<br />

Sicherungssysteme sind Handlungsfelder von immensem<br />

Ausmaß, wobei sich die Akteure ihrer Rolle nicht sicher sind.<br />

Die Kulturinstitutionen der unterschiedlichsten Sparten werden<br />

jedoch gefragt sein, mit verändertem Inhalt und adäquaten Vermittlungsangeboten<br />

einen Anteil zur Harmonisierung des gesellschaftlichen<br />

Strukturwandels zu leisten.<br />

Museen könnten wegen ihrer vergleichsweise einfachen Zugänglichkeit<br />

hier eine Vorreiterrolle spielen. Doch die gegenwärtige<br />

Situation ist eine andere. Insbesondere der Bevölkerungsanteil<br />

mit Migrationshintergrund – in <strong>Deutschland</strong> sind dies<br />

rund 15 Millionen Menschen – stellt eine Zielgruppe dar, die<br />

bislang wenig Anteil am kulturellen Geschehen hat und damit<br />

auch selten zu den Besuchern der Museen zählt. Dies hängt sicherlich<br />

mit einer gewissen Distanz von Zuwanderern gegenüber<br />

Bildern, Symbolen und Themen der westlichen Kultur zusammen,<br />

mit einem oftmals niedrigen Ausbildungsniveau und fehlenden<br />

Identifikationsmöglichkeiten oder -themen. Doch dieses<br />

Erklärungsmuster greift nur bei einem vergleichsweise geringen<br />

Teil der Migranten, wenngleich es dem in den Medien verbreiteten<br />

Bild von „Ausländern“ entspricht: verschleierte Frauen,<br />

unzureichen de Deutschkenntnisse, Leben in Parallelgesellschaften,<br />

reli giö ser Fundamentalismus.<br />

Die Verengung der Wahrnehmung macht nur allzu deutlich,<br />

dass die Kenntnisse über die potenzielle Zielgruppe auf Seiten<br />

der Museen – wie übrigens auch auf Seiten der Politik – relativ<br />

gering ist. Wer und was verbirgt sich hinter dem Schlagwort<br />

Migrationshintergrund? Was unternehmen Zugewanderte in<br />

ihrer Freizeit? Welche kulturellen Gewohnheiten und Interessen<br />

haben sie? Welche Medien nutzen, welche Zeitung lesen sie?<br />

Welche Kommunikationsstrategie müssen Kulturanbieter verfolgen,<br />

um die Zielgruppe zu erreichen? Ist es überhaupt nur<br />

eine einzige Zielgruppe?<br />

Dr. Matthias Hamann ist seit 2007 Direktor des Museumsdienstes<br />

Köln. Er verantwortet die Bildungsarbeit der städtischen Museen.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 9


Aktuelles<br />

In Berlin-Neukölln setzen sich Kiez-Manager erfolgreich dafür ein,<br />

Migranten für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu<br />

aktivieren. Dieses Engagement thematisiert die Ausstellung<br />

„Wie zusammen leben – Perspektiven aus Nord-Neukölln“ des<br />

Museums Neukölln. Die Besucher werden auf eine stilisierte Agora<br />

geleitet, die bewusst an das Zentrum antiker Städte, an Orte der<br />

Begegnung, des Handels sowie gesellschaftlicher Auseinandersetzung<br />

anknüpft (Fotos rechte Seite).<br />

„Wie zusammen leben“ ist Frage und Motivation für die Dis kussion<br />

über die Zukunft des multiethnisch geprägten Neuköllner<br />

Nordens. Teile der Ausstellung haben Museum und Kiez-Institutionen<br />

gemeinsam entwickelt.<br />

Aufklärung leistet eine Reihe von Untersuchungen, die die<br />

Lebenswelten von Migranten näher beleuchtet, darunter auch<br />

ihr kulturelles Interesse. Die Studie „Lebenswelten und Milieus<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund“ (2007) fasst Menschen<br />

mit vergleichbaren Einstellungen, Lebensmodellen und<br />

Wertvorstellungen in „Milieus“ zusammen. Dabei konnten acht<br />

Migrantenmilieus erforscht werden; sie unterscheiden sich weniger<br />

nach sozialer Lage, Religion oder ethnischer Herkunft,<br />

sondern vielmehr nach Wertvorstellungen, Lebensstilen und<br />

Vorlieben. Sechs dieser Milieus sind durchaus kulturinteressiert<br />

oder sehen kulturelle Bildung als wichtigen Faktor für die<br />

Erfolgschancen ihrer Kinder. Hier wäre anzusetzen.<br />

Es fragt sich allerdings, ob die bestehenden Angebote der<br />

Museen auf das kulturelle Interesse der Migranten treffen.<br />

Denn wenn dies so wäre, dann wäre das Museumspublikum ja<br />

bunter. Tatsächlich stehen Museen in der Kulturnutzung auch<br />

aufgeschlossener Milieus frühestens in zweiter Reihe. Ein Paradigmenwechsel<br />

von der Angebots- zur Nachfrageorientierung<br />

tut offensichtlich Not, um ein breiteres Segment aus diesem Teil<br />

unserer Bevölkerung überhaupt zu erreichen. Doch wie lässt<br />

sich die Nachfrage überhaupt eruieren? Gespräche zwischen<br />

Anbietern und potenziellen Besuchern mit Migrationshintergrund<br />

sind eher selten, interkulturelle PR-Arbeit die Ausnahme.<br />

Vielleicht erleichtert ein Perspektivwechsel den Zugang,<br />

denn lernen könnten die Institutionen der Hochkultur beispielsweise<br />

von den Akteuren der freien Szene. Sie sind in ihren Strategien<br />

oftmals erfolgreicher, weil sie in kleinräumlicheren Strukturen<br />

agieren, stärker auf die Interessenlage einer bestimmten<br />

Zielgruppe eingehen können und oftmals selbst einen nichtdeutschen<br />

Hintergrund haben. Mit ihnen als Keyworker oder<br />

Multiplikator kann es gelingen, eine Zielgruppe aufzuschließen.<br />

Keyworking-Ansätze lassen sich auf andere Bereiche übertragen,<br />

wie die Erfahrungen aus einem Nürnberger Projekt<br />

beispielhaft belegen. Zusammen mit den so genannten Südstadtkids<br />

hat das Kunstpädagogische Zentrum der Museen in<br />

Nürnberg eine Reihe von Museumsführungen entwickelt. Dabei<br />

werden Jugendliche aus dem sozialen Brennpunkt nicht nur<br />

zu Guides, sondern führen immer wieder ihre eigenen Familien<br />

in die Ausstellungen und senken damit die Schwellenangst. Im<br />

Projekt „Zweite Heimat Köln“ führen junge Leute mit russischem,<br />

polnischem und türkischem Familienhintergrund ihre<br />

Communities auf deutsch und in der Muttersprache durch die<br />

ständige Sammlung des Kölnischen Stadtmuseums und bringen<br />

ihnen ihre zwar langjährige, aber oftmals völlig unbekannte<br />

Heimatstadt näher. Die Volkshochschule München arbeitet<br />

seit vielen Jahren mit der Zielgruppe Erwachsene und führt<br />

sie in verschiedenen Projekten durch die Münchner Museen.<br />

Im Mittelpunkt stehen dabei keineswegs kunst- oder kulturgeschichtliche<br />

Aspekte, sondern Aspekte von Spracherwerb<br />

und sozialer Teilhabe.<br />

Es ließen sich weitere Einzelbeispiele oder jetzt beginnende<br />

Projekte nennen. Der Museumsdienst Köln entwickelt unter<br />

dem Motto „Weiter Himmel“ eine Programmsparte für Menschen<br />

mit Migrationshintergrund, mit Beginn des Kulturhauptstadtjahres<br />

2010 wird das gesamte Ruhrgebiet die interkulturelle<br />

Öffnung seiner Kultureinrichtungen deutlich vor anbringen.<br />

Doch dies sind Leuchttürme im Dunklen. Die Durchsicht der<br />

bundesrepublikanischen Museumslandschaft zeigt, dass die Angebotspalette<br />

unzureichend ist, vergleicht man dies mit an Audience-Development-Modellen<br />

ausgerichteten Programmen im<br />

anglo-amerikanischen Raum, in Skandinavien oder in den Benelux-Staaten.<br />

Natürlich leisten Museen hervorragende integrative Vermittlungsarbeit,<br />

wenn es um den Bereich der Schulen geht, dem<br />

eigentlichen Kerngeschäft der Museumspädagogik. Der nicht<br />

nur in urbanen Siedlungsräumen bunter werdende kulturelle<br />

Mix der Kinder und Jugendlichen erfordert immer häufiger einen<br />

interkulturellen Dialog in der Vermittlung. Doch Ideen,<br />

einzelne Projekte oder gar feste Angebote, die Jugendwelten als<br />

Ausgangspunkt nehmen, die Hip-Hop mit Alten Meistern verbinden,<br />

einen Mangakurs zu einer Übersetzungsform spätgotischer<br />

Tafelmalerei werden lassen oder Schüler aus dem sozialen<br />

Brennpunkt zu Ausstellungskuratoren ihres eigenen Alltags<br />

werden lassen, sind – auf die Vielzahl der Museen bezogen –<br />

selten. Der Durchbruch wäre möglich, wenn Museen für Schulen<br />

nicht nur zum Lern-, sondern zum Erlebnisort würden.<br />

Die eigentliche Herausforderung für Museen liegt jedoch<br />

jenseits der schulischen Organisationsformen, dort nämlich,<br />

wo Menschen mit Migrationshintergrund im Beruf aufgehen,<br />

beschaulich in der Mitte der Gesellschaft leben, subkulturelle<br />

Strukturen suchen oder in prekäre Lebensverhältnisse geraten,<br />

dort also, wo die Museen auch mit der deutschen Bevölkerung<br />

ein Zielgruppenproblem haben. Menschen mit Migrationshintergrund<br />

sind genauso kulturafin oder -fern wie alle anderen,<br />

10 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Aktuelles<br />

der Museumsbesuch oder der Nichtbesuch ist also eine Frage<br />

der Bildung. Das Methodenrepertoire zur Erschließung unterschiedlicher<br />

Bildungsschichten liegt vor, die zur Verfügung stehende<br />

Veranstaltungspalette ist reichhaltig, vom niederschwel ligen<br />

Mutter-Kind-Programm in Kooperation mit So zialverbänden<br />

bis zum Museumsfest. Es fehlt oft an der Sprachkompetenz, an<br />

geeigneten Mitarbeitern und vor allem an ge eigneter interkultureller<br />

PR-Arbeit und entsprechendem Marketing.<br />

Sicherlich lässt sich das Thema nicht auf eine der musealen<br />

Aufgaben, das Vermitteln, reduzieren. Vermittlungsarbeit kann<br />

dann ihre Grenzen erweitern, wenn die Ausstellungen selbst<br />

sich dem Thema Migration und Integration widmen. Das Museum<br />

Neukölln tut dies seit Jahren mit großem Erfolg; im neuen<br />

Stadtmuseum Stuttgart wird Zuwanderung als Teil der jüngeren<br />

Stadtgeschichte behandelt werden.<br />

Doch beim Sammeln, Bewahren und Erforschen herrscht<br />

noch ein riesiger Aufholbedarf. Die Vermittlung kann eine<br />

Vor reiterrolle spielen, Desiderate aufzeigen und den Dialog<br />

herstellen. Dies ist notwendig, denn Museen sind für manche<br />

migrantische Zielgruppen oftmals unbekannte, im Extremfall<br />

sogar feindselige Einrichtungen. Ein Beispiel mag dies deutlich<br />

machen. Museumsleute sehen ihre Wirkungsstätte in der<br />

Regel als neutralen Ort des Dialogs. Für Migranten kann Museum<br />

jedoch etwas ganz anderes bedeuten, nämlich eine unbekannte<br />

Einrichtung der Stadt, des Landes oder des Staates.<br />

Und je nach Biographie werden kommunale oder staatliche<br />

Einrichtungen gleichgesetzt mit Behördengang, Aufenthaltsgenehmigung<br />

oder schwierigeren Themen. Diese Vorurteile lassen<br />

sich schnell beheben, wenn es gelingt, Migranten über die<br />

Schwelle zu bringen. Dann gewinnen Museen auch eine ganz<br />

andere Dimension von gesellschaftlicher Relevanz.<br />

Weitere Informationen:<br />

Zentrale Ergebnisse der Studie „Lebenswelten und Milieus von Menschen<br />

mit Migrationshintergrund“: www.sinus-sociovision.de<br />

Die Jahresausstellung WIE ZUSAMMEN LEBEN – PERSPEKTIVEN AUS<br />

NORD-NEUKÖLLN im Museum Neukölln läuft bis zum 28. Juni <strong>2009</strong>.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 11


Aktuelles<br />

„Raubkunst“ in musealen Sammlungen –<br />

zehn Jahre Washingtoner Konferenz<br />

Zum Umgang mit „verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“<br />

York Langenstein<br />

Ein historisches Ereignis jährte sich Ende 2008 zum zehnten<br />

Mal: Im Rahmen der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte<br />

aus der Zeit des Holocaust“ waren am 3. Dezember<br />

1998 die elf „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug<br />

auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt<br />

wurden“, verabschiedet worden. Diese „Washing toner<br />

Erklärung“ (Washington Principles) bildet seither die – nicht<br />

rechtsverbindliche – Grundlage für den Umgang mit Kunstobjekten<br />

aus Museen in Bezug auf Anspruchsteller, die sich auf<br />

den Verlust durch verfolgungsbedingten Entzug berufen können.<br />

Die Washingtoner Prinzipien sind klar, eingängig und nachvollziehbar<br />

formuliert. Ein Wesenselement der Grundsätze ist,<br />

dass sie sich nicht auf Rechtsansprüche stützen, sondern einen<br />

Ausgleich auf der Grundlage fairer und gerechter Lösun gen<br />

anstreben. Der Mangel an rechtlicher Durchsetzbarkeit wird<br />

durch den ethisch-moralisch begründeten Appell an die Adressaten<br />

wettgemacht, dem insbesondere auch in <strong>Deutschland</strong><br />

durch Regelungen für die zügige Klärung und verfahrensmäßige<br />

Abwicklung von Restitutionsanträgen, die sich auf Kulturgüter<br />

in musealen Sammlungen beziehen, Rechnung getragen<br />

worden ist.<br />

Grundsätze der Washingtoner Konferenz<br />

Im Bestreben, eine Einigung über nicht bindende Grundsätze herbeizuführen, die zur Lösung offener Fragen und Probleme im Zusammenhang<br />

mit den durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerken beitragen sollen, anerkennt die Konferenz die Tatsache, dass die Teilnehmerstaaten<br />

unterschiedliche Rechtssysteme haben und dass die Länder im Rahmen ihrer eigenen Rechtsvorschriften handeln.<br />

1. Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, sollten identifiziert werden.<br />

2. Einschlägige Unterlagen und Archive sollten der Forschung gemäß den Richtlinien des International Council on Archives zugänglich<br />

gemacht werden.<br />

3. Es sollten Mittel und Personal zur Verfügung gestellt werden, um die Identifizierung aller Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt<br />

und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, zu erleichtern.<br />

4. Bei dem Nachweis, dass ein Kunstwerk durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurde, sollte<br />

berücksichtigt werden, dass aufgrund der verstrichenen Zeit und der besonderen Umstände des Holocaust Lücken und Unklarheiten in der<br />

Frage der Herkunft unvermeidlich sind.<br />

5. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, Kunstwerke, die als durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge<br />

nicht zurückerstattet identifiziert wurden, zu veröffentlichen, um so die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ausfindig zu machen.<br />

6. Es sollten Anstrengungen zur Einrichtung eines zentralen Registers aller diesbezüglichen Informatio nen unternommen werden.<br />

7. Die Vorkriegseigentümer und ihre Erben sollten ermutigt werden, ihre Ansprüche auf Kunstwerke, die durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt<br />

und in der Folge nicht zurückgegeben wurden, anzumelden.<br />

8. Wenn die Vorkriegseigentümer von Kunstwerken, die durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückgegeben<br />

wurden, oder ihre Erben ausfindig gemacht werden können, soll ten rasch die nötigen Schritte unternommen werden, um eine gerechte<br />

und faire Lösung zu finden, wobei diese je nach den Gegebenheiten und Umständen des spezifischen Falls unterschiedlich ausfallen<br />

kann.<br />

9. Wenn bei Kunstwerken, die nachweislich von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückgegeben wurden, die<br />

Vorkriegseigentümer oder deren Erben nicht ausfindig gemacht werden können, sollten rasch die nötigen Schritte unternommen werden,<br />

um eine gerechte und faire Lösung zu finden.<br />

10. Kommissionen oder andere Gremien, welche die Identifizierung der durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerke vornehmen<br />

und zur Klärung strittiger Eigentumsfragen beitragen, soll ten eine ausgeglichene Zusammensetzung haben.<br />

11. Die Staaten werden dazu aufgerufen, innerstaatliche Verfahren zur Umsetzung dieser Richtlinien zu entwickeln. Dies betrifft insbesondere<br />

die Einrichtung alternativer Mechanismen zur Klärung strittiger Eigentumsfragen.<br />

12 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Aktuelles<br />

Online-Datenbanken wie die der Koordinierungsstelle<br />

für Kulturgutverluste lostart.de, des<br />

Bundesamtes für zentrale Dienste und offene<br />

Vermögensfragen oder des Deutschen<br />

Historischen Museums zum „Sonderauftrag Linz“<br />

sollen helfen, Kunstraub während der NS-Zeit<br />

aufzuklären.<br />

Gemeinsame Erklärung<br />

Ziemlich genau ein Jahr nach der Anerkennung der Washingtoner<br />

Prinzipien durch die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> als einer<br />

der 44 Teilnehmerstaaten der Washingtoner Konferenz haben<br />

sich die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen<br />

Spitzenverbände im Rahmen einer Selbstverpflichtung zu deren<br />

Umsetzung bekannt. In der am 14. Dezember 1999 her ausgegebenen<br />

„Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der<br />

kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe<br />

NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere<br />

aus jüdischem Besitz“ – in die Praxis unter der Kurzbezeichnung<br />

„Gemeinsame Erklärung“ eingeführt – haben die<br />

Unterzeichner mit Wirkung für die öffentlich unterhaltenen Museen<br />

die Bereitschaft bekundet, über die schon bisher u. a. im<br />

Rahmen der alliierten Rückerstattungsregelungen, des Bundesrückerstattungsgesetzes<br />

und des Bundesentschädigungsgesetzes<br />

geleistete Rückerstattung und Wieder gutmachung hinaus die<br />

Suche nach verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern aktiv<br />

fortzusetzen, vorhandene Informationen, Forschungsstände<br />

und Unterlagen zu erschließen und offen zu legen sowie gegebenenfalls<br />

die notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine<br />

faire und gerechte Lösung zu finden.<br />

Auch die Einrichtung einer Internet-Datenbank, wie sie später<br />

als eine der Kernaufgaben der Koordinierungsstelle für<br />

Kulturgutverluste mit der Lost-Art-Internet-Database zur Veröffentlichung<br />

von Fund- und Suchmeldungen realisiert worden<br />

ist, wurde damals als Projekt in die Gemeinsame Erklärung mit<br />

aufgenommen.<br />

Die Anerkennung der Washingtoner Prinzipien und die Erklärung<br />

der Bereitschaft zur Rückgabe von Objekten mit belasteter<br />

Provenienz auf der Grundlage einer fairen und gerechten<br />

Lösung eröffnet jenseits des Rechtsweges die Möglichkeit, Anträge<br />

auf Restitution zu prüfen und ihnen gegebenenfalls stattzugeben,<br />

denen sonst die Einrede der Verjährung entgegenstände:<br />

Nach deutschem Recht – bzw. nach den Verjährungsfristen<br />

des Bürgerlichen Gesetzbuchs – erlöschen nämlich Rechtstitel<br />

auf Herausgabe beweglicher Güter spätestens nach dreißig<br />

Jahren (§ 197 Abs. 1 BGB). Auch die sonst gültigen Beweislastregeln,<br />

die dem Kläger den Nachweis seines Anspruchs<br />

auferlegen, sind in Restitutionsverfahren abgemildert.<br />

Handreichung zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung<br />

Die in den ersten Jahren noch nicht gefestigte Praxis des Umgangs<br />

mit dem Auftrag zur Ermittlung verfolgungsbedingt entzogener<br />

Kulturgüter in musealen Sammlungen veranlasste die<br />

Herausgabe einer Handreichung zur Umsetzung der Gemeinsamen<br />

Erklärung im Februar 2001, die vom Beauftragten der<br />

Bundesregierung für Kultur und Medien im November 2007<br />

in einer überarbeiteten und erweiterten Neufassung vorgelegt<br />

worden ist.<br />

Die übersichtliche und praxisorientierte Handreichung gibt<br />

erste Hilfestellungen bei der Bestandsprüfung und der Sammlungsdokumentation,<br />

ergänzt durch spezielle Hinweise zur Auffindung<br />

NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts mit dem<br />

Schwerpunkt der Erwerbungen zwischen 1933 und 1945: Die<br />

Kernfragen zu den Erwerbungsumständen „was? – wann? –<br />

wo? – wie? – von wem?“ sind in einem Prüfraster zusammengestellt<br />

und werden durch Erläuterungen zu den Verdachtsmomenten<br />

für einen verfolgungsbedingten Entzug ergänzt.<br />

Auch für den Fall, dass ein Museum mit Restitutionsansprüchen<br />

konfrontiert ist, bietet die Handreichung eine Orientierungshilfe<br />

zu den relevanten fachlichen und rechtlichen Fragestellungen<br />

(siehe hierzu: V. Orientierungshilfe zur Prüfung des<br />

verfolgungsbedingten Entzugs und zur Vorbereitung von Entscheidungen<br />

über Restitutionsbegehren und Anlage V B mit ergänzenden<br />

Erläuterungen, in die auch die Rechtsprechung in<br />

Rückgabesachen mit wesentlichen Entscheidungen eingegangen<br />

ist).<br />

So vermittelt die Handreichung Anhaltspunkte auf dem<br />

schwierigen Weg der Suche nach fairen und gerechten Lösungen<br />

im Spannungsverhältnis zwischen dem Auftrag des Museums,<br />

seine Sammlung zu bewahren, und dem Anliegen, dem jeweiligen<br />

Antragsteller, seinen Erben oder den Trägern einer sonstigen<br />

abgeleiteten Rechtsposition Gerechtigkeit widerfahren zu<br />

lassen und erlittenes Unrecht nach Möglichkeit wieder gutzumachen.<br />

Bei den sehr unterschiedlichen Gegebenheiten und den<br />

vielfach eingeschränkten Möglichkeiten der Antragsteller, den<br />

geltend gemachten Rückgabeanspruch lückenlos zu belegen,<br />

hat die Rechtsprechung Entscheidungen zur Beweislastverteilung<br />

getroffen, die zunehmend zu einer Beweislastumkehr<br />

führen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Vermutungs­<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 13


Aktuelles<br />

Der Raub von Kulturgütern während der<br />

NS-Zeit hatte viele Gesichter: Goebbels<br />

besuchte die Ausstellung „Entartete<br />

Kunst“ 1938 in Berlin. Für die 1937<br />

erstmals in München als „Hauptstadt der<br />

Bewegung“ präsentierte Propaganda-<br />

Ausstellung, die anschließend als<br />

Wanderausstellung in deutschen<br />

Großstädten gezeigt wurde, waren<br />

mehrere hundert Kunstwerke der<br />

Moderne in Museen und Privatsammlungen<br />

konfisziert worden.<br />

regelung, dass Vermögensverluste von NS-Verfolgten im Verfolgungszeitraum<br />

ungerechtfertigte Entziehungen waren. Das<br />

jeweilige Museum wird also im Zweifel eine nachvollziehbare<br />

Sachdarstellung des Antragstellers zu akzeptieren haben, wenn<br />

sich keine begründeten Gegenargumente vorbringen lassen.<br />

Spektakuläre Rückgabefälle haben eine breite Resonanz in<br />

den Medien gefunden und erhitzen die Gemüter bis heute: Das<br />

gilt für Kirchners „Straßenszene“, ehemals im Brücke-Museum<br />

Berlin, ebenso wie für die aktuelle Diskussion um die Rückgabe<br />

der Plakatsammlung Sachs im Deutschen Historischen Museum,<br />

wo allerjüngst durch ein Urteil des Landgerichts Berlin die<br />

bisherige Praxis zur Restitution von NS-Raubkunst in Frage<br />

gestellt wurde mit der befürchteten Folge einer neuen Prozessflut,<br />

sowie mit Blick in unser Nachbarland Österreich für den<br />

Verlust der nationalen Ikone des ganzfigurigen Porträts der<br />

„Adele Bloch-Bauer I“ auf Goldgrund, das in der Folge einer<br />

Restitutionsklage aus dem Belvedere in Wien – ebenso wie Kirchners<br />

„Straßenszene“ – über Auktionen in die Neue Galerie<br />

Ronald Lauders nach New York gelangte.<br />

Tatsächlich fällt es den Außenstehenden oft schwer, ohne genauere<br />

Kenntnis der jeweiligen Umstände und Erwägungen die<br />

getroffenen Entscheidungen nachzuvollziehen. Doch sollten diese<br />

umstrittenen und selbst unter Fachleuten leidenschaftlich<br />

diskutierten Einzelfälle nicht das vorrangige Ziel in Frage stellen,<br />

durch Restitutionsverfahren alle Anstrengungen zu unternehmen,<br />

um den Rechtsfrieden herzustellen, auch über den<br />

jeweiligen Einzelfall hinaus, wohl wissend, dass angesichts des<br />

menschenverachtenden Unrechts, das Millionen von Menschen<br />

in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erlitten<br />

haben, eine Wiedergutmachung im eigentlichen Sinne<br />

nicht mehr möglich ist. In der überwiegenden Zahl von Rückgabeverfahren<br />

gelingt es, zu einem fairen Ausgleich zu kommen:<br />

Häufig können auch Vereinbarungen über den Erwerb von zu<br />

restituierenden Kunstwerken oder über ihre weitere Überlassung<br />

als Leihgabe getroffen werden, die den Verbleib in der<br />

jeweiligen Sammlung sichern.<br />

Hilfe und Selbsthilfe bei Provenienzrecherche und Restitution<br />

Die Museen sind bei Projekten der Provenienzrecherche, bei der<br />

Abgabe von Fund- und Suchmeldungen sowie bei der Einleitung<br />

und Durchführung von Restitutionsverfahren nicht allein<br />

gelassen. Eine erste Hilfestellung bieten die regionalen und überregionalen<br />

Museumsorganisationen. Für eine qualifizierte Unterstützung<br />

stehen als Ansprechpartner aber vor allem die Koordinierungsstelle<br />

für Kulturgutverluste und die Arbeitsstelle<br />

Provenienzrecherche/-forschung zur Verfügung.<br />

Die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste wurde 1994<br />

als Einrichtung mehrerer Länder in Bremen geschaffen zunächst<br />

mit dem Auftrag, die institutionellen Kriegsverluste von Kulturgütern<br />

zu dokumentieren. Seit 2001 – damals trat der Bund<br />

neben nun alle Länder mit einem Anteil von 50 Prozent in die<br />

Trägerschaft ein – ist es eine der Kernaufgaben der Koordinierungsstelle,<br />

entsprechend den Grundsätzen der Washingtoner<br />

Erklärung Such- und Fundmeldungen zu „NS-verfolgungsbedingt<br />

entzogenen Kulturgütern“ – also zur „Raubkunst“ – sowie<br />

darüber hinaus zu „kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern“<br />

– mithin zur „Beutekunst“ – zu dokumentieren und diese in einer<br />

Datenbank zugänglich zu machen: Die kürzlich in zeitgemäßem<br />

Erscheinungsbild neu aufgesetzte Datenbank lostart.de<br />

ist heute die zentrale, auch international genutzte Informationsgrundlage<br />

zu Kulturgutverlusten in der Folge der nationalsozialistischen<br />

Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten<br />

Weltkriegs.<br />

Seither ist die Koordinierungsstelle auch durch die kontinuierliche<br />

Veranstaltung von Tagungen wie auch durch Workshops,<br />

zum Teil in Zusammenarbeit mit den regionalen Museumsorganisationen<br />

in Erscheinung getreten. Ebenso gehören ihre Publikationen<br />

heute zu den unverzichtbaren Grundlageninformationen<br />

zum Themenkreis Provenienzrecherche und Restitution:<br />

Insbesondere sei bei dieser Gelegenheit das Augenmerk auf die<br />

wissenschaftliche Buchreihe gerichtet.<br />

Neben der Dokumentation von Fund- und Suchmeldungen,<br />

die auf Wunsch auch vertraulich behandelt werden, stehen die<br />

14 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Aktuelles<br />

Hitler und Göring vor dem Gemälde „Die Falknerin“ von Hans Makart. 1938 für die Reichskanzlei Berlin von der Kunsthandlung Haberstock<br />

erworben, nach Kriegsende im Central Collecting Point, 1962 vom Sonderreferat „Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen<br />

Amt“ (TVK) als ehemaliger NS-Besitz den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zugewiesen.<br />

Mitarbeiter/innen der Koordinierungsstelle stets beratend zur<br />

Verfügung.<br />

In den Jahren nach der Verabschiedung der Washingtoner Erklärung<br />

und ihrer Umsetzung durch die Gemeinsame Erklärung<br />

der Bundesregierung, der Länder und der Kommunalen<br />

Spitzenverbände kam eine systematische Provenienzforschung<br />

nur zögerlich in Gang. Zunächst entstanden projektbezogene<br />

Insellösungen an Brennpunkten, bei denen der Verdacht der<br />

Existenz bislang nicht erkannter, verfolgungsbedingt entzogener<br />

Kulturgüter in den Sammlungsbeständen besonders nahe lag.<br />

Vorreiter waren die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die<br />

bereits 1999 die Provenienzforschung aufnahmen. Wichtigstes<br />

Ergebnis des nach drei Jahren wieder eingestellten Projekts ist<br />

der von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 2004 herausgegebene<br />

Provenienzbericht von Ilse von zur Mühlen zur<br />

Untersuchung der Bestände der so genannten „Sammlung Göring“.<br />

Im Oktober 2000 folgte die Hamburger Kunsthalle, bei<br />

der die Ergebnisse der zunächst projektbezogen aufgenommen<br />

Forschungen von Ute Haug schließlich die Einrichtung einer<br />

festen Stelle veranlassten. Zu den frühen Pilotprojekten gehörten<br />

auch Forschungsvorhaben an der Städtischen Galerie im Lenbachhaus<br />

in München mit der Sammlung der Künstler des<br />

Blauen Reiters, am Wallraf-Richartz-Museum in Köln oder –<br />

um ein kleineres Stadtmuseum zu nennen – an den Städtischen<br />

Kunstsammlungen in Augsburg, die ab 2002 eine systematische,<br />

unlängst publizierte Untersuchung der als Nachlass der Stadt<br />

Augsburg übergebenen Kunstsammlung und Archivbestände<br />

des im Dritten Reich tätigen Kunsthändlers Karl Haberstock<br />

veranlassten.<br />

Diese Insellösungen drängten auf fachlichen Austausch: Schon<br />

ab November 2000 entstand das Netzwerk des Arbeitskreises<br />

Provenienzforschung mit überwiegend freiberuflich und projektbezogen<br />

tätigen Mitarbeitern an Museen, das auch den Kontakt<br />

zu den mit Vermögensfragen befassten Finanzbehörden – so<br />

zunächst zur Oberfinanzdirektion Berlin und später zum Bundesamt<br />

für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen – sowie<br />

zu Organisationen der Betroffen herstellte.<br />

An eine breitere Öffentlichkeit trat der Arbeitskreis Provenienzforschung<br />

mit der Organisation der in der Hamburger<br />

Kunsthalle im Februar 2002 veranstalteten Tagung „‚Die eigene<br />

GESCHICHTE‘ – Provenienzforschung an deutschen<br />

Kunstmuseen im internationalen Vergleich“, und dem darauf<br />

folgenden Kolloquium „Museen im Zwielicht: Ankaufspolitik<br />

1933–1945“ in Köln.<br />

Bis heute ist der Arbeitskreis Provenienzforschung das vitale<br />

Zentrum des fachlichen Austauschs von Fachinformationen im<br />

Kreis der in der Provenienzrecherche tätigen Experten geblieben.<br />

Mit der Einrichtung der Arbeitsstelle für Provenienz recherche/-forschung<br />

beim Institut für Museumsforschung der Staatlichen<br />

Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz<br />

hat die Provenienzforschung in <strong>Deutschland</strong> einen institutionellen<br />

Anlaufpunkt erhalten. Die Arbeitsstelle ist in der Folge<br />

der abschließenden Beratung der von Kulturstaatsminister<br />

Bernd Neumann eingerichteten Arbeitsgruppe zu Restitutionsfragen<br />

am 17. November 2008 ins Leben gerufen worden. Über<br />

die von der Kulturstiftung der Länder finanziell unterstützte<br />

Arbeitsstelle werden die im Haushalt des Beauftragten des<br />

Bundes für Kultur und Medien für Projekte der Provenienzrecherche/-forschung<br />

bereitgestellten Fördermittel bewilligt.<br />

Darüber hinaus ist es Ziel der Arbeitsstelle, die kontinuierliche<br />

Vernetzung der auf dem Gebiet der Provenienzforschung<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 15


Aktuelles<br />

Craig Hugh Smyth, erster Direktor des Central Art Collecting Point in München, 1945/46. Der CCP untersuchte von den Nationalsozialisten<br />

angelegte Sammellager für Beute- und Raubkunst und veranlasste die Restitution von beschlagnahmten und verfolgungsbedingt<br />

entzogenen Kunstwerken.<br />

tätigen Personen und Institutionen und den damit verbundenen<br />

Austausch an Informationen und Erfahrungen zu fördern. Bei<br />

der Publikation von Forschungsergebnissen und der Suche nach<br />

den rechtmäßigen Eigentümern arbeitet die Arbeitsstelle auf der<br />

Grundlage einer Kooperationsvereinbarung eng mit der Koordinierungsstelle<br />

für Kulturgutverluste zusammen.<br />

Inzwischen sind die ersten Anträge auf Förderung von Projekten<br />

der Provenienzrecherche/-forschung bewilligt worden.<br />

Es eröffnen sich damit Perspektiven, wichtige Grundlagenarbeit<br />

in Angriff zu nehmen. Nur als ein Beispiel sei ein Verbundprojekt<br />

genannt, in dessen Rahmen von einer Arbeitsgemeinschaft<br />

Münchner Museen unter Federführung der Bayerischen<br />

Staatsgemäldesammlungen die Geschichte des Münchner Kunsthandels<br />

in der Zeit des Dritten Reichs aufgearbeitet werden soll,<br />

um auch von dieser Seite her Licht in das Dunkel der Kulturverluste<br />

im Nationalsozialismus zu bringen.<br />

Zehn Jahre Washingtoner Erklärung – eine Bilanz<br />

Wenn man im Rückblick auf die zehn Jahre nach der Verabschiedung<br />

der Washingtoner Erklärung eine Bilanz zieht, ist<br />

festzustellen, dass sich die Haltung zum Themenkreis Kulturgutverluste,<br />

Provenienzforschung und Restitution gewandelt<br />

hat. Konfrontiert mit Erwartungen, die sie glaubten nicht erfüllen<br />

zu können, fühlten sich die Museen zunächst vielfach<br />

allein gelassen. Das führte im Einzelfall auch zu einem Verdrängen<br />

der Probleme, ja zu einer Verweigerungshaltung mit<br />

der gelegentlich zu hörenden Begründung, man könne doch<br />

nicht anfangen, ohne personelle und finanzielle Ressourcen nach<br />

der Stecknadel im Heuhaufen zu suchen.<br />

Tatsächlich hat sich in den letzten zehn Jahren viel bewegt,<br />

mental, fachlich, organisatorisch. Die Tabuisierung der Thematik<br />

wurde aufgebrochen, neue Wege der Zusammenarbeit<br />

sowie der fachlichen Beratung und finanziellen Förderung eröffnet.<br />

Sichtbarer Ausdruck dieses Wandels war die beeindruckende<br />

Veranstaltung des vom Beauftragten der Bundesregierung für<br />

Kultur und Medien initiierten Symposiums „Verantwortung<br />

wahrnehmen: NS-Raubkunst – Herausforderung an Museen,<br />

Bibliotheken und Archive“ am 11. und 12. Dezember 2008 in<br />

Berlin, zu dem mehr als dreihundert Kulturpolitiker, Wissenschaftler,<br />

Vertreter von Behörden, Institutionen und Fachverbänden<br />

sowie der Organisationen der Betroffenen mit großer<br />

internationaler Beteiligung eingeladen waren. Die Bestandsaufnahme<br />

des bisher Erreichten, die den weiterhin erforderlichen<br />

Aktivitäten zur Umsetzung der Ziele der Washingtoner<br />

Erklärung gegenübergestellt wurde, vermochte zu verdeutlichen,<br />

dass Provenienzforschung und Restitution in den öffentlichen<br />

Museen und Sammlungen in <strong>Deutschland</strong> als eine vorrangige<br />

politische Aufgabe anerkannt werden, die auch zeitnah zu erledigen<br />

ist, denn, so Staatsminister Bernd Neumann: „Eigentlich<br />

geht es um die Schicksale von Menschen, die Identität von<br />

Familien und auch um die Endlichkeit des Lebens.“<br />

Manches bleibt noch zu tun, denn Provenienzforschung beschränkt<br />

sich bislang im Wesentlichen auf wichtige Pilotprojekte,<br />

feste Stellen sind kaum geschaffen worden. Ein positives<br />

Zeichen setzt insoweit die Einrichtung eines eigenen Referats<br />

Provenienzforschung unter Leitung von Andrea Bambi an den<br />

Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München, das über<br />

die Überprüfung der Sammlungsbestände hinaus auch das<br />

Schicksal jüdischer Kunsthändler und Sammler in München<br />

1933 bis 1945 erforschen soll. Auch die Bewilligung von 15 Millionen<br />

Euro durch den Freistaat Sachsen für den Aufbau einer<br />

16 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Aktuelles<br />

Spektakuläre Rückgaben wie Ernst Ludwig Kirchners „Berliner<br />

Straßenszene 1913“ (Foto) oder Gustav Klimts „Adele Bloch-Bauer I“<br />

haben enorme Medienresonanz gefunden. Diese selbst unter<br />

Fachleuten hitzig diskutierten Einzelfälle sollten nicht das vorrangige<br />

Ziel in Frage stellen, durch Restitutionsverfahren den<br />

Rechtsfrieden herzustellen.<br />

Datenbank, in der die Sammlungsbestände der Staatlichen<br />

Kunstsammlungen digital erfasst und dabei auch auf ihre Provenienz<br />

überprüft werden sollen, unterstreicht die Bereitschaft,<br />

Sammlungsgeschichte zu dokumentieren und aufzuarbeiten,<br />

selbst wenn es dabei nicht primär um die Dokumentation verfolgungsbedingt<br />

entzogenen Kulturguts geht. Trotz dieser bemerkenswerten<br />

„Leuchtturmprojekte“ muss es allerdings ein<br />

Anliegen bleiben, das Thema der Provenienzrecherche und<br />

Restitution insgesamt auf eine breitere Basis zu stellen.<br />

Dr. York Langenstein, bis Ende Juli 2008 Leiter der Landesstelle für die<br />

nichtstaatlichen Museen in Bayern, ist seit 2005 Präsident von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>; icom@icom-deutschland.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Als aktuelle und anschauliche Einführung kann auch der Katalog zur<br />

Ausstellung „Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz<br />

1933 bis heute“ empfohlen werden, die im Jüdischen Museum Berlin<br />

vom 19. September 2008 bis 1. Februar <strong>2009</strong> gezeigt wurde. Der Katalog<br />

kann beim Jüdischen Museum Berlin zum Preis von € 24,90 bezogen<br />

werden.<br />

Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Magdeburg:<br />

www.lostart.de<br />

Die Internetseite verweist unter > Handreichung > Gemeinsame Erklärung<br />

und > Washingtoner Prinzipien auf die folgenden Grundlagentexte:<br />

1. Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung,<br />

der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung<br />

und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes,<br />

insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999<br />

2. „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen<br />

Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt<br />

entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“<br />

vom Dezember 1999<br />

3. Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke,<br />

die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington<br />

Principles)<br />

Die Bibliographie enthält ein gegliedertes Schrifttumsverzeichnis zu<br />

den Themen: Neuerscheinungen, Allgemeine Literatur, Bibliographien<br />

und Periodika, Nationalsozialistischer Kunstraub, Kriegsbeding te Verlagerung<br />

von Kulturgütern, Provenienzforschung und Sammlungsgeschichte,<br />

Restitution von Kulturgütern, Kunsthandel, Juristische<br />

Aspekte.<br />

Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung, Berlin:<br />

www.smb.museum/provenienzforschung<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 17


Rückblick<br />

Kulturelle Bildung und Integration<br />

In den Museen steigt zwar die Zahl der speziellen Bildungsangebote für Migranten,<br />

doch Integration kann nur gelingen, wenn sich Migranten in den Ausstellungen als Teil<br />

der jeweiligen nationalen Kultur und Geschichte wiederfinden.<br />

Annegret Ehmann<br />

Vom 9. bis 11. Oktober 2008 veranstaltete <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seine Jahrestagung einschließlich der Mitgliederversammlung in der<br />

Reinwardt-Akademie in Amsterdam und setzte damit die Tradition fort, die Kontakte zu den dortigen Nationalkomitees zu festigen.<br />

Auf der gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Niederlande organisierten Tagung ging es vor allem um die Frage, auf welche Weise Museen als<br />

Orte der kulturellen Bildung Integrationsprozesse vorantreiben und mitgestalten können. Dabei waren sich die Experten beider<br />

Länder einig: Zuwanderern darf man nicht als zu integrierenden Objekten begegnen – interkultureller Dialog und Integration<br />

setzen stattdessen gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung der Migrationsgeschichte voraus. Anhand deutscher und niederländischer<br />

Beispiele wurde deutlich, wie inklusive Museumarbeit gelingen kann.<br />

Die Reinwardt-Akademie für kulturelles Erbe wurde 1976 gegründet,<br />

zu einer Zeit, als sich die Auffassung von professioneller Museumsarbeit<br />

wandelte. Dies schlug sich auch in den Ausbildungscurricula<br />

nieder. Stand früher die Ausbildung von traditionellen Museumskuratoren<br />

im Vordergrund, so rückte allmählich das interdiziplinär<br />

ausgerichtete Museums-Networking ins Blickfeld. Heute gehört die<br />

Reinwardt-Akademie als Fakultät für Museologie zur Amsterdamer<br />

Hochschule der Künste. In den Räumen der Reinwardt-Akademie hat<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seine Jahrestagung 2008 abgehalten.<br />

Die Reinwardt-Akademie als Tagungsort hätte passender für<br />

das Thema der Jahrestagung und die Begegnung von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> mit <strong>ICOM</strong> Niederlande nicht gewählt werden<br />

können. Die Reinwardt-Akademie in Amsterdam erinnert mit<br />

ihrem Namen an einen Museologen der ersten Stunde, den<br />

„Migranten“ Caspar Georg Carl Reinwardt (1773–1854). Im<br />

Alter von vierzehn Jahren verließ er sein Heimatdorf Lüttringhausen<br />

im Bergischen Land, um in Amsterdam Botanik und<br />

Chemie zu studieren, machte wissenschaftliche Karriere und<br />

galt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten<br />

Universalgelehrten. Er begründete nicht nur Botanische<br />

Gärten auf Java und in den Niederlanden, sondern auch<br />

zwei naturhistorische und ethnografische Museumssammlungen.<br />

Die Reinwardt-Akademie wurde 1976 als Berufsfachschule<br />

für nichtakademische Museumsberufe gegründet. Heute gehört<br />

sie als Fakultät für Museologie zur Hochschule der Küns te<br />

in Amsterdam.<br />

Die Tagung begann mit einem Empfang im Van-Gogh-Museum<br />

und einer Besichtigung ausgewählter Teile der Sammlung.<br />

Die deutschen und niederländischen Gäste wurden vom Direktor<br />

des Museums, Axel Rüger, dem stellvertretenden Direktor<br />

des Rates für Erziehung und Integration in Amsterdam, Bart<br />

Top, sowie den Präsidenten von <strong>ICOM</strong> Niederlande und <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>, Albert Scheffers und York Langenstein, herzlich<br />

willkommen geheißen. Albert Scheffers betonte die exzellente<br />

Vorbereitung und Zusammenarbeit mit den Organisatoren von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, die <strong>ICOM</strong> Niederlande als Partner weitgehend<br />

vor Ort von Arbeit entlastet habe.<br />

Das inhaltlich dichte Tagungsprogramm eröffneten Theo<br />

Tho massen, „Hausherr“ und Direktor der Akademie, Flora<br />

van Regteren für das niederländische Ministerium für Bildung,<br />

Kultur und Wissenschaft, Hanna Pennock für den Vorstand<br />

des Weltverbandes <strong>ICOM</strong> sowie der beiden Präsidenten von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Niederlande. Nach Überblicksvorträgen<br />

zu den jeweiligen Museumslandschaften sowie zu den<br />

Aktivitäten der beiden nationalen Komitees folgten die ersten<br />

zwei Vorträge zum Tagungsthema.<br />

Integration – Ziele und Projekte der nationa len Kulturpolitik<br />

Die Vertreterin des niederländischen Bildungsministeriums,<br />

Flora van Regteren, nannte in ihrem Beitrag die drei Grundprinzipien<br />

der niederländischen Kulturpolitik: Die Regierung<br />

diktiert und zensiert Kunst und Wissenschaft nicht, Kultur ist<br />

Sache der Wahrnehmung des Betrachters und Vielfalt und Partizipation<br />

sind das Ziel.<br />

18 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Rückblick<br />

Seit 1999 sei die niederländische Kulturpolitik bestrebt, kulturelle<br />

Vielfalt zu fördern. Der Schwerpunkt liege auf der Vermittlung<br />

grundlegender Geschichtskenntnisse in allen Bevölkerungsgruppen.<br />

Denn historisch-politische Bildung solle von<br />

allen gleichermaßen erworben und geteilt werden, da sie kulturelle<br />

Identität und gesellschaftliche Partizipation fördern<br />

könne. Das Deutsche Historische Museum in Berlin und das<br />

Haus der Geschichte in Bonn gelten als Beispiele für Museen,<br />

die man auch in den Niederlanden gern hätte.<br />

Seit 2007 werde daher an einem Kanon grundlegender historischer<br />

Kenntnisse über wichtige Daten, Ereignisse und Personen<br />

gearbeitet. Das niederländische Kulturprogramm von<br />

2007 „Art for Life’s Sake“ sehe zur Förderung kultureller Partizipation<br />

vor, dass Kinder und Jugendliche bis zum Alter von<br />

achtzehn Jahren aktiv oder passiv eine oder mehrere Kunstgattungen<br />

kennen lernen. Der Zehn-Punkte-Aktionsplan beinhalte<br />

insbesondere die Kooperation von Museen und Schulen,<br />

um kulturelle Kreativität bei den Heranwachsenden zu fördern.<br />

Die Regierung schaffe dafür die Rahmenbedingungen wie z. B.<br />

kostenfreie Museumsbesuche und curriculare Vorgaben. Pädagogische<br />

Projekte über kulturelle Vielfalt werden angeregt und<br />

gute Beispiele publiziert.<br />

Den Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung<br />

<strong>Deutschland</strong> erläuterte in seinem Vortrag über „Kulturelle Identität<br />

und Museen“ Matthias Buth, Ministerialrat beim Beauftragten<br />

der Bundesregierung für Kultur und Medien. Kulturelle<br />

Identität leitete er vor allem aus dem Demokratieprinzip<br />

und dem Volksherrschaftsprinzip der Artikel 20 und 116 des<br />

Grundgesetzes ab. Doch blieben seine rechtswissenschaftlichen<br />

Ausführungen zu den Begriffen Volk, Staatsvolk, Kulturnation<br />

und vor allem die historischen Rückblicke in Anbetracht des<br />

Themas Integration von Zuwanderern problematisch und trugen<br />

leider wenig zur Klärung der spezifisch deutschen Probleme<br />

mit der Integration von Migranten bei. Man denke etwa an den<br />

Sturm der Entrüstung, den noch 1999 der Konzeptkünstler<br />

Hans Haacke mit seiner künstlerischen Installation „Der Bevölkerung“<br />

im Innenhof des Reichtagsgebäudes als Gegengewicht<br />

zur Widmung „Dem deutschen Volke“ am Portal des<br />

Gebäudes auslöste.<br />

Die im Vortrag gestellte Frage „In welches gesellschaftliche<br />

Zusammenleben soll integriert werden?“ legte zudem nahe,<br />

dass im Unterschied zum niederländischen Partizipationsgedanken<br />

die deutschen Regierungsvorstellungen eher Integration<br />

von oben bzw. das Einfordern von Akkulturation und die<br />

Akzeptanz der Werte oder der Leitkultur einer „europäisch<br />

gewachsenen Kulturnation“ bedeuten. Die Idee des Multikulturalismus<br />

führe, so der Referent, zu Relativierung von Geschichte<br />

und Traditionen und sei mit dem Stand der kulturellen<br />

Zivilisation in <strong>Deutschland</strong> nicht vereinbar. Als praktische Beispiele<br />

für deutsche Integrationsprojekte nannte Buth das Projekt<br />

„Jedem Kind ein Instrument“ (JEKI) zur musikalischen<br />

Förderung von Kindern und Jugendlichen im Ruhrgebiet, das<br />

Haus der Kulturen der Welt in Berlin als Plattform für Kulturund<br />

Kunstprojekte sowie die Neuregelung der Aufgaben des<br />

deutschen Auslandssenders Deutsche Welle im Geiste der „Freiheits-<br />

und Humanitätsideale von Schiller, Goethe, Herder und<br />

Heine“. Deutsche kulturelle Identität beruhe darüber hinaus<br />

auf dem Christentum, der griechisch-römischen Antike, der<br />

Aufklärung, den Menschenrechten, der Demokratie und dem<br />

Rechtsstaat. Für diese kulturelle Basis müsse bei den Migranten<br />

offensiv geworben werden. Den Museen komme dabei eine<br />

besondere Rolle als Mittler von Kunst- und Kulturerfahrungen<br />

zu. Daher sehe der Nationale Integrationsplan vor, dass das<br />

Amt des Beauftragten für Kultur und Medien zusammen mit<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> eine Arbeitsgemeinschaft „Museen-Migration-Kultur-Integration“<br />

einrichtet, um „museumspädagogisch<br />

effizienter auf die in <strong>Deutschland</strong> lebenden Migranten<br />

zuzugehen“.<br />

Bei den historischen Rückblicken des Referenten vermisste<br />

ich wesentliche, leider nicht jedermann geläufige Informationen:<br />

Noch bis in die 1990er Jahre wurde von Regierungsseite<br />

hartnäckig behauptet, <strong>Deutschland</strong> sei kein Einwanderungsland.<br />

Die Vorstellung von einem homogenen deutschen Volk war<br />

keineswegs auf die NS-Zeit beschränkt. Der im Sprachgebrauch<br />

noch immer gängige Begriff Volk beinhaltet weiterhin die Vorstellung<br />

von einer Abstammungsgemeinschaft des Staatsangehörigkeitsrechts<br />

von 1913, wobei damals das Ius-Sanguinis-<br />

Prinzip im Kontext des Verbots der „Mischehen“ in den deut schen<br />

Kolonien verschärft, und sogenannte koloniale „Mischlinge“<br />

und deren Nachkommen vom Anspruch auf deutsche Staats­<br />

Anita Böcker<br />

Erfolge und Misserfolge der Integration –<br />

Die Niederlande und Deutsch land im Vergleich<br />

Jahrzehntelang fühlten sich die Niederlande als Musterbeispiel für<br />

eine gelungene multikulturelle Gesellschaft. Seit den Wahlerfolgen<br />

der Rechten im Jahr 2002 steckt dieses Selbstverständnis jedoch in<br />

einer tiefen Krise. <strong>Deutschland</strong> hat sich indes als negatives<br />

Gegenbild gesehen. Seit der beschlossenen Einbürgerung der in<br />

<strong>Deutschland</strong> geborenen Migranten-Kinder laufen die Diskussionen<br />

jedoch zunehmend sachlich. In beiden Ländern besteht nur noch<br />

ein loser Zusammenhang zwischen den faktischen Entwicklungen<br />

und den öffentlichen Debatten, die vor allem von der jeweils<br />

eigenen Identitätssuche bestimmt sind: Die Niederlande als auch<br />

<strong>Deutschland</strong> haben lange gezögert, sich als Einwanderungsländer<br />

zu begreifen.<br />

In den Niederlanden einigte man sich Anfang der Achtziger auf eine<br />

Minderheitenpolitik – nicht ohne Erfolg: Die Mehrzahl der<br />

Immigranten ist eingebürgert, in allen Parteien sind Politiker mit<br />

Migrationshintergrund tätig, viele von Einwanderern mitgebrachte<br />

religiöse Riten und Institutionen sind durch den Staat anerkannt, es<br />

gibt zahlreiche Antidiskriminierungsgesetze. Die deutsche Politik<br />

hat all dies nicht getan, dennoch sind die Diskrepanzen zwischen<br />

Einwanderern und Einheimischen in <strong>Deutschland</strong> wesentlich<br />

kleiner als in den Niederlanden, vor allem in Bezug auf Bildungserfolge,<br />

Arbeitslosigkeit und Segregation.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 19


Rückblick<br />

angehörigkeit ausgeschlossen wurden – eine Regelung, die bis<br />

heute gültig ist und – wie im aktuellen Fall Gerson Liebl aus<br />

Togo – angewendet wird! Erst im Jahr 2000 wurde dieses antiquierte<br />

Staatsangehörigkeitsrecht durch das Ius-Soli-Prinzip<br />

ergänzt, so dass Kinder von Ausländern bei der Geburt in<br />

<strong>Deutschland</strong> die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Dagegen<br />

wurden Nachfahren deutscher Auswanderer, deren Vorfahren<br />

sich vor über 200 Jahren in Osteuropa angesiedelt hatten,<br />

seit den 1960er Jahren angeworben und bekamen bei der<br />

Ankunft automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt.<br />

Die Einbürgerungsbestimmungen für Ausländer wurden<br />

2000 etwas erleichtert. Für die Einbürgerung ist u. a. der<br />

Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse erforderlich<br />

und, was vielen Migranten schwerfällt, die Aufgabe der<br />

bisherigen Staatsangehörigkeit. Nicht so in den Niederlanden,<br />

dort ist Doppelstaatsangehörigkeit die Regel. Diese Informationen<br />

hätten den Nationalen Integrationsplan der deutschen<br />

Bundesregierung, die Integrationsbereitschaft der deutschen<br />

Mehrheitsgesellschaft, aber auch die statistischen Angaben zur<br />

Migrationsbevölkerung in <strong>Deutschland</strong> doch in einem etwas anderen<br />

Licht erscheinen lassen.<br />

Darüber hinaus kann man bei allen drei für die Integrationsbemühungen<br />

der Bundesrepublik angeführten Beispielen fragen,<br />

ob sie primär zur Eingliederung und Partizipation der Migranten<br />

gedacht sind und was sie dazu überhaupt leisten: Das<br />

Programm der Deutschen Welle richtet sich vor allem „an die<br />

lieben Landsleute in der Welt“ und ist ein PR-Instrument für<br />

die Bundesrepublik in über dreißig Sprachen, wofür Migranten<br />

aufgrund ihrer landeskundlichen und sprachlichen<br />

Kompetenzen gebraucht werden. Das Haus der Kulturen der<br />

Welt erreicht mit seinen elitären Veranstaltungen nicht einmal<br />

die deutschen Durchschnittsbürger, geschweige denn die hier<br />

lebenden Migranten. Auch von dem begrüßenswerten JEKI-<br />

Programm profitieren nicht primär Migrantenkinder, sondern<br />

es ist allenfalls ein bildungspolitisches Trostpflaster angesichts<br />

der Defizite der musikalischen Schulbildung.<br />

Edith Neumann<br />

Das Interesse am Gedächtnis der Anderen wecken –<br />

Migration als Thema im Stadtmuseum Stuttgart<br />

Das inter- und transkulturelle Gedächtnis der Stadt Stuttgart ist<br />

bislang noch in keinem der zahlreichen Stuttgarter Museen und<br />

Archive thematisiert worden. Weder die Geschichte der Ein- und<br />

Auswanderung noch die Lebensgeschichten der Menschen oder die<br />

dreidimensionalen Objekte der Migration waren bisher Gegenstand<br />

des musealen Forschens, Sammelns und Bewahrens oder gar der<br />

Schaustellung. Nun plant Stuttgart, neben Wiesbaden die einzige<br />

Landeshauptstadt in <strong>Deutschland</strong>, die noch kein Stadtmuseum<br />

besitzt, ein solches bis zum Jahr 2012 mitten im Herzen der Stadt<br />

einzurichten. Da die Stadt in <strong>Deutschland</strong> über den höchsten Anteil<br />

an Migranten in der Bevölkerung verfügt, stellt sich die Frage nach<br />

der Identität der „Stuttgarter“. Es gilt, die durch Migration, d. h.<br />

durch Menschen, geprägte Stadtgeschichte zu entdecken und zu<br />

erforschen, um sie in einer neuen, großen Stadterzählung zu<br />

präsentieren. Könnte es mit der musealen Schaffung einer<br />

„gemeinsamen Vergangenheit“ gelingen, Stuttgart als gemeinsame<br />

Heimat von rund 170 Nationen zu charakterisieren?<br />

Petra Hesse-Mohr<br />

Evet – Ja, ich will! Hochzeitskultur und Mode von 1800 bis heute:<br />

eine deutsch-türkische Begegnung<br />

Jüngste Umfragen unter den in <strong>Deutschland</strong> lebenden Menschen<br />

mit Zuwanderungsgeschichte belegen, dass sich diese mehr<br />

Angebote wünschen, die die Kultur ihres Herkunftslandes thematisieren.<br />

Mit der Ausstellung „EVET – JA, ICH WILL!“ reagieren die<br />

Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und das Museum für Kunst<br />

und Kulturgeschichte in Dortmund auf dieses Bedürfnis und präsentieren<br />

ein erstes interkulturelles Projekt, das neue Wege für<br />

kultur- und stadtgeschichtliche Angebote eröffnet.<br />

Auf die Begegnung der türkischen und der deutschen Kultur<br />

ausgerichtet, lädt die Ausstellung zum Dialog auf mehreren Ebenen<br />

ein: Sie präsentiert hochkarätige Exponate aus den renommierten<br />

Museen beider Länder. Sie vermittelt dem deutschen wie dem<br />

türkischen Publikum Erkenntnisse über die eigene und die fremde<br />

Kultur. Das Thema spricht potentiell jeden an, denn für viele ist die<br />

Hochzeit nach wie vor das zentrale Lebensfest. Auf einer weiteren<br />

Ebene bereichern authentische Hochzeitsgeschichten in Wort und<br />

Bild die Ausstellung. Sie sollen anregen, in Führungen und<br />

Veranstaltungen des umfangreichen Begleitprogramms den Faden<br />

der Erlebnisse weiterzuspinnen.<br />

20 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Rückblick<br />

Wie Museen zu Orten der Integration werden können<br />

Nach der Mittagspause wurden mehrere Beispiele von deutschen<br />

und niederländischen Integrationsprojekten vorgestellt.<br />

Léontine Meijer-van Mensch, Dozentin für theoretische Museologie<br />

und Ethik an der Reinwardt-Akademie, erläuterte, wie<br />

sich die Ausbildungscurricula der Akademie von der Museologie<br />

hin zur „Heritology“ gewandelt haben. Es ständen nicht<br />

mehr die traditionellen Kuratoren klassischer musealer Sammlungen<br />

im Vordergrund der Ausbildung, sondern die gegenwartsorientierten,<br />

interdisziplinären Networker, der mit anderen<br />

Museen, Archiven, Bibliotheken, Stadtteil-Kulturzentren<br />

von Migranten sowie professionellen und privaten Sammlern<br />

zusammenarbeiten. Astrid Weij, Reinwardt-Absolventin, präsentierte<br />

das Projekt Erfgoed Nederland, in dem nicht Museen,<br />

sondern Erinnerungsorte als kulturelles Erbe fokussiert werden.<br />

Ziele dieses Projektes seien die Erforschung und fotografische<br />

Dokumentation von Orten kultureller Bedeutung, die<br />

Erstellung einer Datenbank sowie die Einflussnahme auf politische<br />

Entscheidungen über die Bewahrung dieser kulturellen<br />

Landschaftsdenkmale. Schüler und Schulen sollen zu Projekten<br />

in ihrem Lebensumfeld angeregt werden, die Diversität,<br />

Multiperspektivität und Identität fördern. Für sie selbst sei als<br />

Kind von Rhein-Mosel-Schiffern z. B. eine Rheinbrücke bei<br />

Mannheim biographisch bedeutungsvoll gewesen.<br />

Edith Neumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Planungsstab<br />

für ein neues Stadtmuseum in Stuttgart, stellte das innovative<br />

Konzept als Work in Progress vor. Menschen aus 170<br />

Nationen leben in Stuttgart, vierzig Prozent der Bevölkerung<br />

haben einen Migrationshintergrund. 2012 werden fünfzig bis<br />

siebzig Prozent der Schulkinder aus Migrantenfamilien kommen.<br />

Auf diese demografischen Veränderungen stelle sich das<br />

geplante Museum ein, indem es Ein- und Auswanderung sowie<br />

individuelle Lebensgeschichten thematisiere, Objekte der Migrationsgeschichten<br />

sammele und die durch Migration geprägte<br />

Stadtgeschichte darstelle – Leitideen auf dem Weg zu einer<br />

gemeinsamen neuen Stadterzählung und zu Stuttgart als ge­<br />

Renée Kistemaker<br />

The EU‘s Project „Entrepreneurial Cultures in European Cities“.<br />

Why an International Project on Entrepreneurs and Museums?<br />

During the EU’s project „Entrepreneurial Cultures in European<br />

Cities“ (1 September 2008–31 August 2010) museums and cultural<br />

organisations in cities from seven European countries want to<br />

co-operate with entrepreneurs in exhibitions, community work and<br />

acquisition. Firstly the project will focus on economic, social and<br />

cultural strategies of entrepreneurs who started a business quite<br />

recently, many of whom have an immigrant background. Secondly<br />

the project will involve an interaction with the customers, also often<br />

from an immigrant background. Intercultural dialogue is therefore<br />

an important and natural starting point in the implementation of<br />

this project.<br />

Konrad Vanja<br />

Das Museum Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen<br />

zu Berlin als Ort des interkulturellen Dialogs<br />

Das Museum Europäischer Kulturen wurde 1999 gegründet und<br />

vereinigte das ehemalige Museum für (Deutsche) Volkskunde mit<br />

der Europäischen Sammlung des heutigen Ethnologischen<br />

Museums. Unter dem Titel „Kulturkontakte in Europa“ begann das<br />

Museum mit einer programmatischen Ausstellung „Faszination<br />

Bild“, die nicht nur das alte volkskundliche Konzept einer zweigeteilten<br />

Gesellschaft von Unter- und Oberschichten zu einer<br />

gesamtgesellschaftlichen Betrachtung aufhob, sondern konsequent<br />

eine zivilisationsgeschichtliche Perspektive verfolgte. Zu<br />

einem Schwerpunkt entwickelte sich die Migrationsthematik als<br />

Ort, Gesellschaft neu zu definieren im Sinne vom so genannten<br />

Eigenen und Fremden („Was ist deutsch?“). Verschiedene Ausstellungsprojekte,<br />

„Crossing Borders“ und „Heimat Berlin?“ wurden<br />

gemeinsam mit den Gemeinden in Berlin und mit europäischen<br />

Partnermuseen entwickelt. Das Museum Europäischer Kulturen<br />

veranstaltet jährlich Kulturtage zu einer europäischen Region oder<br />

einer europäischen Stadt, die ihren Anknüpfungspunkt jeweils in<br />

den Sammlungen des Museums haben. Mehrere Arbeitskreise<br />

verbinden unter der Obhut des Museums Fachleute und Laien in<br />

Tagungen an verschiedenen Orten Europas.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 21


Rückblick<br />

meinsamer Heimat von vielen Nationen seien Durchlässigkeit,<br />

Partizipation, Kooperation und Bereitschaft zum transkulturellen<br />

Blick. Neben historischen Recherchen und Kooperation mit<br />

Kulturvereinen von Migranten seien 160 Schulen zur Mitarbeit<br />

angesprochen worden. In sogenannten Stadtlabors können<br />

sich Kinder und Jugendliche an der Städteplanung beteiligen.<br />

Nach einer Präsentation mit dem Titel „Be(coming) Dutch“<br />

über die Rolle moderner Kunst im Abbemuseum in Eindhoven,<br />

endete die Vortragsreihe des Nachmittags mit einer Präsentation<br />

eines deutsch-türkischen Begegnungs- und Ausstellungsprojekts<br />

über „Hochzeitskultur und Mode von 1800 bis heute“.<br />

Petra Hesse-Mohr, Leiterin des Museums Zeughaus der Reiss-<br />

Engelhorn-Museen in Mannheim, hat es in Kooperation mit<br />

dem Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund als<br />

interkulturelles Projekt mit einem umfangreichen Begleitprogramm<br />

realisiert. Das Aufgreifen des in allen Kulturen wichtigen<br />

lebens- und alltagsgeschichtlichen Themas Hochzeit habe<br />

sich als sehr geeignet erwiesen, ein deutsches und türkisches<br />

Publikum anzusprechen.<br />

Wer nach diesem informationsgesättigten Lerntag noch Energien<br />

hatte, eilte zum Empfang ins nahegelegene Tropenmuseum,<br />

wo bei exotischem Fingerfood zwangloser Gedankenaustausch<br />

möglich war.<br />

NS-Geschichte auf Türkisch<br />

Zweifellos der Höhepunkt des nächsten Vormittags war der<br />

Bericht des in Köln lebenden türkischsprachigen Schriftstellers<br />

Doğan AkhanlΙ. Nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Erfahrungen<br />

mit politischer Verfolgung, Folter und Haft in der<br />

Türkei engagiere er sich für historisch-politische Menschenrechtsbildung<br />

am Kölner NS-Dokumentationszentrum EL-DE-<br />

Haus. In dem heutigen Museumsgebäude befand sich von<br />

1936–1945 die Gestapo-Zentrale für den Gau Rheinland und<br />

Aachen. AkhanlΙ bietet türkischsprachige Führungen durch<br />

die Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ an.<br />

Doğan Akhanlı<br />

Meine Geschichte – Unsere Geschichte. Türkischsprachige<br />

Führungen im NS-Dokumentationszentrum Köln, EL-DE-Haus<br />

EL DE steht für Leopold Dahmen, den ehemaligen Besitzer dieses<br />

Hauses, das er 1936 an die Gestapo vermietet hatte. Diese richtete<br />

darin u. a. einen Gefängnis- und Foltertrakt ein. Nach dem Krieg<br />

war hier die Stadtverwaltung untergebracht. Im Juni 1997 wurde<br />

das Haus als Dokumentationzentrum zur Geschichte des Nationalsozialismus<br />

in Köln wiedereröffnet. Als ich 2002 mit den türkischsprachigen<br />

Führungen begann, wusste ich, dass meine Landsleute<br />

mit allerlei Erinnerungen an die Türkei gekommen waren: darunter<br />

Gefängnis, Verfolgung, Flucht, Verbannung und der Völkermord an<br />

den Armeniern. Die offizielle Türkei hat dieses Verbrechen und auch<br />

das Schicksal der Türken in der NS-Zeit bis heute nicht aufgearbeitet.<br />

War es dennoch möglich, die Erinnerungsarbeit der Deutschen<br />

auch für türkische Migranten erfahrbar zu machen? Ich erzähle bei<br />

den Führungen die NS-Zeit nicht als deutsche nationale Geschichte,<br />

sondern als Beziehungsgeschichte. Denn der Völkermord an den<br />

Armeniern und die Shoah waren Verbrechen nicht nur gegen<br />

Armenier bzw. gegen Juden, sondern auch gegen die Menschheit.<br />

Und Antisemitismus vergiftet nicht nur die Mehrheitsgesellschaft,<br />

sondern auch die Einwanderer. Die türkischsprachigen Führungen<br />

sind daher ein Angebot, das für eine universelle, historisch<br />

orientierte Menschenrechtsbildung plädiert.<br />

Mirjam Shatanawi<br />

Urban Islam: Museums and the Public Debate on Islam<br />

„Urban Islam“ was developed and shown at the Tropenmuseum<br />

Amsterdam (2004) and the Museum der Kulturen in Basel,<br />

Switzerland (2006). The exhibition set out to explore contemporary<br />

Islam in different parts of the world. In order to do so, it presented<br />

the individual stories of young Muslims living in five cities across the<br />

globe and their search for an Islamic identity in a rapidly globalising<br />

world. Through the use of interactive tools the exhibition<br />

aimed to serve as an arena for debate.<br />

Given today’s heavily politicised climate, museological representations<br />

of Islam will always be framed by the public debate of which<br />

they inevitably will become part. Museums aim to act responsibly<br />

and aspire to build bridges between a diversity of cultures but they<br />

cannot escape the force of existing representations. One of the<br />

results is that museums position themselves as mediators for<br />

cultures in confrontation. Yet although the intentions of museums<br />

might be to challenge the current debate on Islam, I suggest their<br />

chosen strategy of producing alternative images of Islamic cultures<br />

actually weakens their undertaking, and might even turn out to be<br />

counterproductive.<br />

22 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


RÜCKBLICK<br />

Die beeindruckende Darlegung seiner Motivation, sich selbst<br />

aktiv am Diskurs der historischen Aufarbeitung von Verfolgung<br />

und Massenmordverbrechen in der deutschen und türkischen<br />

Geschichte zu beteiligen und Mittler zwischen den<br />

Deutschen und seinen türkischen Landsleuten im Prozess der<br />

Auseinandersetzung mit kollektiven Erinnerungen auf beiden<br />

Seiten zu werden, zeigt exemplarisch, welche Potenziale im interkulturellen<br />

Dialog noch ungenutzt sind. Sein Beispiel ist<br />

weitgehend singulär. Er spreche nicht jugendliche Schüler, sondern<br />

Erwachsene an, die er als Eltern ermuntern wolle, sich mit<br />

ihren Kindern über historisch-kulturelle Fragen auszutauschen.<br />

Integration der Migrationsbevölkerung kann, wie auch einige<br />

vorherige Diskussionsbeiträge aus den Museen zeigten, nur gelingen,<br />

wenn sie nicht paternalistisch im Migranten das zu integrierende<br />

Objekt sieht und bearbeitet, sondern ihm auf gleicher<br />

Augenhöhe begegnet.<br />

Die abschließende Podiumsdiskussion mit sieben Diskutierenden<br />

und Beiträgen aus dem Publikum moderierte <strong>ICOM</strong>-<br />

Barry van Driel<br />

Understanding Diversity<br />

Since its publication, „The Diary of Anne Frank“ has appealed to a<br />

very broad public and the universal message that is contained in<br />

her writing provides the Anne Frank House with a unique opportunity<br />

to reach young people irrespective of their ethnicity or<br />

background. This young Jewish girl’s life history contains compelling<br />

evidence of the need to combat the roots of genocide and<br />

persecution – prejudice, discrimination and the rejection of others<br />

simply because of their ethnicity, race, nationality, religion, etc. In<br />

short, the rejection of their ,otherness’.<br />

The project „Understanding Diversity“ connects students from two<br />

different countries. The students work together via email and the<br />

internet to develop questionnaires, interview people in their<br />

community and then publish several web pages that describe their<br />

findings. This project aims to address existing feelings of distrust<br />

and hostility towards ,others’ in our local communities (especially<br />

immigrants) and to make young people more empathetic towards<br />

those considered ,different’ and sometimes ,undesirable’ in their<br />

own communities.<br />

<strong>Deutschland</strong>-Vorstandsmitglied Christoph Lind. Es ging dabei<br />

hauptsächlich um Fragen, wie man die Öffentlichkeit außerhalb<br />

der Museen erreichen und diese zur Partizipation an Kultur<br />

und zur Auseinandersetzung mit Erinnerungskulturen motivieren<br />

könne.<br />

Ein kolonialer Diskurs im Museum<br />

Am Nachmittag wurden Führungen und Gespräche in Ams terdams<br />

Historischem Museum, dem Van-Gogh-Museum, dem<br />

Anne-Frank-Haus und dem Tropenmuseum angeboten. Ich entschied<br />

mich für den Workshop im Tropenmuseum aus sehr persönlichem<br />

Interesse an Kolonialgeschichte und dem heutigen<br />

Diskurs darüber. Es gab dazu eine umfangreiche Textsammlung,<br />

die wohl als Vorbereitung gedacht war, weshalb ich sie in der<br />

Nacht trotz großer Müdigkeit noch durchlas. Doch wurde auf<br />

diese Texte im Workshop selbst kein Bezug genommen. Schade.<br />

Sehr aufschlussreich und gelungen erlebte ich die Führung<br />

von Pim Wes terkamp, dem Kurator der Südostasien-Abteilung<br />

des Museums, der eine interessante Beobachtungsaufgabe zu<br />

einem Filmclip aus Indonesien vorbereitet hatte. In diesem<br />

sollte das Verhalten der Kolonialherren gegenüber den Kolonisierten<br />

anhand von Gesten und nonverbaler Körpersprache gedeutet<br />

werden. In einem Brainstorming wurden individuelle<br />

Wahrnehmungen der Ausstellung gesammelt und verschiedene<br />

Aspekte hinterfragt und vertieft, wie z. B. Fragen nach indonesischen<br />

Perspektiven, dem Mitwirken von Ehemaligen aus<br />

der Kolonie an der Ausstellung, dem Fehlen der Darstellung<br />

von Gewalt, dem Stand der kritischen Auseinandersetzung mit<br />

der Kolonial zeit. Es gab viel zu erfahren, dass z. B. die Kenntnisse<br />

heutiger junger Niederländer über die Kolonialgeschichte<br />

sehr gering sind und demnächst eine TV-Serie startet, die<br />

diese Defizite beheben soll. Vorherrschend sei in der niederländischen<br />

Mehrheitsgesellschaft weiterhin die eigene Perspektive.<br />

Die große Gruppe der niederländischen Eurasier, ca<br />

500.000 Menschen „gemischter“ Herkunft, die nach 1943 ins<br />

Land kamen, fühlten sich in der Ausstellung nicht hinreichend<br />

repräsentiert. Die Indonesier wollten sich im Museum nicht als<br />

passive Opfer sehen. Eine Lehrtafel für Schulen vermittelte<br />

Bilder von Indonesiern als wilden, aggressiven Menschen. Mit<br />

diesen vielen interessanten Aspekten hätte die Gruppe sich sicher<br />

noch länger beschäftigt, was aber aus Zeitgründen leider<br />

nicht möglich war.<br />

An den Museumsbesuchen in Haarlem am Sonntagvormittag<br />

konnte ich wegen der Rückreise nach Berlin leider nicht mehr<br />

teilnehmen, aber es blieb mir noch genug Zeit zum Besuch des<br />

hervorragend gestalteten Widerstandsmuseums in Amsterdam,<br />

das mit viel Zeit sich zu erschließen ich hiermit allen <strong>ICOM</strong>-<br />

Mitgliedern bei einem weiteren Besuch Amsterdams nachdrücklich<br />

empfehlen möchte.<br />

Annegret Ehmann, <strong>ICOM</strong>-Mitglied seit 2006, arbeitet als freiberufliche<br />

Journalistin, Publizistin und Dozentin. Seit fast dreißig Jahren<br />

ist sie in der Gedenkstättenarbeit tätig, u. a. in Yad Vashem/Israel, im<br />

Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin, und im Förderverein Museum<br />

Blindenwerkstatt Otto Weidt; annegret.ehmann@riemer-it.de<br />

Die vollständige Fassung des Betrages finden Sie unter<br />

www.icom-deutschland.de.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 23


RÜCKBLICK<br />

Kulturelles Erbe als Handelsware<br />

Die „Rote Liste der gefährdeten Antiken Perus“ – Beispiel der Partnerschaft des<br />

Internationalen Museumsrates <strong>ICOM</strong> mit den Zoll- und Polizeibehörden im Kampf gegen<br />

den illegalen Handel mit Kulturgütern<br />

York Langenstein<br />

Weltweit spiegeln die Auktionskataloge die Globalisierung des legalen wie des illegalen Handels mit Kulturgütern. Es sind beispielsweise<br />

auch die Ausgrabungsfunde aus Mittel- und Südamerika, die bei seriösen wie bei weniger seriösen Sammlern besonders<br />

beliebt sind, nicht zuletzt auch, weil sie oft für wenig Geld zu haben sind.<br />

Die Sogwirkung dieses globalen Marktes für archäologische<br />

Funde, aber etwa auch für ethnographische Objekte wie Kultgegenstände,<br />

Skulpturen, Masken und Textilien, führt zur<br />

Plünderung und Verarmung ganzer Kulturlandschaften und<br />

nimmt den betroffenen Völkern ihre Geschichte und Identität.<br />

Deshalb zählt der Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern<br />

zu den Kernanliegen des Internationalen Museumsrats<br />

<strong>ICOM</strong>. Bei der Verfolgung, Ermittlung und Rückgabe illegal<br />

in den Handel gelangter Kulturgüter arbeitet <strong>ICOM</strong> eng mit<br />

den internationalen und nationalen Zoll- und Polizeibehörden<br />

zusammen, so insbesondere mit Interpol und der Weltzollorganisation<br />

WZO.<br />

Nicht weniger wichtig ist es, die Machenschaften des Schwarzhandels<br />

ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen und den Bewusstseinswandel<br />

im Kunsthandel wie in Sammlerkreisen zu<br />

unterstützen: Der Handel mit – bzw. der Erwerb von – Objekten<br />

mit unklarer Provenienz ist kein Kavaliersdelikt: Er verstößt<br />

häufig gegen rechtliche Bestimmungen, jedenfalls aber gegen die<br />

ethischen Grundsätze, die in den standesrechtlichen Verhaltensnormen<br />

für den Kunsthandel sowie für die Museen – insbesondere<br />

in den von <strong>ICOM</strong> herausgegebenen Ethischen Richtlinien<br />

– verankert sind.<br />

Sowohl die Richtlinien des Deutschen wie auch des Internationalen<br />

Kunsthandelsverbandes enthalten eine klare Selbstverpflichtung<br />

zu einem fairen und ehren haften kaufmännischen<br />

Handel. Dementsprechend besteht die Sorgfaltspflicht, nicht<br />

mit Kunstwerken zu handeln, bei denen man annehmen muss,<br />

dass der Verkäufer nicht zur Verfügung über den Gegenstand<br />

berechtigt ist oder dass das Objekt unrechtmäßig von einem<br />

Ausgrabungsort entwendet oder unter Ver letzung der Gesetze<br />

im Herkunftsland erworben wurde.<br />

Die von <strong>ICOM</strong> herausgegebene „Rote Liste der gefährdeten<br />

Antiken Perus“, die in <strong>Deutschland</strong> vom <strong>ICOM</strong>-Generaldirektor<br />

Julien Anfruns am 13. Janaur <strong>2009</strong> im Staatlichen Museum<br />

für Völkerkunde in München vorgestellt wurde, unterstützt die<br />

Zoll- und Polizeibehörden bei der Identifizierung widerrechtlich<br />

eingeführter Kulturgüter. Zugleich soll sie die Aufmerksamkeit<br />

des Handels und der Käufer beim Erwerb und der Weiterveräußerung<br />

möglicherweise belasteter Objekte schärfen.<br />

Tatsächlich ist die Beraubung historischer Stätten eine Geißel<br />

der Menschheit, die bis in die Antike zurückreicht. Gerade<br />

die Eroberung und Plünderung der Reiche Südamerikas nach<br />

der Entdeckung der Neuen Welt gehört zu den dunklen Kapiteln<br />

der Weltkulturgeschichte. Aber auch die Abwanderung von<br />

Kulturgut infolge der Kolonialisierung und der Erforschung der<br />

außereuropäischen Kulturen im 19. und 20. Jahrhundert wird<br />

von jenen Ländern und Völkern, aus denen Arbeiten von hohem<br />

künstlerischen Rang und sonstige Zeugnisse ihrer Lebensweise<br />

vor allem in die Museen und Sammlungen der westlichen Welt<br />

gelangten, als ein Verlust ihrer historischen Identität empfunden.<br />

Das Gegenargument, dass viele Objekte nur durch ihre Musealisierung<br />

erhalten geblieben sind, findet bei einem solchen, auch<br />

Emotionen berührenden Reizthema kaum Gehör.<br />

Wie auch immer: Gerade aus dieser Geschichte heraus besteht<br />

heute Anlass, der Gefahr des kulturellen Ausblutens bedeutender<br />

Kultur- und Fundlandschaften in der so genannten Dritten<br />

Welt entgegenzutreten, die sich durch die veränderten technischen<br />

Möglichkeiten und die breite internationale Nachfrage<br />

weiter verschärft hat. Dabei gehe es nicht nur um den Verlust<br />

wertvoller Kunstwerke – so der peruanische Botschafter und<br />

Archäologe Professor Dr. Federico Kaufmann-Doig bei der<br />

Pressekonferenz im Staatlichen Museum für Völkerkunde –,<br />

sondern vor allem auch um die Zerstörung der Fundorte und<br />

-zusammenhänge, durch die Objekte wissenschaftlich gesehen<br />

verstummten, weil sie aus ihrem historischen Kontext gelöst<br />

würden, wie eine aus der Bibel herausgerissene Seite.<br />

Bilder sagen mehr als Worte: Das gilt jedenfalls für die auf der<br />

Pressekonferenz präsentierten Dokumentaraufnahmen von Dr.<br />

Markus Reindel, Referent für Amerika im Deutschen Archäologischen<br />

Institut in Bonn. Die aufgewühlten Nekropolen in<br />

der trockenen Nazca-Wüste südöstlich von Lima vermitteln die<br />

gleiche Tristesse und die gleichen Verlustgefühle wie Braunkohlen-Abbaugebiete,<br />

hier noch gesteigert durch die würdelos<br />

in den Sand verstreuten Überreste der Bestatteten. Der Name<br />

„Huaquerismo“ leitet sich ab von den „Huacas“, den heiligen<br />

Plätzen der alten Peruaner, bzw. den „Huacos“, den Objekten,<br />

die in den Gräbern von den im Nebenerwerb als Ausgräber<br />

tätigen Landarbeitern gefunden werden. Der Huaquerismo ist<br />

24 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


RÜCKBLICK<br />

Die schwierige wirtschaftliche<br />

Situation Perus ist ein idealer<br />

Nährboden für Plünderungen<br />

(„Huaquerismo“) und Kunstraub:<br />

Die kriminellen Organisationen<br />

nutzen die Armut vieler Familien<br />

aus, indem sie ihnen finanzielle<br />

Anreize für die Plünderung<br />

archäologischer Stätten wie der<br />

Nekropole in der Nazca-Wüste<br />

bieten.<br />

ein Phänomen, das sich einer wirksamen Kontrolle weitgehend<br />

entzieht, ebenso wie die Stränge des Schwarzhandels, über die<br />

die Funde ins Ausland geschafft werden.<br />

Welche Chancen gibt es unter diesen Umständen, die Plünderung<br />

und Zerstörung von archäologischen Stätten zu verhindern?<br />

Vielleicht muss man versuchen, die „Nahrungskette“<br />

zwischen den Plünderern vor Ort auf den verschlungenen Wegen<br />

des Handels bis zu den Endverbrauchern in anderen Teilen<br />

der Welt zu unterbrechen.<br />

Erster Hauptkommissar Karl-Heinz Kind von Interpol berichtete<br />

von bescheidenen Fortschritten in der Ausbildung und<br />

der Organisation der Polizei in den Herkunftsländern: Es käme<br />

zu vermehrten Meldungen an Interpol, Datenbanken mit Verzeichnissen<br />

gesuchter und gefundener Objekte würden aufgerüstet,<br />

Dokumentationen von diebstahlsgefährdeten Objekten<br />

nach dem internationalen Standard Object-ID angelegt. Doch<br />

seien diese Erfolge immer in Relation zur organisatorischen<br />

und logistischen Perfektionierung des Schwarzhandels zu setzen,<br />

wie der Mann von Interpol einräumt.<br />

Und selbst wenn es einmal gelingt, in <strong>Deutschland</strong> verdächtige<br />

Kunstimporte anzuhalten, setzt bei den Polizei- oder Zollbeamten<br />

spätestens dann die Ernüchterung ein, wenn die die<br />

Rückgabe fordernden Ursprungsländer lediglich allgemeine archäologische<br />

Gutachten beibringen können, aber keine handfesten<br />

Beweise für eine strafbare Vortat: Dann sind – mit Zähneknirschen<br />

– die inkriminierten Objekte an den letzten Besitzer<br />

herauszugeben.<br />

Aber hin und wieder geht doch ein Fisch ins Netz: Allerdings<br />

bedeutet die Zahl von 1.400 Sicherstellungen in den Jahren<br />

2000 bis 2008, die Oberinspektorin Linn Thier von der Weltzollorganisation<br />

WZO nennt, dass wir von einer flächendeckenden<br />

Kontrolle des illegalen Handels mit Kulturgütern<br />

weit entfernt sind.<br />

Ein großer Fisch wäre etwa der costa-ricanische Antiquitätensammler<br />

und -händler Leonardo Augustus Patterson: Bekanntlich<br />

stellte das Bayerische Landeskriminalamt im April<br />

2008 eine umfangreiche Sammlung präkolumbischer Ausgrabungsfunde<br />

sicher, deren Versicherungswert ca. 60 Millionen<br />

Euro betragen soll. Nach den Rechtshilfeersuchen mehrerer<br />

mittelamerikanischer Länder handelt es sich um Funde aus illegalen<br />

Raubgrabungen. Patterson dagegen beruft sich auf den<br />

rechtmäßigen Erwerb der Stücke. Es lässt sich allerdings noch<br />

nicht absehen, wie diese Farce ausgehen wird.<br />

Unter dem Strich bleibt: Nur wer ein Netzwerk bildet, kann<br />

Fische fangen. Deshalb ist die Zusammenarbeit von <strong>ICOM</strong> mit<br />

Interpol und der Weltzollorganisation im Bereich des Informationsaustauschs<br />

und der gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen<br />

so wichtig. Noch feinmaschiger wird dieses Netz<br />

durch die Kooperation mit den Organen des Kunsthandels, die<br />

allerdings noch intensiviert werden könnte.<br />

Schon jetzt ist ein auch vom Kunsthandel wahrgenommener<br />

Wandel des Käuferverhaltens festzustellen: Neben der Echtheit<br />

eines Objekts entwickelt sich eine klare Provenienz zu einem<br />

maßgeblichen wertbildenden Faktor, ebenso der Nachweis<br />

einer rechtlich korrekten Ausfuhr aus den jeweiligen Ursprungsländern.<br />

Dementsprechend beschäftigen heute die großen internationalen<br />

Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s<br />

Experten, die den Stammbaum der Erwerbungen und das uneingeschränkte<br />

Verfügungsrecht des Einlieferers – bzw. des derzeitigen<br />

Eigentümers – überprüfen.<br />

So begegnen sich hier Ethik und geschäftliche Interessen in<br />

schönster Harmonie, was bekanntlich sonst nicht immer der<br />

Fall ist. Diese positive Entwicklung lässt hoffen, dass sich eines<br />

Tages ein spezieller Wunsch der Oberinspektorin Linn Thier von<br />

der Weltzollorganisation erfüllen könnte: Tatsächlich würde<br />

bei der Einfuhr von Kulturgütern nicht nur ihr das Leben erleichtert,<br />

wenn die jeweiligen Objekte mit einem Exportzertifikat<br />

versehen wären, das die Provenienz und die Ausfuhrgenehmigung<br />

nachweist. Ein solches Zertifikat wäre auch ein<br />

wichtiges Zeugnis für den Kunsthandel, das einerseits das Vertrauen<br />

der Käufer stärken aber auch den Kunsthändler bezüglich<br />

seiner Sorgfaltspflichten entlasten könnte.<br />

Dr. York Langenstein, bis Ende Juli 2008 Leiter der Landesstelle für die<br />

nichtstaatlichen Mu seen in Bayern. Seit 2005 amtiert er als Präsident<br />

von <strong>ICOM</strong> Deutsch land; icom@icom-deutschland.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 25


Rückblick<br />

Museen wandeln sich<br />

Museale Einrichtungen sollen und wollen ihren Aufgaben des Forschens, Sammelns, Bewahrens<br />

und Ausstellens gerecht werden. Dabei orientieren sie sich an den „Ethischen Richtlinien<br />

für Museen von <strong>ICOM</strong>“. Doch nach welchen Kriterien müssen diese definiert und interpretiert<br />

werden, damit sie auch unter den Bedingungen des gesellschaftlichen Wandels und<br />

der Weiterentwicklung der fachlichen Praxis sinnvolle Orientierung für den Museumsalltag<br />

bieten?<br />

Christoph Lind<br />

Die weltweit gültigen Standards des <strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for<br />

Museums – Kodex der Berufsethik – sind ein etabliertes und<br />

längst unverzichtbares Regelwerk für alle Museumsmitarbeiter,<br />

sie gelten für die Führung des Hauses ebenso wie für den<br />

Umgang mit Sammlungen und der Öffentlichkeit bis hin zu den<br />

Zuwendungsgebern. Der Weg zur Vollendung des <strong>ICOM</strong>-Code<br />

of Ethics for Museums war weder leicht noch schnell zu begehen,<br />

denn es mussten zum Teil erheblich divergierende Interessen<br />

und Bedürfnisse berücksich tigt werden. Dass er heute<br />

derart erfolgreich wirkt, zeigt jedoch, dass sein sorgfältiger Aufbau,<br />

die Berücksichtigung aller Interessen und vor allem der<br />

internationale Austausch im Vorfeld der Kompilation eine unabdingbare<br />

Voraussetzung waren. Überarbeitungen und Anpassungen<br />

des Regelwerkes an neue, veränderte Gegebenheiten der<br />

Museumsarbeit garantieren, dass er weiterhin aktuell bleibt.<br />

Insbesondere in diesen Anpassun gen liegen die Herausforderungen<br />

der nächsten Zeit.<br />

Die Aktualisierung des <strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums<br />

erfordert unaufhörliches Hinterfragen der Museumsarbeit vor<br />

dem Hintergrund veränderter Besuchererwartungen, veränderter<br />

Sicherheitsanforderungen und -bedürfnisse, ganz zu schweigen<br />

von Dauerthemen wie Marketing oder Finanzen. Wie diese<br />

Veränderungen mit dem Ziel der Optimierung der Museumsarbeit<br />

erkannt und definiert werden können, war das Thema<br />

der Konferenz „Defining Museum Ethics“, einer Auftaktveranstaltung,<br />

die vom Institute of Museum Ethics an der Seton Hall<br />

University, South Orange NJ, organisiert und am 15. November<br />

2008 ausgerichtet wurde. Die Direktorin des Instituts,<br />

Janet Marstine, betrachtet diese Konferenz als den Beginn<br />

einer Veranstaltungsreihe, die sich weniger Einzelfallstudien<br />

oder adminis trative Aspekte als vielmehr aktuelle Zustandsund<br />

vor allem Strategieanalysen mit dem Versuch einer Prognostizierung<br />

zum Inhalt nimmt. Aktuell reflektiert die dort<br />

geführte Diskussion vor allem die gegenwärtigen Herausforderungen<br />

nordamerikanischer Museen. Dennoch stimmen diese<br />

vielfach mit deutschen Vergleichsbeispielen überein.<br />

Ist barrierefreier Zugang allein glücklich machend?<br />

Richard Sandell, Universität Leicester, hinterfragte innerhalb<br />

seines Einführungsvortrages auf provokative Weise den allseits<br />

positiv konotierten Aspekt der Barrierefreiheit, die uneingeschränkte<br />

Erschließung neuer Besuchergruppen mit dem<br />

Ziel, den Begriff „Access“ neu zu definieren. Offenbar ist dies<br />

nun ein Schritt in die Gegenbewegung zu der seit einigen Jahren<br />

auch bei uns geführten Debatte über Barrierefreiheit im<br />

sowohl unmittelbar-direkten als auch übertragenen, inhaltlichen<br />

Sinne. Ohne das Prinzip „Museum für alle“ und das Bekenntnis<br />

zur sozialen Verantwortung von Museen in Frage zu<br />

stellen, sieht er in einer Überbetonung der allgemeinen örtlichen<br />

wie inhaltlichen Zugänglichkeit eine mögliche Zurückdrängung<br />

der Kernaktivitäten zugunsten einer auch inhaltlichen<br />

vereinfachten Darstellung. So stellt er beispielsweise die<br />

Möglichkeit einer „unforcierten“ Inspiration durch eine gut<br />

strukturiert präsentierte Sammlung einer extra für Besucher<br />

didaktisch herbeigeführten Erfahrung gegenüber, welche in<br />

starkem – zu starkem? – Maße den Besucherblick lenkt. Dabei<br />

gelingt es ihm überzeugend, anschauliche Beispiele zu präsentieren.<br />

Bei aller Abgewogenheit bewertet er die Museumsarbeit<br />

durch Sammlungsprofilierung und intensivere Objektforschung<br />

als „Core Activities“ höher als die physische, vor allem<br />

aber inhaltsmäßige Zugangserweiterung für Museen. Er richtet<br />

somit den Blick verstärkt auf die Kernforderungen des <strong>ICOM</strong>-<br />

Code of Ethics for Museums.<br />

Pam McClusky vom Seattle Art Museum hinterfragte das<br />

„Neutraliätsgebot“ bei den Objektbeschriftungen, welche im<br />

Regelfall über Objekt und Wirkungszusammenhang informieren.<br />

Dadurch wird jedoch dem Besucher ein gerundetes Bild<br />

vorgegeben, in welchem Ansichtsvielfalt, Provenienzkonflikte,<br />

Authentizität, verschiedene Interpretationsansätze u. ä., die<br />

sehr wohl jeweils ihre Berechtigung haben, nicht vorkommen.<br />

Sie diskutiert im Kern die Frage: Wie und wann können Besucher<br />

darauf gestoßen werden, dass Sammeln, Kuratieren und<br />

Kunst Erklären keineswegs so eindeutig und unmissverständlich<br />

gehandelt werden, wie es eine inhaltlich abgerundete Präsentation<br />

zu verstehen gibt. Kontrovers berichtete sie über die<br />

Ergebnisse einer Ausstellung über Massai, deren Objekte von<br />

Massai – und nicht von einem ausgebildeten Museumskurator<br />

– ausgewählt und präsentiert worden sind.<br />

Malcolm Collum, leitender Restaurator des National Air and<br />

Space Museum in Washington D.C., stellte anhand mehrerer<br />

Fallbeispiele den Konflikt von industriellen Sammlungen zwischen<br />

der Präsentation der Objekte und dem Vorführen ihrer<br />

Nutzung dar und versuchte ein anwendbares Regelwerk daraus<br />

zu ermitteln, was erwartungsgemäß nicht gelingen konnte. Ein<br />

26 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Rückblick<br />

immer weiteres Zugehen auf die Besucher bewirkt einen immer<br />

größeren Druck auf die Kuratoren und Restauratoren, die eigentlich<br />

nicht mehr zur Nutzung vorgesehenen Objekte doch<br />

einer Nutzung, zumindest einer Vorführung zuzuführen. Insbesondere<br />

betrifft dies Maschinen und somit weitgehend den<br />

dreidimensionalen Sammlungsbestand des National Air and<br />

Space Museums. Die Wandelbarkeit, besser: ständige Neuanpassung<br />

sowohl an die sich ändernden Bedürfnisse der Besucher<br />

als auch an die Erfordernisse der Sammlung („Bewahren“)<br />

sind hier offensichtlich. Die Herausforderung liegt in der Formulierung<br />

der Wandelbarkeit der ethischen Richtlinien.<br />

In weiteren Sektionen und Podien wurden verschiedene Aspekte<br />

behandelt, die aktuell für die Situation in Europa zwar<br />

von allgemeinem Interesse, wenngleich nicht wesentlich sind.<br />

Die Konferenz war ein fulminanter Auftakt für das Institut,<br />

der auch die Spannweite des Themenradius’ seiner zukünftigen<br />

Arbeit verdeutlichte, ohne ins allzu Mosaikhafte zu gleiten.<br />

Vorbildlich war die Konferenzorganisation: Immer wieder<br />

interessant waren die Bewertungsbögen, die uns in jeder Pause<br />

gereicht wurden; besonders gut erschien die Idee, dass für das<br />

gemeinsame Mittagessen „Thementische“ eingerichtet wurden.<br />

An denen moderierten Vertreter der unterschiedlichen Themen<br />

die Gespräche in ungezwungener Atmosphäre. Zusätzlich nahmen<br />

wir zu Beginn und am Ende der Konferenz an einer Meinungsumfrage<br />

teil, die jeweils sofort elektronisch ausgewertet<br />

wurde: Zu Beginn der Konferenz, d. h. vor dem Einführungsvortrag,<br />

befanden 86 Prozent der Teilnehmer, dass Museumsarbeit<br />

einem ständigen Wandel unterliege, 90 Prozent sahen in<br />

der täglichen Museumsarbeit die soziale Verantwortung für<br />

die Besucher als mindestens gleichwertig gegenüber der „Business<br />

Practice“, ein Wert, der auch von amerikanischen Teilnehmern<br />

in dieser Deutlichkeit nicht erwartet worden war. Nur<br />

25 Prozent fanden, dass die Objekte im Mittelpunkt der Museumsarbeit<br />

stehen sollten gegenüber 75 Prozent, die die Belange<br />

der Besucher in den Vordergrund der Museumsarbeit stellten.<br />

Unabhängig davon, ob diese Prozentverteilung tatsächlich<br />

bei der täglichen Arbeit in den amerikanischen Museen „gelebt“<br />

wird, erstaunte die Tatsache, dass die Umfrage am Ende<br />

der Konferenz mit denselben Fragen in der prozentualen Verteilung<br />

kaum Abweichungen vom morgentlichen Ergebnis zeigte.<br />

Bis auf eine: Am Ende der Tagung glaubten nur noch ca. 71<br />

Prozent der Teilnehmer – immerhin 15 Prozent weniger als zu<br />

Beginn! – an den ständigen Wandel der Museumsarbeit. Museums<br />

are morphing, aber offenbar nicht ganz so schnell wie<br />

zunächst gedacht!<br />

Dr. Christoph Lind, Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, Mitglied des<br />

Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; christoph.lind@mannheim.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Konferenzbeiträge und zusammenfassender Filmbeitrag (3 min.):<br />

www.museumethics.org/<br />

Industrielle Sammlungen wie<br />

die des National Air and Space<br />

Museums in Washington D.C.<br />

stehen vor einem Dilemma:<br />

Einerseits sollen sie ge fährdete<br />

Exponate „bewahren“ und<br />

wollen sie daher, um vor<br />

Verschleiß zu schützen, nur<br />

präsentieren. Andererseits sollen<br />

sie immer stärker auf die<br />

Besucher zugehen und Exponate<br />

auch vorführen oder zur<br />

Nutzung herrichten.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 27


Rückblick<br />

Tätigkeitsbericht des Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für 2008<br />

Gehalten vor der Mitgliederversammlung am 11. Oktober 2008 in Amsterdam<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

unsere letzte Mitgliederversammlung fand im Rahmen der Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in München am 4. Dezember 2007<br />

statt. Hier setzt der Bericht über die Aktivitäten und Veranstaltungen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in den letzten zehn Monaten ein.<br />

Die Vitalität einer Organisation ist in der Regel auch an der Entwicklung<br />

des Mitgliederstandes abzulesen: Wir freuen uns, dass sich das<br />

Wachstum der letzten Jahre fortgesetzt hat und wir im Jahr 2008<br />

bis lang fast dreihundert neue Mitglieder aufnehmen konnten, so dass<br />

<strong>ICOM</strong> Deutsch land mit nunmehr nahezu 3700 Mitgliedern seine Stellung<br />

als das mitgliederstärkste Nationalkomitee im Weltverband des<br />

Internationalen Museumsrats weiter ausbauen konnte. Dabei sind die<br />

Aufnahmeanträge im Hinblick auf den Charakter von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

als Fachverband der Museen und der Angehörigen der Museumsberufe<br />

von der Geschäftsstelle nach strengen professionellen Kriterien<br />

geprüft worden.<br />

Leider haben wir im Berichtsjahr auch Mitglieder verloren, nämlich:<br />

Dr. Sabine Fehlemann, Prof. Dr. Dietrich Kötzsche, Prof. Dr. Kurt Krieger,<br />

Dr. Sigrid Randa-Campani. Darf ich Sie bitten, sich zum Gedenken<br />

an die verstorbenen Kollegin nen und Kollegen zu einer Schweigeminute<br />

zu erheben.<br />

Wie in den letzten Jahren wollen wir Sie über die Entwicklung der<br />

Geschäftsstelle und des Haushalts von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> unterrichten.<br />

Der Haushaltsabschluss 2007 ist vom Beauftragten der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien als unserem Zuwendungsgeber geprüft<br />

worden. Dabei ergaben sich keinerlei Beanstandungen. Diese<br />

Tatsache gibt Anlass dazu, unserer Geschäftsstelle den Dank des Vorstands<br />

auszusprechen. Unser Dank gilt insbesondere unserer erfahre<br />

nen, gewissenhaften und fachlich kompetenten Geschäftsführerin<br />

Johanna Westphal, aber auch Beate von Törne, die vor allem für die<br />

Buchhaltung und für die Erstellung unserer Bilanz verantwortlich ist.<br />

Zum Team der Geschäftsstelle gehören auch Juliana Ullmann, die im<br />

Sekretariat mitarbeitet, und Jan-Dirk Kluge, der den Bereich EDV und<br />

Internet betreut.<br />

Unseren Dank möchte ich auch dem Institut für Museumsforschung<br />

und Herrn Professor Graf als seinem Leiter aussprechen: Unter dem<br />

Dach des Instituts fühlt sich <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> optimal untergebracht,<br />

zumal die fachlichen Kontakte zum IfM wie zum Deutschen Museumsbund,<br />

der ebenfalls im Haus In der Halde 1 seine Geschäftsstelle betreibt,<br />

für unsere tägliche Arbeit so wichtig sind.<br />

Der Haushaltsplan von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für das Jahr 2008 ist über<br />

die letzten Jahre, auch in der Verteilung der Mittel auf die einzelnen<br />

Ausgabengruppen, relativ gleich geblieben: Bei den Personalausgaben<br />

sowie bei den sächlichen Verwaltungsausgaben ist der Aufwand auf<br />

das wirklich Notwendige begrenzt, denn selbstverständlich haben wir<br />

den Wunsch, dass von den verfügbaren Mitteln ein möglichst großer<br />

Betrag für die inhaltliche Arbeit bereitgestellt werden kann. So finden<br />

Sie im zweiten Teil der Haushaltsübersicht die Ausgaben für die Veranstaltungen<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und für die Beihilfen zur Förderung<br />

der Teilnahme von <strong>ICOM</strong>-Mitgliedern an Fachtagungen im In- und<br />

Ausland.<br />

Wenn Sie die Frage danach stellen, was mit Ihren Beiträgen passiert,<br />

dann sollten Sie sich der Tatsache bewusst sein, dass gut 75% der Beitragseinnahmen<br />

an den Weltverband nach Paris abgeführt werden:<br />

Derzeit ist das bei einem Mitgliedsbeitrag von 78 €, den <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

für reguläre individuelle Mitglieder erhebt, eine Abgabe von 58 €.<br />

Immer wieder wird diskutiert, ob nicht den Nationalkomitees ein größerer<br />

Anteil des Beitragsaufkommens für die Aufgaben vor Ort verbleiben<br />

sollte, so für die Veranstaltung und den Besuch von Fachtagungen<br />

im In- und Ausland, die Her ausgabe von Zeitschriften und<br />

Fach publikationen und die Pflege ei ner aktuellen und informativen<br />

Internet-Seite.<br />

Wenn <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> weltweit gesehen diese Ansprüche seiner<br />

Mitglieder sehr viel besser als die meisten Nationalkomitees erfüllen<br />

und die museumsfachlichen Anliegen auch im kulturpolitischen<br />

Bereich wirksam vertreten kann, dann gilt der Dank dafür vor allem dem<br />

Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien als unserem<br />

Zuwendungsgeber.<br />

2007 war das Jahr der Generalkonferenz, in der sich etwa 2.500 <strong>ICOM</strong>-<br />

Mitglieder vom 19. bis 24. August in Wien versammelt hatten. Damit<br />

die Anliegen und Themen unserer Mitglieder nicht im Trubel der Ereignisse<br />

des Treffens des Weltverbandes untergehen, fand noch vor<br />

dem Jahresende am 3. und 4. Dezember 2007 in München im Staatlichen<br />

Museum für Völkerkunde, dem wir für seine große Gastfreundschaft<br />

danken, eine separat ausgerichtete Jahrestagung und Mit glieder<br />

versammlung statt, bei der auch die Wahl des neuen Vorstands<br />

an stand.<br />

Inhaltliche Schwerpunkte der Jahrestagung waren die Themen<br />

„Kulturelle Vielfalt“ und „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, für die<br />

Dr. Christoph Bartmann, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Gesellschaft<br />

des Goethe-Instituts München, sowie Professor Dr. Christoph<br />

Wulf, Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Historische Anthropologie<br />

an der Freien Universität Berlin, als Referenten gewonnen werden<br />

konnten.<br />

Der zweite Tag der Begegnung in München stand im Zeichen eines<br />

Workshops, der der Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit und der<br />

Förderung des wechselseitigen Informationstransfers zwischen dem<br />

deutschen Nationalkomitee und den internationalen Komitees des<br />

Internationalen Museumsrats diente. Die Veranstaltung setzte vorangegangene<br />

Arbeitssitzungen mit den deutschen Mitgliedern in leitenden<br />

Funktionen in den internationalen Komitees fort. Erfreulich ist, dass<br />

bei den Vorstandswahlen in den internationalen Komitees in Wien 2007<br />

mehr deutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder in Vorstandspositionen gewählt worden<br />

sind als jemals zuvor: 8 Kolleginnen und Kollegen bekleiden das<br />

Amt des Präsidenten oder Vizepräsidenten, hinzu kommen zahlreiche<br />

weitere Mitglieder in der Funktion des/der Generalsekretärs/in oder<br />

des/der Schatzmeisters/in sowie sonstige Vorstandsmitglieder.<br />

Die Vorstandswahlen bei der Mitgliederversammlung entsprechen<br />

in ihrem Ergebnis dem Anliegen der Wahrung von Kontinuität bei<br />

gleichzeitiger Erneuerung. Aus dem Vorstand ist nach zwei Amtsperioden<br />

Dr. Michael Eissenhauer, Präsident des Deutschen Museumsbundes,<br />

ausgeschieden, und Udo Gößwald, Präsident von <strong>ICOM</strong> Europe,<br />

entschied sich im Hinblick auf seine zahlreichen Verpflichtungen,<br />

nicht mehr für den Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu kandidieren.<br />

Wir danken den 2008 ausgeschiedenen Kollegen, zu denen auch Rainer<br />

Hofmann, Leiter des Fränkische Schweiz Museums in Tüchersfeld/Oberfranken<br />

gehört, für ihre engagierte Mitarbeit im Vorstand sowie für ihre<br />

Anregungen und Impulse, die in die Projekte und Aktivitäten von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit eingeflossen sind.<br />

28 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Rückblick<br />

Der neue Vorstand wurde Ihnen bereits durch einen Newsletter und<br />

in unseren MITTEILUNGEN vorgestellt: Wir freuen uns über die Mitarbeit<br />

von Professor Dr. Lothar Jordan, wissenschaftlicher Leiter des Kleist-<br />

Museums in Frankfurt/Oder und Präsident des Internationalen Komitees<br />

der Literaturmuseen (ICLM), von Dr. Klaus Weschenfelder, Direktor<br />

der Kunstsammlungen der Veste Coburg, sowie von Dr. Gerhard Winter,<br />

Leiter der Museumspädagogik am Museum Senckenberg in Frankfurt/<br />

Main und Präsident des Internationalen Komitees der Naturmuseen<br />

(NATHIST). In ihrem Amt wurden Dr. York Langenstein, Frau Professor<br />

Dr. Rosmarie Beier-de Haan, Dr. Christoph Lind und Frau Dr. Anette<br />

Rein für eine zweite Wahlperiode bestätigt. So lässt sich im neu konstituierten<br />

Vorstand insbesondere auch ein Zuwachs an Kompetenz und<br />

Erfahrung im Bereich der Zusammenarbeit mit den internationalen<br />

Komitees feststellen.<br />

Ein Anliegen des neuen Vorstandes ist es auch, die Reform des Advisory<br />

Committee und einer Optimierung der Zusammenarbeit in den<br />

Gremien des Weltverbandes zu unterstützen. Dieses Thema war einer<br />

der Schwerpunkte der Diskussion der im Advisory Committee vertretenen<br />

Nationalkomitees und internationalen Komitees beim letzten<br />

Treffen in Paris vom 2.–4. Juni 2008. Es wurde auch bei der gleichzeitig<br />

abgehaltenen Generalversammlung erörtert, die entsprechend den<br />

Beschlüssen bei der Generalkonferenz nun alljährlich stattfinden wird<br />

und 2008 erstmals auch in den Jahren zwischen den Generalkonferenzen<br />

durchgeführt wurde.<br />

In den separaten Sitzungen der Nationalkomitees und der internationalen<br />

Komitees wurden York Langenstein, Präsident von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>, und Marie-Paule Jungblut, Präsidentin des Internationalen<br />

Komitees der archäologischen und historischen Museen (ICMAH),<br />

zu den Sprechern der Nationalkomitees bzw. der internationalen Komitees<br />

gewählt. In einer Arbeitsgruppe mit Knut Wik als dem Präsidenten<br />

des Advisory Committee sind sie damit betraut, im Prozess ei ner<br />

Reform des Advisory Committee und seiner Zusammenarbeit mit den<br />

leitenden Organen von <strong>ICOM</strong> die Interessen der von ihnen vertretenen<br />

Komitees einzubringen.<br />

Ganz oben auf der Tagesordnung stand die Aussprache über den<br />

schleppenden Prozess der Berufung eines neuen Generaldirektors, der<br />

nun endlich nach einem schwierigen Auswahlverfahren die Leitung<br />

des Sekretariats am 1. Oktober 2008 übernommen hat: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

hat Julien Anfruns, bisher tätig am Louvre in Paris, Erfolg und eine<br />

glückliche Hand gewünscht. Es ist zu hoffen, dass die notwendigen<br />

Verbesserungen der Kooperation zwischen dem Generalsekretariat einerseits<br />

und den nationalen wie internationalen Komitees andererseits<br />

nun bald den Arbeitsalltag erleichtern werden.<br />

Der Verbesserung der Kommunikation zwischen den Komitees und<br />

der Zentrale in Paris soll auch die Inbetriebnahme der geplanten neuen<br />

Datenbank für die Mitgliederverwaltung dienen, die sich derzeit in<br />

der Erprobungsphase befindet. Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat sich in<br />

der Testphase mit den Rahmenbedingungen für die Anwendung befasst<br />

und auf Probleme hingewiesen, die für den Einsatz in der Praxis<br />

noch zu lösen sind. Dazu gehören auch die Möglichkeit eines problemlosen<br />

Datenaustauschs mit den Datenbanken bei den einzelnen<br />

Nationalkomitees sowie eine möglichst effiziente und unbürokratische<br />

Gestaltung des Verfahrens zur Mitgliederaufnahme und Verwaltung.<br />

Von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wurde erneut eine Überprüfung der weiteren<br />

Unterstützung von <strong>ICOM</strong> für die Entwicklung der Top-Level-<br />

Domain dot.museum angemahnt. Es wurde zugesagt, dass die finanziellen<br />

Zuwendungen eingestellt werden sollen, wenn nicht bis Ende<br />

Juli 2008 von den Verantwortlichen ein überzeugendes Konzept vorgelegt<br />

werden sollte. Allerdings liegt dieses Konzept offensichtlich bis<br />

heute nicht vor: Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Nachfrage beim<br />

Generalsekretariat in Paris. Wir werden aber an diesem Punkt nicht<br />

locker lassen und ihn erneut auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung<br />

des Advisory Committee setzen.<br />

Im Zusammenhang mit dem Anliegen einer Verbesserung der Kommunikation<br />

innerhalb des Advisory Committee wurde auch die Einrichtung<br />

einer Informationsplattform angeregt, die einen unkomplizierten<br />

und übersichtlichen Austausch zwischen dem Präsidenten und<br />

den Mitgliedern des Advisory Committee ermöglicht, so etwa auch<br />

bei der Vorbereitung der Versammlung des Advisory Committee oder<br />

auch bei der Vermittlung von wichtigen Nachrichten aus dem Generalsekretariat<br />

oder vom Executive Council.<br />

Als wünschenswert wurde auch eine zeitgemäße Neukonzeption<br />

der Website von <strong>ICOM</strong> mit differenzierteren Informationen über die<br />

einzelnen Komitees und einfacheren Kontaktmöglichkeiten herausgestellt.<br />

Diese hier aufgeführten Schritte zur Verbesserung der Kommunikation<br />

sollen auch dazu beitragen, dass sich die Komitees effektiver in den<br />

Prozess der Weiterentwicklung des Strategic Plan von <strong>ICOM</strong> einbringen<br />

können.<br />

Die lebhafte Diskussion über die nächsten Schritte zu einer Umsetzung<br />

der Reformvorschläge für die Zusammenarbeit innerhalb des<br />

Advisory Committee wie auch mit den Gremien des Weltverbandes<br />

und mit dem Generalsekretariat setzte bei den gerade angesprochenen<br />

Forderungen nach einer Verbesserung der Kommunikation<br />

einen Schwerpunkt, aber es ging auch ganz allgemein um eine stärkere<br />

Einbindung des Advisory Committee in die Entscheidungen des<br />

Weltverbandes als Schritt zu einer „Demokratisierung“. Dabei wurde<br />

vor allem auch die Beteiligung an Entscheidungen von größerer finanzieller<br />

Tragweite angesprochen, und zwar auch im Hinblick auf die<br />

Rückwirkung auf eventuelle Beitragserhöhungen.<br />

Bei der Diskussion des Haushalts wurden übrigens die zunächst<br />

vorgesehenen Beitragserhöhungen für <strong>2009</strong> und 2010 zurückgenommen,<br />

was nicht zuletzt auch als Reaktion auf die kritischen Fragen von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu einzelnen Haushaltspositionen zu verstehen ist.<br />

Aus der Sitzung der Generalversammlung, die sich auch mit den<br />

aus dem Diskussionsprozess im Advisory Committee ergebenden Forderungen<br />

befasste, soll hier nur der Beschluss für das Motto des Internationalen<br />

Museumstags <strong>2009</strong> herausgegriffen werden: Einer Anregung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> folgend lautet das Motto „Museums and<br />

Tourism“. Wir freuen uns darüber, dass der IMT <strong>2009</strong>, der in <strong>Deutschland</strong><br />

am 17. Mai gefeiert werden wird, nun unter das gleiche Generalthema<br />

gestellt wird wie unsere Jahrestagung <strong>2009</strong>, die wir im kommenden<br />

Jahr wieder im Rahmen der traditionellen, alle drei Jahre<br />

stattfindenden Bodensee-Symposien in Lindau als Gemeinschaftsveranstaltung<br />

mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz ausrichten werden.<br />

Hans-Martin Hinz, der die deutschen und europäischen Interessen<br />

als Mitglied des Executive Council vertritt, hat für den Executive<br />

Council eine gemeinsam mit dem Weltverband der Freunde der Museen<br />

ins Leben gerufene Arbeitsgruppe zum Thema Sustainable Cultural<br />

Tourism geleitet. Das von beiden Vorständen verabschiedete<br />

Memorandum, das auch den Vorschlag einer „Charta mit Empfehlungen<br />

für Museen und den Kulturtourismus“ enthält, ist in die Homepage<br />

des Weltverbands eingestellt worden und dort unter „International<br />

Museum Day <strong>2009</strong>“ aufzurufen.<br />

Die Generalkonferenz in Wien mit <strong>ICOM</strong> Österreich als Gastgeber<br />

gab auch Gelegenheit zu einem Arbeitstreffen der Vorsitzenden der<br />

acht mittel- und osteuropäischen Nationalkomitees, die in der regionalen<br />

Arbeitsgruppe CE<strong>ICOM</strong> vertreten sind. Ich möchte nicht auf<br />

einzelne Punkte der Tagesordnung eingehen, zumal das Protokoll<br />

auf der von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> betreuten Homepage von CE<strong>ICOM</strong><br />

(www.ceicom-icom.org) nachzulesen ist. Zentrale Themen des fachlichen<br />

Austauschs waren die Vermittlung gemeinsamer professionel-<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 29


Rückblick<br />

ler und ethischer Standards im Anschluss an die in <strong>Deutschland</strong> vom<br />

Deutschen Museumsbund in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

herausgegebenen „Standards für Museen“, aber auch die Vertretung<br />

der europäischen Interessen im Weltverband.<br />

Nach dem Bericht über die „Außenpolitik“ nun zu den Themen der<br />

„Innenpolitik“. Wir hatten schon in der letzten Wahlperiode das Ziel<br />

verfolgt, in unserer Arbeit einerseits die grenzübergreifenden Kontakte<br />

durch gemeinsame Veranstaltungen mit Nationalkomitees in anderen<br />

Ländern zu fördern: Unsere Tagung im Amsterdam schließt sich insoweit<br />

nahtlos an die Auslandstagungen der letzten Jahre an. Andererseits<br />

ging es um eine stärker inhaltliche Ausrichtung, nicht zuletzt<br />

auch im Zusammenhang mit aktuellen kulturpolitischen Entwicklungen:<br />

Ich erinnere beispielsweise an den Prozess des Beitritts der Bundesrepublik<br />

<strong>Deutschland</strong> zur UNESCO-Konvention zum Schutz und<br />

zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sowie zum weiteren<br />

UNESCO-Übereinkommen zum Kulturgüterschutz und zur Unterbindung<br />

des illegalen Handels mit Kulturgütern, in den sich <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> aktiv mit eingebracht hat.<br />

Diese Themen haben wir auch im laufenden Berichtsjahr weiterverfolgt,<br />

so beispielsweise durch die Teilnahme an Fachtagungen wie<br />

etwa der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechts- und Steuerfragen des<br />

Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz am 21./22. April in<br />

Schwerin, die sich mit dem Übereinkommen über Maßnahmen zum<br />

Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und<br />

Übereignung von Kulturgut befasste. Dabei geht es auch um den Aufbau<br />

eines Netzwerks mit jenen Institutionen und Verbänden, denen<br />

sich <strong>ICOM</strong> im Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern verbunden<br />

sieht.<br />

Weiterhin ist <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> beratend einbezogen in den Themenkreis<br />

Kulturgutverluste, Provenienzforschung, Restitution. Der<br />

Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wurde in eine Arbeitsgruppe berufen,<br />

die die Tätigkeit der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in<br />

Magdeburg evaluiert. Die Magdeburger Koordinierungsstelle ist die<br />

zentrale Institution für die Erfassung, Dokumentation und Publikation<br />

von Fällen der „Beutekunst“ – also „kriegsbedingt verbrachter Kulturgüter“<br />

wie beispielweise der Bestände aus deutschen Museen, Bibliotheken<br />

und Archiven, die sich heute in Russland befinden, aber auch<br />

„verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter“ mit dem Schwerpunkt<br />

von Beständen aus ehemaligen jüdischen Sammlungen, die in der<br />

Zeit des Dritten Reichs beschlagnahmt oder abgepresst wurden und<br />

später in Museen gelangten.<br />

…<br />

Vollständige Fassung des Tätigkeitsberichtes:<br />

www.icom-deutschland.de<br />

York Langenstein<br />

Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Protokoll der Mitgliederversammlung 2008 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

11. Oktober 2008<br />

Reinwardt Academie, Dapperstraat 315,<br />

1093 BS Amsterdam, Niederlande<br />

Beginn der Mitgliederversammlung: 13:10 Uhr<br />

Anwesende Mitglieder: 40<br />

Der Vorstand ist mit Ausnahme von Prof. Dr. Rosmarie Beier-de Haan<br />

und Dr. Klaus Weschenfelder (beide entschuldigt) vollzählig anwesend.<br />

Der Präsident, Dr. York Langenstein, stellt fest, dass das erforderliche<br />

Quorum für eine Mitgliederversammlung nicht erreicht ist, und schließt<br />

die Sitzung. Gemäß § 4 (Absatz 3) der Geschäftsordnung von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> beruft der Präsident formlos eine neue Mitgliederversammlung<br />

ein, die um 13:15 Uhr eröffnet wird. Die satzungsmäßige<br />

Beschlussfähigkeit ist gegeben.<br />

Billigung der Tagesordnung und Benennung der Protokollführung<br />

Die vorliegende und den Mitgliedern rechtzeitig mit der Einladung<br />

übermittelte Tagesordnung wird einstimmig gebilligt. Ergänzungen<br />

zur Tagungsordnung werden nicht gewünscht. Als Protokollführer<br />

wird das Vorstandsmitglied Dr. Gerhard Winter benannt.<br />

Tätigkeitsbericht des Präsidenten, Vorstellung des Haushalts und<br />

Aussprache<br />

Der Präsident gibt einen Überblick über die Aktivitäten von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> für den Zeitraum seit der letzten Mitgliederversammlung<br />

in München (3.12.2007).<br />

An Hand einer Powerpoint Präsentation wird die Mitgliederentwicklung<br />

aufgezeigt: 274 neue und 28 reaktivierte Mitglieder, insgesamt<br />

3686 Mitglieder für 2008. In einer Schweigeminute wird jener vier<br />

Mitglieder gedacht, die im Berichtsraum verstorben sind: Dr. Sabine<br />

Fehlemann, Prof. Dr. Dietrich Kötzsche, Prof. Dr. Kurt Krieger, Dr. Sigrid<br />

Randa-Campani.<br />

Der Präsident informiert darüber, dass sich bei der Prüfung des<br />

Haushalts 2007 durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur<br />

und Medien als Zuwendungsgeber keinerlei Beanstandungen ergaben.<br />

Er dankt den Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle.<br />

Der Haushaltsplan von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für das Jahr 2008 wird<br />

mit seinen Einnahmen und Ausgaben vorgestellt. Es wird festgestellt,<br />

dass die Verteilung der Mittel auf die einzelnen Ausgabengruppen<br />

über die letzten Jahre relativ gleich geblieben ist.<br />

Bei den Personalausgaben sowie bei den sächlichen Verwaltungsausgaben<br />

ist der Aufwand auf das wirklich Notwendige begrenzt, so<br />

dass von den verfügbaren Mitteln ein möglichst großer Betrag für die<br />

inhaltliche Arbeit bereitgestellt werden kann. Der Mitgliedsbeitrag<br />

wird insbesondere für die Betreuung und für die Information der Mitglieder<br />

(Betrieb der Geschäftsstelle mit Sachausgaben, <strong>Mitteilungen</strong><br />

und andere Publikationen, Homepage), für die Durchführung<br />

von Tagungen und Mitgliederversammlungen sowie für Reisebeihilfen<br />

zur Teilnahme an <strong>ICOM</strong>-Aktivitäten im Ausland und schließlich für<br />

Kooperationsprojekte mit anderen Komitees von <strong>ICOM</strong> (z. B. <strong>ICOM</strong> Europe<br />

oder CE<strong>ICOM</strong>) sowie für die Vertretung im Executive Council,<br />

Advisory Committe und in internationalen Komitees eingesetzt. Die<br />

2008 an die <strong>ICOM</strong>-Zentrale abzuführenden Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen<br />

betragen ca. 232.650 €.<br />

Es gibt zwei Nachfragen zum Haushaltsplan 2008:<br />

• Nachfrage (Dr. Andreas Braun) zur Höhe und Verwendung des jährlichen<br />

Betrags, der nach Paris abgeführt wird. Der Präsident erläutert,<br />

dass dieser Betrag für die Organisation und die Aktivitäten von<br />

30 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Rückblick<br />

<strong>ICOM</strong> als Weltverband (Sekretariat und Mitgliederverwaltung mit<br />

Datenbank, Raummiete, Tagungen und Sitzungen der Gremien von<br />

<strong>ICOM</strong>, Öffentlichkeitsarbeit, u. a. <strong>ICOM</strong>-News und Homepage, Zuwen<br />

dungen für Tagungen und Projekte der internationalen Komitees,<br />

Portokosten u. a. für den Versand der <strong>ICOM</strong>-News an rund<br />

27.000 Mitglieder, u. a. m.) verausgabt wird. Eine Erhöhung des abzuführenden<br />

Mitgliedsbeitrags konnte nicht zuletzt dank der Aktivitäten<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> im Advisory Committee in den letzten<br />

Jahren verhindert werden.<br />

• Nachfrage zur Sponsorensuche für Projekte. Der Präsident erläutert,<br />

dass projektbezogen Sponsoren angefragt werden; für die Tagung<br />

in Amsterdam konnten drei Förderer gewonnen werden.<br />

Der Präsident führt in seinem Bericht zur Zusammenarbeit von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> und den internationalen Komitees (ICs) weiter aus, dass<br />

• an der Generalkonferenz 2007 in Wien rund 70 Mitglieder aus<br />

<strong>Deutschland</strong> teilnahmen. Erfreulich ist, dass in Wien mehr Vertreter<br />

aus <strong>Deutschland</strong> in ICs gewählt wurden als je zuvor.<br />

• bei der Mitgliederversammlung in München etwa 120 Mitglieder<br />

anwesend waren. Als Teil der verstärkten Aktivitäten zur Intensivierung<br />

der Zusammenarbeit zwischen <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und den<br />

ICs wurde am zweiten Tag die Arbeit von fünf ICs vorgestellt.<br />

Die Vorstandswahlen während der Mitgliederversammlung in München<br />

standen unter dem Motto „Kontinuität“ und „Verjüngung“: Drei<br />

Mitglieder wurden im Amt bestätigt, drei neue dazugewählt. Die anwesenden<br />

Mitglieder des Vorstands stellen sich vor (Prof. Dr. Lothar<br />

Jordan, Dr. Christoph Lind, Dr. Anette Rein, Dr. Gerhard Winter). Die<br />

beiden fehlenden Mitglieder (Dr. Klaus Weschenfelder, Prof. Dr. Rosmarie<br />

Beier-de Haan) werden vom Präsidenten vorgestellt.<br />

Anschließend geht der Präsident auf die Entwicklung des Weltverbands<br />

im Berichtszeitraum ein.<br />

• Wichtige Kernanliegen im Leitbild von <strong>ICOM</strong> wie „Transparency“<br />

und „Inclusivness“ sind bislang weitgehend Schlagworte, die noch<br />

mit Inhalten gefüllt werden müssen.<br />

• Die Kommunikationsbasis muss gestärkt werden: Besonders dringlich<br />

erscheinen die Inbetriebnahme einer zeitgemäßen Anforderungen<br />

entsprechenden Mitglieder-Datenbank sowie einer grundlegend<br />

überarbeiteten <strong>ICOM</strong>-Homepage.<br />

• Die jährlichen Sitzungen des Advisory Committee von <strong>ICOM</strong> müssen<br />

demokratischer gestaltet werden.<br />

• Die von <strong>ICOM</strong> unterstützte Top-Level-Domain dot.museum ist in ihrem<br />

Konzept überholt und entspricht nicht mehr heutigen Benutzergewohnheiten<br />

und Recherchemöglichkeiten. Die finanzielle Förderung<br />

sollte deshalb eingestellt werden.<br />

• Entscheidungsprozesse sind oft sehr langwierig, wie z. B. die Berufung<br />

des neuen „Director General“.<br />

Als Thema des Internationalen Museumstags <strong>2009</strong> wurde von der<br />

Generalversammlung das Motto „Museen und Tourismus“ beschlossen.<br />

Auch die Bodensee-Konferenz <strong>2009</strong> in Lindau wird dieses Thema<br />

aufgreifen.<br />

Als Schwerpunkte der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> werden herausgestellt:<br />

• Jahrestagungen im Ausland als Kooperationsprojekte mit den jeweiligen<br />

Nationalkomitees.<br />

• Verstärktes Engagement von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Bereichen der<br />

Provenienzforschung und des Aufbaus eines Netzwerks zur Integration<br />

im Museum.<br />

Geplante Publikationen:<br />

• „Museumsberufe – Eine europäische Empfehlung“, herausgegeben<br />

vom Deutschen Museumsbund in Kooperation mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

und ICTOP.<br />

• „Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung –<br />

Lernen im Museum“, Publikation zur „dritten Tagung der Wissenschaftsmuseen<br />

im deutsch-französischen Dialog“, herausgegeben<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> in Kooperation mit <strong>ICOM</strong> Frankreich und dem<br />

Deutschen Technikmuseum Berlin.<br />

Weitere Aktivitäten:<br />

• Jahrestagung des Internationalen Komitees für ägyptische und Sudanesische<br />

Sammlungen (CIPEG) vom 6. bis 8. September 2008 in<br />

Hannover und Hildesheim.<br />

• Informationsveranstaltung von <strong>ICOM</strong> Europe und <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

über die vom Erdbeben in der Provinz Sichuan in China beschädigten<br />

Kulturgüter am 31. August 2008 im Deutschen Historischen<br />

Museum in Berlin mit anschließendem Benefizkonzert. Die<br />

eingegangenen Einnahmen und Spenden werden für Hilfsprojekte<br />

bereitgestellt, die mit <strong>ICOM</strong> China abgestimmt werden.<br />

Der Präsident dankt den Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle und<br />

den Mitgliedern von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für ihre aktive Teilnahme und<br />

Unterstützung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

Genehmigung des Jahresberichts und Entlastung des Vorstands<br />

Der Jahresbericht des Präsidenten wird einstimmig genehmigt und<br />

der Vorstand entlastet, bei Enthaltung des Vorstands.<br />

Änderung der Geschäftsordnung<br />

Der Vorstand schlägt der Mitgliederversammlung vor, § 4 der Geschäftsordnung<br />

des Deutschen Nationalkomitees des Internationalen<br />

Museumsrates <strong>ICOM</strong> vom 20. Oktober 1990 in seinen beiden letzten<br />

Absätzen wie folgt zu ändern und zu ergänzen:<br />

„Alle individuellen Mitglieder und die schriftlich designierten Repräsentanten<br />

von institutionellen Mitgliedern des Nationalkomitees<br />

haben gleiches Stimmrecht und aktives Wahlrecht (Art. 12 Abs. 1). Fördernde<br />

und Ehren-Mitglieder sind nicht wahlberechtigt und können<br />

kein <strong>ICOM</strong>-Amt ausüben (Art. 11 Abs. 4 und 5, Art. 12 Abs. 5).<br />

Vorstandswahlen in der Mitgliederversammlung sind schriftlich und geheim<br />

durchzuführen. Präsident/in und Vorstandsmitglieder werden in<br />

getrennten Wahlgängen gewählt. Wählbar ist jedes individuelle Mitglied<br />

nach § 2 im aktiven Dienst.“<br />

Als Grund für die geplante Änderung führt Herr Dr. Langenstein an,<br />

dass nur persönliche Mitglieder wählbar sein sollten, da eine persönliche<br />

Mitgliedschaft als Kriterium der für eine Vorstandstätigkeit erforderlichen<br />

Identifikation mit den Zielen und Aufgaben von <strong>ICOM</strong> zu<br />

sehen ist.<br />

Die Änderung der Geschäftsordnung wird bei Anwesenheit von 40<br />

zur Stimmabgabe berechtigten Mitgliedern, die insgesamt 43 Stimmen<br />

vereinen, mit 35 Ja-Stimmen, 8 Enthaltungen und 0 Gegenstimmen<br />

angenommen.<br />

Verschiedenes<br />

Es wird von einem Mitglied angeregt, die Homepage von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> mit anderen Webseiten noch intensiver zu verlinken, um<br />

noch wirksamer auf Veranstaltungen von <strong>ICOM</strong> hinzuweisen.<br />

Der Präsident schließt die außerordentliche Mitgliederversammlung<br />

um 14:17 Uhr.<br />

Frankfurt am Main, 12. Oktober 2008<br />

gez. Dr. Gerhard Winter, Protokollführer<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 31


Internationale Komitees<br />

El Mat’haf – Archäologisches Museum des privaten Sammlers Jawdat Khoudary in Sudaniyah: Während der Kriegshandlungen im Januar<br />

<strong>2009</strong> wurde das Museum teilweise beschädigt – die Fenster und mehrere Schaukästen sowie zwölf Amphoren gingen zu Bruch.<br />

Krisenhilfe in Gaza<br />

<strong>ICOM</strong> setzt sich für die durch Kriegshandlungen bedrohten Kulturstätten ein<br />

Thomas Schuler<br />

Die größte Gefahr für Museen geht von Kriegen und Naturkatastrophen<br />

aus. Damit das Ausmaß der Schäden möglichst schnell<br />

dokumentiert wird und Museen als Schatzkammern der Menschheit<br />

auch nach Kriegen und Katastrophen eine Zukunft haben,<br />

ist der <strong>ICOM</strong>-Krisenstab weltweit immer häufiger im Einsatz. So<br />

überwachte er seit dem Ausbruch des Gaza-Konfliktes dessen<br />

Auswirkungen auf die dortigen Museen. Nach aktueller Ein schä t-<br />

zung sind keine substantiellen Schäden entstanden, so dass für<br />

die Reparaturarbeiten voraussichtlich keine ausländische Hilfe<br />

nö tig sein wird.<br />

Wenn wir Gaza-Streifen hören, dann denken wir an Krieg,<br />

Flüchtlingslager und Not. Aber über all dem haben unsere Massenmedien<br />

zu berichten vergessen, dass das Gaza eine Schnittstelle<br />

zahlreicher Zivilisationen war. An diesem Küstenstreifen<br />

haben Pharaonen, Assyrer, Perser, Phönizier, Griechen, Nabatäer,<br />

Römer, Byzanz und Islam ihre Spuren hinterlassen – wenn<br />

auch heute oft unterirdisch. Der Hafen von Gaza war jahrhundertelang<br />

einer der wichtigen Endpunkte der arabischen Karawanenrouten<br />

(„Weihrauchstraße“), und hier wurde der Messwein<br />

aus Palästina ins mittelalterliche Europa verschifft. Die<br />

Wüstenstadt Petra gilt als traumhaftes Reiseziel – aber Gaza<br />

als die dazugehörige Hafenstadt liegt außerhalb unseres kulturhistorischen<br />

Horizontes.<br />

Natürlich haben Krieg und Elend die Arbeit und Existenz<br />

der Museen im Gaza-Streifen bedroht. 1998 waren noch zehn<br />

Museen aufgelistet, 2002 noch fünf. 2007 war nur noch eines<br />

davon in Betrieb; eine Ausstellung zur bedeutenden Karawanserai<br />

von Khan Younis.<br />

Doch es gilt auch von einem ermutigenden Neuansatz zu berichten:<br />

Jawdat N. Khoudary, ein bedeutender Bauunternehmer<br />

in Gaza, hat vor über zwanzig Jahren seine Liebe zu ar­<br />

32 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

chäologischen Funden entdeckt. Seither wies er seine Arbeiter<br />

an, beim Abriss von alten Häusern wie auch beim Ausheben<br />

von Baugruben alle Funde bei ihm abzuliefern, und er akzeptierte<br />

die so verursachten Verzögerungen.<br />

Ein weiterer günstiger Umstand war, dass sich das Stadtmuseum<br />

von Genf seit langem der Archäologie in Gaza als Forschungsschwerpunkt<br />

verschrieben hat. Als dessen Kuratoren<br />

Marc-André Haldimann und Marielle Martiniani-Reber vor<br />

einigen Jahren die Schätze dieses passionierten Sammlers zu<br />

sehen bekamen, war ihnen sofort das Potential klar. So wurde<br />

2006 das Projekt eines neuen „Archäologischen Museums von<br />

Gaza“ im Bereich des antiken Hafens gestartet, das von der<br />

Palästinensischen Autonomiebehörde getragen und von der<br />

UNESCO unterstützt wird. Doch der Zwist innerhalb Palästinas<br />

behinderte die Realisierung dieses ambitionierten Projekts.<br />

Jawdat Khoudary ergriff daher die Initiative und errichtete im<br />

Vorgriff ein, ebenfalls im antiken Hafenbereich gelegenes, privates<br />

Museum, das mit 280 Quadratmetern Ausstellungsfläche<br />

im August 2008 eröffnet wurde. Er nannte es El Mat’haf (arabisch:<br />

Museum), denn „die Leute hier hören dieses Wort nicht.<br />

Ich aber möchte, dass es zum Wortschatz gehört“.<br />

Als die Luftangriffe auf Gaza begannen, mailte Marc-André<br />

Haldimann die Koordinaten des Museums wie auch des Hauptmagazins<br />

von Jawdat Khoudary den israelischen Behörden mit<br />

der Aufforderung, diese Gebäude im Sinne der Haager Konvention<br />

für Kulturgutschutz zu verschonen.<br />

Unser <strong>ICOM</strong>-Krisenstab hat sich zunächst ein genaues Bild<br />

über die Situation der Museen in Gaza verschafft und dann<br />

die Kontakte zu Jawdat Khoudary, dem Genfer Stadtmuseum<br />

und dem zuständigen UNESCO-Büro in Ramallah hergestellt.<br />

Da wir in „unserem ersten Krieg“ in Georgien einige Erfahrungen<br />

gesammelt hatten, konnten wir schnell und professionell<br />

reagieren. Auch bei diesem Krieg war uns UNOSAT eine<br />

entscheidende Hilfe: Im Auftrag der UNO werden nämlich in<br />

Genf, im europäischen Forschungsinstitut CERN, Satellitenaufnahmen<br />

der bombardierten Gebiete mit derselben Professionalität<br />

ausgewertet, wie dies die militärischen Dienststellen<br />

zu tun pflegen. Erstmals beim Georgien-Krieg – und nun in<br />

Gaza noch schneller und besser – waren unabhängige Luftbild-<br />

Auswertungen der Bombenschäden per Internet verfügbar<br />

(unosat.web.cern.ch/unosat/asp/prod_free.asp?id=120).<br />

Das neue Museum im Norden von Gaza litt unter den Bomben-Druckwellen:<br />

Die Fenster und Türen wurden zerstört; einige<br />

Glasvitrinen und Informationstafeln beschädigt. Eine Granate<br />

traf direkt den Veranstaltungsraum. Doch entscheidend<br />

war, dass die israelische Panzerfront zweihundert Meter vor<br />

dem Museum und dem Hauptdepot stoppte. Ist dies den übermittelten<br />

Koordinaten oder einem glücklichen Zufall zu verdanken?<br />

Unser Fazit ist ebenso überraschend wie erfreulich: Die Schäden<br />

am Gebäude und an den Einrichtungsgegenständen werden<br />

vom Bauunternehmer Khoudary umgehend behoben. Die<br />

zwölf zerbrochenen Amphoren sind restaurierbar; da das Museum<br />

über eine in Genf und im Louvre ausgebildete Restauratorin<br />

verfügt, kann dies intern geleistet werden.<br />

Auch in der Katastrophenhilfe gibt es neben viel Bedrückendem<br />

hin und wieder kleine Lichtblicke. Als ich am 8. Januar<br />

nach schwieriger Informationsbeschaffung und voller Sorgen<br />

unsere erste „Gaza Watch List“ veröffentlichte, hätte ich<br />

mir nicht träumen lassen, dass das einzige größere Museum<br />

und der Sammlungsbestand des künftigen „staatlichen“ Museums<br />

weitgehend intakt bleiben würden, und dass die Schäden<br />

aus eigener Kraft rasch zu beheben sein würden. Für unsere<br />

<strong>ICOM</strong> Task Force ist es jedenfalls eine große Freude, wenn wir<br />

nicht tätig werden müssen, weil es einen starken Museumsträger,<br />

ein kompetentes Museumsteam und ein engagiertes Partnermuseum<br />

gibt.<br />

Thomas Schuler, Chair von <strong>ICOM</strong> Disaster Relief for Museums Task<br />

Force; Th.Schuler@t-online.de<br />

Der <strong>ICOM</strong>-Krisenstab ist weltweit immer häufiger im Einsatz, besonders stark war er im Frühjahr und Sommer des Jahres 2008 gefordert:<br />

Zyklon in Myanmar: Nach einer extrem schwierigen Informationsbeschaffung<br />

konnten wir erfreut feststellen, dass keines der<br />

zwanzig Museen im betroffenen Gebiet ernsthaft beschädigt worden<br />

ist. (icom.museum/disaster_relief/myanmar2.html)<br />

Erdbeben in Sichuan: Hier ist bis heute die Informationslage<br />

schwierig. Von den 28 Museen, die hundert Kilometer vom Epizentrum<br />

entfernt liegen, ist eines komplett vernichtet und zwei<br />

sind sehr stark betroffen; mindestens sieben Museen wur den<br />

beschädigt. Die Unterstützung durch <strong>ICOM</strong> wurde von den<br />

chinesischen Kollegen zwar sehr willkommen geheißen, bisher<br />

aber nicht konkret angefordert.<br />

(icom.museum/disaster_relief/china.html)<br />

Krieg in Georgien: Während und nach dem Georgien-Krieg<br />

hatten wir insbesondere Sorge um zwölf Museen. Mindestens<br />

drei, die sich direkt in der Kampfzone befinden, wurden stark<br />

beschädigt. Weitere vier sind unter ständiger Beobachtung, fünf<br />

Museen konnten wir unterdessen aus der Beobachtungsliste<br />

streichen, da sie nur gering betroffen waren.<br />

(drfm.info/georgia)<br />

Hurrikan-Saison: Die Museen in der Karibik sind – außer in<br />

Haiti und Kuba – relativ glimpflich davongekommen, was z. B.<br />

beim Nationalmuseum von Turcs and Caicos an ein Wunder<br />

grenzt. In Texas wurden fünf Museen mittelschwer, 19 Museen<br />

leichter beschädigt.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 33


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Die internationalen Komitees<br />

stellen sich vor<br />

Die inhaltliche Arbeit von <strong>ICOM</strong> findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Inzwischen gibt es dreißig verschiedene<br />

International Committees, die selbstständig arbeiten und durch einen Präsidenten, einen Sekretär und einen Vorstand<br />

vertreten sind. Die Komitees widmen sich den speziellen Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps<br />

oder einer speziellen museumsfachlichen Disziplin.<br />

Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung seitens deutscher <strong>ICOM</strong>-Mitglieder in den International Committees.<br />

Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> begrüßt ihr Engagement sehr. Voraussetzung für die Aufnahme in ein internationales Komitee ist<br />

eine individuelle oder institutionelle Mitgliedschaft bei <strong>ICOM</strong>. Weitere Informationen zum Beitritt zu einem der internationalen<br />

Komitees finden Sie auf unserer Webseite www.icom-deutschland.de.<br />

In dieser Ausgabe berichten über ihre Arbeit:<br />

• ICLM – International Committee for Literary Museums<br />

• NATHIST – International Committee for Museums and Collections of Natural History<br />

• GLASS – International Committee for Museums and Collections of Glass<br />

• <strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation<br />

• CIPEG – International Committee for Egyptian and Sudanese Collections<br />

• ICR – International Committee for Regional Museums<br />

• ICMS – International Committee on Museum Security<br />

• CECA – International Committee for Education and Cultural Action<br />

• ICTOP – International Committee for the Training of Personnel<br />

• ICME – International Committee for Museums and Collections of Ethnography<br />

• CIDOC – International Committee of Documentation<br />

• IC MEMO – International Committee of Memorial Museums for<br />

the Remembrance of Victims of Public Crimes<br />

• <strong>ICOM</strong>ON – International Committee of Money and Banking Museums<br />

34 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

International Committee<br />

for Literary Museums – ICLM<br />

ICLM wurde 1977 in Leningrad gegründet, 1978 fand die erste<br />

Jahrestagung in Weimar statt. ICLM hat in Tagungen und<br />

Veröffentlichungen durch die Zeiten des Kalten Krieges hindurch<br />

Ost und West verbunden. In dieser Zeit ist das bis heute<br />

ICLM prägende Bewusstsein entstanden, dass sich die erfolgreiche<br />

Arbeit einer solchen Plattform der Begegnung und der<br />

Kooperation weniger auf Statuten, sondern mehr auf die Verbindung<br />

von Professionalität und Freundschaftlichkeit stützen<br />

muss, wenn sie erfolgreich sein will. Es ist diese Atmosphäre,<br />

die ICLM bis heute auszeichnet. Sie wird seit einigen Jahren<br />

konzentriert um die Absicht ergänzt, die strategischen Ziele<br />

<strong>ICOM</strong>s aktiv mitzuverfolgen, auch in Verbindung mit anderen<br />

Fachkomitees und Gremien, aber auch mit einem starken Nationalkomitee<br />

wie <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

ICLM hat 150 Mitglieder (Russland ist entsprechend der<br />

großen Bedeutung, die Literatur und Literaturmuseen dort haben,<br />

stark vertreten), davon nur zwanzig außerhalb Europas.<br />

Diese zahlenmäßige Stärke europäischer Mitglieder hat wohl<br />

nicht nur mit der Geschichte von ICLM zu tun, die Wolfgang<br />

Barthel in den Tagungsakten der Jahrestagung 2007 skizziert<br />

hat, sondern mit den besonderen Traditionen einer spezialisierten<br />

Museumsform wie der des Literaturmuseums. Vertreten<br />

sind authentische Dichterhäuser und Memorialstätten – in<br />

diesen Fällen können sich ICLM und DEMHIST berühren<br />

(s. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>Mitteilungen</strong> 2008, S. 33) – ebenso<br />

wie Museen, die sich auf einzelne Literaturepochen beziehen,<br />

so zum Beispiel das Literaturmuseum der Moderne, Marbach,<br />

oder auch die Klassik Stiftung Weimar als museales Ensemble.<br />

Alle Kolleginnen und Kollegen sind sich der besonderen<br />

Schwierigkeit bewusst, dass im Kern der Bedeutung ihrer Häuser<br />

literarische Werke liegen, deren immaterielle Gestalt an eine<br />

sinnliche Vermittlung im Museum besondere Anforderungen<br />

stellt. Auch die primäre materielle Hülle der Literatur, nämlich<br />

Handschriften und Bücher, ist spröder als zum Beispiel Gemälde<br />

und Musik in Museen, die anderen Künsten gewidmet<br />

sind. So sind spezifische Fragen der Vermittlung in Literaturmuseen,<br />

etwa der Gestaltung von Ausstellungen, immer wieder<br />

Gegenstand der Diskussionen und Publikationen ICLMs.<br />

Als Bereicherung der Diskussionen und Tagungen wird empfunden,<br />

dass seit einigen Jahren auch einige Komponisten gewidmete<br />

Museen Mitglieder stellen, da diese kein eigenes Fachkomitee<br />

in <strong>ICOM</strong> haben.<br />

Neben den spezifischen Fragen der Literaturmuseen – und<br />

Komponistenmuseen – werden aber immer wieder Fragen behandelt,<br />

die alle Museen betreffen und die gerade im internationalen<br />

Vergleich und Austausch zu behandeln lohnend sind,<br />

wie zum Beispiel die Arbeit für Kinder und Schüler als Museumsbesucher,<br />

das vielleicht nicht ganz spannungsfreie Verhältnis<br />

von Sammlungen und Eventkultur oder die Funktion der<br />

Forschung in den Museen. Diese Fragen werden in den Jahrestagungen<br />

ICLMs behandelt, zuletzt 2008 in Italien. 75 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer kamen nach Prato und Florenz<br />

zu Vorträgen, einem Workshop, Konzerten und Besuchen von<br />

herausragenden Stätten italienischer Literatur. Vom 21. bis<br />

23. September <strong>2009</strong> wird die Jahrestagung in Budapest zum<br />

Thema „Die Reisen der Schriftsteller und Komponisten – Was<br />

machen die Museen daraus?“ stattfinden, auch in Anlehnung<br />

an das Thema des Internationalen Museumstages <strong>2009</strong>: „Museen<br />

und Tourismus“. Gäste sind immer willkommen.<br />

Referate und andere Beiträge der Jahrestagungen erscheinen<br />

seit 2007 regelmäßig in den Bänden der Reihe „ICLM Publications“.<br />

Ein frisches Erscheinungsbild im Sinne von Corporate<br />

Design für alle Aktivitäten von ICLM wurde 2006 entwickelt.<br />

Seit 2007 beteiligt sich ICLM aktiv am UNESCO-Programm<br />

zum Weltdokumentenerbe „Memory of the World“,<br />

das weltweit dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem<br />

Wert sichern und digital zugänglich machen will. Wir<br />

tun dies auch in der Absicht, wegbereitend für den Weltverband<br />

von <strong>ICOM</strong> zu handeln, da die Museen in diesem wichtigen<br />

Programm bisher nicht so stark repräsentiert werden wie<br />

etwa die Archive und Bibliotheken durch ihre jeweiligen Weltverbände.<br />

Immerhin wurde der Präsident von ICLM jetzt in<br />

eines der Lenkungsgremien des Programms beim Generaldirektor<br />

der UNESCO in Paris berufen. Eine weitere Unterstützung<br />

durch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und seine Mitglieder, etwa in<br />

Form von Ausstellungen oder Informationsvermittlung, würde<br />

sich ICLM wünschen.<br />

Zweimal im Jahr erscheint ein ICLM-Newsletter, der vorzugsweise<br />

per E-Mail verteilt wird. Auch Nichtmitglieder sind<br />

als Leserinnen und Leser willkommen.<br />

Weitere Informationen:<br />

Prof. Dr. Lothar Jordan, Präsident von ICLM<br />

ICLM.Jordan@gmx.de<br />

Literaturmuseen weltweit stehen vor der Frage: Wie wird Literatur<br />

erlebbar? Die meisten befinden sich in ehemaligen Lebens- und Wirkungsstätten<br />

eines Autors und präsentieren neben dem Arbeitszimmer<br />

auch persönliche Gegenstände und wertvolle Erstausgaben.<br />

Sie setzen damit, wie hier das Moskauer Leo-Tolstoi-Museum, auf<br />

die Aura des Ortes: Durch den Einblick in die Lebensverhältnisse eines<br />

Autors werde sein literarisches Schaffen und somit auch seine<br />

Literatur verständlich.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 35


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

International Committee for Museums and<br />

Collections of Natural History – NATHIST<br />

Das Internationale Komitee für naturwissenschaftliche Museen<br />

und Sammlungen ist eines der dreißig internationalen Komitees<br />

von <strong>ICOM</strong>. NATHIST ist verantwortlich für die gesamte<br />

Vielfalt der biologischen, paläontologischen und geologischen<br />

Sammlungen in Museen, für die natürliche Umwelt, die wissenschaftliche<br />

Bearbeitung des Weltnaturerbes in unseren Museen<br />

sowie für Bildung und Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit<br />

durch Ausstellungen, Konferenzen, Exkursion und<br />

P ub l i k a t i o n e n .<br />

Im Rahmen des „Strategic Plan of <strong>ICOM</strong>“ bietet NATHIST<br />

ein Forum für professionelle Interaktionen und für Erfahrungsaustausch<br />

zwischen allen, die in naturwissenschaftlichen Museen<br />

weltweit arbeiten, aber auch allen, die in entsprechenden<br />

Institutionen arbeiten, wie Zoologischen Gärten, Wild Life<br />

Parks, Botanischen Gärten, Aquarien, Naturzentren, geologischen<br />

und paläontologischen Stätten.<br />

NATHIST ist mit 220 Mitgliedern in 56 Ländern weltweit<br />

vertreten und verfolgt als Ziele und Aufgaben:<br />

1) Naturwissenschaftliche Museen ebenso wie Institutionen<br />

mit gleichen Zielen, die Mitglied bei <strong>ICOM</strong> sind, müssen ihre<br />

vitale und einzigartige Rolle bei der Erforschung der Biodiversität,<br />

des globalen Wandels, der Erhaltung der Lebensräume<br />

und in der Umwelterziehung bewusst darstellen. Ihre Sammlungen<br />

und die damit verknüpften Daten und Information sind<br />

grundlegende Voraussetzung, diese Ziele zu erreichen und umzusetzen.<br />

Im Darwin-Jahr <strong>2009</strong> widmen viele naturwissenschaftliche Museen<br />

ihre Ausstellungen der Evolution. Das Royal Belgian Institute of Natural<br />

Sciences blickt nicht nur in die Vergangenheit und Gegenwart,<br />

sondern auch in die Zukunft. Wie werden Lebewesen, folgt man den<br />

Gesetzen der Evolution, in fünfzig Millionen Jahren aussehen?<br />

2) Diese Aktivitäten sollen in enger Zusammenarbeit mit anderen<br />

internationalen Komitees von <strong>ICOM</strong> durchgeführt werden<br />

und, wo immer möglich, mit Universitäten und anderen<br />

Organisationen aus dem Bereich der Umweltforschung und -erziehung.<br />

3) Naturwissenschaftliche Museen sollen verstärkt pädagogische<br />

Programme und Ausstellungen auf hohem Niveau fördern,<br />

dies jedoch so nachhaltig wie möglich, um ein größeres<br />

öffentliches Bewusstsein und Verständnis – sowohl für Biowie<br />

Geowissenschaften – zu entwickeln. Zudem sollen sie die<br />

Gruppen der Öffentlichkeit ermitteln und besonders angesprechen,<br />

die bisher nicht die Museen besuchen.<br />

4) Alle Aktivitäten sollen jedoch so durchgeführt werden,<br />

dass dabei all die Faktoren Berücksichtigung finden, die im Leben<br />

vieler Kulturen Harmonie mit der Natur ausdrücken und<br />

einer aggressiven Ausbeutung widersprechen.<br />

5) Der Grundlage von NATHIST ist der „<strong>ICOM</strong>-Code of<br />

Ethics for Museums“. Als Ergänzungen dazu hat NATHIST<br />

einen speziellen „<strong>ICOM</strong> NATHIST Code of Ethics for Natural<br />

History Museums“ entwickelt. Derzeit wird die zweite Fassung<br />

diskutiert.<br />

6) Seit der Generalkonferenz in Seoul 2004 wurden auf den<br />

NATHIST-Treffen zahlreiche Projekte zum Thema „Intangible<br />

Natural Heritage“ vorgestellt. Da dieser Aspekt bisher in einschlägigen<br />

Veröffentlichtungen kaum berücksichtigt wurde,<br />

haben wir eine Publikation dazu in Angriff genommen und erwarten<br />

diese für September <strong>2009</strong>.<br />

Da die Bedrohung der Bio- und Geodiversität weltweit stark<br />

zunimmt, hat sich NATHIST diesem Thema besonders verschrieben,<br />

denn wir sind überzeugt, dass naturwissenschaftliche<br />

Museen einen bedeutenden Beitrag für eine nachhaltige<br />

Entwicklung leisten können. NATHIST kann dies jedoch nur<br />

dann erreichen, wenn sich viele Mitglieder aktiv beteiligen.<br />

2008 fand die Jahrestagung im State Darwin Museum statt.<br />

Als Thema für die Konferenz war „Presentation of Evolution<br />

in Museum Exhibitions“ gewählt worden, um in Vorfeld des<br />

Darwin-Jahrs Ideen, Möglichkeiten und Probleme zu diskutieren,<br />

die mit der Darstellung moderner Evolutions-Wissenschaft<br />

in naturwissenschaftlichen Museen verknüpft sind.<br />

Ausführlich wurde über Evolution und deren Bedeutung<br />

für das Selbstverständnis der naturwissenschaftlichen Museen<br />

diskutiert. Die Teilnehmer fanden eine einvernehmliche Übereinstimmung,<br />

die in einem so genannten Position Statement formuliert<br />

wurde: Evolution ist sowohl eine Tatsache wie eine<br />

Theorie (www.icom-nathist.de/icom/fpe.htm).<br />

Die Jahrestagung <strong>2009</strong> ist für den 18. bis 22. Oktober in Guarujá,<br />

Brasilien, geplant als eine gemeinsame Konferenz der<br />

Internationalen Komitees von ICTOP und NATHIST, zusammen<br />

mit dem Nationalkomitee von Brasilien und dem <strong>ICOM</strong>-<br />

ETHICS Committee unter dem Thema „Culture and Nature<br />

– a Challenge for Museum Practicians“ (Arbeitstitel).<br />

Weitere Informationen:<br />

Dr. Gerhard Winter, Präsident von NATHIST<br />

gerhard.winter@senckenberg.de<br />

Ulrike Stottrop, Schatzmeisterin von NATHIST<br />

ulrike.stottrop@ruhrmuseum.de<br />

Aktuelle Informationen: nathist.icom.museum<br />

Abstracts der Jahrestagung 2008:<br />

www.icom-nathist.de/icom/fam.htm<br />

36 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Tagungsberichte<br />

GLASS – International Committee for Museums and Collections<br />

of Glass<br />

French Glass – Past, Present and Future<br />

Jahrestagung vom 27. bis 31. Oktober 2008 in Nancy, Frankreich<br />

Helena Horn, Claudia Kanowski, Karin Rühl<br />

Rund dreißig Museumsfachleute aus den USA, Israel und Europa<br />

trafen sich zum Fachdialog, Netzwerken und zur Erkundung<br />

der elsässisch-lothringischen Glasregion. Die ersten drei<br />

Referentinnen stellten die französischen Gläser des Art Nouveau,<br />

Art Déco und Jugendstils aus ihren Sammlungen vor:<br />

Janette Lefranq präsentierte die Glassammlung des Musee<br />

Royaux d’Art et d’Histoire in Brüssel, Claudia Kanowski die<br />

des Bröhan-Museums in Berlin und Susanne Netzer die des<br />

Berliner Kunstgewerbemuseums. Marketa Tronnerova von der<br />

Mährischen Galerie in Brünn diskutierte stilistische Zusammenhänge<br />

zwischen den Produkten der Hütten in Mähren, Böhmen<br />

und Lothringen in der Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />

Helena Horn sprach über den Zusammenhang zwischen Glas<br />

und Licht in der zeitgenössischen Kunst – zunächst am Beispiel<br />

der Installation „Age Quod Agis – a Sundail or the Possibility<br />

of Stopping the Time“ (2005) der schwedischen Künstlerin<br />

Anna Viktoria Norberg. Da in dieser Installation natürliches<br />

Licht über Glasstäbe transportiert wird, ist das Kunstwerk von<br />

den jeweiligen Lichtverhältnissen abhängig und erzeugt ungewöhnlich<br />

intensive Stimmungen. Als zweites Beispiel diente die<br />

Feldkapelle von Peter Zumthor in Wachendorf. Darin wird das<br />

natürliche Licht mit Hilfe von Halbkugeln aus Glas gefiltert<br />

und fokussiert, so dass die gesamte Architektur in einem atmosphärisch<br />

aufgeladenen Kontext erscheint. Beide Male wird<br />

Glas nicht zum Kunstwerk gemacht, sondern dient als Mittel<br />

zum Zweck: Es transportiert das natürliche Licht, das sowohl<br />

in der Installation als auch in der Kapelle eine zentrale Aufgabe<br />

übernimmt.<br />

Henrietta Brunner vom Tel Aviv Museum stellte Glasarbeiten<br />

von israelischen Künstlern vor. Es war höchst überraschend,<br />

wie viele Künstler in Israel mit Glas arbeiten und welche<br />

Vielfalt sich innerhalb kürzester Zeit herausgebildet hat,<br />

denn Glas ist in der iraelischen Kunstlandschaft ein relativ<br />

neues Medium.<br />

Im Rahmen des dicht gedrängten Exkursionsprogramms besichtigten<br />

wir nicht nur Museen, Archive und Sammlungen,<br />

sondern auch kommerzielle Galerien, Werkstätten, Künstlerstudios<br />

oder Fabriken – ein umfassender Überblick über die<br />

elsässisch-lothringische Glasgeschichte bis hin zur Gegenwart<br />

war somit garantiert. Nicht nur funkelnde Kristalle von Baccarat<br />

und St. Louis oder stimmungsvolle Art-Nouveau-Gläser<br />

von Emile Gallé und Daum Fréres gehören zu dieser Geschichte,<br />

sondern leider auch der wirtschaftliche Niedergang einiger<br />

bedeutender Hütten wie etwa Meisenthal. Interessant war jedoch,<br />

dass die Kommunen und Départements darum bemüht<br />

sind, die einstige Glasregion durch künstlerische und touristische<br />

Impulse neu zu beleben. So werden in Vannes-le-Châtel,<br />

finanziert durch Eigeninitiativen und staatliche Subventionen,<br />

junge Glaskünstler aus aller Welt ausgebildet.<br />

Die Glashütte in Meisenthal wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in<br />

der Epoche des französischen Jugendstils „Art Noveau“ weltweit bekannt.<br />

Trotz stagnierender Wirtschaft werden dort auch heute noch<br />

gläserne Kunstwerke hergestellt, u. a. die in Lothringen erfundenen<br />

Weihnachtskugeln. Während der Adventszeit schauen daher besonders<br />

viele Besucher den Hüttenarbeitern über die Schulter.<br />

Ebenso versucht die lothringische Ortschaft Baccarat, der<br />

Entlassungswelle des Jahres 2003 zu begegnen. Beispielsweise<br />

bemüht sich das Le-pôle-Bijou-Projekt, Schmuckkünstler heranzuholen<br />

und somit in der Region neue Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Denn Baccarat beherbergt die komplett erhaltenen Glaswerke<br />

der Cristallerie Baccarat. Diese umfasst neben der Hütte<br />

auch eine Kirche sowie die Arbeiterhäuschen und geht auf das<br />

18. Jahrhundert zurück. In den Werkhallen wird, trotz schwieriger<br />

finanzieller Bedingungen, nach wie vor hochwertiges Kristall<br />

produziert. Besonders eindrücklich war die Besichtigung<br />

der historischen Guillochiermaschine, die noch immer in Betrieb<br />

ist.<br />

Der letzte Tag des Meetings war dem aktuellen Glas gewidmet:<br />

einer privaten Glassammlung in Vendenheim sowie einer<br />

eigens für das <strong>ICOM</strong>-GLASS-Komitee vorzeitig eröffneten<br />

Ausstellung mit den Arbeiten der Studenten der Glasklassen der<br />

Hochschule für Bildende Kunst in Strassburg und der Moholy-Nagy-Universität<br />

für Kunst und Design in Budapest, dem<br />

Partnerinstitut.<br />

Organisiert von den Vorstandsmitgliedern von <strong>ICOM</strong> GLASS,<br />

Paloma Pastor, Jane Spillmann und Karin Rühl, sowie von<br />

den französischen Kuratoren Jean Luc Olivié, von Véronique<br />

Brumm, Emmanuelle Guiotat und Valérie Thomas, hat die<br />

Tagung ihr Ziel, Kontakte zwischen den internationalen Museumskuratoren<br />

zu stärken und einen Überblick über die elsässisch-lothringische<br />

Glasregion zu vermitteln, aufs Beste erreicht.<br />

Dr. des. Helena Horn, Kunsthistorikerin, war von 1999 bis 2001 Vorstandsmitglied<br />

von <strong>ICOM</strong> GLASS, sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

der Kunstsammlungen der Kreissparkasse Köln.<br />

Dr. Claudia Kanowski, Kuratorin und stellvertretende Direktorin des<br />

Bröhan-Museums Berlin, arbeitet derzeit schwerpunktmäßig an einem<br />

Bestandskatalog der Glassammlung; c.kanowski@broehan-museum.de<br />

Karin Rühl, M.A., seit 2007 Vorstandsmitglied von <strong>ICOM</strong> GLASS, leitet<br />

das Glasmuseum Frauenau; karin.ruehl@glasmuseum-frauenau.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 37


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

<strong>ICOM</strong>-CC – International Committee for Conservation<br />

Diversity in Heritage Conservation:<br />

Tradition, Innovation and Participation<br />

15. dreijährliche Tagung vom 22. bis 26. September 2008<br />

in Neu-Delhi, Indien<br />

Christine Müller-Radloff<br />

Erstmalig in seiner vierzigjährigen Geschichte tagte das <strong>ICOM</strong>-<br />

CC in einem asiatischen Land mit der bisher größten Teilnehmerzahl<br />

von über sechshundert Gästen aus allen Erdteilen.<br />

Der zentral gelegene Veranstaltungsort Neu-Delhi sorgte für<br />

zahlreiche Teilnehmer aus asiatischen Ländern wie Bangladesch,<br />

Bhutan, Brunei, China, Indonesien, Israel, Iran, Japan, Kambodscha,<br />

Malaysia, Mongolei, Nepal, Taiwan, Pakistan, Philippinen,<br />

Sri Lanka, Vietnam und dem Gastgeber Indien.<br />

Die Veranstaltungen fanden im Kongresszentrum Vigyan<br />

Bhawan im Zentrum von Neu-Delhi statt. Die Ausstattung der<br />

Vortragssäle ließ eine sehr gute Konferenzatmosphäre aufkommen.<br />

So waren sie zum einen technisch gut ausgestattet und<br />

klimatisiert, zum anderen war das Gelände sicher bewacht.<br />

Dies ist besonders anzumerken, da eine Woche vor Tagungsbeginn<br />

mehrere Attentate auf öffentlichen Plätzen der Stadt<br />

stattfanden.<br />

Auch für unser leibliches Wohl war bestens gesorgt, so dass<br />

wir unsere Kraft auf die Vorträge und den Erfahrungsaustausch<br />

mit den Kollegen konzentrieren konnten. Manchmal<br />

mussten wir jedoch auch lernen, dass zahlreicheres Personal für<br />

Organisation und Betreuung nicht unbedingt bedeutet, dass<br />

die anstehenden Aufgaben auch schneller gelöst werden. Alle<br />

Mitarbeiter waren aber stets freundlich und hilfsbereit.<br />

Aus der Vielzahl der Vorträge ist der gemeinsam von der<br />

ethnographischen, der textilen und der Gemäldearbeitsgruppe<br />

veranstaltete Zyklus zu den Rollbildern des tibetischen Buddhismus,<br />

den so genannten Thangkas, hervorzuheben. Hierbei<br />

referierten Sabine Cotte über „Thangkas: Presenting a Living<br />

Religious Heritage“, Ann Shaftel über „The Continous<br />

Evolving Form of Thangkas“ und Ute Griesser über „Presenting,<br />

Handling and Treating Sacred Thangkas According to Western<br />

Standards and Respecting Their Cultural Context – An<br />

Achievable Common Purpose?“. Besonders interessant war<br />

auch der von Ephraim Jose und dem bhutanischen Mönch Sonam<br />

Dorji gemeinsam gehaltene Vortrag, in dem sie über ihre<br />

Zusammenarbeit berichteten. Dabei thematisierten sie vor allem,<br />

wie die Mönche auf dem Gebiet der Restaurierung und<br />

Konservierung geschult werden. Von den weiteren Vorträgen<br />

zum Thangka-Themenkreis seien auch die der beiden indischen<br />

Referenten Kamlesh Kumar Gupta „Thangka Conservation at<br />

the National Museum New Delhi“ und Nilabh Sinha „Thangka<br />

Conservation at INTACH Art Conservation Centre in New<br />

Delhi“ genannt. Sie zeigten deutlich den Wandel der Ansicht<br />

über die Restaurierung von Thangkas in den letzten Jahrzehnten.<br />

Während anfangs wie auch im buddhistischen Gebrauch<br />

nur Wert auf die Erhaltung des zentralen Gemäldeteils<br />

gelegt wurde, wird heute ein Thangka als Gesamtkunstwerk<br />

angesehen und erhalten.<br />

Neben Vorträgen und Diskussionen standen auch Exkursionen<br />

zu musealen Einrichtungen auf der Tagesordnung, so beispielsweise<br />

zum Qutub Minar, zum Humayun-Mausoleum, zur<br />

Jami-Moschee, dem Roten Ford oder ins Nationalmuseum.<br />

Ein Rundgang durch die Restaurierungswerkstätten des Nationalmuseums<br />

Janpath vermittelte uns anschaulich den Stand<br />

der Restaurierung in Indien, wir konnten den Mitarbeitern bei<br />

der Arbeit zusehen und mit ihnen Erfahrungen austauschen.<br />

Den Abend im Alten Fort haben viele Teilnehmer als einen<br />

zentralen Höhepunkt des Treffens wahrgenommen. Dabei<br />

zeigten Schüler der National Academy of Music, Dance and<br />

Drama New Delhi ihr Können in traditioneller Musik und traditionellem<br />

Tanz.<br />

Als letztes sei auch über eine Wortlautänderung des Statuts<br />

von <strong>ICOM</strong>-CC berichtet, die eine hitzige Debatte erzeugte. Es<br />

ging um den englischen Wortlaut, in dem von nun an für<br />

„Konservierung und Restaurierung“ nur noch das Wort<br />

„Conservation“ verwendet werden soll – dies wird international<br />

sicher zu Verständigungsschwierigkeiten führen. Da aber<br />

die Mehrheit der Teilnehmer englischsprachig war, wurde per<br />

Mehrheitsbeschluss „Conservation“ festgelegt – zumindest in<br />

der englischen Version.<br />

Christine Müller-Radloff, Dipl.-Ing. für Textil- und Bekleidungstechnik/<br />

Textilrestaurator, arbeitet seit 1982 am GRASSI Museum für Völkerkunde<br />

zu Leipzig. Sie hat sich auf die Restaurierung ethnographischer<br />

textiler Objekte aus allen Regionen der Welt spezialisiert. Bei <strong>ICOM</strong><br />

bekleidet Sie die Funktion des Co-Assistant for the Inventory of the<br />

Textile Working Group of <strong>ICOM</strong>-CC;<br />

christine.mueller-radloff@ses.smwk.sachsen.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Die vollständige Übersicht zu den Vorträgen und Exkursionen ist erreichbar<br />

unter: www.icom-cc2008.org, die Tagungsbeiträge wurden<br />

als Preprints bei Allied Publishers Pvt. Ltd. in zwei Bänden plus CD<br />

unter ISBN 81-8424-346-4 veröffentlicht.<br />

(www.alliedpublishers.com)<br />

Gemalte oder gestickte Rollbilder, so genannte Thangkas, werden im<br />

Tibetischen Buddhismus u. a. zur religiösen Bildung und zur Meditation<br />

verwendet. <strong>ICOM</strong>-CC-Mitglied Ute Griesser wohnte 2002 in Kham<br />

(Tibet) einer Klosterzeremonie des Gelupka-Ordens bei, während<br />

derer die Pilger unter freihängenden Thangkas entlangschritten und<br />

diese ehrfürchtig berührten.<br />

38 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CIPEG – International Committee for Egyptian<br />

and Sudanese Collections<br />

Cooperation between Museums, Collections<br />

and Research Institutions<br />

Jahrestagung vom 6. bis 8. September 2008 in Hannover<br />

und Hildesheim<br />

Gabriele Pieke<br />

Die Einladung zur CIPEG-Jahrestagung 2008 hatten das Museum<br />

August Kestner und das Roemer-Pelizaeus-Museum gemeinsam<br />

ausgesprochen – um sowohl die enge Beziehung beider<br />

Häuser zu betonen als auch an die Anfänge von CIPEG in<br />

Niedersachsen anzuknüpfen. 54 Teilnehmer aus dreizehn Ländern<br />

waren ihr gefolgt. Die Gründung von CIPEG liegt nunmehr<br />

25 Jahre zurück und ist der maßgeblichen Initiative von<br />

Arne Eggebrecht, dem ehemaligen leitenden Direktor des Roemer-Pelizaeus-Museums,<br />

zu verdanken. Somit fand die Tagung<br />

anlässlich des 25. Geburtstages unseres Komitees unter dem<br />

heimlichen Motto „Back to the Roots“ statt, und Gründungsmitglied<br />

Rolf Gundlach ließ in seinem Festvortrag die vergangenen<br />

Jahrzehnte auf unterhaltsame Weise Revue passieren.<br />

Dank der Förderung durch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> sowie der Stiftung<br />

Niedersachsen konnten wir auch zahlreiche Gäste aus<br />

Ägypten und dem Sudan begrüßen.<br />

Den Programmstart übernahm Lothar Jordan mit einem<br />

Vortrag zum UNESCO-Programm „Memory of the World“<br />

– einem digitalen Netzwerk mit derzeit 158 Kulturzeugnissen<br />

aus Europa, Afrika, Zentralasien und Lateinamerika. Ziel des<br />

„Menschheits-Gedächtnisses“ ist es, dokumentarische Zeugnisse<br />

von enormem Wert zu sichern und auf modernen informationstechnischen<br />

Wegen zugänglich zu machen. Der Vort<br />

rag fa nd g roße s I ntere sse , d a d ie se s Doku ment at ion svorh ab en<br />

vielen Mitgliedern bisher unbekannt war.<br />

Ein fester Bestandteil jeder Jahrestagung ist der Bericht der<br />

teilnehmenden Institutionen über ihre aktuellen Tätigkeiten.<br />

So erhielten alle Teilnehmer – über die gehaltenen Vorträge<br />

hinaus – einen Überblick über die Ausstellungen oder Forschungsprojekte<br />

der verschiedenen Sammlungen.<br />

Mit großer Spannung verfolgten wir die Referate der offiziellen<br />

Vertreter der Antiken- und Museumsbehörden aus Ägypten<br />

und dem Sudan. So sind zum Beispiel in den letzten Jahren<br />

in beiden Ländern zahlreiche neue Museen entstanden, die<br />

der bisherigen Zentralisierung in den Hauptstädten entgegenwirken<br />

sollen. Allein neunzehn Museen, etwa in Alexandria,<br />

Sohag oder auch Minia, wurden in den letzten fünf Jahren in<br />

Ägypten eröffnet, weitere sind in Planung oder bereits im Bau.<br />

Im Sudan zeichnet sich ähnliches ab, da die Behörden ebenfalls<br />

die Gründung regionaler Museen insbesondere im südlichen<br />

Landesteil sowie im Norden, in der Region des vierten<br />

Nil-Kataraktes, forcieren. Dort sollen in Verbindung mit den<br />

archäologischen Stätten vermehrt so genannte Sites-Museen<br />

entstehen. Ein besonderes Projekt, das erstmalig ägyptische<br />

und sudanesische Museen zusammenbringt, hat der Direktor<br />

des Nubien-Museums in Assuan vorgestellt. In Wadi Halfa,<br />

ca. zehn Kilometer südlich der Grenze zu Ägypten, soll demnach<br />

mit internationaler Hilfe ein Museum entstehen, von dem<br />

man sich neue kulturelle und touristische Impulse für diese<br />

wichtige Transitregion erhofft. Zudem berichteten die ägyptischen<br />

Kollegen über weitere Projekte aus ihren Einrichtungen<br />

Im Jahr 2008 wurde in einer feierlichen Zeremonie der Grundstein<br />

für das Museum in Wadi Halfa (Sudan) gelegt.<br />

und kündigten die intensive Zusammenarbeit mit sudanesischen<br />

Museen an.<br />

Außerordentlich spannend, da selbst den Fachleuten weitgehend<br />

unbekannt, waren die Aktivitäten verschiedener kleinerer<br />

Sammlungen in Italien und Großbritannien. Zur verbesserten<br />

Netzwerkpflege haben sich die Kuratoren der kleineren<br />

englischen Museen zusammengetan und eine eigene Website<br />

entwickelt, die neben einer Objektdatenbank auch viele nützliche<br />

Informationen präsentiert.<br />

Für Gesprächsstoff sorgte ein Vortrag, der den Umgang mit<br />

ausgewickelten Mumien im Museum in Manchester präsentierte.<br />

Dabei wurde mittels eines Internetblogs sowie einer Besucherbefragung<br />

die öffentliche Meinung zu dieser speziellen<br />

Präsentationsform evaluiert. Mehr als sechzig Prozent des Publikums<br />

sprachen sich für das Ausstellen ausgewickelter Mumien<br />

inklusive so sensibler Objekte wie beispielsweise einer<br />

Kindermumie aus. Für große Diskussion sorgte zudem die Präsentation<br />

einer Gruppe von Fälschungen, die im frühen 19. Jahrhundert<br />

angefertigt wurde und u. a. antike Papyrusfragmente<br />

beinhaltet. Ein Teil der Museen hatte sich zum Auswickeln der<br />

Rollen entschieden, wohingegen andere die zweihundert Jahre<br />

alten Fälschungen als eigenständiges Kulturgut werten und<br />

eine Ausrollung oder Zerstörung ablehnen.<br />

In der Schlussdiskussion stimmten wir über mehrere Resolutionen<br />

ab. Ein Schwerpunkt lag auf der Unterstützung der<br />

Museumskooperation zwischen Ägypten und dem Sudan sowie<br />

den Bestrebungen kleinerer Sammlungen nach einer besseren<br />

Vernetzung und Wahrnehmung. Darüber hinaus beschlossen<br />

wir, ein CIPEG-Archiv zu gründen, und diskutierten die<br />

Gestaltung der längst überfälligen CIPEG-Website. Diese soll<br />

sowohl Online-Publikationen als auch eine Mitglieder-Datenbank<br />

enthalten.<br />

Die nächste Jahrestagung wird in Atlanta, USA, stattfinden,<br />

im Anschluss an die Jahrestagung des American Research<br />

Center in Egypt in Dallas. Insgesamt haben die internationalen<br />

Kollegen die Tagung sehr positiv aufgenommen und die Qualität<br />

der deutschen Museumslandschaft ausgiebig gelobt.<br />

Dr. Gabriele Pieke ist seit 2007 Generalsekretärin von CIPEG; sie ist<br />

Kuratorin des Ägyptischen Museums der Universität Bonn. Neben ihrer<br />

Ausstellungs- und Museumstätigkeit unterrichtet sie altägyptische<br />

Kunstgeschichte an der Universität Bonn; g.pieke@uni-bonn.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 39


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICR – International Committee for Regional Museums<br />

Regional Museums in a Post Industrial Age<br />

Jahrestagung vom 20. bis 25. Oktober 2008 in Pittsburgh<br />

und Johnstown, USA<br />

Otto Lohr<br />

Das Senator John Heinz History Center ist mit rund 20.000 m 2 Ausstellungsfläche<br />

das größte Historische Museum in Pennsylvania. Insgesamt<br />

gibt es in Pennsylvania 1430 Museen, von denen die meisten<br />

als Non-Profit-Organisationen durch Privatpersonen betrieben werden.<br />

Wie sehen regionale Museen zukünftig aus? Welche Strategien<br />

müssen sie verfolgen, um in einer globalisierten Wirtschaft zu<br />

bestehen? Diese Fragen im Blick, diskutierten wir vor allem<br />

Aspekte der ökonomischen Nachhaltigkeit, Methoden, mit denen<br />

die Bevölkerung stärker in die Museumsarbeit einbezogen<br />

werden kann, und Fragen, wie regionale Museen ihre Sammlungen<br />

den veränderten ökonomischen und kulturellen Bedingungen<br />

anpassen können.<br />

Zwei Impulsreferate führten in das Tagungsthema ein: Barbara<br />

Franco betonte in ihrem Beitrag „Regional Museums and<br />

Economic Sustainability“, dass die Museen in den Vereinigten<br />

Staaten stärker in ökonomischen Kategorien denken als in denen<br />

ihrer Bildungsaufgaben. So haben sie von den Unternehmern<br />

gelernt, die modernen Kommunikationsmethoden zu<br />

nutzen: Wenn ein Museum Fundraising betreibt, muss es sich<br />

auch Fragen über seinen Wert für die Gesellschaft gefallen lassen.<br />

Zudem ändert sich, wie sie berichtete, die Rolle der Museen<br />

in den USA. Da die Besucher zunehmend an Gegenwart<br />

und Zukunft interessiert seien, griffen viele Museen diese Entwicklung<br />

auf und böten mithilfe der Vergangenheit Erklärungen<br />

für die Gegenwart.<br />

Torill Thoemt vom Valdresmuseum Fagernes in Norwegen<br />

stellte die Frage: Why Regional Museums? In ihrer Antwort<br />

betonte sie, dass es nötig sei, die Gesellschaft in die Arbeit der<br />

Museen einzubeziehen. Denn die Zeiten hätten sich so rapide<br />

verändert, dass den Jungen die alten lokalen Traditionen nicht<br />

mehr bekannt seien, und ein Museum die Gelegenheit böte,<br />

diese Wissenslücken zu schließen. Auch müsse das Museum stärker<br />

der Ort für Diskussionen über aktuelle Veränderungen werden,<br />

etwa über Klimawandel oder gesellschaftlichen Wandel.<br />

Die Museen sollten dabei nicht nur reagieren, sondern selbst<br />

eine aktive Rolle übernehmen.<br />

Aus der Fülle der Präsentationen ist das von der Europäischen<br />

Union geförderte Projekt „Craftattract“ zu nennen, das<br />

Slowenien, Ungarn und Kroatien gemeinsam betreiben. Dabei<br />

sollen Verbindungen zwischen traditionellem Erbe und Tourismus<br />

hergestellt werden, die sich positiv auf die Entwicklung der<br />

beteiligten Regionen in der Grenzregion der drei Länder auswirken<br />

sollen.<br />

Kelly Armor berichtete von einem Projekt des Erie Art Museums<br />

in Erie, Pennsylvania, bei dem Kinder die Aufgabe von<br />

Kuratoren übernehmen und Kunstausstellungen mit ihren eignen<br />

Objekten gestalten. Durch die interaktive Arbeit gelang es,<br />

etliche der Kinder langfristig für das Museum zu begeistern.<br />

Einige sind später zu ehrenamtlichen Mitarbeitern geworden.<br />

Anne Madarasz vom Heinz History Center nahm in ihrem Beitrag<br />

„The Challenges of Collecting Twentieth Century Material<br />

for a History Museum“ Bezug auf die spezielle Situation<br />

Pittsburghs. Das Heinz History Center wurde gegründet, nachdem<br />

die Stahlproduktion als Schlüsselindustrie 1986 ihre letzte<br />

Produktionsstätte geschlossen hatte. Der Verlust der kulturellen<br />

Identität der Einwohner lässt sich im Museum schwer<br />

dar stellen, am ehesten in seinen emotionalen und psychologischen<br />

Auswirkungen.<br />

Der Wertewandel bedroht auch die Existenz der Kirchen, die<br />

für Heimo Kaindl noch immer die Einrichtungen mit dem größten<br />

kulturellen Angebot sind. In seinem Beitrag „The Challenge<br />

of Preserving and Promoting Religious Heritage by Religious<br />

Museums in a Secularized Post Industrial Society“ stellte<br />

er die Frage, wie Kirchen, die keine Gemeinde mehr haben, genutzt<br />

werden könnten. Als Beispiel nannte er, dass kirchliche<br />

Mu seen Pfarrern und Freiwilligen in den Kirchengemeinden<br />

den alltäglichen Umgang mit den Kunstgegenständen und die<br />

Bedeutung der Objekte vermitteln könnten.<br />

Selbstverständlich war auch die Besichtigung der zahlrei chen<br />

Museen in Pittsburgh Teil der Tagung. Unter anderen fanden<br />

Führungen und Gespräche im Andy Warhol Museum, im Kindermuseum<br />

und im Wohnhaus des Industriellen Henry Clay<br />

Frick statt. Die Exkursion führte nach Fallingwater, Somerset<br />

und Johnstown. Johnstown, das früher ebenfalls eine bedeutende<br />

Stahlindustrie hatte, wurde 1889 durch eine große Flut<br />

weitgehend zerstört, wobei rund dreitausend Menschen ums<br />

Leben kamen. An das bedeutende Ereignis erinnert das Flut-<br />

Museum.<br />

An der von Susan Hanna, Secretary von ICR, hervorragend<br />

organisierten Jahrestagung nahmen Museumsspezialisten aus<br />

elf Ländern teil. Gastgeber in Pittsburgh war das Senator Heinz<br />

History Center, unterstützt wurde die Tagung von der Pennsylvania<br />

Federation of Museums and Historical Organizations,<br />

dem Western Pennsylvania Museum Council und der Pennsylvania<br />

Historical and Museum Commission.<br />

Dr. Otto Lohr arbeitet in der Landestelle für die nichtstaatlichen Museen<br />

in Bayern, München, dort ist er verantwortlich für die kunst- und<br />

kulturhistorischen Museen in Mittelfranken und der Oberpfalz sowie<br />

für die jüdischen Museen; otto.lohr@blfd.bayern.de<br />

Weitere Informationen:<br />

www.icr-icom.org<br />

40 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICMS – International Committee on Museum Security<br />

Integrated Risk Management<br />

Jahrestagung vom 22. bis 26. September 2008 in Amsterdam,<br />

Niederlande<br />

Barbara Fischer, Frauke van der Wall<br />

Das Tagungsthema „Integrated Risk Management“ war besonders<br />

passend gewählt, da in Amsterdam mit dem Rijksmuseum<br />

und dem Van-Gogh-Museum erstmalig zwei Weltmuseen eine<br />

gemeinsam entwickelte Sicherheitsanlage in Betrieb nehmen<br />

werden. Die Leiter der jeweiligen Sicherheitsabteilungen stellten<br />

die Organisation und Planung dieses wegweisenden Projektes<br />

vor, mit dem Synergieeffekte genutzt und langfristig auch<br />

Kosten gespart werden können. Die Erfahrungen mit einer solch<br />

neuartigen Sicherheitsanalge werden für alle ICMS-Mitglieder<br />

von besonderem Interesse sein.<br />

Einen weiteren Schwerpunkt der Tagung bildeten die vier<br />

Work shops im Frans-Hals-Museum, im Teylers-Museum, im<br />

Museum de Cruquius sowie im Zuiderzee-Museum. In Kleingruppen<br />

haben wir diese Museen unter den sicherheitstechnischen<br />

Aspekten Organisation, elektronische Ausrüstung, bauseitige<br />

Ausrüstung und spezielle Gegebenheiten untersucht und<br />

anschließend unsere Ergebnisse allen Kollegen und den jeweiligen<br />

Museums- oder Sicherheitsdirektoren präsentiert. Auf<br />

diese Weise können sowohl die Museen direkt von der ICMS-<br />

Tagung profitieren, weil sie sofort eine Bestandsaufnahme ihrer<br />

Sicherheitstechnik erhalten, als auch die Teilnehmer, da sie<br />

während der Arbeit viel von ihren Kollegen lernen. Im Jahr<br />

2006 haben wir mit diesem Vorgehen bereits gute Erfahrungen<br />

gesammelt, damals galt es, den Danziger Kran auf Sicherheitsmängel<br />

hin zu untersuchen. Piotr Ogrodzki, Direktor des Zentrums<br />

für den Schutz von Kunstsammlungen im polnischen<br />

na tionalen Kulturinstitut, berichtete uns nun, welche unserer<br />

da maligen Empfehlungen umgesetzt werden konnten.<br />

Weitere Vorträge steuerten die Kollegen aus Amerika, Bang ladesch,<br />

Großbritannien, Russland und Spanien bei. Ihre Themen<br />

umfassten verschiedene Ansätze der Personalschulung, Ri si ken<br />

bei Großveranstaltungen in Museen und besondere Risikofaktoren.<br />

David Sanders vom Natural History Museum in London<br />

stellte die britische Organisation The International Association<br />

of Museum Facility Managers (IAMFA) vor, die sich – ähnlich<br />

wie der ICMS – mit der Sicherheit in Museen befasst. Es<br />

wird ein gegenseitiger Austausch der beiden Organisationen ang<br />

e s t r e b t .<br />

Besonders interessant war die Präsentation der staatlichen<br />

holländischen Organisationen State Inspectorate for Cultural<br />

Heritage und Netherlands Institute for Cultural Heritage, die<br />

die Museumsarbeit kontrollieren und unterstützen. Sie sorgen<br />

vor allem bei kleineren Museen für einen bestimmten Standard<br />

in der Museumsarbeit. Ein ähnliches System wäre für <strong>Deutschland</strong><br />

durchaus wünschenswert.<br />

Der Jahresbericht des ICMS wurde vom Vorsitzenden Hans-<br />

Jürgen Harras vorgestellt. Besonders hervorzuheben sind daraus<br />

die diversen Aktivitäten von ICMS-Mitgliedern bei der<br />

Beratung von Museen in Sicherheitsfragen – auch über Ländergrenzen<br />

hinweg. Ferner hatte ICMS im Jahr 2008 zwei Stipendien<br />

für die Teilnahme von Mitgliedern aus Entwicklungsländern<br />

vergeben: an Bangladesch und Nepal. Schließlich ent schied<br />

ICMS im Business Meeting, einen gemeinsamen Workshop mit<br />

Workshop-Teilnehmer bei der Arbeit im Zuiderzee-Museum (v.l.n.r.):<br />

Louis Létourneau, Québec, Hans-Peter Thiele, Berlin, David Tremain,<br />

Ottawa, Josef Flack, Graz<br />

<strong>ICOM</strong> Malta zum Thema „Security for Small Museums and<br />

Historic House Museums“ um den Internationalen Museumstag<br />

<strong>2009</strong> zu veranstalten und durch die Entsendung profilierter<br />

Mitglieder zu unterstützen.<br />

Die Organisatoren der Tagung, Hanna Pennock, Marja Peek,<br />

Willem Hekman und Dick Drent, hatten ein interessantes Programm<br />

zusammengestellt, besonders abwechslungsreich gestalteten<br />

sie das Rahmenprogramm. So gab es am ersten Abend im<br />

Van-Gogh-Museum ein Dinner mit wechselnder Sitzordnung,<br />

wodurch man zwanglos mit Kollegen ins Gespräch kam und<br />

Neulinge sich schnell integriert fanden. Neben einem Empfang<br />

im Rijksmuseum, der die Gelegenheit bot, die „Nachtwache“<br />

von Rembrandt exklusiv ohne Touristen zu betrachten, hatte<br />

Willem Hekman, Leiter der Sicherheitsabteilung, seine Verbindungen<br />

zur Marine für eine Abendfahrt auf den ehemaligen<br />

Marine-Schiffen Waddenzee und Zeefackel genutzt. Dies war<br />

ein besonderes Erlebnis, da es das Umsteigen vom einen auf das<br />

andere Schiff mitten auf dem Wasser beinhaltete. Das Manöver<br />

absolvierten nach entsprechender „Risk Analysis“ dann auch<br />

alle Teilnehmer erfolgreich. Am letzten Nachmittag besichtigten<br />

wir das Schloss Amerongen, besser gesagt, die Baustelle.<br />

Während das Schloss mit massiven Wasserschäden zu kämpfen<br />

hat, präsentierte sich der barocke Garten in herrlichstem<br />

Sonnenschein.<br />

Zu den über neunzig Teilnehmern gehörten neben den ICMS-<br />

Mitgliedern und Kollegen holländischer Institutionen auch die<br />

Kollegen aus dem Henan-Museum in China, die das ICMS-<br />

Meeting innerhalb der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2010 in<br />

Shang hai vorbereiten werden.<br />

Louis Létourneau vom Musée de la Civilisation, Québec,<br />

lud zur nächsten ICMS-Jahrestagung vom 13. bis 18. September<br />

<strong>2009</strong> nach Quebec ein. Das Thema der Konferenz lautet:<br />

„Security in Museums – Problems, Trends and Solutions“.<br />

Auch Kollegen, die noch nicht Mitglied des ICMS sind, sind<br />

herzlich eingeladen.<br />

Dipl.-Ing. Barbara Fischer leitet den Servicebereich Gebäudemanagement<br />

bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin; fischer@stadtmuseum.de<br />

Dr. Frauke van der Wall, Kunsthistorikerin, arbeitet am Mainfränkischen<br />

Museum Würzburg; fraukevanderwall@mainfraenkisches-museum.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 41


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CECA – International Committee for Education and Cultural Action<br />

Cultural Tourism: Trends and Strategies<br />

Jahrestagung vom 29. September bis 3. Oktober 2008<br />

in Montréal, Kanada<br />

Stéphanie Wintzerith<br />

Markante Erlebnisse erzählt man gerne und oft – dies können Museen<br />

für sich nutzen, indem sie die Erwartungen der touris ti schen Besucher<br />

nach der Begegnung mit dem Anderen erfüllen (Les Chuchoteuses,<br />

Bronzeskulptur von R.-A. Bélanger, Montréal).<br />

Auf Tagungen in Montréal wird viel Französisch gesprochen.<br />

In der „Schönen Provinz“ Kanadas pflegt man den Umgang<br />

mit der Sprache Molières – mit diesem unnachahmlich charmanten<br />

Akzent, der die Franzosen so entzückt – sehr gewissenhaft.<br />

So lautete auch der Begriff, der sich allmählich als<br />

leitender Gedanke der gesamten Tagung etablierte, „expérience<br />

mémorable“ statt seines englischen Pendants „memorable experience“.<br />

Die Tagung fand im Centre des Sciences de Montréal statt<br />

und stand unter dem Motto „Kulturtourismus: Trends und<br />

Stra tegien“ – die Vorträge, Debatten und Fallstudien kreisten<br />

also um die besondere Zielgruppe der Touristen unter den Besuchern.<br />

Den Touristen gibt es ebenso wenig wie den Besucher. Vielmehr<br />

sind es Gruppen, die zwar vieles gemeinsam haben, sich<br />

dennoch voneinander unterscheiden. Man denke etwa an Auslands-<br />

oder Inlandstouristen, an Tages- oder Langzeit-, an<br />

Strand- oder Kulturtouristen, Reisende in einer Gruppe, mit<br />

der Familie oder allein. Auf sie alle trifft zu, dass sie sich an<br />

dem Ort, an dem sie Touristen sind, nur vorübergehend aufhalten<br />

– sie also kommen, verweilen und reisen wieder ab.<br />

So trivial diese Definitionsfragen auch scheinen, sie haben<br />

Konsequenzen auf die besucherorientierte Museumsarbeit. Im<br />

Musée de la Civilisation de Québec zum Beispiel möchten europäische<br />

Touristen hauptsächlich die Kultur Québecs kennenlernen<br />

und besuchen daher vorrangig die Dauerausstellungen<br />

zur Geschichte der Provinz und zu den Indianern. Kanadische<br />

Touristen interessieren sich ebenfalls eher für das ihnen Fremde,<br />

besuchen daher aber vorzugsweise die Wechselausstellungen.<br />

Touristen haben spezifische Motivationen und oft auch einen<br />

anderen Wissensstand als lokale Besucher. Deshalb sollten sie<br />

als eine eigenständige Gruppe (vielmehr als Gruppen) betrachtet<br />

werden, für die es sich lohnt, ein zielgerichtetes Angebot<br />

vorzubereiten. Der Schlüssel zum Erfolg wäre, den touristi schen<br />

Besuchern zugleich Wissen zu vermitteln, Emotionen zu ermöglichen<br />

und vor allem ein unvergessliches Erlebnis anzubieten<br />

– eben die expérience mémorable.<br />

Doch was prägt diese bleibenden Erinnerungen, die das Museum<br />

anzubieten versucht? Sie sind an einen Ort oder eine Aktivität<br />

gebunden. Sie berühren den Besucher, binden ihn in das<br />

Ausstellungserlebnis ein. Sie ermöglichen eine Begegnung – hier:<br />

mit einem Volk und dessen Kultur – und sie sind es wert, erzählt<br />

zu werden. Dafür muss das angebotene Produkt hervorragender<br />

Qualität sein. Genauer: Es ist authentisch, original<br />

bzw. einzigartig, ästhetisch, einprägsam und zugänglich, es erregt<br />

die Aufmerksamkeit, befasst sich mit der Identität eines<br />

Volkes und lässt Verknüpfungen mit dem Leben des Besuchers<br />

zu.<br />

Die Qualität der Ausstellungen und aller besucherbezogenen<br />

Leistungen ist ausschlaggebend. Touristen sind schon beim<br />

ersten Besuch zu überzeugen, da sie selten wiederkommen<br />

(können). Sie berichten aber über ihren Besuch – Mundpropaganda<br />

als Marketinginstrument – und markante Erlebnisse erzählt<br />

man gerne und oft.<br />

Tourismus birgt allerdings auch Risiken. So erfreulich hohe<br />

Besuchszahlen einerseits sind, beeinflussen sie andererseits das<br />

Erlebnis im Museum erheblich. Lange Schlangen und überfüllte<br />

Räume etwa erleben die meisten Besucher negativ – eine<br />

sorgfältige Planung könnte die abschreckende Wirkung verringern<br />

und Unzufriedenheit verhindern, so z. B. durch Unterhaltung<br />

in den Warteschlangen oder geeignete Gestaltung der<br />

Ausstellungsflächen.<br />

Zu den unerwünschten Nebeneffekten von massiven Touristenströmen<br />

gehört auch das „Mona-Lisa-Syndrom“, wonach<br />

Besucherscharen im Eilschritt den selben Weg zu den Starexponaten<br />

zurücklegen. Folgen davon sind Frustration seitens der<br />

Besucher sowie konservatorische und organisatorische Probleme<br />

seitens des Museums. Ausweichstrategien und durchdachte<br />

Planung können Abhilfe schaffen.<br />

Viele Museen rutschten quasi passiv in die Thematik des<br />

Tourismus hinein. Die CECA-Tagung war ein Aufruf, diese<br />

aktiv aufzugreifen. So können die Chancen, die diese spezifische<br />

Zielgruppe bietet, genutzt werden. Darunter sind natürlich<br />

die Hoffnung auf höhere Besuchszahlen zu verstehen sowie<br />

eine bessere Qualität, ein hohes Interesse an kultureller<br />

Begegnung und die Möglichkeit, an der nachhaltigen Entwicklung<br />

der Städte und Regionen durch kulturelle Angebote beizutragen.<br />

Von den Maßnahmen werden nicht nur Touristen,<br />

sondern alle Besucher und die allgemeine Bevölkerung profitieren.<br />

Die zweite zentrale Aussage dieser Tagung wurde in nahezu<br />

allen Beiträgen immer wieder betont bzw. demonstriert: Es ist<br />

unumgänglich, seine Besucher gründlich zu kennen, ihre Erwartungen<br />

zu ermitteln und ihre Zufriedenheit zu evaluieren.<br />

Nur so kann das Museum auf Erwartungen und Bedürfnisse<br />

eingehen sowie besonders für die komplexe Zielgruppe „(Kultur-)Touristen“<br />

lohnende Maßnahmen einleiten. Damit auch<br />

bei jedem Besuch eine schöne, bereichernde expérience mémorable<br />

entsteht.<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige Besucherforscherin. Sie führt<br />

Besucherbefragungen und Evaluationen für Museen und weitere Kultureinrichtungen<br />

durch; swi@wintzerith.de<br />

42 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICTOP – International Committee for the Training of Personnel<br />

New Approaches to Museum Studies<br />

and Training. A Critical Review<br />

Jahrestagung vom 9. bis 11. Oktober 2008 in Lissabon, Portugal<br />

Angelika Ruge<br />

ICTOP diskutiert seit Jahren innerhalb und außerhalb der eigenen<br />

Komiteegrenzen Fragen der Aus- und Weiterbildung des<br />

Museumspersonals. Aus diesem Grund beteiligte sich ICTOP<br />

auch an der Erstellung der Broschüre „Museumsberufe – Eine<br />

europäische Empfehlung“. Im Vorwort habe ich als Vorsitzende<br />

der internationalen Arbeitsgruppe nicht nur alle Interessierten<br />

zu einer intensiveren thematischen Auseinandersetzung mit<br />

den Tätigkeiten im Museum aufgerufen, sondern auch verdeutlicht,<br />

dass es bei Anerkennung aller nationalen Besonderheiten<br />

und bei Berücksichtigung der verschiedenen Museumstypen<br />

und -größen dennoch zu einem gemeinsamen Verständnis über<br />

die Qualität der Museumsarbeit und ihrer gesellschaftlichen<br />

Bedeutung kommen muss. Zweifellos besitzen in diesem Zusammenhang<br />

sowohl die Hochschulausbildung als auch die berufsorientierte<br />

Weiterbildung weiterhin besondere Bedeutung.<br />

Daraus abgeleitet schien es angezeigt, die vorhandenen Programme<br />

einer kritischen Reflexion zu unterziehen und die Jahrestagung<br />

2008 in Lissabon unter den Titel zu stellen: New<br />

Approaches to Museum Studies and Training. A Critical Review.<br />

Als Gastredner konnten wir Dr. Anwar Tlili, Soziologe am<br />

King’s College London, für einen Vortrag zum Thema „Efficiency<br />

and Social Inclusion: Implications for the Museum Profession”<br />

gewinnen. „Efficiency“ und „Social Inclusion“ sind<br />

zwei Bedingungen für die Museumsarbeit, unter denen in den<br />

angelsächsischen Ländern nach einer neuen Ausrichtung der<br />

Museen gesucht wird. Übersetzt heißt dies: Unter welchen Voraussetzungen<br />

können und sollen Museen leistungsfähiger und<br />

an einem breiten Publikum orientiert arbeiten? In seinen Ausführungen<br />

bot Tlili keine einfachen Lösungen an, sondern nannte<br />

zwei Schwerpunkte, in denen sich deutliche Änderungen ergeben<br />

müssten: Zum einem sollten sich Museen stärker in der<br />

Personalentwicklung engagieren, zum anderen sollten Hochschulen<br />

und Museen in der primären Ausbildung von Museums<br />

mitarbeitern stärker als bisher zusammenarbeiten.<br />

Die ausführlichen Berichte aus der Praxis offenbarten erneut,<br />

dass grundsätzliche Aspekte der Museumsarbeit einer weite ren<br />

Klärung bedürfen. Dazu gehören die Fragen nach der Definition<br />

des Museums: Handelt es sich dabei eher um eine Schatzkammer<br />

oder um ein Forum? An welches Auditorium richtet<br />

sich die Museumsarbeit? – Wenn wir uns an Kinder richten,<br />

müssen wir die Erwachsenen in jedem Falle mitdenken. – Wie<br />

können diese Anforderung in der Aus- und Weiterbildung berücksichtigt<br />

werden? Wie lassen sich die Spannungen zwischen<br />

theoretischer und praktischer Museumsausbildung überwinden?<br />

Welche Anforderungen werden an die Ausbildung durch<br />

die neurobiologische Forschung gestellt? Ergeben sich durch<br />

die digitale Entwicklung auch neue Ausbildungsformen? Die<br />

meisten Anwesenden waren sich einig, dass es den folgenden<br />

Jahrestreffen überlassen bleibt wird, diese und weitere Grundsatzfragen<br />

schrittweise zu beantworten.<br />

Die ICTOP-Jahrestagung 2008 fand auf Einladung der Universidade<br />

Lusófona de Huminidades e Tecnologias, einer privaten<br />

Universität in Lissabon, statt, deren Rektor, Mário Moutinho,<br />

Vorsitzender des Verbandes Mouvement International<br />

pour la Nouvelle Muséologie (MINOM) ist. MINOM entstand<br />

aus der Éco-Musée-Bewegung und hat sich seit den<br />

1970er Jahren der kommunalen Museumsarbeit verschrieben.<br />

Die aus dieser Bewegung heraus entwickelte „Sociomuseology“<br />

war die Grundlage der Berichte aus Portugal und Brasilien.<br />

Ein Ausflug führte uns nach Setúbal, wo wir die Stadt und<br />

ihre beachtenswerten Museen kennenlernten. Mit einem fröhlichen<br />

Abend im Museu do Tabalho Michel Giacometti schlossen<br />

wir die Tagungsarbeit ab. In diesem Rahmen feierten wir<br />

das vierzigste Gründungsjahr von ICTOP für diesmal mit einer<br />

Geburtstagstorte. Die vierzigste ICTOP-Jahrestagung, die<br />

im Jahr 2010 in Shanghai stattfinden wird, wollen wir dann<br />

zum Anlass nehmen, eine offizielle Geburtstagsfeier zu veranstalten.<br />

Am letzten Tag befassten wir uns ausführlich mit einem<br />

wich tigen Dokument der ICTOP-Geschichte, den sogenannten<br />

Guidelines for Museum Professional Development. Nach langer<br />

Diskussion entschied die Mehrheit der anwesenden ICTOP-<br />

Mitglieder, dass wir uns weiterhin mit der grundsätzlichen<br />

Revision dieser Empfehlungen beschäftigen müssen. Dies soll<br />

in Arbeitsgruppen und über ein Internetforum geschehen. Das<br />

Ergebnis der Diskussion wird dann Gegenstand der nächsten<br />

Jahrestagung in Guaruja, Brasilien, sein. Dort werden ICTOP,<br />

NATHIST und <strong>ICOM</strong> Brazil vom 18. bis 22. Oktober <strong>2009</strong><br />

zu einem gemeinsamen Treffen zusammenkommen.<br />

Professor em. Dr. Angelika Ruge, lehrte Museumskunde an der Fachhochschule<br />

für Technik und Wirtschaft Berlin. Sie ist seit 2004 Präsidentin<br />

von ICTOP; angelika.ruge@online.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Publikation zum Thema Sociomuseology: Bruno, Cristina; Chagas,<br />

Màrio; Moutinho, Mário (Hrsgg.): Sociomuseology, Cadernos de Sociomuseologia.<br />

Resista Lusófona de Museologia, Lisbon 2007.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 43


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICME – International Committee for Museums and Collections<br />

of Ethnography<br />

Migration, Diaspora, Pilgrimage<br />

Jahrestagung vom 17. bis 21. November 2008 in Jerusalem, Israel<br />

Lothar Stein, Lydia Icke-Schwalbe<br />

Zum Thema der Jahrestagung konnte kein besserer Ort als<br />

Jerusalem gewählt werden. Etwa 55 Komitee-Mitglieder waren<br />

der Einladung des Isaac Kaplan Old Yishuv Court Museum<br />

Jerusalem, das in einem Gebäude aus dem 15./16. Jahrhundert<br />

in der Altstadt eingerichtet ist, gefolgt. Teilnehmer aus Argentinien,<br />

Australien, Korea, Südafrika, mehreren europäischen<br />

Ländern und den USA trugen zu einem gelungenen Treffen mit<br />

intensiven Gesprächen und dichter Programmfolge bei.<br />

Zwischen den zahlreichen Referaten und Diskussionen fanden<br />

Besichtigungen musealer und religiöser Stätten, einschließlich<br />

der jüngsten Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, sowie<br />

historisch geführte Stadtrundgänge statt, so dass sich gleichsam<br />

ein Dialog zwischen den vielfältigen Vortragsinhalten und<br />

den Einrichtungen in Israel entspann.<br />

Zahlreiche Nationen und ethnische Gruppen tragen als Einwanderer<br />

den politischen Staat Israel mit einem gemeinsamen<br />

religionshistorischen Hintergrund. Dennoch versteht sich das<br />

Land nicht als multikulturell oder nationalistisch. Das neue<br />

Israel-Museum will die politische Homogenität in den Vordergrund<br />

stellen, in dem auch die orthodoxen Khassidim, die in<br />

Brauchtum und Sitte noch immer ihren Exilstatus in Erwartung<br />

der Wiederkehr des Messias zeigen und Israel nicht als Staat<br />

der Juden akzeptieren, eine innere Heimat gestalten können,<br />

wie Ester Muchawsky-Schnapper in ihrer Vorstellung des im<br />

Bau befindlichen Nationalmuseums darstellte. Weitere regionale<br />

Dokumentationen wurden aus den USA, Italien, <strong>Deutschland</strong>,<br />

Estland sowie aus dem benachbarten Iran vorgetragen.<br />

Dazu gehörte zum Beispiel der Vortrag über eine Zigeunergruppe<br />

vom Schwarzen Meer, die so genannten Thrakischen<br />

Kalaydzhi, die den Winter in festen Dörfern verbringen, ansonsten<br />

aber mobil sind und nur zu bestimmten Zeiten im Bachkovo-<br />

Kloster, in den Rhodopen gelegen, zusammenkommen. Ferner<br />

referierte Lothar Stein über das Wanderverhalten der Schammar-Beduinen<br />

im Irak, die aufgrund von ökonomischen und<br />

politischen Entwicklungen ihre Lebensweise als Nomaden allmählich<br />

aufgeben und sich einem sesshaften Dasein annähern.<br />

Der zweite Teil der Tagung konfrontierte uns mit der Siedlungspolitik<br />

und dem religiösen Pilgertum im Norden von Israel.<br />

Die Besuche in den Kibbuzim und musealen Kulturzentren<br />

vermittelten eindrucksvoll die Lebenskraft der Einwanderer in<br />

Geschichte und Gegenwart. Im Kibbuz Yifat lernten wir anhand<br />

von Lebensbildern die Gründergeneration kennen, die als<br />

Pioniere zwischen 1911 und 1951 das Jesreel-Tal besiedelt haben.<br />

Diese ersten Migranten waren verarmte Landarbeiter aus<br />

russischen Gebieten, denen gestattet wurde, sich in den Sumpfgebieten<br />

entlang des Kishon-Flusses anzusiedeln. Sie kamen,<br />

um zu bauen und geformt zu werden, heißt es in der historischen<br />

Darstellung. Mithilfe eines arbeitsintensiven Ent- und<br />

Bewässerungssystems entstanden fruchtbare Oasenländereien<br />

als Grund lage selbstgenügsamer kommunistischer Gemeinschaf<br />

ten. Im barackenartig gebauten Speiseraum aßen wir gemeinsam<br />

mit den Siedlern die Produkte der Kommune. Eine junge,<br />

schwangere Frau erklärte uns den Vorzug des so genannten<br />

Kinderhauses, in dem alle Kibbuz-Kinder geboren und tags wie<br />

nachts umsorgt werden. Diese Betreuungsweise ermögliche jeder<br />

Frau, ihren notwendigen Arbeitsanteil zu erbringen. Im<br />

Kibbuz Kfar Giladi lernten wir sowohl die sich selbst tragende<br />

Versorgung in traditioneller kommunistischer Gesellschaftsstruktur<br />

kennen als auch die inzwischen zu Verkauf und Gewinnerzielung<br />

notwendige Überschussproduktion. Mit letzterer<br />

versuchen die Bewohner, die modernen Tendenzen einer international<br />

orientierten Jugend zu integrieren. Die Entwicklung<br />

hin zu Privateigentum und privatwirtschaftlichen Nachbarschaften,<br />

wie sie in den Moshavs schon seit langem vor sich geht,<br />

diskutierten die Kibbuzmitglieder in ihren Versammlungen offen<br />

und kontrovers. Eine moderne Entwicklung lernten wir im<br />

Kulturzentrum der deutschsprachigen Juden, der so genannten<br />

Jeckes, kennen. Es wurde 1970 gegründet und 1991 in das offene<br />

Industriepark-Museum Tefen in West-Galiläa eingeschlossen.<br />

Neben den jüdischen Kultur- und Lebensformen besuchten<br />

wir auch christliche Pilgerstätten in Galiläa und ein Dorf der<br />

islamischen Religionsgruppe der Drusen. Die geschlossene, israelfreundliche<br />

Gemeinschaft kam ursprünglich aus dem Libanon<br />

und lebt heute selbstgenügsam oberhalb des Sees Genezareth.<br />

Am Ende der Konferenz wurde klar, dass wir das Thema sehr<br />

weit gefasst hatten, wir viele Probleme nur aufnehmen, konkrete<br />

Fragen nur sammeln konnten. Den weiteren Austausch werden<br />

wir in Arbeitsberatungen und Workshops fortsetzen, um<br />

den vielen Detailfragen und regionalen Besonderheiten mehr<br />

Platz einzuräumen. Alle verließen den Tagungsort und die internationale<br />

Kollegengruppe mit reichen fachwissenschaftli chen<br />

und persönlichen Erfahrungen und tiefem Dank an die verantwortlichen<br />

Organisatoren, die derzeitige ICME-Präsidentin,<br />

Annette Fromm, und an Galia Gavish von <strong>ICOM</strong> Israel.<br />

Dr. Lothar Stein, Ethnologe, war von 1980 bis 2000 Direktor des Museums<br />

für Völkerkunde zu Leipzig.<br />

Dr. Lydia Icke-Schwalbe ist Kustodin i.R. des Museums für Völkerkunde<br />

in Dresden; dr.ickeschwalbe@t-online.de<br />

Im Kibbuz Yifat erzählt das Museum der Gründer die Geschichte<br />

der frühen Pioniere, die sich ab 1911 im Jesreel-Tal niedergelassen<br />

haben.<br />

44 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CIDOC – International Committee of Documentation<br />

The Digital Curation of Cultural Heritage<br />

Jahrestagung vom 15. bis 18. September 2008 in Athen,<br />

Griechenland<br />

Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug, Regine Scheffel<br />

Tagungsteilnehmer im Museum für Byzantinische Kunst, Athen<br />

Die Tagung umfasste mehr als sechzig Vorträge, Podiumsdiskussionen<br />

und Arbeitsgruppensitzungen, die auf vierzehn Plenar-<br />

wie parallel gehaltenen Sessions verteilt waren und das<br />

gesamte Spektrum der internationalen Museumsdokumentation<br />

in Theorie und Praxis abdeckten.<br />

Aus der Fülle von Beiträgen sollen hier nur einige beispielhaft<br />

genannt werden: In seinem Eröffnungsvortrag „Digital<br />

Curation, Sensemaking und Participatory Storytelling“ führte<br />

Seamus Ross von der Universität Glasgow in das Tagungsthema<br />

ein. „Digital Curation“ beinhaltet alle Aktivitäten, die<br />

not wendig sind, um digitalisierte und digital entstandene Kultur<br />

objekte und deren Daten zu erhalten. Dies umfasst den<br />

kompletten Lebenszyklus der digitalen Objekte von den Vorüberlegungen<br />

vor ihrer Erstellung über ihre Anreicherung mit<br />

(Meta-)Daten beschreibender, technischer oder rechtlicher Art,<br />

über ihre Nutzung bis hin zur Evaluierung ihrer Archivwürdigkeit<br />

und ihre Bereithaltung in einem digitalen Langzeitarchiv.<br />

Als Beispiel für zahlreiche deutsche Redner sei hier auf den<br />

gemeinsamen schwedisch-deutschen Beitrag von Susanne Nickel<br />

und Stefan Rohde-Enslin hingewiesen, der die Aufgabe<br />

der zukünftigen Erhaltung von digitalen Bildern zum Inhalt<br />

hatte. Digitalisierung und digitale Bildarchive wurden von vielen<br />

Beiträgen thematisiert, die über nationale Projekte berichteten.<br />

Deutlich zeichnet sich die Tendenz ab, digitale Bestände<br />

von Museen, Archiven und Bibliotheken sowohl national als<br />

auch international zu vernetzen und mit E-Science-Ressourcen<br />

zu verknüpfen. Überlegungen zu der dafür notwendigen Infrastruktur<br />

wurden ebenso vorgetragen wie grundlegende, z. T.<br />

provozierende Fragen zu den Voraussetzungen solch hochgesteckter<br />

Ziele im Museum – so im brillanten Beitrag „Digital<br />

Assets and Digital Burdens: Obstacles to the Dream of Universal<br />

Access“ von Nick Crofts (Schweiz).<br />

Ferner tauschten wir uns über den neuesten Stand in der<br />

Entwicklung von grundlegenden Standards aus, zur Sprache<br />

kamen beispielsweise Anwendungen der ISO-zertifizierten Ontologie<br />

für den Kulturerbebereich CRM – Conceptual Reference<br />

Model, aber auch über Standards im Datenaustausch oder<br />

über Terminologiekontrolle. Von Seiten der Softwareprovider<br />

berichtete Norbert Kanter humorvoll und kritisch über den<br />

Sinn und die Machbarkeit von Anforderungen bezüglich der<br />

zahlreichen Standards, die die Museen heute von Museumssoftware<br />

zwar fordern, aber nur selten gebrauchen.<br />

Vor der Mitgliederversammlung diskutierten CIDOC-<br />

Board-Mitglieder in einem abschließenden Panel mit dem Titel<br />

„Data Island: Lets Stop Building Canons and Start Building<br />

Bridges“ darüber, wie man die Qualität, Tragfähigkeit und<br />

Langzeiterhaltung der Museumsdaten sichern kann, welche<br />

Schritte im Bereich Museumsdokumentation anstehen und wie<br />

CIDOC diese Schritte unterstützen kann. In diesem Kontext<br />

spielen die CIDOC-Working-Groups als Foren für die Entwicklung<br />

von Empfehlungen und Best-Practice-Beispielen eine<br />

wesentliche Rolle, in Athen mit dabei waren die Gruppen<br />

Archaeological Sites, Conceptual Reference Model SIG, Documentation<br />

Standards, Digital Preservation, Information Centers,<br />

Multimedia, Co-Reference sowie Transdiciplinary Approaches.<br />

Traditionsgemäß konnten die Teilnehmer auch thematisch<br />

zentrierte Workshops besuchen, auf dem Plan standen: Conceptual<br />

Reference Model – Special Interest Group (CRM-SIG),<br />

Using XSLT to Transform XML-Resources, SGML/XML and<br />

Museum Information Consultancy sowie Museum Documentation<br />

in Transdisciplinary Perspective.<br />

Das griechische Organisationsteam mit Ifigenia Dionissiadou<br />

vom Benaki-Museum an der Spitze hatte als Rahmenprogramm<br />

für die insgesamt 149 Teilnehmer aus 37 Ländern zahlreiche<br />

Besuche in den Athener Museen organisiert. Dazu zählten das<br />

Museum für Islamische Kunst, das Benaki-Museum sowie die<br />

Museen für Byzantinische Kunst und Kykladische Kunst. Abendveranstaltungen<br />

wie das Konzert im Garten des Museums für<br />

Volksmusik und ein Empfang im griechischen numismatischen<br />

Museum – der früheren klassizistischen Villa Heinrich Schliemanns<br />

– ergänzten das eindrucksvolle Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm.<br />

Die diesjährige CIDOC-Tagung zum Thema „Documentation<br />

in the XXI Century: Connecting Cultural Heritage Information“<br />

findet vom 28. bis 30. September <strong>2009</strong> in Santiago<br />

de Chile statt.<br />

Axel Ermert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Museumsforschung<br />

in Berlin, Vorstandsmitglied von CIDOC;<br />

a.ermert@smb.spk-berlin.de<br />

Professor Monika Hagedorn-Saupe ist stellvertretende Leiterin des<br />

Instituts für Museumsforschung in Berlin und Generalsekretärin von<br />

CIDOC; m.hagedorn@smb.spk-berlin.de<br />

Martina Krug leitet das Städtische Museum in Hann. Münden;<br />

museum@hann.muenden.de<br />

Professor Regine Scheffel arbeitet seit 2000 am Fachbereich Medien<br />

der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig;<br />

scheffel@fbm.htwk-leipzig.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Dokumentation der CIDOC-Tagung 2008: www.cidoc2008.gr<br />

Aktuelle Informationen zu CIDOC: www.cidoc.mediahost.org<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 45


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Das Areal der alten Rampe, an der bis 1944 die nach Birkenau Verschleppten<br />

den Deportationszug verlassen mussten, ist nun durch<br />

Informationsstelen gekennzeichnet.<br />

IC MEMO – International Committee of Memorial Museums<br />

for the Remembrance of Victims of Public Crimes<br />

History and Presentation: The Place of Nazi<br />

Crimes<br />

Jahrestagung vom 6. bis 8. Oktober 2008 in Oświęcim, Polen<br />

Jan Erik Schulte, Kirsten John-Stucke<br />

Eine Tagung in Auschwitz ist kein einfaches Unterfangen. Selbst<br />

wenn die meisten Teilnehmer den Ort aus eigener Anschauung<br />

kannten oder sich ihm durch Lektüre angenähert hatten, bleibt<br />

Auschwitz immer wieder eine neue Herausforderung. Denn das<br />

ehemalige Lager ist nicht einzig ein Symbol für die Vernichtung<br />

der europäischen Juden. Vielmehr ist Auschwitz auch ein historischer<br />

Ort, der als solcher erinnert werden soll – dieses Leitmotiv<br />

zog sich durch die Konferenz. Aus diesem Grund leiteten<br />

zwei historische Vorträge die Tagung ein. Piotr Setkiewicz von<br />

der Gedenkstätte Auschwitz und Jan Erik Schulte von der<br />

Ruhr-Universität Bochum ordneten die vorbereitenden Maßnahmen<br />

zum Völkermord in Auschwitz in den Zusammenhang<br />

der neueren Forschungsergebnisse zum Lager und in den Kontext<br />

der regionalen Maßnahmen der SS in Polen der Jahre<br />

1941/42 ein.<br />

Um die konkrete museale Auseinandersetzung mit den Orten<br />

ehemaliger Konzentrationslager ging es in den Beiträgen<br />

von Grzegorz Plewik zum Staatlichen Museum Majdanek und<br />

Reimer Möller zur Gedenkstätte Neuengamme. Während in<br />

Neuengamme das um- und rückgebaute Gelände mit neukonzeptionierten<br />

Ausstellungen bereits erschlossen ist, steht die Neugestaltung<br />

von Majdanek erst am Anfang. Einhellige Meinung<br />

der Vortragenden und Diskutanten war es, zerstörte Gebäude<br />

nicht zu rekonstruieren und bauliche Überreste vorsichtig konservierend<br />

zu erhalten. Dabei müssen insbesondere die verschiedenen<br />

Überlieferungsschichten, durch vielfältige Nutzungen und<br />

Eingriffe entstanden, dokumentiert werden.<br />

Bildungsarbeit und neue Dauerausstellung standen im Mittelpunkt<br />

der Beiträge von Alicja Bialecka, Leiterin der Bildungs abteilung<br />

des International Center for Education about Auschwitz<br />

and the Holocaust, und Tereza Świebocka, stellvertretende<br />

Museumsleiterin der Gedenkstätte Auschwitz. Frau Bialecka<br />

stellte beindruckende Besucherzahlen vor, allein im Zeitraum<br />

von 2001 bis 2007 stieg die Zahl der Besucher um das dreifache<br />

von rund 400.000 auf über 1,2 Millionen an. Etwas mehr als<br />

ein Drittel der Besucher kämen aus Polen, über 100.000 aus<br />

Großbritannien, etwa 90.000 aus den USA, 60.000 aus <strong>Deutschland</strong><br />

und 44.000 aus Israel. Neben der Zahl der Besucher würde<br />

auch deren häufig kurze Verweildauer in Auschwitz höchste<br />

Anforderungen an das pädagogische Personal stellen.<br />

Einen ersten Einblick in die Planungen zur Neukonzeption<br />

erlaubte Frau Świebocka. Völlig neu gestaltet, wird die Auschwitzer<br />

Dauerausstellung, auf die Blocks 1 bis 10 verteilt, die<br />

Geschichte des Lagers präsentieren. In der unteren Etage der<br />

Gebäude sollen die großen Themen behandelt werden, in der<br />

oberen Etage darauf aufbauende Vertiefungsbereiche Platz finden.<br />

Im Rahmen der Diskussion wurde von den Teilnehmern<br />

angeregt, die alte Ausstellung, die über Jahrzehnte weltweit das<br />

Bild von der Gedenkstätte mitgeprägt hat, in Auswahl zu erhalten.<br />

Dies wird allerdings aus praktischen Gründen vermutlich<br />

nicht möglich sein.<br />

Die Tagung schloss mit dem Themenschwerpunkt „Lagerkunst“.<br />

Nach einem Besuch in der Kunstsammlung des Museums<br />

Auschwitz-Birkenau, in der zahlreiche Zeichnungen und<br />

Gemälde, die von KZ-Häftlingen zum Teil als Zeichen der<br />

Selbstbehauptung oder auch als Auftragskunst angefertigt worden<br />

waren, besichtigt werden konnten, folgten mit Vorträgen<br />

von Pnina Rosenberg vom Ghetto Fighters Museum in Israel<br />

und von Vojtech Blodig von der Gedenkstätte Theresienstadt<br />

zwei unterschiedliche Referate zur Kunst des Holocaust. Pnina<br />

Rosenberg arbeitete in ihrer Analyse von Häftlingszeichnungen<br />

verschiedene Kategorien von Bildmotiven heraus, die sie<br />

zwischen Dokumentation der Lagerrealität und der geistigen<br />

Selbstbehauptung ansiedelt. Häufig vorkommende Motive seien<br />

Stacheldrahtzäune und Wachtürme sowie Darstellungen<br />

aus dem Inneren der Baracken, die – im Kontrast zu der sehnsuchtsvoll<br />

gezeichneten, malerischen, schönen Landschaft außerhalb<br />

der Lagerwelt – auf die täglich erlebte Enge und den<br />

Verlust der Freiheit hinwiesen. Bei den Motiven von Hunger und<br />

Mangel an Hygiene sei auffällig, dass Frauen im Gegensatz zu<br />

männlichen Künstlern ihre Figuren ohne Gesichter zeichneten,<br />

sie blieben unpersönlich und abstrakt. Vojtech Blodig hob in<br />

seinem Referat die Bedeutung des kulturellen Lebens und der<br />

Kunst für die Menschen im Ghetto Theresienstadt hervor. Es<br />

hätte ihnen geistige Kraft für das Leben im Angesicht der Leiden<br />

und des Sterbens im Ghetto gegeben.<br />

Ziel der Konferenz war es, vor dem Hintergrund neuerer<br />

Entwicklungen verschiedenartige Herausforderungen aufzuzeigen<br />

und komplexe Annäherung zu diskutieren, die für Gedenkstätten<br />

an authentischen Orten besonders in Mittel- und<br />

Mittelosteuropa relevant sind. In vielfältiger Weise standen<br />

hierbei das Staatliche Museum und der Ort Auschwitz im Mittelpunkt.<br />

Es erwies sich, dass Fragestellungen und Probleme<br />

international vergleichbar sind. Dies gilt für den Umgang mit<br />

dem hinterlassenen Gelände, der Bedeutung der Täter für die<br />

Geschichtserzählung oder das zunehmend disparater werdende<br />

Vorwissen der Besucher. Für Auschwitz allerdings erreichen<br />

die Probleme andere Dimensionen als für die Gedenkstätten aus<br />

Polen, Tschechien, Frankreich, Norwegen, Israel und <strong>Deutschland</strong>,<br />

die auf der Tagung durch Mitarbeiter vertreten waren.<br />

Dr. Jan Erik Schulte, Zeithistoriker, Ruhr-Universität Bochum, Vizepräsident<br />

des Internationalen Gedenkstättenkomitees IC MEMO;<br />

jan.e.schulte@ruhr-uni-bochum.de<br />

Kirsten John-Stucke, M. A., Zeithistorikerin, stellvertretende Leiterin des<br />

Kreismuseums Wewelsburg; john-stuckek@kreis-paderborn.de<br />

46 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

<strong>ICOM</strong>ON – International Committee of Money<br />

and Banking Museums<br />

Geldmuseen und der moderne<br />

Informationsfluss<br />

Jahrestagung vom 27. bis 29. Oktober 2008 in Utrecht,<br />

Niederlande<br />

Reiner Cunz, Niklot Klüßendorf<br />

Die 15. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung fand im Geldmuseum Utrecht<br />

statt, das in Symbiose mit der Königlich Niederländischen Münze<br />

wirkt. Dessen Besucher können sogar die laufende Produktion<br />

von Euros und Cents über eine Fensterfront beobachten.<br />

Doch ist die in unserem Kulturkreis seit dem siebten Jahrhundert<br />

v. Chr. übliche Münze heute nur noch altehrwürdige Erscheinungsform<br />

des Geldes, während das moderne Geld in papierenen<br />

Formen auftritt, durch Plastik ersetzt wird und als<br />

Buchgeld gar in elektronische Formen übergeht.<br />

Dieses Spannungsfeld vereinte 75 Kollegen aus allen fünf<br />

Kontinenten, darunter sechs Kollegen aus der Bundesrepublik.<br />

Das Teilnehmerfeld ging von mit Museumsaufgaben betrauten<br />

Historikern aller Epochen über Archäologen, Archivare, Bibliothekare,<br />

Ethnologen, Volkswirte, Juristen bis zu Fachleuten<br />

aus dem Bankwesen.<br />

Allenthalben sind derzeit kleine Fächer wegen fehlenden institutionellen<br />

Rückhalts im Rückzug. Oft müssen sie auf Kooperation<br />

mit auswärtigen Kräften setzen, etwa mit Ama teuren<br />

bzw. Sammlern, die Zugriff auf Material haben, das Museen<br />

fehlt. In der einführenden Sektion über Zustand und Zukunft<br />

der Numismatik als Wissenschaft war dies der rote Faden.<br />

Dabei spiegelten die Wiener Sicht (Dr. Ros witha Denk, Münzkabinett<br />

des Kunsthistorischen Museums Wien) wegen der<br />

derzeitig umstrittenen Zukunft des einzigen Ordinariats im<br />

deutschen Sprachraum und die deutsche Sicht in der Keynote<br />

Speech („How to Convey Numismatics and Monetary History<br />

to General Historians – A Problem Not Reserved to<br />

Museums“) von Niklot Klüßendorf, Marburg, zwei Seiten<br />

einer Medaille. Der Spagat zwischen der Rolle des auf seinem<br />

Felde unersetzlichen, in seiner Institution eher randständigen<br />

Spezialisten und der des Generalisten, der von der Münzbeschreibung<br />

bis zur differenzierten Erklärung moderner Währungskrisen<br />

alles bietet, ist dabei die Forderung, der sich fast<br />

alle Mitarbeiter kleinerer Geld- und Bankmuseen nach dem<br />

Prinip des Learning by Doing stellen müssen.<br />

Gleich, ob Numismatiker aus eher historischer oder archäologischer<br />

Schule kommen, bleibt der Umstand, dass Hochschulen<br />

bevorzugt in Epochen ausbilden. Sie entsenden also<br />

Althistoriker, Mediävisten und Neuhistoriker in das Berufsleben.<br />

Für historische Mitarbeiter in Bankeinrichtungen aber<br />

wird solche Periodisierung leicht zum Hindernis, die Anerkennung<br />

ihrer Allgemeinkompetenz durchzusetzen. Und viele<br />

Historiker lernen im Studium zu wenig über Grundbegriffe<br />

und Funktion des Geldes. Numismatik und Geldgeschichte müssen<br />

also auch in das Bewusstein von Allgemeinhistorikern herübergebracht<br />

werden. Denn das Geld als allgemeines Phänomen<br />

ist zu wichtig, um es nur den Spezialisten zu überlassen.<br />

Kein Historiker, der in einem Bankinstitut museal arbeitet,<br />

kann sich auf seine Spezialepoche zurückziehen. Er steht vielmehr<br />

vor der Aufgabe, für die Geschichte als Ganzes in einem<br />

nichthistorischen Feld zu wirken. Auch klassischen „Bankern“<br />

Die Münzpresse in Aktion: Gleich kommt das erste 5-Euro-Stück 
in<br />

Silber heraus.<br />

kann ein Historiker vieles bieten und etwa die gefürchteten<br />

„Schnellschüsse“ in den Public Relations zurechtrücken. Der<br />

Referent belegte dies an Beispielen aus der jüngsten deutschen<br />

Geschichte, in der etwa die Bundesbank versprach, alle auf DM<br />

lautenden deutschen Banknoten jederzeit zum Nennwert einzulösen<br />

und dabei vergaß, dass die Währung der DDR bis 1964<br />

ebenfalls DM hieß.<br />

Weitere zentrale Themenkreise der Tagung behandelten numismatische<br />

Datenbanken für Museen und nationale Fundunternehmungen,<br />

den Informationsfluss zwischen den einzelnen<br />

Medien und das Entstehen kleiner nationaler Sammlungen,<br />

namentlich in Uganda und auf den Kapverdischen Inseln, die<br />

unersetzliche Quellen, etwa aus der Kolonialzeit, praktisch im<br />

letzten Moment retten.<br />

Am Ort hatten die Gastgeber Vorzügliches zu bieten, das aus<br />

der Nachbarschaft der Münzstätte zum Geldmuseum rührte.<br />

Dazu gehörte die Zeremonie zur ersten Prägung eines nationalen<br />

5-Euro-Gedenkstücks auf die Architektur der Niederlande.<br />

Und weit über Münzen und Geldscheine hinaus wurde<br />

das Geldmuseum seinem allumfassenden Anspruch gerecht,<br />

indem es seine Besucher individuell die Prozesse des Geldumlaufs,<br />

der Lohn- und Preis-Entwicklung, des langfristigen Vermögensaufbaus<br />

bis zur Altersversorgung in einem interaktiven<br />

elektronischen Spielsystem erarbeiten ließ. Die virtuelle Währung<br />

musste durch Aufmerksamkeit und Intelligenz erarbeitet<br />

werden, zum Teil auch durch Einsatz am Schwungrad. Das so<br />

verdiente „Spielgeld“ wurde auf der elektronischen Eintrittskarte<br />

gespeichert und reichte meist für den nächsten Automaten,<br />

aus dem originelle Souvenirs zu beziehen waren. Didaktisch<br />

war dies ein Genuss!<br />

Dr. Reiner Cunz, Niedersächsischer Landesnumismatiker, Niedersächsisches<br />

Münzkabinett der Deutschen Bank; reiner.cunz@t-online.de<br />

Prof. Dr. Niklot Klüßendorf, apl. Professor für Numismatik und Geldgeschichte<br />

am Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der<br />

Philipps-Universität Marburg; kluessen@staff.uni-marburg.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Die 16. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung findet im September <strong>2009</strong> in Glasgow<br />

statt, die 17. Jahrestagung im September 2010 in Shanghai, siehe dazu:<br />

www.icomon.org<br />

Sammelband der 11. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung: Money and Identity. Hrsg.<br />

von Reiner Cunz, Hannover 2007, ISBN 978-3-87707-731-3<br />

Sammelband der 12. <strong>ICOM</strong>ON-Jahrestagung: La moneda el público y<br />

los museos, San José 2007, ISBN 978-9968-9607-7-9<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 47


AUSBLICK<br />

Étrangers – Fremde?<br />

Bilder vom Anderen in <strong>Deutschland</strong><br />

und Frankreich seit 1870<br />

Ein Ausstellungsprojekt des Deutschen Historischen Museums, Berlin,<br />

und der Cité nationale de l’histoire de l’immigration, Paris<br />

Jan Werquet<br />

Wer sind wir? – Wer die Anderen? Diese Fragen prägen nicht<br />

nur individuelle Alltagserfahrungen. Auch die Idee der Nation<br />

wurde maßgeblich durch die gezielte Abgrenzung vom „Anderen“<br />

bestimmt. Hierbei handelte es sich nicht um Prozesse,<br />

die sich an gegebenen objektiven Größen orientierten, sondern<br />

um eine Abfolge verschiedenster, oft einander widersprechender<br />

Konstruktionen und Projektionen. Dies zu zeigen ist das<br />

Anliegen der Ausstellung „Étrangers – Fremde? Bilder vom Anderen<br />

in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich seit 1870“. Die mit zahlreichen<br />

historischen Exponaten bestückte Schau wurde im<br />

Dezember 2008 in der Pariser Cité nationale de l’histoire de<br />

l’immigration eröffnet und wird ab Oktober dieses Jahres in<br />

einer erweiterten Fassung im von I. M. Pei errichteten Ausstellungsgebäude<br />

des Deutschen Historischen Museums (DHM)<br />

zu sehen sein. In einer transnationalen Perspektive betrachtet<br />

sie die Entwicklung in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich während<br />

der letzten 130 Jahre und zeigt dabei historische Brüche und<br />

Kontinuitäten sowie zahlreiche Verflechtungen zwischen beiden<br />

Ländern auf. Indem sie geschichtliche und aktuelle Themen<br />

in einen übergreifenden Zusammenhang stellt, wirft die<br />

Ausstellung auch einen neuen Blick auf die gesellschaftspolitischen<br />

Debatten der Gegenwart, die sowohl in <strong>Deutschland</strong> als<br />

auch in Frankreich in zunehmendem Maße von Fragen der nationalen<br />

Selbstdefinition und der Integration von Minderhei ten<br />

bestimmt sind.<br />

In ihrer Pariser Fassung konfrontiert die Ausstellung historische<br />

Exponate mit Werken der Gegenwartskunst und eröffnet<br />

so unterschiedliche Perspektiven auf aktuelle soziale Konfliktfelder.<br />

Den Kern bildet dabei eine nach Epochen gegliederte<br />

historische Erzählung. Um den konstruierten Charakter von<br />

gesellschaftlichen Selbst- und Fremdbildern zu unterstreichen,<br />

wurde hier eine neuartige Form der Ausstellungsarchitektur<br />

entwickelt: Eine offene, gerüstartige Installation durchzieht den<br />

langgestreckten Ausstellungsraum und ordnet als „Matrix“<br />

die verschiedenen chronologisch angeordneten Themenberei che<br />

mit ihren jeweiligen Ausstellungsobjekten. Zahlreiche Durchblicke<br />

sowie Vor- und Rücksprünge der Hängeflächen lassen<br />

die Matrix als einen vielgestaltigen Organismus erscheinen,<br />

der den Ausstellungsraum nach Sinneseinheiten gliedert und<br />

zugleich die visuelle Wirkung einzelner Exponate hervorhebt<br />

oder bricht. Dabei stehen Postkarten, Zeitschriftenkarikatu ren<br />

und Plakate neben plastischen Werken, die dem Bild vom Fremden<br />

räumliche Präsenz verleihen. In die Ausstellungsarchitektur<br />

integrierte Monitore zeigen Ausschnitte aus Spiel- und Propagandafilmen<br />

sowie aktuellen Musikvideos. Auf diese Weise<br />

dokumentiert der Ausstellungsparcours die Produktion von<br />

Fremdbildern im Rahmen eines mediengeschichtlichen Überblicks,<br />

der vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart<br />

reicht.<br />

Die Monate bis zur Eröffnung in Berlin wird das Kurato renteam<br />

des DHM nutzen, um die Ausstellung an die räumlichen<br />

Gegebenheiten des Pei-Baus anzupassen und konzeptionell zu<br />

erweitern. Dabei werden „Zooms“ die aus Paris übernommene<br />

„Matrix“ ergänzen und ausgewählte inhaltliche Aspekte vertiefend<br />

behandeln. Diese neuen Ausstellungsbereiche bieten<br />

Raum für geschichtliche Exkurse, die jeweils einzelnen Zeitabschnitten<br />

zugeordnet und exemplarisch jenen Gruppen gewidmet<br />

sind, die in den einzelnen Epochen in besonderem Ma ße zu<br />

Objekten der gesellschaftlichen Aus- und Abgrenzung wurden.<br />

In ihrer chronologischen Abfolge entwerfen die „Zooms“<br />

48 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Ausblick<br />

„Étrangers – Fremde?“ verwendet eine offene, gerüstartige Ausstellungsarchitektur, die den konstruierten Charakter von gesellschaftlichen<br />

Selbst- und Fremdbildern unterstreicht. Zu den Exponaten gehören neben Postkarten, Karikaturen, Plakaten und plastischen Werken<br />

auch Sequenzen aus Spiel- und Propagandafilmen sowie aktuellen Musikvideos.<br />

eine Geschichte der rassenbiologischen und fremdenfeindli chen<br />

Diskurse, die in beiden Ländern vielfältige Berührungspunkte<br />

aufweist. Sie reicht vom Bild des „kolonialen Ureinwohners“<br />

im späten 19. Jahrhundert, über die so genannte „Schwarze<br />

Schmach“ – der Besetzung des Rheinlandes durch französische<br />

Kolonialtruppen nach dem Ersten Weltkrieg –, dem Bild<br />

„des Juden“ während des Nationalsozialismus und des Zweiten<br />

Weltkrieges bis zum kontrovers diskutierten Islambild<br />

der Gegenwart. Dabei geht es nicht allein um eine Dokumentation<br />

der einzelnen Feind- und Fremdbilder auf einer rein ikonographischen<br />

Ebene. Ziel ist es vielmehr, deren gesellschaftliche<br />

Funktion vor dem jeweiligen historischen Hintergrund<br />

zu analysieren und auf diese Weise ihre temporäre Bedeutung<br />

für die nationale Selbstdefinition offen zu legen. So werden<br />

Raumtexte und Schautafeln Auskunft über die Zusammenhänge<br />

zwischen der oft gezielt gesteuerten Bildproduktion und den<br />

damit verbundenen politischen Interessenlagen geben.<br />

Gerade in der Abschlusssequenz der Ausstellung, die dem<br />

Islambild der Gegenwart in <strong>Deutschland</strong> und Frankreich gewidmet<br />

ist, erscheint es in besonderem Maße geboten, die<br />

Vergegenwärtigung der Bilder vom Fremden mit der kritischen<br />

Reflexion aktueller gesellschaftlicher Debatten zu verbinden.<br />

So werden mediale Zerrbilder, die sowohl im Kontext von<br />

Moscheebau- und Kopftuchdebatten als auch durch Gleichsetzung<br />

von „Islam“ und „Islamismus“ entstanden, an ausgewählten<br />

Exponaten behandelt. Gleichzeitig wird der Besucher<br />

mit der Vielseitigkeit muslimischer Lebenswelten<br />

konfrontiert, um Vorstellungen vom zeitlosen „Wesen“ islamischer<br />

Kultur und monokausale Erklärungsmuster zu problematisieren.<br />

Während der Laufzeit in Berlin ist ein museumspädagogisches<br />

Begleitprogramm geplant, das die Ausstellung für ein<br />

brei tes Publikum erschließen und ihr so eine große gesellschaftspolitische<br />

Wirksamkeit verleihen soll. Film- und Geschichtswerkstätten,<br />

Führungen und Seminare werden verschiedene<br />

Zielgruppen ansprechen und diese mit unterschiedlichen<br />

Wahrnehmungen der gesellschaftlichen Realität konfrontieren.<br />

In diesem Sinne hofft die Ausstellung auch einen Beitrag zum<br />

gegenseitigen Verständnis von Menschen mit und ohne Migrationhintergrund<br />

und zur Überwindung überkommener Fremdbilder<br />

zu leisten.<br />

Jan Werquet, Mitkurator der Ausstellung, Deutsches Historisches Museum;<br />

werquet@dhm.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Die Ausstellung läuft vom 15. Oktober <strong>2009</strong> bis zum 31. Januar 2010<br />

im Pei-Bau des Deutschen Hinstorischen Museums.<br />

www.dhm.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 49


AUSBLICK<br />

<strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums<br />

Deutsche Übersetzung der<br />

überarbeiteten Fassung ist in Arbeit<br />

Die drei <strong>ICOM</strong>-Nationalkomitees <strong>Deutschland</strong>, Schweiz und<br />

Österreich planen für dieses Jahr die deutschsprachige Übersetzung<br />

des aktuellen „<strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums“.<br />

Die darin formulierten und weltweit anerkannten ethischen<br />

Richtlinien bilden die Grundlage der professionellen Arbeit von<br />

Museen und Museumsfachleuten.<br />

Der „Code of Ethics“ spiegelt eine Momentaufnahme der<br />

„Verfassung“ der Museen der Welt wider, denn der internationale<br />

Dialog um die Grundlagen und Ziele der Museumsarbeit<br />

ist ein permanenter Prozess. Sie als Institution oder als Repräsentantin<br />

bzw. Repräsentant Ihres Museums können an diesem<br />

internationalen Dialog mitwirken. Die Museums- und Ausstellungsarbeit<br />

hat heute stärkere internationale Dimensionen als<br />

in früheren Jahrzehnten. Wir vermitteln unsere Geschichte und<br />

Kultur intensiver vernetzt sowohl in der konzeptionellen Arbeit<br />

als auch für ein breiteres Publikum, das heute mehr über<br />

eigene Wurzeln und fremde Entwicklungen erfahren möchte.<br />

Ausstellungen und Museumsarbeit helfen – auf allen Ebenen<br />

– bei der Findung von Identitäten, eine Voraussetzung für die<br />

Gestaltung der Gegenwart und Zukunft.<br />

Der „<strong>ICOM</strong>-Code of Ethics for Museums“ wurde zuletzt<br />

2004 fortgeschrieben und von der <strong>ICOM</strong>-Generalversammlung<br />

in Seoul (Süd-Korea) in einer neuen Fassung verabschiedet.<br />

Die englische und französische Originalversion erhalten Sie<br />

in gedruckter Form oder können Sie als pdf-Dokument herunterladen:<br />

icom.museum/ethics.html.<br />

Die im Jahr 2003 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>ICOM</strong> Schweiz und<br />

<strong>ICOM</strong> Österreich herausgegebene deutsche Fassung „<strong>ICOM</strong> –<br />

Ethische Richtlinien für Museen“ ist vergriffen und nur noch<br />

als PDF-Dokument auf der Webseite von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

erhältlich.<br />

Weitere Informationen:<br />

Den aktuellen Stand der Planungen entnehmen Sie unserer Webseite<br />

www.icom-deutschland.de.<br />

Arbeitskreis Volontariat<br />

Tagung erfolgreich beendet –<br />

neuer Sprecherrat gewählt<br />

Zu ihrem nunmehr 19. bundesweiten Treffen versammelten sich<br />

die wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontäre an Museen,<br />

Gedenkstätten und in der Denkmalpflege vom 20. bis 22.<br />

März <strong>2009</strong> in Chemnitz und Leipzig; rund 120 Tagungsteilnehmer<br />

ließen sich nach Sachsen locken. Seit 1991 kommen die<br />

jungen Akademiker jährlich zusammen, um sich wissenschaftlich<br />

durch Vorträge wie auch Besichtigungen fortzubilden und<br />

überregional auszutauschen. Ehrenamtlich und eigeninitiativ<br />

organisiert, hat jede Zusammenkunft einen selbstbestimmten,<br />

aktuellen Schwerpunkt.<br />

Nach einem Grußwort der Chemnitzer Oberbürgermeisterin<br />

Barbara Ludwig stellten sechs Referenten – fast durchweg Volontäre<br />

– gemäß dem Tagungsthema „Provenienz – Herkunft“<br />

in abwechslungsreichen Werkstattberichten Bereiche ihres Arbeitsalltages<br />

vor. So wechselte etwa die Darstellung von Förderungsmöglichkeiten<br />

durch die 2008 eingerichtete Berliner Arbeitsstelle<br />

für Provenienzrecherche/-forschung mit einem Bericht über<br />

das Phänomen der Häufung paläontologischer Privatsammlungen<br />

auf der Schwäbischen Alb.<br />

Als Tagesordnungspunkt ins Vortragsprogramm integriert<br />

war die Wahl eines neuen Sprecherkollegiums des Arbeitskreises<br />

(AK) Volontariat im Deutschen Museumsbund. Die elementare<br />

Rolle dieser Interessenvertretung der Volontäre hatte Vera Neukirchen,<br />

kommissarische Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbundes,<br />

bereits während ihrer Eröffnungsrede hervorgehoben.<br />

Zur Arbeit des AK gehört neben der Entwicklung<br />

eines Ausbildungsleitfadens für wissenschaftliche Museumsvolontariate<br />

die Aufstellung von Verbleibstudien sowie die kontinuierliche<br />

Erhebung von Daten zu Arbeitsbedingungen von<br />

Volontären.<br />

Überdies lud ein abwechslungsreiches Exkursions- und Führungsprogramm<br />

dazu ein, die Museumslandschaft und kulturelle<br />

Einrichtungen der Gastgeberstädte Chemnitz und Leipzig<br />

mit fachlicher Begleitung zu erkunden.<br />

Möglichkeit zum Austausch und Networking boten am Eröffnungsabend<br />

ein Empfang in den Kunstsammlungen Chemnitz,<br />

zu dem Generaldirektorin Ingrid Mössinger geladen hatte,<br />

und die abschließende Zusammenkunft im Museum der<br />

bildenden Künste Leipzig, bei der Direktor Dr. Hans-Werner<br />

Schmidt die Tagungsteilnehmer im Namen der Bürgerstadt begrüßte.<br />

Der neu gewählte neunköpfige Sprecherrat des AK wird im<br />

März 2010 während der 20. bundesweiten Volontärstagung in<br />

Berlin/Brandenburg den „Staffelstab“ übergeben – man darf<br />

auf ein weiteres aufschlussreiches und kommunikatives Jahrestreffen<br />

gespannt sein.<br />

Die Tagung wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und weiteren Sponsoren.<br />

Weitere Informationen:<br />

Pavla Langer<br />

pavla.langer@web.de<br />

50 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


AUSBLICK<br />

Neuerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Museumsberufe – Eine<br />

europäische Empfehlung<br />

Im November 2008 hat der Deutsche<br />

Museumsbund gemeinsam mit <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> und dem International Committee<br />

for the Training of Personnel<br />

(ICTOP) die Broschüre „Museumsberu fe<br />

– Eine europäische Empfehlung“ he r au s­<br />

gegeben.<br />

Die Rolle der Museen als Orte der<br />

Bildung und der Kommunikation hat sich<br />

in den letzten Jahren gewandelt. Mehr<br />

als früher wenden sich die Museen den<br />

Besuchern und Nichtbesuchern aktiv zu.<br />

Die aktuelle Diskussion darüber, wie sie<br />

ihre Aufgaben optimal erfüllen können,<br />

betrifft auch die innere Organisation:<br />

Management, Führung und Zusammenarbeit,<br />

zweckmäßige Aufgabenverteilung<br />

und effiziente Aufgabenwahrnehmung<br />

sind hier nur einzelne Stichworte.<br />

In der nun vorliegenden Publikation<br />

werden die Anforderungsprofile für insgesamt<br />

zwanzig Museumsberufe beschrie<br />

ben, die lediglich Empfehlungscharakter<br />

haben. Die Broschüre will<br />

An stöße für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung<br />

der museumsspezifi schen<br />

Berufsbilder und die darauf hinführende<br />

Ausbildung geben.<br />

Das Dokument kann unter www.icomdeutschland.de<br />

> Publikationen heruntergeladen<br />

oder als Broschüre beim Deutschen<br />

Museumsbund bestellt werden.<br />

Museumsberufe –<br />

Eine europäische Empfehlung<br />

Hrsg. Deutscher Museumsbund e. V.<br />

gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

und ICTOP, Berlin 2008, 50 Seiten.<br />

ISBN 978-3-9811983-3-1<br />

Das Museum<br />

als Ort des Wissens<br />

<strong>ICOM</strong> Schweiz hat einen Band mit den<br />

Tagungsbeiträgen des Internationalen<br />

Bo densee-Symposiums 2006 herausgegeben.<br />

Alle drei Jahre findet das Internationale<br />

Bodensee-Symposium der drei<br />

<strong>ICOM</strong>-Länder <strong>Deutschland</strong>, Österreich<br />

und Schweiz statt. Im Jahr 2006 wurde<br />

die Veranstaltung in Schaffhausen, Schweiz,<br />

zu dem Thema „Das Museum als Ort des<br />

Wissens“ durchgeführt.<br />

Das Thema weist auf die wenig spektakuläre,<br />

aber notwendige Hintergrundarbeit<br />

der Museen hin. Die verschiedenen<br />

Beiträge zeigen Beispiele spezialisierter<br />

Forschung in den großen, meist universitätsnahen<br />

Institutionen und neuartige<br />

Modelle der Zusammenarbeit zwischen<br />

den Museen oder auch Museen und<br />

Hochschulen. Sie sind aber auch Beleg<br />

dafür, dass die mühsame Kernarbeit der<br />

Inventarisierung und minutiösen Detailabklärung<br />

selbst in den kleinen und mittleren<br />

Museen zur Vermehrung des Wissens<br />

beiträgt.<br />

Der Tagungsband kann unter:<br />

www.icom-deutschland.de > Publikationen<br />

heruntergeladen oder in Buchform bei<br />

<strong>ICOM</strong> Schweiz bestellt werden. <strong>ICOM</strong>-<br />

Mitglieder aus der Schweiz, Österreich<br />

und <strong>Deutschland</strong> profitieren von einem<br />

Spezialpreis.<br />

Das Museum als Ort des Wissens<br />

Hrsg. <strong>ICOM</strong> Schweiz, 2008, 150 Seiten.<br />

ISBN 978-3-9523484-1-3<br />

Zu bestellen bei: <strong>ICOM</strong> Schweiz<br />

c/o Schweizerisches Landesmuseum<br />

Postfach, Museumstr. 2, 8021 Zürich<br />

Tel. +41 44 2186588, Fax +41 44 2186589<br />

info@museums.ch, www.museums.ch<br />

Wissenschaftskommu nikation<br />

– Perspek tiven<br />

der Ausbildung – Lernen<br />

im Museum<br />

Welche Wege der Wissenschaftskommunikation<br />

und Wissenschaftsdidaktik lassen<br />

sich in Frankreich und <strong>Deutschland</strong><br />

beobachten? Welche Rolle spielen dabei<br />

Museen, Science Center und Forschungseinrichtungen?<br />

Wie ist es in beiden Ländern<br />

um die Ausbildung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses an Museen<br />

bestellt? Was heißt „Lernen im Museum“?<br />

Die lebendige Entwicklung der Wissenschaftsmuseen<br />

in Frankreich und<br />

<strong>Deutschland</strong> spiegelt sich in den wissenschaftlichen<br />

Beiträgen und Präsentationen<br />

ak tueller Projekte im vorliegenden<br />

Band zur dritten Tagung der Wissenschaftsmuseen<br />

im deutsch-französischen<br />

Dialog wider, die in der Zeit vom 14. bis<br />

16. Oktober 2007 in Berlin veranstaltet<br />

wurde.<br />

Wissenschaftskommunikation –<br />

Perspek tiven der Ausbildung – Lernen im<br />

Museum<br />

Dritte Tagung der Wissenschaftsmuseen<br />

im deutsch-französischen Dialog<br />

Berlin, 14. bis 16. Oktober 2007.<br />

Herausgegeben von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

<strong>ICOM</strong> Frankreich und dem Deutschen<br />

Technikmuseum Berlin,<br />

mit einem Vorwort von Bernhard Graf<br />

und Thomas Schneider.<br />

Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main,<br />

<strong>2009</strong>.<br />

ISBN 978-3-631-58095-0<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong> | 51


Veranstaltungen<br />

10. bis 13. Mai <strong>2009</strong>, Stralsund<br />

Tagung der Kulturstiftung der Länder und des Deutschen Museumsbundes<br />

Chefsache Bildung<br />

www.museumsbund.de<br />

14 . bis 17. Mai <strong>2009</strong>, Hannover<br />

Museum August Kestner (M.A.K.)<br />

Jahrestagung des International Committee for Museums and Collections<br />

of Decorative Arts and Design (ICDAD)<br />

The Intersection of Art and Technical Innovation<br />

www.icom-icdad.com/<br />

16. Mai <strong>2009</strong><br />

Nacht der Museen<br />

www.nuitdesmusees.culture.fr/<br />

17. Mai <strong>2009</strong><br />

Internationaler Museumstag<br />

Museen und Tourismus<br />

www.museumstag.de<br />

15. bis 19. Juni <strong>2009</strong>, Dresden und Nürnberg<br />

Jahrestagung des International Association of Transport<br />

and Communications Museums (IAMT)<br />

Transport and Communications Museums – Attractive Offers to the Public<br />

www.iatm.org<br />

18. bis 20. Juni <strong>2009</strong>, Lindau (Bodensee)<br />

Internationales Bodensee-Symposium von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

<strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz<br />

in Kooperation mit dem International Council of Monuments and Sites (<strong>ICOM</strong>OS)<br />

Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus<br />

www.icom-deutschland.de<br />

24. bis 26. September <strong>2009</strong>, Dubrownik<br />

The Best in Heritage with Dubrovnik Global Heritage Forum<br />

www.thebestinheritage.com<br />

5. bis 7. November <strong>2009</strong>, Berlin<br />

Jahrestagung des International Committee for Architecture<br />

and Museum Techniques (ICAMT)<br />

Concepts and Project Outcomes<br />

www.icamt.com<br />

17. bis 20. November <strong>2009</strong>, Köln<br />

EXPONATEC COLOGNE<br />

Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung und Kulturerbe<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird auf der Messe mit einem Stand vertreten sein.<br />

<strong>ICOM</strong>-Mitglieder haben freien Eintritt.<br />

www.exponatec.de<br />

7. bis 13. November 2010, Shanghai<br />

<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

Museums and Harmonious Society<br />

www.icom.museum<br />

Die aktuellen Termine der Tagungen der internationalen Komitees finden Sie unter:<br />

icom.museum/calendar.html<br />

52 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – <strong>Mitteilungen</strong> <strong>2009</strong>


Vorstand<br />

Präsident<br />

Dr. York Langenstein<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

In der Halde 1<br />

14195 Berlin<br />

Tel.: +49 30 69504525<br />

Fax: +49 30 69504526<br />

icom@icom-deutschland.de<br />

Vorstandsmitglieder<br />

Prof. Dr. Rosmarie Beier-de Haan<br />

Deutsches Historisches Museum<br />

Unter den Linden 2<br />

10117 Berlin<br />

Tel.: +49 30 20304270<br />

Fax: +49 30 20304543<br />

beier@dhm.de<br />

Prof. Dr. Lothar Jordan<br />

Kleist-Museum<br />

Faberstraße 7<br />

15230 Frankfurt (Oder)<br />

Tel.: +49 335 61016405<br />

Fax: +49 335 3871452<br />

jordan@kleist-museum.de<br />

Dr. Christoph Lind<br />

Reiss-Engelhorn-Museen<br />

C4 Direktion<br />

68159 Mannheim<br />

Tel.: +49 621 2932083<br />

Fax: +49 621 2933099<br />

christoph.lind@mannheim.de<br />

Dr. Anette Rein<br />

ar_welten@yahoo.de<br />

Dr. Klaus Weschenfelder<br />

Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />

Veste Coburg<br />

96450 Coburg<br />

Tel.: +49 9561 8790<br />

Fax: +49 9561 87966<br />

k.weschenfelder@kunstsammlungen-coburg.de<br />

Dr. Gerhard Winter<br />

Senckenberg Forschungsinstitut<br />

und Naturmuseum<br />

Senckenberganlage 25<br />

60325 Frankfurt am Main<br />

Tel.: +49 69 75421356<br />

Fax: +49 69 75421331<br />

gerhard.winter@senckenberg.de<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Dr. York Langenstein<br />

Johanna Westphal M.A.<br />

Geschäftsstelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Johanna Westphal M.A.<br />

Beate von Törne M.A.<br />

Jan-Dirk Kluge<br />

Juliana Ullmann M.A.<br />

In der Halde 1, 14195 Berlin<br />

Tel.: +49 30 69504525<br />

Fax: +49 30 69504526<br />

icom@icom-deutschland.de<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Redaktion: Anke Ziemer M.A., a.ziemer@t-online.de<br />

Gestaltung: Claudia Heckel, Berlin, www.besseresdesign.de<br />

Druck: Oktoberdruck, Berlin<br />

Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen.<br />

Inhaber von Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten,<br />

bitten wir um Kontaktaufnahme.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht<br />

unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.<br />

Titel: Jan Erik Schulte; RegierungOnline; Reiss-Engelhorn-Museum,<br />

Mannheim, Foto: Jean Christen; eciec.eu; Martina Krug; Fotolia, Ljupco<br />

Smokovski; wikipedia, AdMeskens; Jawdat Khoudary; Zentralinstitut<br />

für Kunstgeschichte München; Stéphanie Wintzerith; Royal Belgian<br />

Institute of Natural Sciences<br />

Heft 31 (16. Jahrgang)<br />

Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr<br />

Auflage: 5.000<br />

Gefördert durch die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> mit einer Zuwendung<br />

des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien<br />

Berlin, Mai <strong>2009</strong><br />

ISSN 1865-6749


Aktuelle Informationen finden Sie unter<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Informationen über den Weltverband, seine Komitees<br />

und Projekte können Sie aufrufen unter<br />

www.icom.museum<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

In der Halde 1 · 14195 Berlin<br />

Telefon +49 30 69504525<br />

Fax +49 30 69504526<br />

icom@icom-deutschland.de · www.icom-deutschland.de<br />

Gefördert aus Mitteln des

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