Heft 1/2009 - Tumorzentrum Erfurt eV
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ISSN 1868-291X<br />
JOURNAL<br />
TUMORZENTRUM ERFURT<br />
INTERDISZIPLINÄR<br />
GEGEN HAUTKREBS<br />
HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong><br />
01/<strong>2009</strong><br />
INHALT<br />
Seite 3<br />
■ HELIOS Hauttumorzentrum<br />
<strong>Erfurt</strong>: Nummer 1 in<br />
Deutschland<br />
Sekundär knotiges superfiziell spreitendes<br />
malignes Melanom<br />
Kutanes T-Zell-Lymphom<br />
Seite 7<br />
■ Haarzell-Leukämie<br />
(HZL; Hairy cell leukemia, HCL)<br />
Seite 9<br />
■ Abwarten – Bestrahlen –<br />
Operieren<br />
Zum aktuellen Erkenntnisstand<br />
bei der Behandlung von<br />
Akustikusneurinomen<br />
Seite 11<br />
■ Stellenwert der Tumornachsorge<br />
bei Kopf-Hals-Tumoren<br />
Seite 13<br />
■ „Zwischen Evidenz und Empathie<br />
– Dilemma oder Chance<br />
für die Palliativmedizin“<br />
Seite 14<br />
■ Der Mensch – Maß aller Dinge?<br />
Zwischen forschungs- und<br />
individualitätszentrierter<br />
Herangehensweise in der<br />
Medizin<br />
Seite 19<br />
■ Experimentelle Medizin und<br />
Palliativbetreuung – eine<br />
Gegenüberstellung<br />
Seite 21<br />
■ Gibt es eine evidenzbasierte<br />
Empathie?<br />
Seite 24<br />
■ Bericht von der Mitgliederversammlung<br />
des <strong>Tumorzentrum</strong><br />
<strong>Erfurt</strong> e.V. am 17.6.<strong>2009</strong><br />
Plattenepithelkarzinom<br />
der Haut<br />
20 MHz-Sonographie<br />
eines Hauttumors<br />
Basalzellkarzinom<br />
Seite 27<br />
■ Gemeinsames<br />
Veranstaltungsverzeichnis<br />
Lesen Sie weiter auf Seite 3.<br />
Seite 28<br />
■ Angebote des<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V.
CAMPTO ® – First-Line<br />
Basis der individualisierten<br />
Therapie<br />
Stark wirksam im FOLFIRI-Regime bei mCRC 1<br />
Konsistenter Überlebensvorteil in Kombination<br />
mit Targeted Therapy 1, *<br />
1 Fachinformation CAMPTO ® (Stand: Januar 2007)<br />
* Campto in Kombination mit Bevacizumab, 5FU und Folinsäure www.pfizer.de<br />
Campto® 20 mg/ml<br />
Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung<br />
Zusammensetzung: Arzneilich wirksame Bestandteile: Das Konzentrat enthält 20 mg/ml Irinotecanhydrochlorid 3 H2O (entsprechend 17,33 mg/ml Irinotecan). Die Durchstechflaschen<br />
enthalten 40 mg, 100 mg oder 300 mg Irinotecanhydrochlorid 3 H2O. Sonstige Bestandteile: Sorbitol (Ph.Eur.), Milchsäure, Natriumhydroxid (zur Einstellung des pH-Wertes auf 3,5),<br />
Salzsäure (zur Einstellung des pH-Wertes) bei den Durchstechflaschen aus Polypropylen, Wasser f. Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Campto wird zur Behandlung von metastasiertem<br />
Dickdarm-/Mastdarmkrebs angewendet: in Kombinat. mit 5-Fluorouracil u. Folinsäure bei erwachsenen Patienten ohne vorausgegangene Chemotherapie im fortgeschrittenen<br />
Stadium der Erkrankung; als Monotherapie bei erwachsenen Patienten, die auf eine Vorbehandlung mit einem 5-Fluorouracil enth. Regime nicht angesprochen haben. In Kombination<br />
mit Cetuximab bei erwachsenen Patienten mit EGFR-exprimierendem Dickdarm-/Mastdarmkrebs, die auf eine vorangegangene Irinotecan-haltige Chemotherapie nicht mehr ansprechen.<br />
In Kombination mit Bevacizumab, 5-Fluorouracil und Folinsäure als Erstlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem Dickdarm- oder Mastdarmkrebs. Gegenanzeigen: Chron.<br />
entzündliche Darmerkrankungen u./od. Darmverschluss, bekannte schwere Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Irinotecanhydrochlorid oder einen der sonstigen Bestandteile,<br />
Bilirubinwerte über dem 3fachen des oberen Normalwerts, schwere Störung der Knochenmarkfunktion, WHO Performance Status >2 (Anwendungsbeschränkg.: WHO-Performance-<br />
Status = 2), Einnahme von Johanniskrautpräparaten, Schwangerschaft, Stillzeit. Bei Kombination mit Cetuximab oder Bevacizumab beachten Sie bitte auch die Fachinformation von<br />
Cetuximab oder Bevacizumab. Nebenwirkungen: Sehr häufig: verzögert (durchschnittl. 5 Tage nach der Inf.) einsetzende schw. Diarrhoe (dosisbegrenzende Toxizität); Übelk. u. Erbrechen<br />
(meist begleitende Dehydratation); Neutropenie (häufig m. Fieber); Infekt. (oft im Zusammenhang m. schw. Neutropenie, in wenigen Einzelfällen mit let. Ausgang); Thrombozytopenie;<br />
Anämie; Alopezie (reversibel); vorübergehend erhöhte Serumspiegel von SGPT, SGOT, alkal. Phosphatase od. Bilirubin. Häufig: Obstipation; vorübergeh. schw. akutes cholinerges Syndrom<br />
(frühzeit. Diarrhoe, Bauchschm., Konjunktivitis, Rhinitis, Hypotension, Vasodilatation, Schwitzen, Schüttelfrost, Unwohlsein, Schwindel, Sehstör., Pupillenenge, Tränenfluss, erhöht.<br />
Speichelfluss); Asthenie; rev. Anstieg d. Serum-Kreatininspiegels. Gelegentl.: pseudomembranöse Kolitis; Niereninsuffizienz, Hypotension, Herz-Kreislauf-Versagen (bei Dehydratation<br />
od. b. Pat. m. Sepsis); intestinale Obstruktion, Darmverschluss, gastrointestinale Blutungen; leichte Reakt. an der Inj.-stelle; interstitielle Lungenerkrankungen (wie Lungeninfiltrate);<br />
milde Hautreakt.; leichte allerg. Reakt. Selten: Colitis einschl. Typhilitis od. ischämische u. ulzerative Colitis, intestinale Perforationen; Blutdruckanstieg während od.<br />
nach Inf.; anaphylaktische/anaphylaktoide Reakt.; Hypokaliämie, Hyponatriämie (meist b. Diarrhoe u. Erbrechen); Pankreatitis. Sehr selten: Anstieg v. Amylase u./od.<br />
Lipase; vorübergehende Sprachstör.; periphere Thrombozytopenie m. Thrombozyten-AK. Weiterhin wurden beobachtet: Anorexie, Bauchschm., Mukositis; früh einsetzende<br />
NW wie Dyspnoe, Muskelkontraktionen od. -krämpfe u. Parästhesien. Bei Kombination mit Cetuximab oder Bevacizumab s. auch Fachinformationen dieser<br />
Arzneimittel. Warnhinweise: Enthält Sorbitol: Ungeeignet bei erblicher Fructoseintoleranz. Bitte beachten Sie außerdem unsere Fachinformation. Abgabestatus:<br />
Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: PFIZER PHARMA GmbH, Linkstr. 10, 10785 Berlin. Stand: Oktober 2008.<br />
b-8v6cpt-ko-0
■ HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong>:<br />
Nummer 1 in Deutschland<br />
Ivonne Kellner, Rudolf A. Herbst<br />
HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong>, Klinik für Hautkrankheiten<br />
und Allergologie, HELIOS Klinikum<br />
<strong>Erfurt</strong><br />
Wir bedanken uns bei allen Mitarbeitern und Kooperationspartnern<br />
sowie Herrn D. Barwitzki für die Unterstützung<br />
während des Zertifizierungsprozesses sowie die fortgesetzt<br />
gute Zusammenarbeit.<br />
Einleitung<br />
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Zertifizierungsaudits<br />
durch die TÜV Süd Management Service GmbH<br />
und OnkoZert - dem unabhängigen Zertifizierungsinstitut<br />
der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) – am 28. und<br />
29.1.<strong>2009</strong> darf sich das HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong><br />
seit einigen Monaten „zertifiziert nach den Richtlinien der<br />
DKG und DIN EN ISO 9001:2000“ nennen. Damit ist das<br />
HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong> neben den Hauttumorzentren<br />
in Heidelberg und Hornheide-Münster eines von<br />
drei gleichzeitig und erstmalig in Deutschland zertifizierten<br />
Hauttumorzentren. Das Zertifikat des HELIOS Hauttumorzentrums<br />
<strong>Erfurt</strong> trägt die Nummer 1 (Abb.1).<br />
3-Stufen Modell der onkologische Versorgung<br />
In einem im November 2007 im Deutschen Ärzteblatt publizierten<br />
Artikel (1) werden folgende Rahmenbedingungen<br />
für die zukünftige Versorgung onkologischer Patienten<br />
gefordert:<br />
1. Qualitätsnachweis durch Zertifizierungssysteme und<br />
zertifizierte Struktureinheiten,<br />
2. Veränderungen der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen<br />
und Strukturen,<br />
3. Qualitätsdefinition durch interdisziplinäre Handlungsempfehlungen<br />
und Dokumentation,<br />
4. Definition der onkologischen Tätigkeit im Rahmen der<br />
Weiterbildungsordnung,<br />
5. onkologische Versorgung in neuen Versorgungs- und<br />
Finanzierungsstrukturen.<br />
Ein wesentliches Element dieses Modells ist eine dreistufige<br />
Struktur in Form von Organkrebszentren, Onkologischen<br />
Zentren und Onkologischen Spitzenzentren<br />
(Abb. 2). Die Basis stellen dabei die Organkrebszentren<br />
dar, in denen häufige Tumorarten wie Haut-, Brust-, Darmund<br />
Prostatakrebs behandelt werden. Die Onkologischen<br />
Zentren, in denen mehrere Tumorerkrankungen unter einem<br />
Dach betreut werden, bilden die zweite Stufe der Pyramide.<br />
An der Spitze des Modells sollen Onkologische<br />
Spitzenzentren mit neben der Patientenversorgung zusätzlichen<br />
Schwerpunkten auf Forschung und Lehre stehen.<br />
Jede dieser Ebenen hat sich einem Zertifizierungsprozess<br />
zu unterwerfen.<br />
Onkologische<br />
Spitzenzentren<br />
Onkologische Zentren<br />
Organkrebszentren<br />
Abb. 2 3-Stufen Modell der Onkologischen Versorgung (Quelle: Literatur 2)<br />
Abb. 1 Zertifikat HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong><br />
Zertifizierte Strukturen<br />
Mit dem Ziel, die Behandlungsqualität von krebskranken<br />
Menschen zu verbessern, hat die DKG in Zusammenarbeit<br />
mit OnkoZert ein einheitliches Zertifizierungssystem für<br />
die Onkologische Versorgung entwickelt. Um den spezifischen<br />
Anforderungen an die Behandlung verschiedener<br />
Krebsarten gerecht zu werden, wurden für die häufigsten<br />
Krebsarten nach Organen zusammengestellte (Haut,<br />
Brust, Darm, Prostata) spezielle Anforderungsprofile sowie<br />
Zertifizierungssysteme entwickelt. Die Anforderungen<br />
werden in interdisziplinären Kommissionen erarbeitet<br />
und in regelmäßigen Abständen aktualisiert. In den Kommissionen<br />
sind Experten für alle Bereiche einer Tumorerkrankung<br />
vertreten. Das bedeutet: neben Mitgliedern der<br />
ärztlichen und pflegerischen Fachgesellschaften sind un-<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 3 ■
ter anderem auch Psychoonkologen, Sozialarbeiter und<br />
Patientensprecher an der Erarbeitung der fachlichen Anforderungen<br />
beteiligt. Bis vor kurzem gab es für die häufigsten<br />
Krebserkrankungen des Menschen überhaupt -<br />
die Hauttumore – kein solches System. Erst nachdem Ende<br />
2007 die Entwicklung eines entsprechenden Zertifizierungssystems<br />
für Hauttumorzentren abgeschlossen war,<br />
konnte 2008 damit begonnen werden, die Zertifizierung<br />
eines Hauttumorzentrums zu beantragen. Die quantitativen<br />
und qualitativen Voraussetzungen für die Zentren als<br />
Zertifizierungsanforderungen sind als „fachliche Anforderungen<br />
an Hauttumorzentren (FAHTZ)“ in einem sogenannten<br />
Erhebungsbogen (EHB) festgelegt und stellen<br />
die Grundlage für die Zertifizierung dar. Von den Hauttumorzentren<br />
ist im Vorfeld des Zertifizierungsaudits in diesem<br />
EHB darzulegen, wie und in welchem Umfang die gestellten<br />
Anforderungen erfüllt werden. Von der Deutschen<br />
Krebsgesellschaft (DKG) anerkannte Hauttumorzentren<br />
müssen die FAHTZ erfüllen und dabei auch über<br />
ein anerkanntes Qualitätsmanagementsystem verfügen.<br />
Die Einhaltung der fachlichen Anforderungen wird jährlich<br />
durch das unabhängige Zertifizierungsinstitut Onko-<br />
Zert überwacht.<br />
Fotoanforderungsschein<br />
Aufklärungsbogen für<br />
Exzision / Patienteneinverständniserklärung<br />
Exzision<br />
Formular AEP-Kriterien<br />
Laboranforderungsschein<br />
Aufklärungsbogen für<br />
Exzision<br />
Start<br />
1.<br />
Primärversorgung<br />
• Anamnese<br />
• Ganzkörperuntersuchung<br />
• Dermatoskopie<br />
• OA/CA-Beurteilung<br />
• Foto<br />
• 20 Mhz Sono<br />
• Aufklärung/Einverständnis<br />
für Exzision<br />
2.<br />
Termin für Exzision vereinbaren<br />
3.<br />
AEP-Kriterien erfüllt?<br />
Ja<br />
Stationäre Aufnahme<br />
Nein<br />
5.<br />
Stationäre Exzision und Termin<br />
zur Befundbesprechung<br />
6.<br />
Ambulante Befundbesprechung<br />
4.<br />
Ambulante Exzision und Termin<br />
zur Befundbesprechung nach<br />
Vorliegen Histologie<br />
Entwicklung des HELIOS Hauttumorzentrums <strong>Erfurt</strong><br />
Voraussetzungen<br />
Die wesentlichen Elemente eines Hauttumorzentrums<br />
sind<br />
1. Ausrichtung nach den Bedürfnissen der Patienten,<br />
2. Interdisziplinarität,<br />
3. Vernetzung ambulanter und stationärer Behandlungspartner,<br />
4. Messung und Verbesserung von Behandlungsqualität.<br />
Alle diese Elemente können nicht kurzfristig auf die Beine<br />
gestellt und dann schnell zertifiziert werden, sondern nur<br />
durch einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess entstehen<br />
und müssen dann ständig weiterentwickelt werden.<br />
Insofern ist es von entscheidender Bedeutung, dass die <strong>Erfurt</strong>er<br />
Hautklinik bereits seit Jahren zu den führenden<br />
Hautkliniken Deutschlands auf dem Gebiet der Behandlung<br />
von Tumoren der Haut zählt. Dadurch war die Basis<br />
für den nun erfolgreich abgeschlossenen Zertifizierungsprozess<br />
langfristig geschaffen worden. Bereits vor der<br />
Zertifizierung gab es eine intensive Zusammenarbeit mit<br />
allen medizinischen Fachdisziplinen und auch anderen<br />
Behandlungspartnern. Dadurch war es in der Vergangenheit<br />
bereits möglich, eine sehr gute Versorgung der Patienten<br />
zu gewährleisten.<br />
Zertifizierungsprozess<br />
Der Zertifizierungsprozess dauerte 7 Monate und wurde<br />
mit Unterstützung von Herrn Dieter Barwitzki, Steinbeis-<br />
Beratungszentrum IfQO, Erbach, als externem Berater geplant,<br />
organisiert und durchgeführt. Am 23.6.2008 wurde<br />
hierzu ein detaillierter Zeit- und Aktionsplan im Rahmen<br />
einer Auftaktveranstaltung erarbeitet, der letztlich<br />
bis auf eine Terminverschiebung (des endgültigen Audits)<br />
um einen Tag eingehalten und abgearbeitet werden konnte.<br />
Wesentliche Elemente des Prozesses waren die Erstellung<br />
des Qualitätsmanagementhandbuches (3) und mehr<br />
als 100 zusätzlicher Dokumente (Arbeitsanweisungen,<br />
Formulare, Ablaufschemata, Behandlungspfade (Abb. 3),<br />
die Bearbeitung des Erhebungsbogens für Hauttumor-<br />
Abb. 3 Behandlungspfad Primärmelanom (Auszug)<br />
zentren und vor allem die Etablierung bzw. Erweiterung<br />
oder Verbesserung der dort niedergelegten Anforderungen<br />
in praktisch allen Bereichen der Klinik für Hautkrankheiten<br />
und Allergologie, der Kooperationspartner und Kliniken<br />
im HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong> und aller externer Kooperationspartner<br />
sowie der Abschluss von insgesamt über<br />
20 Qualitätsmanagement- und Kooperationsvereinbarungen.<br />
Darüber hinaus mussten die Grundgedanken eines<br />
Qualitätsmanagmentsystems in einigen der vorgenannten<br />
Bereiche etabliert oder zumindest vertieft werden. Eine<br />
eigene Webseite (4) und weiteres, öffentlich zugängliches<br />
Informationsmaterial wurde geschaffen. Wesentliche<br />
terminliche Meilensteine waren das Interne Audit<br />
und die Qualitätsmanagementbewertung am 18. und<br />
19.11.2008, die Einreichung des Erhebungsbogens bei<br />
OnkoZert / der Deutschen Krebsgesellschaft am 5.12.2008<br />
und die Mitteilung der Bewertung des Erhebungsbogens<br />
durch die Auditoren am 30.12.2008. Das Audit fand am<br />
28. und 29.1.<strong>2009</strong> statt. Die Ergebnisse wurden sowohl<br />
durch die TÜV Süd Management Service GmbH als auch<br />
durch OnkoZert zeitnah mitgeteilt und das Zertifikat nach<br />
Beschluss des Fachgremiums am 4.3.<strong>2009</strong> verliehen<br />
(Abb.1).<br />
Struktur des HELIOS Hauttumorzentrums <strong>Erfurt</strong><br />
Das interdisziplinäre Hauttumorzentrum will die Verbesserung<br />
der Versorgung von Patienten mit Hautkrebs durch<br />
Integration und Optimierung der Teilbereiche Prävention,<br />
Früherkennung, Diagnostik, operative, systemische und<br />
radioonkologische Therapie, supportiver Therapieoptionen<br />
und Unterstützungsangebote sowie der Nachsorge<br />
erreichen. Durch die in allen beteiligten Disziplinen ständig<br />
angestrebte und gewährleistete Optimierung auf der<br />
Basis von „evidence-based medicine" und nationalen bzw.<br />
internationalen Leitlinien, sowie durch die überprüfbare<br />
langfristig angelegte Ergebnismessung und damit Qualitätssicherung<br />
sieht sich das Hauttumorzentrum als Kom-<br />
■ Seite 4 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
petenzzentrum (auch Zweitmeinungszentrum) für benachbarte<br />
Kliniken und niedergelassene Kolleginnen und<br />
Kollegen. Gute Therapieergebnisse für die Patienten, Zufriedenheit<br />
der Einweiser und Behandlungspartner anhand<br />
belegbarer Resultate, die einem externen Vergleich<br />
standhalten, sind die Basis der Handlungsabläufe. Dazu<br />
müssen auch medizin-ökonomische Rahmenbedingungen<br />
berücksichtigt werden. Eine enge Kooperation und<br />
der kontinuierliche Informationsaustausch mit den niedergelassenen<br />
dermatologischen und fachfremden Kollegen<br />
wird zum Beispiel durch regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen,<br />
die Interdisziplinäre Hauttumorkonferenz,<br />
Qualitätszirkel und ständige persönliche Kontakte<br />
im Einzelfall gesichert. So wird durch vor allem am Patienten<br />
orientierte, leitliniengerechte und innovative Behandlungsangebote<br />
zur nachhaltigen Verbesserung der Diagnostik<br />
und Therapie von Hauttumoren beigetragen. Dabei<br />
soll eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten<br />
und möglichst langfristig auch eine Senkung der<br />
Sterblichkeit erreicht werden. Eine aktive Rolle des Patienten<br />
bei der Entscheidungsfindung und Durchführung von<br />
Diagnostik und Therapie bei einer Hautkrebserkrankung<br />
wird ebenso angestrebt, wie die Integration von Angehörigen<br />
in diese Prozesse und damit die Stützung des psychosozialen<br />
Umfeldes. Über die Anwendung eines Qalitätsmanagementsystems<br />
wird gewährleistet, dass alle<br />
medizinischen, pflegerischen, therapeutischen, organisatorischen,<br />
kaufmännischen und technischen Tätigkeiten,<br />
die Auswirkungen auf die Qualität haben, geplant, gesteuert,<br />
überwacht und somit vertraglich vereinbarte Forderungen<br />
erfüllt werden.<br />
Struktur des HELIOS Hauttumorzentrums <strong>Erfurt</strong><br />
Leiter/Qualitätsmanagementbeauftragter (QMB): Prof. Dr. med. Rudolf A. Herbst<br />
Stellv. QMB/Qualitätsbeauftragte (QB) Med. Tumortherapie / Hauttumorsprechstunde:<br />
OÄ Dr. I. Kellner<br />
QB Operative Hauttumortherapie: OA Dr. Th. Ladwig<br />
QB Dermatohistologie: OÄ Dr. F. Weiße<br />
Zentrumskoordinatorin: Frau K. Perthes<br />
Hauptbehandlungspartner: Chirurgie, Dermatologie,<br />
Internistische Onkologie, Radiologie<br />
weitere Behandlungspartner (alphabetisch): Augenklinik, Dermatohistologie,<br />
Genetische Beratung, Gynäkologie, Hautfachärzte (in Niederlassung und<br />
anderen Kliniken), Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Klinikseelsorge,<br />
Labordiagnostik, Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie, Nuklearmedizin,<br />
Neurochirurgie, Pathologie, Psychoonkologie, Radiochirurgie, Schmerztherapie<br />
und Palliativmedizin, Selbsthilfegruppe, Sozialdienst, Thoraxchirurgie,<br />
<strong>Tumorzentrum</strong>, Unfallchirurgie, Urologie<br />
Interdisziplinäre Hauttumorkonferenz<br />
Wöchentlich<br />
Teilnehmer: Hauptbehandlungspartner obligatorisch,<br />
fakultativ: weitere Behandlungspartner<br />
Demonstration Bildmaterial und Protokollierung der Therapieentscheidungen<br />
Zertifizierte Fortbildung der Thüringer Landesärztekammer<br />
Vorzustellende Patienten:<br />
Melanom: Problemfälle mit interdisziplinärer Fragestellung und ab Stadium IIIB<br />
Kutane Lymphome: Problemfälle mit interdisziplinärer Fragestellung und ab<br />
Stadium IB<br />
Andere maligne Hauttumoren (z.B. Merkelzellkarzinom, Sarkome): w.o.,<br />
unabhängig vom Stadium<br />
Maligne epitheliale Tumoren (BCC, SCC): Problemfälle mit interdisziplinärer<br />
Fragestellung<br />
Umfang der besprochenen Fälle in den fernmetastasierten Stadien:<br />
Erstzertifizierung > 30%, nach 3 Jahren > 50%<br />
Evaluation Therapiedurchführung/-empfehlung: Abweichungsrate:<br />
Erstzertifizierung < 40%, nach 3 Jahren < 30%<br />
Abb. 4<br />
Struktur HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong> und Interdisziplinäre<br />
Hauttumorkonferenz<br />
Abb. 5<br />
3.5 Interdisziplinäre Hauttumorkonferenz<br />
Doku der<br />
Planung<br />
Diagnostik/<br />
Therapie<br />
7<br />
Zusätzliche Diagnostik<br />
Erfassung der<br />
Patientendaten<br />
prä- u.<br />
posttherapeutisch<br />
2<br />
Eröffnung der IHTK<br />
3<br />
Besprechung der präu.<br />
posttherapeutischen<br />
Fälle<br />
4<br />
Demonstration d. Bildgebung,<br />
des klinischen<br />
Befunds, der Anamnese<br />
und Histologie<br />
5<br />
Diskussion und<br />
Therapievorschläge<br />
6<br />
Unklarer Befund?<br />
Hauttumorsprechstunde<br />
Stationsmanagement<br />
Ablaufschema der Interdisziplinären Hauttumorkonferenz<br />
(Auszug)<br />
Die formale Struktur des HELIOS Hauttumorzentrums <strong>Erfurt</strong><br />
ist in Abb. 4 tabellarisch dargestellt. Im Behandlungsablauf<br />
für den Patienten stellt die interdisziplinäre Hauttumorkonferenz<br />
(IHTK) das wesentliche integrierende Element<br />
in der Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen<br />
und anderen Kooperationspartner dar. Die<br />
teilnehmenden Fachdisziplinen sowie weitere Details zur<br />
IHTK sind Abb.4 bis Abb.6 zu entnehmen.<br />
Abb. 6 Interdisziplinäre Hauttumorkonferenz am 27.5.<strong>2009</strong><br />
Ja<br />
Die Angebote des Hauttumorzentrums lassen sich – in<br />
Abb.7 auszugsweise niedergelegt – gut anhand der Anforderungen<br />
im Erhebungsbogen für Hauttumorzentren<br />
darstellen.<br />
Hier kann die gewünschte Expertise eines zertifizierten<br />
Hauttumorzentrums mit Hilfe der angegebenen Leistungskennzahlen,<br />
die obligat im Sinne von Mindestmengenanforderungen<br />
zu erfüllen sind, nachvollzogen werden.<br />
Weiterhin sind eine Fülle weiterer Anforderungen an<br />
unterschiedliche Fachbereiche bzw. Kooperationspartner<br />
Nein<br />
8<br />
Therapieentscheidung<br />
und Dokumentation<br />
Therapieentscheidung<br />
Prä-/posttherapeutische<br />
Angaben<br />
u. interdisziplinäre<br />
Therapieaufklärung<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 5 ■
– auszugsweise – dargestellt. Die Erfassung dieser Kennzahlen<br />
ist nur durch die schon lange bestehende und jetzt<br />
nochmals deutlich intensivierte Zusammenarbeit mit dem<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V. möglich und stellt die zahlenmäßige<br />
Grundlage der Zertifizierung einerseits und des<br />
zukünftig obligat geforderten Ergebnisvergleichs<br />
(„benchmarking“) mit anderen Hauttumorzentren dar.<br />
Zugang zum HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong><br />
Zentraler Anlaufpunkt und häufigster Zugang zum<br />
HELIOS Hauttumorzentrum ist die Hauttumorsprechstunde,<br />
die auf Basis einer Ermächtigung durchgeführt wird.<br />
Eine Zuweisung mittels Überweisungsschein in die Hauttumorsprechstunde<br />
ist nur durch Hautfachärzte möglich.<br />
Darüber hinaus ist eine Vorstellung im HELIOS Hauttumorzentrum<br />
z.B. auf konsiliarischer Basis durch externe Kliniken<br />
und alle anderen Kooperationspartner möglich.<br />
Alle Patienten mit bereits bekannter Diagnose Melanom,<br />
kutanes Lymphom oder seltenen Hauttumoren werden<br />
unmittelbar in die Hauttumorsprechstunde vorgestellt,<br />
ebenso immunsupprimierte oder Patienten mit erblich bedingtem<br />
Hautkrebsrisiko. Patienten mit Verdacht auf bzw.<br />
zum Ausschluß Melanom oder mit epithelialen Hauttumoren<br />
bzw. Präkanzerosen werden ebenfalls primär in der<br />
Hauttumorsprechstunde gesehen.<br />
Vorstellung zur Hauttumorsprechstunde:<br />
Montag - Freitag 10.00 Uhr - 11.00 Uhr (ohne Termin, mit<br />
Wartezeit) und nach telefonischer oder persönlicher Terminvereinbarung<br />
Telefonische Terminvereinbarung: Montag - Freitag 13.00<br />
Uhr - 15.00 Uhr unter 0361/781-5017<br />
Notfalltelefon (über Station DER 2): Tel. 0361 / 781 – 5030<br />
Ausblick<br />
Die Zertifikatserteilung ist der gelungene Abschluss einer<br />
in sehr kurzer Zeit geleisteten Arbeitsanstrengung, die<br />
ohne die unkomplizierte, kontinuierliche, wohlwollende,<br />
flexible und angenehme Unterstützung und Zusammenarbeit<br />
aller Kooperationspartner nicht möglich gewesen<br />
wäre. Dennoch stellt das erreichte Zertifikat nur den ersten<br />
Schritt auf dem Weg eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />
dar im Sinne von „…. nach dem Audit<br />
ist vor dem Audit…“, denn das erste Überwachungsaudit<br />
hat innerhalb maximal eines Jahres nach der Zertifikatserteilung<br />
zu erfolgen.<br />
Literatur<br />
(1) Beckmann, MW et al (2007) Onkologie Dreistufenmodell<br />
optimiert Behandlung unter Kostendeckung Wie<br />
die künftigen Strukturen der onkologischen Versorgung<br />
in Deutschland aussehen sollten. Dtsch Arztebl<br />
2007; 104(44): A-3004 / B-2644 / C-2562<br />
(2) http://www.krebsgesellschaft.de/wub_zertifizierte_<br />
zentren_info, 120896.html<br />
(3) Qualitätsmanagementhandbuch HELIOS Hauttumorzentrum<br />
<strong>Erfurt</strong>, Version: 1, November 2008, Freigabe:<br />
26.1.<strong>2009</strong><br />
(4) http://myhelios.helios-kliniken.de/mein-standort/fachabteilungen/helios-hauttumorzentrum-erfurt/<br />
oder http://www.helios-kliniken.de/klinik/erfurt/fachabteilungen/helios-hauttumorzentrum-erfurt.html<br />
Leistungskennzahlen<br />
Gesamtanzahl Fälle maligner epithelialer Tumoren (exklusive In-situ-Tumoren)<br />
pro Jahr<br />
Bei Erstzertifizierung: > 300 Patienten, nach 3 Jahren: > 400 Patienten<br />
Gesamtanzahl Fälle Melanom pro Jahr<br />
Bei Erstzertifizierung: > 150 Patienten, nach 3 Jahren: > 200 Patienten<br />
Gesamtanzahl Fälle kutane Lymphome und seltener, maligner Hauttumoren<br />
pro Jahr<br />
Bei Erstzertifizierung: > 15 Patienten, nach 3 Jahren: > 30 Patienten<br />
Weitere darzulegende Kennzahlen<br />
Anzahl der Lymphknotensonografien, Anzahl Therapieempfehlungen :<br />
Operative Therapie / Immuntherapie / Chemotherapie / Strahlentherapie /<br />
anderer Systemtherapien<br />
Hauttumorsprechstunde<br />
Information / Dialog mit Patient / Frequenz / Wartezeiten / Wiedervorstellung /<br />
Einhaltung Leitlinien<br />
Patientenbeteiligung<br />
Patienteninformation (allgemein und fallbezogen)/ Auswertung Patientenbefragungen<br />
/ Veranstaltungen für Patienten / Nachsorge<br />
Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten<br />
Kooperierende Einweiser / Einweiserzufriedenheitsermittlung / Arztbriefe /<br />
Rückmeldesystem / Fortbildungen<br />
Operatives Vorgehen – Hauttumorzentrum<br />
Aus- und Weiterbildung / operativ tätige Fachärzte am Hauttumorzentrum /<br />
Qualifikation Operateure / Exzision von Primärtumoren mit Sicherheitsabstand /<br />
Schildwächterlymphknoten-Exzisionen / Nachweis Detektionsrate / operative<br />
Fallzahlen im HTZ pro Jahr<br />
Metastasenchirurgie:<br />
Systematische Ausräumung der regionären LK-Stationen / Qualifikation Operateure<br />
/ viszerale Metastasenchirurgie / Neurochirurgie / operative Fallzahl<br />
Metastasenchirurgie<br />
Dermatohistologie und Pathologie<br />
Fachärzte / Qualifizierung (Fortbildung) / Externe Qualitätssicherung / dermatohistologische/pathologische<br />
Erfahrung / Lymphknoten (LK) / Aufbewahrungszeiten<br />
/ Prozesse in der Dermatohistologie/Pathologie / Pathologieberichte<br />
von Hauttumorpräparaten nach Leitlinie / Resektions-/Sicherheitsabstand<br />
Nuklearmedizin<br />
Fachärzte / Aus- und Weiterbildung / Qualitätszirkel / Schildwächterlymphkoten-<br />
Verfahren / Detektionsrate / Apparative Qualitätskontrolle / Leitlinien<br />
Radiologie<br />
CT/MRT / Fachärzte / Aus- und Weiterbildung / Qualitätszirkel / Perkutane Biopsien<br />
- Anzahl / Leitlinien<br />
Strahlentherapie<br />
Fachärzte / Technische Vorraussetzungen / Bestrahlungs-/ Spezialtechniken /<br />
Aus- und Weiterbildung / Qualitätszirkel / Nachsorge / Dokumentation Tumorkontrolle<br />
und Begleitreaktion / Apparative Qualitätskontrolle / Leitlinien /<br />
Patienteninformation<br />
Medizinische Tumortherapie (Dermatoonkologie, internistische Onkologie)<br />
Fachärzte Onkologie und Fachärzte Dermatologie mit Zusatzbezeichnung medikamentöse<br />
Tumortherapie / Aus- und Weiterbildung / Qualifikation Behandlungseinheit/-partner<br />
/ Chemotherapie ambulant/stationär / anzubietende Möglichkeiten<br />
nach aktuellem Wissenstand / Räumlichkeiten Chemotherapie / Leitlinien<br />
Psychosoziale und -onkologische Betreuung<br />
Supportive/palliative Therapie / Schmerztherapie<br />
Studien / Zuständigkeiten Studien / Study-Nurse / Patienten in klinischen Studien<br />
/ Wissenschaftliche Aktivitäten<br />
Tumordokumentation / Nachsorge / Ergebnisqualität / Benchmarking<br />
Abb. 7<br />
Leistungskennzahlen und Merkmale nach Erhebungsbogen<br />
für Hauttumorzentren (HTZ, auszugsweise)<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Prof. Dr. med. Rudolf A. Herbst<br />
HELIOS Hauttumorzentrum <strong>Erfurt</strong>, Klinik für Hautkrankheiten<br />
und Allergologie<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Nordhäuser Str. 74 · 99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon 0361-781 4301<br />
e-Mail: rudolf.herbst@helios-kliniken.de<br />
■ Seite 6 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
■ Haarzell-Leukämie<br />
(HZL; Hairy cell leukemia, HCL)<br />
Michael Herold<br />
4. Medizinische Klinik, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Die Haarzell-Leukämie ist eine sehr seltene Entität der indolenten<br />
B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome. Klinisch ist die<br />
Erkrankung charakterisiert durch eine ausgeprägte Splenomegalie<br />
und Panzytopenie bei fehlender Lymphadenopathie.<br />
Bei asymptomatischen Patienten ist eine „watch<br />
und wait“ Strategie gerechtfertigt. Cladribine (sc oder iv)<br />
ist das Therapeutikum der Wahl; mit einer einmaligen Behandlung<br />
kann bei der Mehrzahl der Patienten eine stabile<br />
hämatologische Remission erreicht werden.<br />
Definition/Morphologie/Genetik<br />
Tabelle 1<br />
Charakteristika von Haarzell-Leukämie und varianter HZL<br />
Haarzell-Leukämie (HZL)<br />
Peripheres Blutbild Panzytopenie Leukämie<br />
Variante HZL (HZLv)<br />
Zytomorphologie Ovale bis bohnenförmige, Runde bis ovale Kerne,<br />
ezentrische Kerne, breites deutliche Nukleolen,<br />
Zytoplasma<br />
schmales Zytoplasma<br />
Knochenmark- Markfibrose keine Fibrose<br />
histologie<br />
(punktio sicca)<br />
Zytochemie tartratresistente saure TRSP variable<br />
Phosphatase stark positiv<br />
Oberflächenantigene CD19+, CD20+, CD19+, CD20+,<br />
CD103+, CD25+ CD103+, CD25+<br />
Die Haarzell-Leukämie zählt entsprechend der WHO-Klassifikation<br />
[1] zu den peripheren (reifzelligen) B-Zell-Neoplasien,<br />
speziell zu den kleinzelligen Formen. Die so genannten<br />
Haarzellen sind größer als normale reife B-Lymphozyten,<br />
sie besitzen einen ovalären, z. T. gebuchteten,<br />
oft exzentrisch gelagerten chromatindichten Kern und ein<br />
weitläufiges grau-blaues Zytoplasma mit typischen “haarigen”<br />
Ausläufern. Diese Zytoplasmaprojektionen sind jedoch<br />
oft nur elektronenmikroskopisch gut zu erkennen.<br />
Nachweisbar sind die Haarzellen im Blut, allerdings oft nur<br />
in geringer Zahl, im Knochenmark und in der roten Pulpa<br />
der Milz; Infiltrationen in Lymphknoten und Leber sind<br />
eher selten, gelegentlich werden auch Hautinfiltrate beschrieben.<br />
Die Diagnosesicherung einer Haarzell-Leukämie<br />
erfolgt in aller Regel aus dem Knochenmarkbiopsat,<br />
die histologische Untersuchung ist auf Grund der begleitenden<br />
Retikulinfibrose erforderlich, beim Versuch der<br />
Knochenmarkaspiration bleibt es meist bei einer punctio<br />
sicca. Das typische histologische Bild im Knochenmark ist<br />
gekennzeichnet durch eine eher locker imponierende<br />
Haarzell-Infiltration, man spricht vom sog. “Spiegeleiphänomen”<br />
(abundanter Zytoplasmasaum um einen kompakten<br />
exzentrischen Kern), und die Retikulinfibrose. Ein<br />
vollgepacktes Mark, wie es bei der B-CLL häufig anzutreffen<br />
ist, findet man bei der HZL nur selten. Enzymzytoche<br />
misch sind die Haarzellen durch eine starke Positivität der<br />
tartratresistenten sauren Phosphatase gekennzeichnet.<br />
Das Antigenprofil der Zellen zeigt die typischen Marker<br />
der B-Zell-Reihe wie CD19, CD20, CD22 und CD79a. Sie<br />
sind negativ für CD5, CD10 und CD23. Stark positiv exprimiert<br />
werden CD25 (IL-2-Rezeptor), FMC7 und vor allem<br />
und typischerweise CD11c und CD103. Der letztgenannte<br />
Oberflächenmarker CD103 (HZL-Marker) in Kombination<br />
mit den anderen genannten B-Zell-Antigenen und der<br />
charakteristischen Morphologie hat die höchste Aussagekraft.<br />
Allerdings sind die spezifischsten Marker (CD103,<br />
CD11c) nur an vitalem Gewebe und an Gefrierschnitten<br />
nachweisbar, nicht am Paraffinschnitt. Bei der varianten<br />
Form der HZL [2] sind die Zellen größer und die Kerne zeigen<br />
einen deutlichen Nukleolus; der Oberflächenmarker<br />
CD25 fehlt und CD103 wird unterschiedlich stark exprimiert.<br />
Immunglobulin-Leicht- und Schwerketten-Gene sind bei<br />
der HZL umgelagert, die IgH-Gene enthalten somatische<br />
Mutationen, so dass von Post-Keimzentrums-B-Zellen als<br />
Ausgangszelle auszugehen ist. Spezifische zytogenetische<br />
Anomalien sind nicht beschrieben; etwa 50-75 % der HZL-<br />
Fälle zeigen eine Zyklin-D1-Überexpression, diese ist jedoch<br />
offenbar nicht mit einer t(11;14) oder einem BCL1<br />
Rearrangement assoziiert.<br />
Epidemiologie und klinisches Erscheinungsbild<br />
Die Haarzell-Leukämie zählt zu den sehr seltenen B-Zell-<br />
Neoplasien, die jährliche Neuerkrankungsrate liegt bei etwa<br />
0,6-1,5/Mio. Einwohner, d.h. man kann in Deutschland<br />
mit ca. 100 Neuerkrankungen pro Jahr rechnen. Das<br />
mediane Erkrankungsalter liegt zwischen 55-60 Jahren<br />
und es dominiert das männliche Geschlecht (5:1). Der Erkrankungsverlauf<br />
ist meist indolent und oft werden die<br />
Patienten durch Infektionen auffällig. In der Ära vor dem<br />
therapeutischen Einsatz der Nukleosidanaloga wurde die<br />
mediane Lebenserwartung mit etwa 4 Jahren angegeben.<br />
Mit Nukleosidanaloga beträgt die 5-Jahres Überlebensrate<br />
90-95 %. Der Verlauf kann im Einzelfall sehr variieren,<br />
ein Teil der Patienten (~10 %) benötigt über 10 und mehr<br />
Jahre keine Therapie.<br />
Das klinische Bild ist typischerweise gekennzeichnet durch<br />
eine Splenomegalie mit oder ohne Hepatomegalie und<br />
das Fehlen einer Lymphadenopathie. Bei der varianten<br />
Form der HZL finden sich häufiger auch Lymphknotenvergrößerungen,<br />
meist sind diese dann im Abdomen lokalisiert.<br />
Es können jedoch auch bei der typischen HZL im Erkrankungsverlauf<br />
Lymphome auftreten. Das periphere<br />
Blutbild zeigt eine Panzytopenie, mindestens eine Leukozytopenie.<br />
Oft zirkulieren dabei nur wenige Haarzellen im<br />
Blut, was die Diagnosestellung erschwert. Die HZL-Variante<br />
ist dagegen in der Regel leukämisch mit hohen Zellzahlen<br />
(> 10-20 Gpt/l) und zeigt auch keine Markfibrose.<br />
Weitere Symptome und Manifestationen der HZL sind mit<br />
der Panzytopenie assoziiert: eine Anämie mit ihrer klassischen<br />
klinischen Symptomatik, eine hämorrhagische Diathese<br />
als Folge der Thrombozytopenie und das Auftreten<br />
von Infektionen, einschließlich opportunistischer Infektionen,<br />
einerseits wegen der bestehenden Granulozytope-<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 7 ■
nie, andererseits auf Grund eines oft vorhandenen kombinierten<br />
Immundefekts. Gelegentlich finden sich auch<br />
begleitende Autoimmunphänomene (z.B. Vaskulitiden).<br />
Die Befundkonstellation Splenomegalie und Panzytopenie<br />
sollte immer Anlass sein, die Haarzell-Leukämie in die differentialdiagnostischen<br />
Erwägungen einzubeziehen.<br />
Zur Diagnosesicherung ist die Knochenmarkbiopsie die<br />
entscheidende Untersuchung. Die bildgebende Diagnostik<br />
steht im Gegensatz zu anderen Lymphomentitäten<br />
eher im Hintergrund. Die Oberbauch-Sonographie kann<br />
bei unsicherem klinischen Befund die Splenomegalie und<br />
ggf. vorhandene Lymphome objektivieren und CT-Untersuchungen<br />
sollten bei klinischer Indikation erfolgen. Im<br />
Gegensatz zu praktisch allen anderen Lymphomen wird<br />
bei der Haarzell-Leukämie weder eine anatomisch orientierte<br />
Stadieneinteilung vorgenommen, noch kommt ein<br />
Klassifikationssystem wie z.B. bei der primär ebenfalls generalisierten<br />
CLL (Rai; Binet) zum Einsatz. Dennoch sind<br />
die hämatologischen Parameter neben der klinischen<br />
Symptomatik und den möglicherweise vorhandenen<br />
krankheitsbedingten Komplikationen das entscheidende<br />
Kriterium für die Einleitung einer Therapie.<br />
Therapie<br />
Der klinische Verlauf der Haarzell-Leukämie ist ausgesprochen<br />
variabel und die Indikationsstellung zur Einleitung<br />
einer Chemotherapie muss deshalb individuell erfolgen.<br />
Ein Teil der Patienten bleibt asymptomatisch und benötigt<br />
über längere Zeit oder unter Umständen auch zu keinem<br />
Zeitpunkt eine Therapie. Ein weithin akzeptiertes Procedere<br />
[3] ist bei den asymptomatischen Patienten zunächst eine<br />
Beobachtung des Krankheitsverlaufs; kommt es zum<br />
Auftreten einer signifikanten hämatopoetischen Insuffizienz<br />
mit einer Anämie mit einem Hämoglobinwert<br />
< 6,25 mmol/l, Granulozyten < 1,0 Gpt/l und/oder<br />
Thrombozyten
Tabelle 2<br />
Charakteristika von Haarzell-Leukämie und varianter HZL<br />
Substanz Dosierung Bemerkungen<br />
2-CdA (Cladribin) 0,07 mg/kg/d x 7 civi Primärprogramm<br />
Literatur<br />
1. Foucar K, Catovsky D (2001): Hairy cell leukaemia. In:<br />
Tumours of Haematopoietic and Lymphoid Tissues;<br />
Eds.: Jaffe ES, Harris NL, Stein H, Vardiman JW; IARC<br />
Press Lyon; 138 -141<br />
2. Cawley JC, Burnst GF, Hayhoe FGJ (1980): A chronic<br />
lymphoproliferative disorder with distinctive features:<br />
A distinct variant of hairy-cell leukemia. Leuk Research<br />
4:547 – 559<br />
3. Mitrou PS (2001): Haarzell-Leukämie. In: Non-<br />
Hodgkin-Lymphome; Hrsg.: Mitrou PS; <strong>Tumorzentrum</strong><br />
Rhein-Main e.V., Frankfurt; 149 – 158<br />
4. Rafel M, Cervantes F, Beltran JM et al (2000): Deoxycoformycin<br />
in the treatment of patients with hairy cell<br />
leukemia. Results of the Spanish collaborative study of<br />
80 patients. Cancer 88: 352 – 357<br />
5. Piro LD, Carrera CJ, Carson DA et al (1990): Lasting remissions<br />
in hairy cell leukemia by a single infusion of<br />
2-Chlorodeoxyadenosine. N Engl J Med 322: 11117 –<br />
1121<br />
6. Saven A, Burian C, Koziol JA,Piro LD (1998): Long-term<br />
follow-up of patients with hairy cell leukemia after cladribine<br />
treatment. Blood 92: 1918 - 1926<br />
7. Nieva J, Bethel K, Saven A (2003): Phase II study of rituximab<br />
in the treatment of cladribine-failed patients<br />
with hairy cell leukemia. Blood 102:810 – 813<br />
8. Hagberg H, Lundholm L (2001): Rituximab, a chimeric<br />
monoclonal anti-CD20 antibody, in the treatment of<br />
hairy cell leukaemia, Br J Haematol 115: 609 – 611<br />
9. Thoma DA, O’Brien S, Bueso-Ramos C, et al. (2003): Rituximab<br />
in relapsed or refractory hairy cell leukaemia.<br />
Blood 102:3906 – 3911<br />
Korrespondenzadresse:<br />
0,1 mg/kg/d x 5 2h-Inf. gleiche Effektivität wie<br />
7-Tage-Infusion<br />
0,14 mg/kg/d x 5 sc. Standardprogramm<br />
Pentostatin 4-5 mg/m 2 KOF Therapie bis zum<br />
q 2 Wochen<br />
maximalen Ansprechen<br />
Interferon-alpha 2a/b 3x3 Mio. IE/Woche bis zum Progress, nach<br />
Eintritt der Remission<br />
Dosisreduktion möglich<br />
Prof. Dr. med. Michael Herold<br />
4. Medizinische Klinik<br />
Hämatologie, internistische Onkologie, Hämostaseologie<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Nordhäuser Str. 74<br />
99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon 0361-7812473<br />
e-Mail: michael.herold@helios-kliniken.de<br />
■ Abwarten – Bestrahlen – Operieren<br />
Zum aktuellen Erkenntnisstand bei<br />
der Behandlung von Akustikusneurinomen<br />
Bericht von der 1. Hauptsitzung des<br />
9. Kongresses der Europäischen Schädelbasisgesellschaft<br />
(ESBS / Rotterdam, 15.-18.04.<strong>2009</strong>)<br />
Steffen Rosahl<br />
Klinik für Neurochirurgie, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Der riesige Willem-Burger-Saal des „Doelen“ in Rotterdam<br />
ist gut gefüllt zur 1. Hauptsitzung des mehr als 600<br />
Teilnehmer anziehenden Europäischen Schädelbasiskongresses.<br />
Erasmus – Weltgestalt, Humanist und Namensgeber<br />
der Universität – hätte an dem regen internationalen<br />
Wissensaustausch in seiner Geburtsstadt sicher Freude<br />
gehabt.<br />
Schon Monate zuvor hatte ich mit meinem Co-Moderator<br />
Kees Graamans von der Universität Nijmegen die neuesten<br />
Publikationen zum Thema recherchiert und gemeinsam<br />
mit den Kongresspräsidenten vier Vertreter großer europäischer<br />
Zentren für Akustikusneurinome 1 als Podiumssprecher<br />
ausgewählt, um den Teilnehmern einen möglichst<br />
objektiven Eindruck von den derzeitigen medizinischen<br />
Optionen beim Management dieser Erkrankung zu<br />
vermitteln.<br />
Als erster berichtete Sven-Eric Stangerup (Gentofte Universität,<br />
Kopenhagen) über Untersuchungen zur Verbreitung<br />
und zum natürlichen, unbeeinflussten Verlauf der Erkrankung.<br />
Die beobachtete Inzidenzsteigerung über die<br />
letzten 26 Jahre (derzeit etwas mehr als 1/100.000 Einwohner<br />
pro Jahr) ist durch die großzügigere Anwendung<br />
der Kernspintomographie erklärlich (12). Interessant ist allerdings,<br />
dass sich das mittlere Alter der Patienten zum<br />
Zeitpunkt der Diagnose nicht verringert hat. Die Erklärung:<br />
Zunehmend wird auch bei Menschen im höheren<br />
Lebensalter ein MRT veranlasst (14). Prof. Stangerup<br />
konnte zeigen, dass über einen mittleren Beobachtungszeitraum<br />
von dreieinhalb Jahren 17% der intrakanalikulären<br />
und 29% der darüber hinaus in den Kleinhirnbrückenwinkel<br />
reichenden Tumoren gewachsen waren. Allerdings<br />
zeigte sich über einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren<br />
schon bei 45% der Tumoren im inneren Gehörgang eine<br />
Größenzunahme (1). Alter, Geschlecht und genaue Lokalisation<br />
im inneren Gehörgang des Tumors spielten dabei<br />
keine Rolle.<br />
Bei einem abwartenden Verhalten („Wait&Scan“-Management)<br />
über 10 Jahre verloren 45% der Patienten ihr<br />
1 Obwohl man inzwischen weiß, dass der Tumor nicht vom Hörnerv sondern<br />
fast ausnahmslos vom Gleichgewichtsnerv ausgeht, hat sich der<br />
Terminus „Akustikusneurinom“ international gegenüber „Vestibularisschwannom“<br />
gehalten.<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 9 ■
funktionelles Hörvermögen auf der betroffenen Seite (13)<br />
– deutlich mehr als bei einem aktiven Vorgehen mit hörerhaltender<br />
Mikrochirurgie oder Radiochirurgie. Die dänische<br />
Gruppe empfiehlt daher eine Behandlung auch kleiner<br />
Tumoren, wenn ein Tumorwachstum nachgewiesen<br />
und eine realistische Chance zur hörerhaltenden Behandlung<br />
gegeben ist. Unabhängig vom Ergebnis der Behandlung<br />
bereut die Mehrheit der über 1000 befragten Patientin<br />
nicht die Wahl der Behandlungsmodalität (Radiochirurgie<br />
oder Mikrochirurgie), wenn sie in diese Entscheidung<br />
mit einbezogen wurden (15).<br />
Die Haukeland Universität in Bergen behandelt oder beobachtet<br />
nahezu alle norwegischen Patienten mit Akustikusneurinomen.<br />
Die dortige Gruppe aus Ärzten und Wissenschaftlern<br />
widmet sich vor allem dem Thema der Lebensqualität<br />
der Patienten mit oder ohne Behandlung. Per<br />
Møller berichtete, dass in den Händen seines Teams die<br />
mikrochirurgische und radiochirurgische Behandlung kleiner<br />
und mittelgroßer Tumoren (
isschwannomen übernimmt, über alle Optionen der Behandlung<br />
bzw. Beobachtung auch verfügen, um nicht eine<br />
Schräglage bei der Beratung der Patienten zu erzeugen.<br />
Zweitens bedarf es auch an diesen Behandlungszentren<br />
erfahrener, talentierter und gut ausgebildeter Behandler,<br />
d.h. allein die Proklamierung eines Zentrums<br />
macht dieses noch nicht zu einer guten Behandlungseinrichtung.<br />
Ganz entscheidend ist in jedem Fall die Erfassung und ehrliche<br />
Analyse der Ergebnisse aller drei Strategien (also<br />
auch bei nicht behandelten Patienten) in jedem einzelnen<br />
Zentrum.<br />
Was würde Erasmus dazu sagen? „Die Tugend des Behandlers<br />
erst verhilft dem Patienten zu einem freien Willen“.<br />
Human(ismus) ist, was dem Patienten nützt.<br />
Literatur:<br />
1. Caye-Thomasen P, Hansen S, Dethloff T, Stangerup SE,<br />
Thomsen J. Sublocalization and volumetric growth<br />
pattern of intracanalicular vestibular schwannomas.<br />
Laryngoscope 116: 1131-5, 2006.<br />
2. Gharabaghi A, Koerbel A, Samii A, Kaminsky J, von<br />
Goesseln H, Tatagiba M, Samii M. The impact of hypotension<br />
due to the trigeminocardiac reflex on auditory<br />
function in vestibular schwannoma surgery.<br />
J Neurosurg 104: 369-75, 2006.<br />
3. Gharabaghi A, Samii A, Koerbel A, Rosahl SK, Tatagiba<br />
M, Samii M. Preservation of function in vestibular<br />
schwannoma surgery. Neurosurgery 60: ONS124-<br />
ONS127, 2007.<br />
4. Koerbel A, Gharabaghi A, Safavi-Abbasi S, Tatagiba<br />
M, Samii M. Evolution of vestibular schwannoma surgery:<br />
the long journey to current success. Neurosurg<br />
Focus 18: e10, 2005.<br />
5. Myrseth E, Moller P, Pedersen PH, Lund-Johansen M.<br />
Vestibular schwannoma: Surgery or gamma knife radiosurgery?<br />
A prospective, nonrandomized study.<br />
Neurosurgery <strong>2009</strong>.<br />
6. Myrseth E, Moller P, Pedersen PH, Lund-Johansen M.<br />
Vestibular schwannoma: Surgery or gamma knife radiosurgery?<br />
A prospective, nonrandomized study.<br />
Neurosurgery <strong>2009</strong>.<br />
7. Myrseth E, Moller P, Pedersen PH, Vassbotn FS, Wentzel-Larsen<br />
T, Lund-Johansen M. Vestibular schwannomas:<br />
clinical results and quality of life after microsurgery<br />
or gamma knife radiosurgery. Neurosurgery 56:<br />
927-35, 2005.<br />
8. Myrseth E, Moller P, Wentzel-Larsen T, Goplen F, Lund-<br />
Johansen M. Untreated vestibular schwannomas: vertigo<br />
is a powerful predictor for health-related quality<br />
of life. Neurosurgery 59: 67-76, 2006.<br />
9. Myrseth E, Pedersen PH, Moller P, Lund-Johansen M.<br />
Treatment of vestibular schwannomas. Why, when<br />
and how? Acta Neurochir (Wien ) 149: 647-60, 2007.<br />
10. Rowe JG, Radatz MW, Walton L, Hampshire A, Seaman<br />
S, Kemeny AA. Gamma knife stereotactic radiosurgery<br />
for unilateral acoustic neuromas. J Neurol<br />
Neurosurg Psychiatry 74: 1536-42, 2003.<br />
11. Rowe JG, Radatz MW, Walton L, Kemeny AA.<br />
Changing utilization of stereotactic radiosurgery in<br />
the UK: the Sheffield experience. Br J Neurosurg 16:<br />
477-82, 2002.<br />
12. Stangerup SE, Caye-Thomasen P, Tos M, Thomsen J.<br />
The natural history of vestibular schwannoma. Otol<br />
Neurotol 27: 547-52, 2006.<br />
13. Stangerup SE, Caye-Thomasen P, Tos M, Thomsen J.<br />
Change in hearing during 'wait and scan' management<br />
of patients with vestibular schwannoma. J Laryngol<br />
Otol 122: 673-81, 2008.<br />
14. Stangerup SE, Tos M, Caye-Thomasen P, Tos T, Klokker<br />
M, Thomsen J. Increasing annual incidence of vestibular<br />
schwannoma and age at diagnosis. J Laryngol<br />
Otol 118: 622-7, 2004.<br />
15. Tos T, Caye-Thomasen P, Stangerup SE, Tos M, Thomsen<br />
J. Patients' fears, expectations and satisfaction in<br />
relation to management of vestibular schwannoma:<br />
a comparison of surgery and observation. Acta Otolaryngol<br />
123: 600-5, 2003.<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Prof. Dr. med. Steffen Rosahl<br />
Klinik für Neurochirurgie<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Nordhäuser Straße 74<br />
99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon 0361 781 2261<br />
e-Mail: steffen.rosahl@helios-kliniken.de<br />
■ Stellenwert der Tumornachsorge<br />
bei Kopf-Hals-Tumoren<br />
Kai Fritzsche, Dirk Eßer<br />
Klinik für HNO-Heilkunde, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
In Zeiten steigender Neuerkrankungszahlen bösartiger Tumoren<br />
wächst die Bedeutung der onkologischen Nachsorge.<br />
Dennoch wird immer wieder die Frage gestellt, ob die<br />
Tumornachsorge notwendig ist und von den Patienten gewünscht<br />
wird.<br />
Im Jahre 2000 wurden allein in Thüringen 381 Patienten<br />
mit einem neu diagnostizierten Tumor im Kopf-Hals-Bereich<br />
registriert. 145 dieser neu erkrankten Patienten sowie<br />
48 Patienten mit einem neu entdeckten Tumorrezidiv<br />
wurden allein am HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong> behandelt. Im<br />
Jahre 2006 gab es in Thüringen bereits 460 Patienten mit<br />
einer malignen Neuerkrankung im Kopf-Hals-Bereich.<br />
Bei den etwa 500 Patienten mit einem Malignom im Kopf-<br />
Hals-Bereich, die insgesamt jährlich am HELIOS Klinikum<br />
<strong>Erfurt</strong> betreut werden, tritt in ca. 30 % der Fälle ein Rezidiv<br />
und in 8 % der Fälle ein Zeittumor auf. Für diese Patienten<br />
wurde ein Dispensaire eingerichtet. Ziel war und<br />
ist, die Lokalbefunde zu kontrollieren und auf die Bedürfnisse<br />
und Wünsche der Patienten einzugehen.<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 11 ■
Eine Tumornachsorge sollte aus drei Säulen bestehen:<br />
1. Kontrolle des Lokalbefundes und der primären<br />
Lymphabflusswege<br />
2. frühzeitiges Erkennen von lokoregionären Rezidiven<br />
und Zweittumoren/ Metastasen<br />
3. Behandlung von Folgezuständen und Bahnung der<br />
Rehabilitation, wozu gehören:<br />
• Einleitung einer suffizienten Schmerztherapie<br />
• Beantragen einer Anschlussheilbehandlung und<br />
der Rehabilitation<br />
• Einleiten und Sicherstellen der häuslichen Pflege,<br />
vor allem die intensive Pflege der PEG und<br />
des Tracheostomas<br />
• Beantragen von Heil- und Hilfsmitteln<br />
• Einleitung einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit<br />
• Herstellen des Kontakts zu entsprechenden<br />
Selbsthilfegruppen.<br />
Ein Nachsorgeteam sollte aus dem Hausarzt, dem ambulanten<br />
HNO-Arzt, erfahrenen Klinikern und Radiotherapeuten,<br />
einem Psychologen und dem Phoniater, aber auch<br />
aus weiteren Therapeuten (Physiotherapeuten und Logopäden),<br />
Sozialarbeitern und dem zuständigen <strong>Tumorzentrum</strong><br />
bestehen.<br />
An unserer Klinik werden die Patienten 5 Jahre lang in der<br />
Tumornachsorge betreut. Bei benignen Tumoren wird die<br />
Kontrolle halb- bis einjährlich durchgeführt. Bei malignen<br />
Tumoren werden die Patienten im ersten und zweiten Jahr<br />
alle 3 Monate und im 3. bis 5. Jahr jedes halbe Jahr kontrolliert.<br />
In Abhängigkeit vom Tumorbefund, beispielsweise<br />
bei einem CUP-Syndrom, werden auch individuelle Kontrollintervalle<br />
vergeben. Die Kontrolluntersuchungen sollten<br />
in den Händen erfahrener Kliniker und Radiotherapeuten<br />
verbleiben. Der Untersuchungsumfang bei einem<br />
Kontrolltermin umfasst die Anamnese, die klinische Untersuchung,<br />
ggf. eine Lupenlaryngoskopie mit einer Videostroboskopie<br />
und ggf. einer flexiblen Endoskopie. Bei jedem<br />
Kontrolltermin wird an unserer Klinik eine Sonografieuntersuchung<br />
des Halses durchgeführt. Mit Hilfe der<br />
Sonografie steht dem Arzt ein sehr schnelles und preiswertes<br />
Diagnostikum zur Verfügung. Röntgen-Thorax-<br />
Aufnahmen werden jährlich empfohlen. Je nach Sichtbarkeit<br />
und Kontrollmöglichkeit des lokalen Tumorareals werden<br />
im Vorfeld CT- oder MRT-Untersuchungen notwendig.<br />
Eine CT-Untersuchung wird z. B. bei einem malignen Prozess<br />
der Nase und der Nasennebenhöhlen, eine MRT-Untersuchung<br />
z. B. bei einem Oropharynxkarzinom empfohlen.<br />
Ein Re-Staging wird abhängig vom Patienten und<br />
dessen Befund ca. 6-8 Wochen nach der initialen Therapie<br />
oder bei Verdacht auf ein Rezidiv durchgeführt. Die<br />
maximale Nutzung der diagnostischen Möglichkeiten ist<br />
nicht immer sinnvoll und hilfreich. Der Untersuchungsumfang<br />
muss kritisch hinterfragt werden. Zu überlegen ist,<br />
ob dem Patienten mit der zur Verfügung stehenden Diagnostik<br />
geholfen werden kann. Weiterhin ist zu entscheiden,<br />
ob das Ergebnis der Diagnostik die Gesamtprognose<br />
noch entscheidend beeinflussen kann. In jedem Fall<br />
muss die Indikation klar gestellt werden.<br />
In Studien konnte gezeigt werden, dass durch engmaschigere<br />
und aufwendigere Kontrollen zum Diagnostizieren<br />
von Rezidiven und/oder Metastasen und/oder Zweittumoren<br />
keine Verbesserung der Gesamtprognose und der 5-<br />
Jahresüberlebenswahrscheinlichkeit zu erreichen ist.<br />
Wichtig ist es, die Lebensqualität des Patienten zu berücksichtigen.<br />
Eine entsprechende Diagnostik kann zur Erkennung<br />
von Beschwerdeursachen und die sich anschließende<br />
Therapie zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen.<br />
Für Patienten ist die Tumornachsorge nicht nur für<br />
die Kontrolle des Befundes von großer Bedeutung, sondern<br />
sie ermöglicht auch die Klärung offener Fragen und<br />
Probleme und sie dient der Beratung, meistens im Beisein<br />
der Angehörigen.<br />
Die Tumorsprechstunde wird von vielen Patienten als feste<br />
Institution gewünscht. Nur so kann ein Vertrauensverhältnis<br />
zwischen Arzt und Patienten aufgebaut werden.<br />
Aus diesem Grunde stellen sich die Patienten auch nach<br />
Ablauf von 5 Jahren immer wieder zur Kontrolle in dieser<br />
Sprechstunde vor. Zu bedenken ist allerdings, dass durch<br />
zu häufige Kontrollen auch eine große Belastung für die<br />
Patienten entstehen und ein falsches Sicherheitsgefühl<br />
bei ihnen hervorgerufen werden kann. Nicht zu unterschätzen<br />
ist der psychische Belastung, unter der die Patienten<br />
vor allem in den Tagen vor der Untersuchung stehen.<br />
Mitunter stellen auch die mit einem weiten Anfahrtsweg<br />
zur Klinik verbundenen Kosten ein Hindernis für die<br />
Nachsorge dar. Aus diesen Gründen sind die enge Zusammenarbeit<br />
innerhalb des Nachsorgeteams und die ambulanten<br />
Kontrollen sehr wichtig.<br />
Zusammenfassung<br />
Die onkologische Nachsorge hat einen hohen Stellenwert<br />
in der Betreuung von Patienten mit neoplastischen Erkrankungen.<br />
Die Qualität der Nachsorge hängt stark von der<br />
Kooperation des Nachsorgeteams und den Erfahrungen<br />
der einzelnen Mitglieder des Teams ab. Auf die Wünsche<br />
und Fragen des Patienten sollte intensiv und gründlich mit<br />
dem dazu notwendigen Zeitaufwand eingegangen werden.<br />
Die Kontrollintervalle, die notwendige Diagnostik sowie<br />
der diagnostische Umfang sind immer individuell auf<br />
den Patienten und dessen Erkrankung abzustimmen, kritisch<br />
zu hinterfragen und klar zu indizieren. Die Prognose<br />
und die 5-Jahresüberlebenswahrscheinlichkeit lassen sich<br />
durch aufwendige und intensive Diagnostik und Therapie<br />
nicht signifikant verbessern.<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Kai Fritzsche<br />
Klinik für HNO-Heilkunde<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Nordhäuser Straße 74<br />
99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon 0361-7812101<br />
e-Mail: kai.fritzsche@helios-kliniken.de<br />
■ Seite 12 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
■ „Zwischen Evidenz und Empathie –<br />
Dilemma oder Chance für die<br />
Palliativmedizin“<br />
Aus dem Einführungsvortrag zum 5. Palliativmedizinischen<br />
Symposium am<br />
20.6.<strong>2009</strong> in Bad Berka<br />
Christina Müller<br />
Klinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad Berka<br />
Im Mittelpunkt des 5. Palliativmedizinischen Symposiums<br />
stehen die beiden Begriffe Evidenz und Empathie in Bezug<br />
auf palliativmedizinisches Handeln.<br />
Gibt es einerseits die Vorstellungen, dass auf Palliativstationen<br />
medizinische Maßnahmen durch menschliche Zuwendung<br />
in einem schön gestalteten Ambiente ersetzt<br />
werden, so existiert andererseits der Vorwurf, dass Palliativmedizin<br />
eine Medikalisierung des Sterbens sei.<br />
Seit der Eröffnung der Klinik für Palliativmedizin am<br />
01.07.04 bis zum 31.05.<strong>2009</strong> wurden 1901 Patienten behandelt,<br />
von denen 1200 wieder entlassen werden konnten,<br />
davon 775 in die eigene Häuslichkeit. 692 Patienten<br />
verstarben, manchmal nach mehrmaligem stationären<br />
Aufenthalt, auf der Palliativstation. 150 Patienten wurden<br />
in einer epidemiologischen Untersuchung (HOPE = Hospiz-<br />
und Palliativerhebung) erfasst; 6 Patienten sind im<br />
Rahmen einer kontrollierten Studie behandelt worden.<br />
Diese Zahlen verdeutlichen den Erfahrungshintergrund,<br />
auf dem zum einen der Spannungsbogen und zum anderen<br />
das Spannungsfeld palliativmedizinischer Tätigkeit<br />
unter dem Aspekt Evidenz und Empathie einführend skizziert<br />
werden.<br />
Anhand von zwei Patientenbeispielen wird der Spannungsbogen<br />
beschrieben, der palliativmedizinisches Handeln<br />
umfasst. Er reicht von der Diagnostik bisher nicht erkannter<br />
oder fehlinterpretierter kurativ zu behandelnder<br />
Krankheitsbilder, im konkreten Fall eine cerebrale Vaskulitis<br />
bei Sharp-Syndrom, die als fortgeschrittene Tumorerkrankung<br />
fehlgedeutet war, bis hin zum Sterbebeistand<br />
und der damit verbundenen kompetenten Angehörigenbetreuung<br />
bei fortgeschrittener Tumorerkrankung in der<br />
Finalphase.<br />
Das Spannungsfeld, auf dem sich Palliativarzt und Palliativteam<br />
bewegen, wird im Rahmen des Symposiums mit<br />
Hilfe einer Zitatensammlung abgesteckt, von denen nur<br />
einige wenige stellvertretend hier aufgeführt werden sollen:<br />
Palliativmedizin ist<br />
– „... ein Ansatz, mit dem die Lebensqualität der Patienten<br />
und ihrer Familien verbessert werden soll,<br />
wenn sie mit einer lebensbedrohlichen Krankheit<br />
und den damit verbundenen Problemen konfrontiert<br />
sind. Dies soll durch Vorsorge und Linderung<br />
von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen und fehlerlose<br />
Erfassung und Behandlung von Schmerzen<br />
und anderen physischen, psychosozialen und spirituellen<br />
Problemen erfolgen.“ (WHO 2002)<br />
– „eigentlich Tavor® und Zuwendung“ (Krankenschwester<br />
auf einer Palliativstation)<br />
– „...vor allem eine Haltung...“ (H. Melching, Ärztezeitung,<br />
15.04.<strong>2009</strong>)<br />
_ „...ein Versuch der Ärzte, das Monopol über das<br />
Sterben zurück zu erobern. Die Hospizarbeit enthält<br />
wohl das überzeugendere Potenzial für einen<br />
guten Umgang mit dem Leiden und dem Sterben.<br />
Sie sollte angesichts der bestehenden Strömungen<br />
wachsam sein, um Kolonialisierungsbestrebungen,<br />
insbesondere von Seiten der Medizin, entgegen zu<br />
wirken...“ (S. Pleschberger, Diplompflegewirtin,<br />
Dissertation 2004).<br />
So unterschiedlich kann die Sicht auf palliativmedizinisches<br />
Arbeiten sein.<br />
Patienten kommen mit ganz anderen Erwartungen, wie<br />
folgende Zitate belegen:<br />
– „...aber ich will nicht sterben... bitte, bitte. Ich will<br />
leben! Ich will noch ganz lange leben, ich hab noch<br />
ganz viel zu tun, ich will noch ganz, ganz viel auf<br />
der Erde tun...“ (Chr. Schlingensief, „So schön wie<br />
hier kann’s im Himmel gar nicht sein“, Tagebuch einer<br />
Krebserkrankung, Kiepenheuer & Witsch,<br />
<strong>2009</strong>), oder vom gleichen Autor<br />
– „Ich habe die Wunde der Welt berührt, die Wunde<br />
des Leben-Wollens und Sterben-Müssens....“<br />
Christoph Schlingensief artikuliert das, was palliativmedizinischer<br />
Alltag ist. Der abgeklärte Patient, der „lebenssatt<br />
und in Würde und gut symptomkontrolliert“ sterben<br />
möchte, stellt eine Rarität dar. Die Mehrzahl der Patienten,<br />
auch auf Palliativstationen, kämpft um jeden Lebenstag.<br />
– „Vor jeglicher palliativmedizinischer Behandlung<br />
steht logisch wie zeitlich eine Entscheidung. Diese<br />
Entscheidung ist einer besonderen wissenschaftlichen<br />
und philosophischen Aufmerksamkeit wert,<br />
die ihr im deutschsprachigen Diskurs bislang nicht<br />
gegeben wird. Auch ’Grenzsituationen’ sind nicht<br />
einfach objektiv vorfindbar, sondern sie müssen<br />
identifiziert werden.“ (K. Wekamp, Hochschule für<br />
angewandte Wissenschaften Hamburg, Entscheidungshilfen<br />
in Grenzsituationen, 6. Kongress der<br />
DGP 2006 Hamburg)<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 13 ■
– „Um im Gesundheitssystem akzeptiert zu werden,<br />
muss sich ein neuer Fachbereich wie die Palliativmedizin<br />
der klinischen Forschung stellen. Die Effektivität<br />
der Therapieverfahren muss in klinischen<br />
Studien nachgewiesen werden.“ (L. Radbruch,<br />
Lehrbuch der Palliativmedizin).<br />
Wie in jedem Sektor der klinischen Medizin gestaltet auch<br />
der Jurist das Spannungsfeld wesentlich mit:<br />
– „Genau wie die Einleitung einer medizinischen<br />
Maßnahme hat auch deren Beendigung oder<br />
Nichteinleitung zwei Legitimationssäulen:<br />
1. die medizinische Indikation,<br />
2. die Zustimmung des Patienten.<br />
Ausnahme ist nur der begonnene Sterbeprozess.“<br />
(G. Duttge, Strafrechtler, Universität Göttingen,<br />
BGH Urteil 2003)<br />
– „Wann aber ist eine therapeutische Maßnahme als<br />
„sinnlos“ zu bezeichnen? Nimmt man die Selbstbestimmungsrechte<br />
des Patienten und die Achtung<br />
pluralistischer Werte ernst, so sind weder der Sinn<br />
einer Therapie noch die Bewertung von Lebensverlängerung<br />
standardisierbar!“ (Albisser Schleger H<br />
et al., „Futility“ – Übertherapie am Lebensende?,<br />
Zeitschrift für Palliativmedizin 2008, 9)<br />
Das abschließende Zitat ist ein Fazit und leitet zu den Vorträgen<br />
über:<br />
„Auch wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch vieles zu<br />
tun und manches zu lassen. Man muss viel wissen, um<br />
wenig zu tun!“<br />
(Runge M. 1997 – Geriatrische Rehabilitation im therapeutischen<br />
Team)<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Dr. med. Christina Müller<br />
Zentralklinik Bad Berka GmbH<br />
Klinik für Palliativmedizin<br />
Robert-Koch-Allee 9<br />
99437 Bad Berka<br />
Telefon 036458-51901<br />
Telefax 036458-53526<br />
e-Mail sek.pal@zentralklinik-bad-berka.de<br />
■ Der Mensch – Maß aller Dinge?<br />
Zwischen forschungs- und individualitätszentrierter<br />
Herangehensweise<br />
in der Medizin<br />
Vortrag auf dem Symposium „Zwischen Evidenz<br />
und Empathie – Dilemma oder Chance<br />
für die Palliativmedizin“ am 20. Juni <strong>2009</strong> in<br />
Bad Berka<br />
Eberhard Tiefensee<br />
Lehrstuhl für Philosophie, Katholisch-Theologische<br />
Fakultät, Universität <strong>Erfurt</strong><br />
1. Das Problem der „Einfühlung“<br />
Wenn die Ärztin ans Krankenbett tritt, erwartet der Patient,<br />
dass ihr Interesse ihm selbst und seiner persönlichen<br />
Heilung oder der Linderung seiner Not gilt. Er erwartet<br />
nicht eine Wissenschaftlerin, deren Intention eher auf den<br />
medizinischen Fortschritt gerichtet ist und die ihn als einen<br />
Krankheitsfall oder sogar als Versuchsperson betrachtet.<br />
Andererseits erwartet er aber nicht nur Anteilnahme,<br />
sondern eine Behandlung auf höchstem medizinischem<br />
Niveau, um dessen Zustandekommen er sich zumeist wenig<br />
Gedanken macht. Es resultiert nämlich aus der Betrachtung<br />
vieler gleichgelagerter Fälle, die letztlich in der<br />
Anonymität verschwinden. Die Ärztin wiederum ist natürlich<br />
zunächst und vor allem für den individuellen Patienten<br />
da, aber als akademisch ausgebildete Vertreterin ihrer<br />
Zunft weiß sie auch um die Verpflichtung, dem medizinischen<br />
Fortschritt und so indirekt vielen Anderen zu dienen.<br />
Zwei Perspektiven stehen sich hier also gegenüber:<br />
der Dienst an der einzelnen kranken Person einerseits, der<br />
Dienst an der Wissenschaft andererseits; ein individuelles<br />
Vorgehen, das auf empathischer Erkenntnis beruht, auf<br />
der einen Seite, ein experimentell-kuratives Vorgehen, das<br />
auf aus langer Forschung, umfangreichen Datensammlungen<br />
und vielfältigen Therapieversuchen gewonnener<br />
naturwissenschaftlicher Evidenz basiert, auf der anderen<br />
Seite.<br />
Der Philosoph wird zunächst darauf hinweisen, dass der<br />
populäre Begriff der Empathie in dieser Auseinandersetzung<br />
aus zwei Gründen wenig hilfreich ist. Er ist erstens<br />
philosophisch, zweitens emotional hoch aufgeladen.<br />
1. Der Ausdruck „empathy“ wurde von dem englischen<br />
Psychologen Edward B. Titchener Ende des 19. Jahrhunderts<br />
als Übersetzung des deutschen Begriffs „Einfühlung“<br />
in Amerika eingeführt und kam also wie vieles andere<br />
auf dem Umweg über die USA nach Deutschland zurück<br />
(vgl. Schloßberger 2005, 60). Hinter dem deutschen<br />
Wort Einfühlung, das interessanterweise kaum mehr verwendet<br />
wird (weshalb von Empathie die Rede ist) und das<br />
ursprünglich aus der romantischen Ästhetik kommt, steht<br />
eine reichhaltige Auseinandersetzung besonders in der<br />
damaligen phänomenologischen Philosophie, an der sich<br />
so große Geister wie Edmund Husserl, Edith Stein und<br />
Max Scheler beteiligt haben und die bis in die heutige Zeit<br />
■ Seite 14 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
eicht: Es geht um eine für die Sozialität des Menschen<br />
grundlegende Fähigkeit, nicht nur zu erkennen, dass er<br />
ein lebendiges, mit Gefühlen und Bewusstsein ausgestattetes<br />
Gegenüber vor sich hat, sondern dieses auf unmittelbare<br />
Weise wahrzunehmen. Ein typisches Beispiel findet<br />
sich am Anfang von Edith Steins Dissertation „Zum<br />
Problem der Einfühlung"“ (1917): „Ein Freund tritt zu mir<br />
herein und erzählt mir, dass er seinen Bruder verloren hat,<br />
und ich gewahre seinen Schmerz. Was ist das für ein Gewahren?<br />
… Nicht auf welchen Wegen ich dazu gelange,<br />
sondern was es selbst, das Gewahren, ist, das möchte ich<br />
wissen.“ (Stein 2008, 14) Einfühlung ist also die Erfahrung<br />
eines anderen / fremden Ich, wobei alle drei Elemente<br />
wichtig sind: Erfahrung bzw. Erleben, Andersheit bzw.<br />
Fremdheit und personales Ich. Einfühlung darf deshalb<br />
nicht mit nachahmender Gefühlsansteckung verwechselt<br />
werden (ich beginne auch zu weinen, weil ich jemanden<br />
weinen sehe – manchmal auch als Mitleid bezeichnet),<br />
weil das nicht mehr das Erleben eines anderen Ich, sondern<br />
nur eine Selbst-Erfahrung wäre. Sie ist auch etwas<br />
anderes als das ästhetische Einfühlen (das, wie gesagt, an<br />
der Wiege dieses Begriffs stand), bei dem ein an sich lebloses<br />
Kunstwerk durch den Betrachter sozusagen per<br />
Übertragung beseelt wird (ein entsprechend bearbeiteter<br />
Marmorblock erscheint als Frauengestalt), weil sich in diesem<br />
Fall kein von vornherein „beseeltes“ Ich auf der anderen<br />
Seite befindet: Ich projiziere aber nicht meine<br />
Schmerzerfahrung in den Freund, der im Zimmer steht,<br />
sondern nehme seinen Schmerz wahr. Einfühlung ist auch<br />
kein Analogieschluss (ich sehe einen anderen das Gesicht<br />
verziehen und schließe von meiner eigenen Erfahrung mit<br />
solchen Gesichtsausdrücken darauf, dass er jetzt Schmerzen<br />
hat), weil es sich dann um einen logischen Vorgang –<br />
dem Schluss von der fremden Körperreaktion auf das<br />
fremde Seelenleben – handelte, aber nicht um eine Erfahrung<br />
des anderen Ich. Das Gewahrwerden des Schmerzes<br />
des Anderen ist eben nicht die Feststellung: „So wie er<br />
aussieht, wird er wohl Schmerzen erleiden.“ Wie ein solches<br />
Miterfassen der Empfindungsschicht des anderen<br />
möglich und erklärbar ist, wo uns doch per äußerer Wahrnehmung<br />
nur die körperliche Komponente erreichbar<br />
scheint, das ist eine philosophisch spannende Frage. Es ist<br />
klar, dass hier besonders die Rolle im Visier ist, welche das<br />
mit „Einfühlung“ Bezeichnete für den Menschen als ein<br />
soziales Wesen spielt, wie es also zu Intersubjektivität und<br />
Zwischenmenschlichkeit kommen kann. Wahrscheinlich<br />
ist die Einfühlung sogar die notwendige Bedingung dafür,<br />
dass ich mich selbst überhaupt als ein Ich im Unterschied<br />
zum anderen Ich wahrnehme: Subjektivität wächst aus Intersubjektivität.<br />
So reizvoll eine weitere Debatte wäre, sie<br />
würde uns vermutlich vom eigentlichen Thema wegführen.<br />
2. Problematisch ist das Wort „Empathie“ aus einem zweiten<br />
Grund: Die Diskussion kann hier sehr rasch unsachlich<br />
werden, wie ein kurzer Blick auf das Wortfeld zeigt. Empathie<br />
wird assoziiert mit: „einfühlen, mitfühlen, mitgehen,<br />
verstehen, gefühlvoll, teilnehmend, anteilnehmend,<br />
innig, warm, taktvoll, rücksichtsvoll, herzlich, empfindsam,<br />
sensibel für den anderen, höflich, eingehen, zuwenden,<br />
in die Lage des anderen versetzen, behutsam, vorsichtig,<br />
diplomatisch“. Das gegensätzliche Wortfeld beinhaltet:<br />
„direkt, brutal, taktlos, gefühllos, distanziert, kalt,<br />
unhöflich, verständnislos, egoistisch, Trampel, roh,<br />
plump, dreist, dumm, unsensibel, ohne / kein Mitgefühl,<br />
keine Anteilnahme” (Sponsel <strong>2009</strong>). Empathie liegt wortfeldmäßig<br />
nahe an Sympathie. Der distanzierte Wissenschaftler,<br />
ja schon der nüchtern diagnostizierende Arzt<br />
wären also von vornherein als unsympathisch deklassiert.<br />
Ich konzentriere mich im Folgenden auf das, was ich aus<br />
meiner Perspektive als die eigentliche Frage im Tagungsthema<br />
ansehe: Wie ist eine forschungszentrierte Herangehensweise<br />
an den Patienten mit einer individuumszentrierten<br />
Herangehensweise vereinbar? Ich werde darauf<br />
keine Antwort geben können, aber vielleicht sind einige<br />
Klärungen möglich, die der Diskussion weiterhelfen.<br />
2. Ein Hinweis aus der Antike: Der Homo-mensura-<br />
Satz des Protagoras<br />
Zuweilen kann ein Rückblick auf unsere kulturellen Wurzeln<br />
erhellend sein. Von dem griechischen Sophisten Protagoras<br />
(5. Jh. v. Chr.) stammt ein Satz, der bis heute Streit<br />
auslöst: „Aller Dinge Maß ist der Mensch, der seienden,<br />
dass (wie?) sie sind, der nicht seienden, dass (wie?) sie<br />
nicht sind.“ Wir wissen weder, in welchem Zusammenhang<br />
dieser sogenannte Homo-mensura-Satz ursprünglich<br />
gestanden hat, noch wie er von Protagoras gemeint<br />
war, weil wir nur wenige Zitatfetzen aus seinen Werken<br />
haben – deshalb die unendlichen Diskussionen über diesen<br />
Ausspruch von Platon, der ihn als erster zitierte, bis<br />
heute. Der Salzburger Philosoph Gerhard Zecha hat folgende<br />
Interpretationsvarianten des Satzes durchgespielt:<br />
‘„Mensch’ kann heißen: der Einzelmensch; eine Gesellschaft<br />
[oder Kultur, E.T.] oder Gruppe; alle Menschen (die<br />
leben, je gelebt haben und noch leben werden), d.h.<br />
Mensch als Universalbegriff; ‘ist das Maß’ kann heißen ‘ist<br />
das Kriterium’, ‘nimmt wahr’, ‘beurteilt’; ‘Dinge’ kann sich<br />
beziehen auf: die Gegenstände der sinnlichen Wahrnehmung;<br />
die Gegenstände der inneren Wahrnehmung; Werte<br />
(z.B. auf epistemische Werte wie ‘wahr’ und ‘falsch’; auf<br />
sittliche Werte wie ‘gut’ oder ‘böse’; auf ästhetische Werte<br />
wie ‘schön’ oder ‘hässlich’; auf ontologische Werte wie<br />
‘seiend’ oder ‘nicht-seiend’).“ Rechnet man alle Deutungsvarianten<br />
zusammen, kommt man auf 3 x 3 x 6 = 54 Möglichkeiten,<br />
die sich noch verdoppeln, wenn man den Satz<br />
einmal deskriptiv (beschreibend) versteht („Der Mensch ist<br />
…“), ein andermal normativ (vorschreibend) („Der<br />
Mensch soll sein …“). Weitere Möglichkeiten kämen hinzu,<br />
wenn man sich darum streitet, ob es richtig „dass“<br />
oder „wie“ heißt (das griechische Original lässt beide<br />
Übersetzungen zu) – und auch das dürften noch nicht alle<br />
sein. Zecha gibt zu, dass „nicht alle stimmig oder überhaupt<br />
sinnvoll erscheinen“, aber auch so bleiben noch Interpretationsvarianten<br />
für etliche wissenschaftliche Tagungen<br />
übrig (Zecha 2000, 20).<br />
Das müsste uns nicht weiter beunruhigen, wird aber sogleich<br />
interessant, wenn für „der Mensch ist das Maß“<br />
eingesetzt wird: „der Patient ist das Maß“. Dann wird zumindest<br />
der Streit um die ersten drei Varianten verständlich:<br />
Ist der einzelne Patient (im Unterschied zu allen anderen)<br />
gemeint? Die Patienten als Gruppe (im Unterschied<br />
zu den Gesunden)? Oder doch die Menschheit (und damit<br />
der medizinische Fortschritt als solcher)?<br />
Dass eine solche Konkretisierung möglich ist, geht aus einem<br />
interessanten Hinweis hervor, den ein anderer Salzburger<br />
zum Verständnis des fraglichen Satzes geliefert<br />
hat. Der Philologe Jürgen Dalfen stieß nämlich auf eine<br />
medizinische Schrift mit dem Titel „Über die alte Medizin“,<br />
die sich im sogenannten Corpus Hippocraticum befindet<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 14 ■
und deren Verfasser (möglicherweise Hippokrates selbst)<br />
offenbar von Protagoras und seinem Homo-mensura-Satz<br />
beeinflusst war. Die Basiserfahrung der medizinischen<br />
Kunst und Wissenschaft sei nämlich: Nicht alles gilt für jeden<br />
gleich. Nahrung und Lebensweise sind anders für Tiere<br />
zuträglich als für Menschen. Also gilt schon einmal,<br />
dass die Menschheit generell ein Maß für jede medizinische<br />
Intervention ist. (Man denke an die begrenzte Übertragbarkeit<br />
von Tierexperimenten auf die Humanmedizin.)<br />
Außerdem gilt für Kranke nicht dasselbe wie für Gesunde,<br />
so dass also auch die Interpretationsvariante denkbar<br />
ist, dass bestimmte Gruppen von Menschen im<br />
Unterschied zu anderen Gruppen das Maß sind. Die jeweiligen<br />
Kranken sind also das Maß, das der Arzt in seiner Behandlung<br />
anzulegen hat, nicht der gesunde Mensch. Aber<br />
auch diese Interpretation (Mensch als Gruppe) ist nicht<br />
präzise genug; letztlich bezieht sich der Satz auf den Einzelmenschen.<br />
Das gesuchte Maß kann dann aber nicht in rein quantitativen<br />
Größen wie Zahlen und Gewichten bestehen, die alles<br />
mit allem vergleichbar machen, sondern das Maß ist<br />
„die Wahrnehmung des Körpers“. Mit Wahrnehmung ist<br />
zweierlei gemeint: Zunächst einmal, wie der Körper in seiner<br />
Gesamtheit die Therapie annimmt (und in diesem Sinne<br />
wahrnimmt) („Wahrnehmung des Körpers“ als genitivus<br />
subiectivus). Zum zweiten die Reaktion, die er zeigt<br />
und die der Arzt für eine effektive Therapie wahrnehmen<br />
muss (genitivus obiectivus). In die Sprache des Protagoras<br />
übersetzt, hieße die Regel dieser alten medizinischen<br />
Schrift: „Der Therapie Maß ist die Wahrnehmung des Körpers.“<br />
Oder: „An der Wahrnehmung des Körpers wird die<br />
(Exaktheit der) Therapie gemessen.“ Man kann also den<br />
Homo-mensura-Satz so interpretieren: „Alle Dinge werden<br />
am Menschen gemessen“ (Dalfen 2004).<br />
Hier tut sich ein weiter Horizont auf, in den sich die Diskussion<br />
dieser Tagung stellen ließe: Jede Art von Pädagogik<br />
muss den Einsatz der Mittel am Menschen messen. Um<br />
Charles Latein beizubringen, reicht es nicht aus, Latein zu<br />
können, ich muss auch Charles kennen. Auch Werbung<br />
funktioniert nach dem Prinzip „Alle Dinge werden am<br />
Menschen gemessen“, oder anders gesagt: Der Wurm<br />
muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Also ist der<br />
umworbene Kunde das Maß und nicht die empirisch gestützte<br />
Vorgabe eines Werbe-Experten. Und wir alle kennen<br />
die Klagen der Politiker nach einer verlorenen Wahl,<br />
dass es ihnen offensichtlich nicht gelungen sei, ihre Programme<br />
richtig verständlich zu machen: Der Wähler ist<br />
das Maß, an dem sich die Wahlpropaganda messen muss.<br />
Die in unserem Zusammenhang entscheidende Erkenntnis<br />
aus dieser Deutung des Homo-mensura-Satzes ist nun: Regeln<br />
zu befolgen ist angesichts der Komplexität dessen,<br />
womit er zu tun hat, für den Arzt nicht ausreichend. Es ist<br />
eine höhere Präzision erforderlich, als ein Regelwerk zu<br />
bieten hat, weshalb sie auch schwer zu erreichen ist. Das<br />
unterscheidet genau den erfahrenen vom unerfahrenen<br />
Arzt und genau darin besteht also die ärztliche Kunst: Regelgeleitet,<br />
aber nicht regelfixiert tätig zu sein. Der Einsatz<br />
von Therapien und Medikamenten ist letztlich nicht daran<br />
zu messen, ob er regelgerecht erfolgte, sondern ob er<br />
dem Patienten genützt hat: Er ist das Maß, an dem gemessen<br />
wird.<br />
Spätestens hier ist aber eine Korrektur erforderlich: Maß<br />
kann nicht nur die Wahrnehmung des Körpers sein, denn<br />
schließlich handelt es sich hier nicht einfach um ein räumliches<br />
Gebilde wie z.B. einen Steinblock, den ein Bildhauer<br />
bearbeitet und dabei nach jedem Schlag abschätzt, ob<br />
die erreichte Veränderung seinen Vorstellungen vom zukünftigen<br />
Kunstwerk entspricht. Maß ist in unserem Fall<br />
die Wahrnehmung einer Person in ihrer biopsychosozialen<br />
Gesamtheit. Aber damit gehen die Probleme eigentlich<br />
erst los: Wahrnehmung der Person als Maß für therapeutische<br />
Intervention heißt ja dann nicht nur, dass sich<br />
auf der Patientenseite ein Körper verändert, sondern wir<br />
haben hier ein anderes / fremdes Ich mit je eigener Perspektive,<br />
eigener Geschichte, eigenen Erfahrungshorizonten<br />
und vielleicht sogar eigenem kulturellen Hintergrund<br />
vor uns, ein selbständiges „Akt-Zentrum“ (Max Scheler),<br />
das nicht nur reagiert, sondern agiert. Damit sind wir also<br />
nolens volens doch wieder beim Thema „Einfühlung als<br />
Erfahrung eines anderen / fremden Ich“ angekommen.<br />
Wird dieser Konstellation eine auf Empathie beruhende<br />
Herangehensweise gerechter als eine evidenzbasierte Medizin?<br />
3. Evidenz gegen Empathie: Naturwissenschaft gegen<br />
Geisteswissenschaft<br />
Mit Evidenz ist in unserem Zusammenhang eine auf naturwissenschaftliche<br />
Weise gewonnene Einsicht gemeint<br />
(der philosophische Begriff weicht davon ab). Um genauer<br />
zu verstehen, wie diese funktioniert, ist die Erinnerung<br />
an einen jahrhundertealten Konflikt hilfreich – den zwischen<br />
Natur- und Geisteswissenschaften. Er kam etwa zur<br />
gleichen Zeit auf, in dem auch der Begriff der „Einfühlung“<br />
seine philosophische Karriere begann, also in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wie er ausgegangen<br />
ist, kann man daran ermessen, dass mit Wissenschaft gegenwärtig<br />
fast durchgängig Naturwissenschaft assoziiert<br />
wird. Das typisch deutsche Wort „Geisteswissenschaften“<br />
für ihr Gegenstück ist eine Übersetzung des englischen<br />
„moral sciences“ oder „humanities“ (durch Johannes<br />
Schiel 1849). Heute wird stattdessen gern von Kulturwissenschaften<br />
gesprochen. Die Bezeichnungen suggerieren,<br />
diese Wissenschaften würden sich mit anderen Objekten<br />
befassen als die Naturwissenschaften: mit Menschen<br />
(„humanities“), mit Kulturen u. a. geistigen Gegenständen.<br />
Das kann aber nicht ganz richtig sein, denn auch die<br />
Naturwissenschaften haben den Menschen zum Thema.<br />
Ein Kulturgut wie die „Mona Lisa“ kann auch naturwissenschaftlich<br />
untersucht werden (z.B. durch Röntgenanalyse).<br />
Und die heutigen Studierenden in der Psychologie, die<br />
man im Blick auf deren Objekt als Geisteswissenschaft im<br />
wahrsten Sinne des Wortes bezeichnen müsste, pauken<br />
am Anfang erst einmal Methoden der Statistik (was nicht<br />
wenige von ihnen irritiert). Umgekehrt ist, was eigentlich<br />
"Natur" sei, eine typisch geisteswissenschaftliche Frage.<br />
Wo liegt dann aber der Unterschied? Nicht im Gegenstandsbereich,<br />
sondern – so hat die Diskussion damals ergeben<br />
– im Blickwinkel und in der Absicht, mit denen an<br />
die jeweiligen Objekte oder Ereignisse herangegangen<br />
wird. Da es sich beide Male um Wissenschaft handelt,<br />
geht es um die nachvollziehbare Herstellung von Zusammenhängen.<br />
Der entscheidende Unterschied ist aber, dass<br />
die Naturwissenschaften subordinierend (unterordnend)<br />
arbeiten, die anderen koordinierend (zuordnend). Das<br />
heißt, die Naturwissenschaften ordnen das Einzelne (Objekt,<br />
Ereignis etc.) einem Allgemeinen (Regel, Gesetz,<br />
■ Seite 16 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
Theorie) unter. Als Ergebnis der wissenschaftlichen Bemühungen<br />
sollen Sätze wie „Alle …“, „Immer wenn …, dann<br />
…“ stehen; diese sind das eigentliche Ziel. Das Einzelne ist<br />
nur als zu zählende und prinzipiell wiederholbare Größe<br />
(z.B. für die Statistik oder das Experiment), als exemplarische<br />
Illustration bzw. als untergeordneter, ableitbarer<br />
Spezial- oder Anwendungsfall interessant. Wilhelm Windelband<br />
(1894) nannte diese Vorgehensweise "nomothetisch"<br />
(Gesetze aufstellend), sein Schüler Heinrich Rickert<br />
(1899) „generalisierend“. Die anderen Wissenschaften<br />
würden dagegen „ideografisch“ (das Besondere kennzeichnend)<br />
bzw. „individualisierend“ vorgehen. Sie werten<br />
also das Einzelne anders: Wieder wird es in einen Zusammenhang<br />
gebracht, aber nicht als Spezialfall, der sich<br />
einem Allgemeinen unterordnet, sondern in einen Rahmen,<br />
welcher die Einmaligkeit und Besonderheit, die qualitativ<br />
bestimmte Individualität (als Persönlichkeit, als ästhetisches<br />
Objekt, als historisches Ereignis) präzisiert und<br />
fassbarer macht. Am Ende der Bemühung stehen also<br />
diesmal nicht Regelwerke und Gesetzesaussagen, sondern<br />
angemessene Zuordnungen in einem größeren (historischen,<br />
kulturellen) Kontext.<br />
Dasselbe wissenschaftliche Untersuchungsobjekt kann also<br />
ganz verschieden erscheinen, je nachdem, durch welche<br />
Brille und mit welcher Absicht es angeschaut wird: Eine<br />
Demonstration nach einer Präsidentenwahl (wie derzeit<br />
im Iran) kann für den Beobachter mit generalisierendem<br />
Interesse (z.B. einen empirischen Soziologen)<br />
gruppendynamische Gesetzmäßigkeiten sichtbar machen,<br />
die er dann in allgemeine Hypothesen gießt, welche<br />
sich an anderen Gruppen bestätigen oder widerlegen lassen.<br />
Das konkrete Ereignis ist für ihn zweitrangig, es dient<br />
ihm als Mittel für seine allgemeine Erkenntnis. Wer dagegen<br />
mit individualisierendem Interesse auftritt (wie z.B.<br />
ein Historiker), wird sich fragen, was diese konkrete Demonstration<br />
charakterisiert, er wird ihre Besonderheit und<br />
ihre Folgen aus historischen oder kulturellen Zusammenhängen<br />
zu verstehen suchen, auf bestimmte Personen<br />
und Konstellationen verweisen – die Gesetzmäßigkeiten,<br />
welche der andere Beobachter gefunden hat, sind für ihn<br />
von nur zweitrangigem Interesse, nämlich insofern sie<br />
ihm Mittel anbieten, dieses Ereignis in seiner Eigenart zu<br />
erfassen. Der naturwissenschaftlich orientierte Beobachter<br />
sucht das Wiederholbare, der andere das Einmalige,<br />
und während jener Prognosen wagt, wird sich der andere<br />
hier eher zurückhalten.<br />
Auch wenn sich nun die einzelnen Wissenschaften nicht<br />
einfach diesen beiden Kategorien zuordnen lassen (Ist die<br />
Astronomie z.B. eine Naturwissenschaft oder eine historische<br />
Wissenschaft? Wie sieht es mit der Evolutionsbiologie<br />
aus, die keine Prognosen erstellt?), so ist diese Gegenüberstellung<br />
vielleicht hilfreich, das Unbehagen bestimmter<br />
Kreise an einer evidenzbasierten Medizin zu präzisieren.<br />
Sie ist offensichtlich der naturwissenschaftlichen<br />
Perspektive zugeneigt. Notwendigerweise wird von der<br />
speziellen Qualität, der Individualität des Einzelnen abgesehen,<br />
er wird auf das Wiederholbare und so Auswechselbare<br />
reduziert, ist nur noch von statistischer Relevanz oder<br />
bestenfalls ein interessantes „Beispiel für …“. Er wird<br />
letztlich zu einem „Fall von …“, der dem Allgemeinen untergeordnet<br />
ist. Nicht die Heilung dieses Menschen und<br />
seine Not stehen im Vordergrund, sondern zunächst einmal<br />
das Gewinnen wissenschaftlicher, d.h. naturwissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse und erst indirekt die Heilung,<br />
aber dann anderer Menschen, die in die gleiche Kategorie<br />
„fallen“. Gesucht wird das ihnen Gemeinsame, das für<br />
diese Kategorie Charakteristische, nicht das, was den Einzelnen<br />
von allen anderen unterscheidet. Würde es dagegen<br />
in erster Linie um das Erkennen dieses konkreten<br />
Menschen und um seine Heilung oder die Linderung seiner<br />
Not gehen, würden andere Verfahren Vorrang erhalten.<br />
Ziel wäre es dann, ihn in seiner Individualität möglichst<br />
genau und umfassend wahrzunehmen, indem dafür<br />
geeignete, spezielle Zusammenhänge rekonstruiert<br />
werden, z.B. durch eine ausführliche Anamnese, durch<br />
lange und eingehende Gespräche, die seine private Situation<br />
profilieren, durch gezieltes Achten auf Signale, die<br />
nicht den üblichen Erwartungen entsprechen etc. Und<br />
das Ganze nicht mit dem vorrangigen Ziel allgemein anwendbarer<br />
Erkenntnis, sondern der konkreten Heilung<br />
oder der Linderung der konkreten Not. Es dürfte keine Frage<br />
sein, dass die erstgenannte, naturwissenschaftliche<br />
Perspektive distanzierter, objektiver erscheint, während<br />
die zweite Zielsetzung näher am Krankenbett und an denen<br />
ist, die jeweils darin liegen.<br />
4. Immanuel Kants Unterscheidung von Sachen und<br />
Personen<br />
Das Unbehagen an der naturwissenschaftlichen Herangehensweise<br />
resultiert aber nicht nur aus deren verallgemeinernder<br />
Perspektive, sondern aus dem Gefühl, dass sie<br />
letztlich am Menschsein überhaupt vorbeigeht, indem sie<br />
es auf etwas Miteinander-Vergleichbares reduziert. Mit<br />
anderen Worten: Die evidenzgestützten Verfahren der Erkenntnisgewinnung<br />
und die Anwendung ihrer Ergebnisse<br />
funktionieren nur mit einer gewissen Inhumanität.<br />
Oder noch einmal anders gesagt: Es entsteht der Verdacht,<br />
dass heutzutage medizinische Erfolge nur jemand<br />
erzielen und sich auf diese Weise human verhalten kann,<br />
der mindestens zwischenzeitlich den Menschen nicht als<br />
Menschen behandelt – und dagegen sträubt sich begreiflicherweise<br />
das moralische Bewusstsein.<br />
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen (vgl. Nr. 2/2007<br />
dieser Zeitschrift), verweise ich als Erklärung für dieses Unbehagen<br />
zunächst auf Kants entscheidende Einsicht, wie<br />
Personen von Sachen zu unterscheiden sind: Der Unterschied<br />
besteht darin, dass man Personen – anders als Sachen<br />
– nie bloß als Mittel zum Zweck verwenden darf. Sie<br />
sind, so sagt er, immer auch Zweck an sich, d.h. sie haben<br />
einen Wert in sich. Ein Hammer ist ein Schlagwerkzeug –<br />
Mittel zum Zweck, eine Sache, deren Wert sich an dieser<br />
Funktion bemisst. Natürlich kann ich auch einen Menschen<br />
instrumentalisieren, und wir tun es öfter, aber er ist<br />
eben nicht nur Mittel zum Zweck. Irgendwie muss also bei<br />
der ganzen Verwendung auch etwas für ihn herausspringen,<br />
er selbst muss auch ein Ziel sein, verdient meine Achtung,<br />
meine Anerkennung. Deswegen bitte ich den, der<br />
mir die Zeitung aus dem Briefkasten holt, und bedanke<br />
mich beim Handwerker – bei einem Roboter fiele mir das<br />
wahrscheinlich nicht ein, es sei denn, ich behandelte ihn<br />
wie einen Menschen. Der Unterschied zwischen Sachen<br />
und Personen besteht also darin: Sachen darf ich nötigenfalls<br />
restlos instrumentalisieren, um ein Ziel zu erreichen,<br />
bei Personen darf ich das nicht. Das hat eminent etwas mit<br />
Menschenwürde und Persönlichkeitsrechten zu tun.<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 17 ■
5. Kann man Aussagen über den Menschen verallgemeinern?<br />
Gehen wir – leider kontrafaktisch – davon aus, dass der als<br />
Wissenschaftler ans Krankenbett herantretende Mediziner<br />
sein Gegenüber nicht nur wie ein sachliches Untersuchungsobjekt<br />
wahrnimmt, das er für die medizinische Einsicht<br />
verzweckt, sondern als personales Gegenüber, das<br />
mit Würde und Rechten ausgestattet ist und mit dem er<br />
nicht einfach experimentieren darf wie mit einem Sachobjekt.<br />
(Dies wahrzunehmen, braucht wiederum „Einfühlung“,<br />
nämlich Erfahrung des anderen / fremden Ich als eines<br />
solchen.) Dann bleibt trotzdem noch ein Problem:<br />
Kann die Erkenntnis, die er an diesem konkreten Gegenüber<br />
gewinnt, verallgemeinert und auf andere Menschen<br />
übertragen werden?<br />
Die lange Geschichte medizinischer Forschung zeigt, dass<br />
das funktioniert – aber bei genauer Betrachtung um den<br />
Preis, dass die Individualität der Person ausgeblendet werden<br />
muss. Dass eine Therapie bei dem Patienten X ebenso<br />
anschlägt wie beim Patienten Y, beruht auf einer bestimmten<br />
Gleichheit beider – z.B. ihrer körperlichen Verfasstheit.<br />
Dass beide unverwechselbar sind, spielt dabei<br />
keine entscheidende Rolle – im Gegenteil: Dies allzu sehr<br />
in Anschlag zu bringen, würde nur das Vergleichsverfahren<br />
stören. Die Gleichheit in der körperlichen Verfasstheit,<br />
auf die sich der Erfolg der evidenzbasierten Medizin gründet,<br />
ist aber sozusagen nur das Animalische am Menschen,<br />
etwas anderes aber ist es, was den Menschen zum<br />
Menschen und zu einer Person macht, nämlich seine wesentliche<br />
(!) Verschiedenheit von allen anderen Menschen.<br />
Dieses Paradox wird in der Aussage zusammengefasst,<br />
dass Einheit und Verschiedenheit im Falle des Menschseins<br />
(aber wahrscheinlich nicht nur dort) direkt proportional<br />
sind: Jeder bzw. jede ist umso mehr Mensch (Einheit), je<br />
mehr er bzw. sie anders ist als alle anderen (Verschiedenheit).<br />
Was genau und jeweilig konkret diese Verschiedenheit<br />
ist, kann nicht angemessen ausgesagt werden, weil<br />
sich unsere Sprache in Begriffen bewegt, die – wie das<br />
Wort richtig assoziiert – Verschiedenes „zusammengreifen“,<br />
indem sie das Gemeinsame herausheben. „Individuum<br />
est ineffabile“ (das Individuum ist nicht aussagbar),<br />
sagte folgerichtig die scholastische Philosophie. Deshalb<br />
geben wir dem Anderen einen Namen und akzeptieren<br />
ihn so als Menschen, und deshalb ist in bestimmten Situationen,<br />
z.B. bei existentiellen Entscheidungen, das Individuum<br />
unaustauschbar und auch letztlich undurchschaubar<br />
– sich selbst und anderen.<br />
Die direkte Proportionalität von Einheit und Verschiedenheit<br />
im Falle des Menschseins kann durch das Beispiel der<br />
eineiigen Zwillinge illustriert werden. Ihr Auftreten löst<br />
immer wieder Neugier und Erstaunen aus – in manchen<br />
Kulturen (z.B. Lateinamerikas) aber auch Entsetzen, so<br />
dass einer der Zwillinge dort nicht selten getötet wurde.<br />
Irgendwie entsteht der Eindruck, es gehe hier nicht mit<br />
rechten Dingen zu, dass zwei Menschen sich ähneln "wie<br />
ein Ei dem anderen". Bei Eiern hätten wir nämlich kein Problem,<br />
ihre Ununterscheidbarkeit zu akzeptieren, im Gegenteil:<br />
Ist die Verschiedenheit zu stark wahrnehmbar,<br />
wird das fragliche Exemplar aussortiert; eine weiße Billardkugel<br />
hat unter Hühnereiern nichts zu suchen. Hier besteht<br />
also eine indirekte (!) Proportionalität von Einheit<br />
und Verschiedenheit: Je größer die Verschiedenheit, desto<br />
geringer die Einheit und damit die Zuordnung zum entsprechenden<br />
Begriff. Treten aber zwei Menschen auf, die<br />
sich völlig gleichen, kommt eine Beunruhigung auf, die<br />
sich verstärken würde, wenn es drei, zehn oder hundert<br />
gleich aussehende Exemplare wären (die uns vielleicht eines<br />
Tages die Technik des Klonens beschert). „Das können<br />
doch keine Menschen sein“, vermuten wir spontan. Im<br />
Hintergrund steht der Umkehrschluss: Je weniger Verschiedenheit,<br />
desto weniger Menschsein. Verschiedenheit<br />
gehört also zum Wesen des (allen gemeinsamen) Menschseins<br />
und ist nicht nur eine oberflächliche Abweichung<br />
von einer Norm wie im Fall der ansonsten „im Wesentlichen“<br />
gleichen Eier. Das dürfte auch der Grund sein, warum<br />
Institutionen (und vor allem Diktaturen) Menschen<br />
gern in Uniformen sehen. Sie werden durch dieses Gleichmachen<br />
weniger Mensch. Sie treten dann als Funktionen<br />
auf und werden auf ihre Rolle reduziert – möglicherweise<br />
sogar in dieser Funktion komplett instrumentalisiert und<br />
austauschbar: als Soldat, als Firmenangestellter, vielleicht<br />
auch als Arzt, aber nicht als Frau X und Herr Y, die sie in<br />
Wahrheit sind: als Mensch, als Person. Im Extremfall erhalten<br />
sie nur noch eine Karteikarte oder eine Nummer und<br />
haben keinen Namen mehr.<br />
Noch einmal andersherum illustriert: Wir definieren zwar<br />
das Menschsein, „den Menschen“ aufgrund der Gemeinsamkeiten<br />
aller Exemplare, die unter diesen Begriff fallen,<br />
und ziehen aus dieser Beschreibung die notwendigen<br />
Konsequenzen für den Einzelnen: „Wenn alle Menschen<br />
sterblich sind und Sokrates ein Mensch ist, dann ist Sokrates<br />
sterblich.“ Bei näherem Hinsehen funktioniert das aber<br />
nur, wenn etwas herausgestellt wird, das nicht allzu nahe<br />
am spezifisch Menschlichen liegt: Sterblichkeit haben wir<br />
mit Tieren und Pflanzen gemeinsam. Schon der Schluss<br />
„Wenn alle Menschen vernunftbegabt sind (animal rationale)<br />
und Peter ein Mensch ist, dann ist Peter vernunftbegabt“,<br />
stimmt nicht mehr: bei Säuglingen, Komapatienten,<br />
Alzheimerkranken oder schwer geistig Behinderten.<br />
Konsequenterweise müsste man jetzt entweder solchen<br />
Exemplaren das Menschsein absprechen, um die erste<br />
Prämisse, den All-Satz, beibehalten zu können. Das ist immer<br />
mal wieder vorgeschlagen, aber mit guten Gründen<br />
auch vehement abgelehnt worden. Oder man gibt die erste<br />
Prämisse auf. Das wird ebenfalls kaum Akzeptanz finden,<br />
denn eine solche Korrektur träfe nun das, was das<br />
Menschsein eigentlich ausmacht (Vernunftbegabung,<br />
Sprachlichkeit, Verantwortungsfähigkeit etc.) und nicht<br />
zuletzt unsere Gattungsbezeichnung als „Homo sapiens“.<br />
Es ist also offenbar im Falle der Charakteristika, die den<br />
Menschen zum Menschen machen, nicht so einfach, mit<br />
Verallgemeinerungen zu arbeiten und daraus richtige<br />
Schlüsse zu ziehen.<br />
Zurück zu unseren Schwierigkeiten mit einer forschungsoder<br />
individuumszentrierten Herangehensweise: Für eine<br />
evidenzbasierte Medizin hätte unsere Überlegung die Folge,<br />
dass sich Untersuchungsergebnisse und therapeutische<br />
Verfahren eigentlich nur von einem eineiigen Zwilling<br />
auf den anderen übertragen ließen, in allen anderen Fällen<br />
aber nur mit Abstrichen (so ähnlich wie bei der<br />
Gauß'schen Glockenkurve der Wahrscheinlichkeitsverteilung),<br />
nämlich insofern man den Patienten auf etwas reduziert,<br />
was er mit möglichst vielen anderen gemeinsam<br />
hat. Sobald aber die Individualität stärker in Anschlag gebracht<br />
werden muss – und das ist eigentlich notwendig,<br />
wenn ich das Gegenüber nicht nur als Fall, sondern als Per-<br />
■ Seite 18 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
son ansehe –, also schon bei der Einbeziehung der jeweiligen<br />
psychischen Verfasstheit, der jeweiligen Biographie<br />
oder des jeweiligen sozialen und kulturellen Umfeldes in<br />
das Krankheitsgeschehen, gerät das evidenzbasierte Verfahren<br />
möglicherweise an Grenzen, die sich immer dort<br />
bemerkbar machen, wo die naturwissenschaftliche Herangehensweise<br />
wegen Unangemessenheit versagt: Der<br />
Mensch ist eben letztlich nicht ein „Fall von …“, sondern<br />
ein unaussagbares und insofern auch undurchschaubares<br />
Individuum, m.a.W. ein Geheimnis.<br />
Denn sogar im Fall der eineiigen Zwillinge scheint ein evidenzbasiertes<br />
Verfahren an Grenzen zu kommen, d.h. die<br />
Übertragbarkeit der Erkenntnisse von einem auf den anderen<br />
ist begrenzt. Wenn ich als Nichtmediziner einem Artikel<br />
in der WELT ONLINE vom 7. Juni 2007 trauen darf,<br />
dann verlieren auch eineiige Zwillinge ihre Identität im<br />
Laufe des Lebens, während Unterschiede zwischen Nichtverwandten<br />
bewahrt werden. „Identische Genome ändern<br />
sich, individuell verschiedene Genome bleiben sich<br />
gleich. Wenn man beide Einsichten zusammennimmt –<br />
was gleich ist, wird anders, und was anders ist, bleibt<br />
gleich – und auf einen Nenner bringt, zeigt sich, dass die<br />
Natur konsequent das Anderssein anstrebt. Sie erzeugt<br />
Unterschiede (epigenetisch), wenn sie nicht da sind, und<br />
bewahrt sie, wenn es sie (genetisch) gibt. Vielleicht sind<br />
eineiige Zwillingen zunächst wirklich genetisch identisch.<br />
Sie bleiben es aber nicht. Sie werden, was wir alle sind –<br />
anders und einmalig. Schön zu wissen.“<br />
Zitierte Literatur:<br />
- Dalfen, Joachim, Der Homo-mensura-Satz des Protagoras<br />
in seinem historischen Umfeld, in: Ist der Mensch<br />
das Maß aller Dinge? Beiträge zur Aktualität des Protagoras<br />
(hg. v. O. Neumaier) (Arianna; 4), Möhnesee<br />
2004, 1-16.<br />
- Schloßberger, Matthias, Die Erfahrung des Anderen.<br />
Gefühle im menschlichen Miteinander, Berlin 2005.<br />
- Sponsel, Rudolf:<br />
http://www.sgipt.org/hm/hm_einf.htm (19.6.<strong>2009</strong>).<br />
- Stein, Edith, Zum Problem der Einfühlung (Edith-Stein-<br />
Gesamtausgabe; 5), Freiburg i, Br. 2008.<br />
- WELT ONLINE vom 07.06.2007 (Autor: Ernst Peter<br />
Fischer): http://www.welt.de/wissenschaft/article<br />
928193/Zwillinge_sind_gar_nicht_so_einzigartig_wie_<br />
gedacht.html (19.6.<strong>2009</strong>)<br />
- Zecha, Gerhard, Das Spiel mit der Antike als Ernst: Ist<br />
der Mensch wirklich das Maß aller Dinge?, in: Das Spiel<br />
mit der Antike zwischen Antikensehnsucht und Alltagsrealität<br />
(hg. v. S. Düll, O. Neumaier und G. Zecha)<br />
(Arianna; 1), Möhnesee 2000, 19-39.<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Prof. Dr. Eberhard Tiefensee<br />
Lehrstuhl für Philosophie<br />
Katholisch-Theologische Fakultät der Universität <strong>Erfurt</strong><br />
Nordhäuser Str. 63<br />
99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon 0361-7372511<br />
e-Mail eberhard.tiefensee@uni-erfurt.de<br />
http://www2.uni-erfurt.de/tiefensee<br />
■ Experimentelle Medizin und<br />
Palliativbetreuung – eine Gegenüberstellung<br />
Carl Friedrich Classen<br />
Kinder- und Jugendklinik, Universitätsklinikum<br />
Rostock<br />
Dieser Text beruht auf einem Vortrag, der auf dem Symposion<br />
„Zwischen Evidenz und Empathie – Dilemma oder<br />
Chance für die Palliativmedizin“ am 20. Juni <strong>2009</strong> in Bad<br />
Berka gehalten wurde. Grundlage dafür ist wiederum die<br />
Arbeit „Experimentelle Medizin und Palliativbetreuung –<br />
eine Gegenüberstellung“, erschienen in der Zeitschrift für<br />
Palliativmedizin, Juni 2008, S. 52-54.<br />
Im Jahre 1968 erschien im Deutschen Medizinischen Journal<br />
eine Arbeit des Berliner Kinderarztes Hansjörg Riehm<br />
mit dem Titel „Chemotherapie der akuten Leukämien“ (1),<br />
in der der Autor alle damals bekannten Protokolle für den<br />
kombinierten Einsatz von Zytostatika bei akuten Leukämien<br />
zusammenstellte und verglich. Mit keinem dieser<br />
Protokolle war bei mehr als einem geringen Prozentsatz<br />
der Patienten eine Heilung erreichbar, und so schloss die<br />
Arbeit mit den Worten: „Die kleine Zahl dieser viele Jahre<br />
in guter Gesundheit lebender Menschen rechtfertigt den<br />
intensiven Einsatz der Chemotherapie. Trotzdem muß<br />
nach 15 Jahren intensiver Anstrengungen bezweifelt werden,<br />
ob das Prinzip dieser Therapie noch die Zukunft hat.“<br />
Chemotherapie bedeutete damals, an leukämiekranken<br />
Kindern, die eigentlich als todgeweiht galten, ein Experiment<br />
mit maximal vielen, nebenwirkungsreichen Zytostatika<br />
durchzuführen. Eine ethisch außerordentlich bedenkliche<br />
Angelegenheit. Prof. Riehm setzte indes seine Bemühungen<br />
fort. Nicht einmal zehn Jahre später, 1977, erschien<br />
seine Arbeit: „Die westberliner Studie zur<br />
Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie des<br />
Kindes – Erfahrungsbericht nach 6 Jahren“(2): Mit einem<br />
weiterentwickelten Protokoll war nun eine Heilungsrate<br />
von um siebzig Prozent erreicht worden. Nicht nur bei der<br />
Leukämie, bei fast allen bösartigen Krankheiten des Kindesalters<br />
wurde in der Zeit zwischen 1960 und 1980 ein<br />
gigantischer Heilungsfortschritt erreicht. Dies zeigt: experimentelle<br />
Therapien mögen bedenklich sein – in manchen<br />
Bereichen der Medizin haben sie in unschätzbarem Maße<br />
segensreiche Fortschritte bewirkt, die anders nicht erreichbar<br />
wären.<br />
Was unterscheidet experimentelle Therapien von Behandlungsweisen,<br />
bei denen der Arzt einfach seiner persönlichen<br />
Erfahrung folgt? Erfahrungsmedizin bedeutet: Der<br />
Arzt überblickt nur eine kleine Patientenzahl. Das Ergebnis<br />
der Studie wird dadurch beeinflusst, ob der Mediziner<br />
an die Therapie glaubt. Und, ob der Patient daran glaubt.<br />
Es gibt Suggestiv- oder Placebo-Effekte, ja, sie sind oft genug<br />
gewünscht. Unbewusste Haltungen oder Gefühlswahrnehmungen<br />
können die Therapieentscheidungen<br />
beeinflussen. Und es kommt leicht zu statistischen Fehlern,<br />
zum Beispiel falschen Ursachenbezüge, Fehlern<br />
durch retrospektive Analyse, Fehlern durch nachträgliche<br />
Hypothesenformulierung: ein klassisches Beispiel ist die<br />
Beobachtung, dass im Elsass, nachdem die Zahl der Stör-<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 19 ■
che absank, parallel auch die Geburtenziffer dramatisch<br />
zurückging. Nur mit einem korrekt durchgeführten medizinischen<br />
Experiment können statistische Fehler ausgeschlossen<br />
werden. Experimentelle Therapien teilt man<br />
heute in verschiedene Kategorien ein, es gibt Heilversuche,<br />
Phase I-Studien, Phase II-Studien usw. Eine experimentelle<br />
Therapie „einfach so“ hin hingegen ist nach der<br />
ärztlichen Ethik nicht zulässig.<br />
Schon im neunzehnten Jahrhundert, beginnend mit dem<br />
Physiologen Claude Bernard, machten sich die Ärzte Gedanken<br />
über ethische Regeln, die für experimentelle Medizin<br />
bindend sein sollten; es gab bereits in der Weimarer<br />
Republik die sogenannten Reichsrichtlinien zur Forschung<br />
am Menschen von 1931. Dann aber, nachdem die Katastrophe<br />
des Nationalsozialismus die Notwendigkeit ethischer<br />
Normen gerade auch für Ärzte überaus deutlich gezeigt<br />
hatte, wurde, im Anschluss an die Nürnberger Ärzteprozesse,<br />
der „Nürnberger Kodex“ formuliert, der die<br />
Grundlage war für das Genfer Ärztegelöbnis von 1948,<br />
aus dem wiederum die Deklaration von Helsinki hervorging.<br />
Diese – mit vielfachen Modifikationen über die Jahrzehnte<br />
hin weiterentwickelt, zuletzt in Seoul 2008, hat bis<br />
heute absolute Gültigkeit für alle Ärzte, die experimentelle<br />
Therapien durchführen und vor der Gemeinschaft der<br />
Kollegen ihrer Zunft vertreten wollen. Ein paar Zitate aus<br />
den über 30 Artikeln der Deklaration seien zitiert. So heißt<br />
es: „Überlegungen, die das Wohlergehen der Versuchsperson<br />
... betreffen, (haben) Vorrang vor den Interessen<br />
der Wissenschaft und der Gesellschaft...“ Es wurden außerdem<br />
Ethikkommissionen bindend für den Prozess der<br />
Initiierung einer Studie vorgeschrieben. Weiter heißt es<br />
„...Die Verantwortung für die Versuchsperson trägt stets<br />
eine medizinisch qualifizierte Person und nie die Versuchsperson<br />
selbst, auch dann nicht, wenn sie ihr Einverständnis<br />
gegeben hat." Schließlich wird auch eine Verpflichtung<br />
formuliert, Forschungsergebnisse offenzulegen – damit<br />
medizinische Experimente nicht im Verborgenen erfolgen<br />
und auch zukünftige Patienten vor Therapieversuchen bewahrt<br />
werden, welche sich einmal als unwirksam herausgestellt<br />
haben.<br />
Vergessen wir nicht: Jeder Eingriff in die körperliche Integrität<br />
eines Menschen – und damit auch jede ärztliche<br />
Maßnahme – gilt nach deutschem Recht als Körperverletzung,<br />
wenn sie nicht durch Einverständnis oder Notlage<br />
gerechtfertigt ist und außerdem, wie es heißt, nicht gegen<br />
die guten Sitten verstößt.<br />
Fassen wir zusammen: Ohne experimentelle Therapien ist<br />
medizinischer Fortschritt überhaupt nicht möglich. Und<br />
für die Therapieversuche an Patienten, für die es keine<br />
konventionelle Heilungsmöglichkeit mehr gibt, gilt: Die allermeisten<br />
Patienten, die einem Heilversuch unterzogen<br />
werden, werden sterben.<br />
Dies führt, so meine ich, zu einer Art von Bewusstseinsspaltung<br />
bei den Ärzten: zwischen dem rein ärztlichen<br />
Standpunkt einerseits, und dem des Wissenschaftlers auf<br />
der anderen Seite.<br />
Der Arzt sagt: Ich betreue einen unheilbar Kranken - und<br />
suche verzweifelt nach einer Therapie. Der Wissenschaftler:<br />
Ich habe eine Studie - und suche nach Patienten, die<br />
die Ein-gangskriterien erfüllen.<br />
Der Arzt: Patienten, die auf konventionelle Weise nicht geheilt<br />
werden können, sind mehr als alle anderen existenziell<br />
abhängig von den Medizinern. Es ist auch ein Kunstfehler,<br />
ruhiges, würdiges Sterben in gequältes, unwürdiges<br />
Sterben umzuwandeln. Und - insgeheim glaube ich<br />
immer noch an ein Wunder.<br />
Der Wissenschaftler: Patienten, die auf konventionelle<br />
Weise nicht geheilt werden können, sind das Betätigungsfeld<br />
par excellance für Mediziner mit neuen Ideen! Die<br />
Kranken sind ohnehin todgeweiht - ich kann ihnen gar<br />
nicht mehr schaden; nur nützen. Es gibt keine Wunder. Allerdings<br />
glaube ich an meine wunderbare Theorie.<br />
Der Arzt: Angesichts der irrsinnigen Verantwortung - Entscheiden<br />
über Weitermachen oder Aufgeben - finde ich<br />
letztlich Halt nur in den klaren Zahlen der Naturwissenschaft.<br />
Insgeheim fühle ich mich immer schuldig - wenn<br />
der Patient stirbt, wenn er leidet, oder wenn er von der<br />
Therapie abspringt. Ständig frage ich mich, ob ich die Therapie<br />
nicht ändern muss, damit es dem Patienten besser<br />
geht.<br />
Der Naturwissenschaftler: Die oft jahrelange Erfolglosigkeit<br />
des Forschens kann ich nur ertragen, wenn ich mir<br />
vorstelle, dass ich doch Menschenleben retten werde. Insgeheim<br />
ärgere ich mich, wenn der Patient die Theorie ungültig<br />
macht. Ständig muss ich die Studie vor kurzsichtigen<br />
Modifikationswünschen retten - die nur dazu führen<br />
würden, dass ich keine vergleichbaren Kollektive habe.<br />
Der Arzt sagt: Ich stehe bedingungslos auf der Seite des<br />
Patienten.<br />
Der Wissenschaftler sagt: Ich stehe bedingungslos auf<br />
dem Boden der Tatsachen.<br />
Was heißt das?<br />
Wenn ein terminal kranker Patient bereit ist, sich für einen<br />
Therapieversuch zur Verfügung zu stellen, dann ist dies<br />
ein wertvolles „Gut“, mit dem man aber äußerst verantwortungsvoll<br />
umzugehen hat.<br />
Wenn man dabei Erkenntnisse gewinnen kann, mit denen<br />
man anderen helfen kann, dann sollte man dies unbedingt<br />
tun!<br />
Die Kranken müssen geschützt werden vor Medizinern,<br />
die ohne persönliche Verantwortung nur experimentieren,<br />
wie vor solchen, die eine unscharfe Erfahrungsmedizin<br />
als korrekte Wissenschaft darstellen wollen.<br />
Gute Naturwissenschaft und ethisch verantwortungsvolle<br />
Medizin bedingen einander letzten Endes.<br />
Wenn der Arzt tatsächlich so eine Zwitterrolle spielt - ist<br />
es richtig, ihn mit dieser Rolle allein zu lassen? Wäre es<br />
nicht besser, ihm die eine oder die andere Rolle abzunehmen?<br />
Von der Justiz wissen wir doch, dass gerade dann<br />
gerechte Urteile herauskommen, wenn Staatsanwalt und<br />
Verteidiger zwei verschiedene Leute sind. Wie wäre es,<br />
wenn einer, der nur den ärztlichen Standpunkt einnimmt,<br />
und ein anderer, der den Standpunkt des Wissenschaftlers<br />
vertritt, die Behandlung der Patienten untereinander aushandeln<br />
würden?<br />
Nun - ich persönlich glaube nicht, dass eine Arbeitsteilung<br />
zu besseren Ergebnissen führen würde. Es geht nicht darum,<br />
dass hier das Interesse des Patienten ist und dort das<br />
der Forschung. Es wäre ein gefährlicher Holzweg, wenn<br />
wir eine Art von Ärzten erfinden wollten, deren Aufgabe<br />
es wäre, auf Seiten der Forschung statt auf seiten der Patienten<br />
zu stehen, solche Ärzte wären an sich gar keine<br />
Ärzte. Die Forschung muss immer auch auf Seiten des Patienten<br />
stehen. Und ebenso unsinnig wäre es, Ärzte zu er-<br />
■ Seite 20 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
finden, die nichts von wissenschaftlicher Korrektheit wissen.<br />
Nein - in Wirklichkeit ist es gerade wichtig, dass der<br />
Konflikt in einer einzigen Person ausgetragen wird. Nur<br />
dann wird das Ideal erfüllt, dass der Arzt ein kompetenter,<br />
engagierter Ratgeber des Patienten ist.<br />
Nun noch zu dem anderen, dem Gegenpol meines Vortrags,<br />
der Palliativmedizin: Hier geht es doch einmal nicht<br />
um Laborwerte, Statistik oder Naturwissenschaft - es geht<br />
darum, wie sich der Patient fühlt! Und da gibt es Dinge,<br />
man nicht messen kann - man kann sie nur durch Einfühlung<br />
erfassen.<br />
Das stimmt.<br />
Nur ein Arzt mit viel Einfühlungsvermögen ist ein guter<br />
Arzt.<br />
Das stimmt auch.<br />
Doch: Wenn man bei Dingen, die man wissenschaftlich<br />
genau messen könnte, stattdessen „Einfühlung“ verwendet<br />
- dann wird man zum Scharlatan!<br />
Die Palliativmedizin hat sich als ein „geschützter Raum“<br />
entwickelt, in dem die Patienten vor einer aggressiven,<br />
schematischen Klinikmedizin bewahrt wurden. Und das<br />
war gut so. Die palliative Haltung der Ärzte, die hier geschult<br />
wird, ist eine immens wertvolle und notwendige<br />
Komponente der Medizin.<br />
Aber die sachliche, wissenschaftlich-korrekte Haltung von<br />
Ärzten ist eine ebenso notwendige Komponente der Medizin.<br />
Das heißt: Palliativtherapie und experimentelle Medizin zu<br />
trennen, mag zwar gedanklich hilfreich sein - für die Patienten<br />
aber gilt: Wer Palliativmedizin macht, sollte auch<br />
gut in Therapiestudien und Statistik sein. Und wer experimentelle<br />
Therapien macht, sollte auch gut in Sterbebegleitung<br />
sein.<br />
Literatur<br />
1. Riehm, H: Deutsches Medizinisches Journal 19,5<br />
(1968)<br />
2. Riehm H., Gadner H., Welte, K.: Klinische Pädiatrie<br />
189 (1977)<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Priv.-Doz. Dr. med. Carl Friedrich Classen<br />
Kinder- und Jugendklinik<br />
Universitätsklinikum Rostock<br />
Rembrandtstr. 16/17<br />
18057 Rostock<br />
Telefon 0381-494 7262<br />
e-Mail carl-friedrich-classen@med.uni-rostock.de<br />
■ Gibt es eine evidenzbasierte<br />
Empathie?<br />
Vortrag auf dem Symposium „Zwischen Evidenz<br />
und Empathie – Dilemma oder Chance<br />
für die Palliativmedizin“ am 20. Juni <strong>2009</strong> in<br />
Bad Berka<br />
Klaus Dörner<br />
Hamburg<br />
Spontan würden wohl alle Gesundheits- und Sozialprofis,<br />
also auch alle Palliativler sagen: „Ist doch völlig klar, selfevident,<br />
dass wir beide Begriffe brauchen; denn sie stehen<br />
für die Highlights unseres Tuns, einmal das empirisch bestmöglich<br />
gesicherte Wissen und zum anderen das tiefstmögliche<br />
Einfühlungsvermögen.“ Entsprechend inflationieren<br />
beide Begriff in den einschlägigen Fachsprachen.<br />
Aber trotz dieser fachlichen Beliebtheit haben es beide Begriffe<br />
merkwürdigerweise bis heute nicht in die deutsche<br />
Umgangssprache geschafft.<br />
Denn nach Durchsicht der mir zugänglichen aktuellen<br />
Wörterbücher, Lexika, etymologischen Wörterbücher und<br />
auch philosophischen Begriffslexika kommt das Wort Empathie<br />
im Deutschen überhaupt nicht vor. Nur im neuesten<br />
Langenscheidt-Englisch-Wörterbuch wird man belehrt,<br />
dass man das englische „empathy“ auch mit „Empathie“<br />
verdeutschen dürfe (nicht umgekehrt), was dafür<br />
spricht, dass die englische empathy erst seit kurzem versucht,<br />
den deutschen Sprachmarkt zu erobern, nachdem<br />
das deutsche Wort um 1900 herum in die USA emigriert<br />
ist.<br />
Noch verrückter ist es mit der deutschen „Evidenz“. Sie<br />
kommt zwar seit langem im Deutschen vor, schon als<br />
Kernbegriff der Phänomenologie, nämlich dass etwas so<br />
aus sich herausleuchtet (videre = sehen), dass es schon<br />
nach dem Augenschein mit letzter Deutlichkeit seine<br />
Wahrheit von sich selbst her einsichtig macht. Aber nirgends<br />
findet man Evidenz in seiner gerade entgegengesetzten<br />
englischen Bedeutung, die wiederum allein die<br />
deutschen Fachsprachen beherrscht, was nebenbei die<br />
Schwäche der philosophischen Einbettung der Wissenschaft<br />
in Deutschland erklärt.<br />
Die englische Bedeutung von „evidence“ hingegen<br />
kommt vor allem aus der Juristen- und Gerichtssprache<br />
und meint den Beweis, dass ein Faktum, empirisch geprüft,<br />
wirklich so ist, wie es ist, wogegen die deutsche Evidenz<br />
gerade nicht eines Beweises bedürftig oder auch nur<br />
fähig ist; und während die deutsche Evidenz entweder ist<br />
oder nicht ist, kann die englische evidence mittels ständig<br />
verbesserter Forschung graduell zunehmen – bis zum jeweiligen<br />
„Goldstandard“.<br />
Aber in dieser englischen Version hat die evidence nicht<br />
die deutsche Umgangs- und Philosophiesprache, wohl<br />
aber die deutsche Wissenschaftssprache erobert und zwar<br />
so siegreich, dass sie über die Leitlinien-Kultur z. B. Ärzte,<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 21 ■
die sich dem nicht fügen wollen, in ihrer Haftpflicht bedroht,<br />
wie das früher einmal für die „Indikation“ galt.<br />
Diese englische Evidence-Bedeutung hat sich in atemberaubendem<br />
Tempo globalisiert; denn erst 1992 hat Daniel<br />
Sackett sie für die Medizin erfunden; seine immer wiederholte<br />
Definition: „Evidenzbasierte Medizin ist der gewissenhafte,<br />
ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der<br />
gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz<br />
für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller<br />
Patienten.“<br />
Abgesehen von einem tautologischen Mangel dieser Definition<br />
(sie würde in Kurzform lauten: „Evidenz ist Evidenz“)<br />
haben viele, zuletzt Daniel Streck (in „Ethik in der<br />
Medizin“ 4, 2008), kritisiert, dass diese Definition ihre implizit<br />
enthaltenen normativen Elemente unterschlägt, einmal,<br />
was die Handlungslegitimation (nach welchen Kriterien<br />
wird vorgängig die Evidenz festgestellt?) und zum anderen,<br />
was die Qualitätsbewertung (wer wertet?) betrifft.<br />
Zwar sei die evidenzbasierte Medizin ein wichtiger Weg<br />
und man habe weiterhin an ihrer Objektivierung zu arbeiten;<br />
aber heute seien wir noch nicht so weit, um die Feststellungen<br />
der evidenzbasierten Medizin, über sicher hilfreiche<br />
Hinweise für die Praxis hinaus, unmittelbar z. B. auf<br />
die Ethik der Entscheidungsfindung übersetzen zu können<br />
– schon gar nicht auf die noch weitgehend unbekannte<br />
Sterbephase.<br />
Zumindest sprachgeschichtlich sind also beide Begriffe,<br />
„evidence“ und „empathy“, ganz junges Fastfood, von<br />
dem noch nicht klar ist, ob und wie weit es sich schon<br />
sprachlich bei uns einbürgern wird. Deshalb ist gerade einer<br />
so jungen Disziplin wie der Palliativmedizin, deren Bedeutungsradius<br />
noch lange nicht klar ist, anzuraten, ihre<br />
spontane Begeisterung zu zügeln und sich der beiden Begriffe<br />
nur mit wohlwollender Selbstkritik zu bedienen,<br />
wie das freilich in Bad Berka üblich ist.<br />
Und damit wechseln wir zur „Empathie“, von der ich vermutlich<br />
noch etwas mehr als von der Evidenz verstehe:<br />
Ist es überhaupt – und wie weit – möglich, sich in einen<br />
Anderen einzufühlen, einzuleiden, hineinzuversetzen, einen<br />
Anderen zu verstehen?<br />
Dazu vorab eine Kurzgeschichte: Vor einiger Zeit erzählte<br />
mir eine Frau ihre Leidensgeschichte; zehn Ärzte habe sie<br />
schon vergeblich aufgesucht und nur der elfte Arzt habe<br />
sie verstanden. Auf meine Frage, ob es etwas gäbe, wodurch<br />
sich diese Ärzte voneinander unterscheiden würden,<br />
antwortete sie nach einigem Nachdenken: „Die zehn<br />
Ärzte haben gesagt, sie würden mich verstehen; nur der<br />
elfte Arzt hat darauf verzichtet, und genau daraus ist zwischen<br />
uns Vertrauen entstanden.“<br />
Aus Erfahrungen dieser Art lassen sich möglichweise zwei<br />
Empathie-Modelle destillieren: Nach dem ersten Modell<br />
verstehe ich einen Anderen graduell immer besser und tiefer<br />
und berücksichtige dabei immer mehr empirisch feststellbare<br />
Einflussfaktoren – auf einer nach oben offenen<br />
Skala bis zum theoretisch möglichen vollständigen Verstehen.<br />
Der jeweils beste erreichbare Verstehensgrad wäre<br />
dann der Goldstandard. Das könnte man das evidenzbasierte<br />
oder graduelle Empathie-Modell nennen, ein Vorgehen,<br />
für das jeder von uns Beispiele finden kann.<br />
Nach dem zweiten Empathie-Modell beginne ich meinen<br />
Verstehensprozess gerade am anderen Ende, nämlich von<br />
der absoluten Andersheit, Fremdheit des Anderen von seinem<br />
absolut unverfügbaren Kern her, von seiner Uneinfühlbarkeit<br />
und Unverstehbarkeit her – und von dieser unüberbrückbaren<br />
Distanz her sind meine verstehenden Annäherungsversuche<br />
von Anfang an geprägt und begrenzt.<br />
Es ist aber genau dieses Spannungsfeld, das eine Beziehung<br />
glaubwürdig macht und so zu Vertrauen führen<br />
kann. Dieses Modell könnte man das Empathie-Modell der<br />
Unverstehbarkeit nennen. Auch das kennt jeder von sich.<br />
Vor meiner Anwendung dieses Modells auf Beziehungen<br />
zu Patienten erinnere ich mich immer wieder gern daran,<br />
dass schon die Beziehung zu einer Frau ihre Lebendigkeit<br />
der gegenseitigen Unverstehbarkeits-Respektierung verdankt.<br />
Beide Modelle sind in der Praxis komplementär, brauchen<br />
einander, wenn auch aus verschiedenen Perspektiven: Das<br />
graduelle Empathie-Modell in der Wissenschaftsperspektive,<br />
das Unverstehbarkeits-Modell in der Perspektive der<br />
Philosophie und des Alltagsverständnisses. Nun scheint es<br />
so, dass wir heute vor lauter Empathie-Evidenz-Begeisterung<br />
eher das so negativ klingende Unverstehbarkeits-<br />
Modell vernachlässigen, weshalb wir hier wohl mehr Philosophie-<br />
als Wissenschafts-Fortbildung brauchen.<br />
Daher im Folgenden ein paar Zugangswege für eine solche<br />
Fortbildung:<br />
1. In meinem Buch „Der gute Arzt“ (Stuttgart 2003) habe<br />
ich der Arzt-Patient-Beziehung (die vollständig stets eine<br />
trialogische Arzt-Patient-Angehörigen-Beziehung ist)<br />
drei Dimensionen zugeordnet: Einmal die Subjekt-Objekt-<br />
Dimension, in der ich als Profi unvermeidlich wegen meines<br />
Besserwissens bestrebt bin, den Anderen mir anzueignen,<br />
ihn zu manipulieren und über den Tisch zu ziehen.<br />
Hinsichtlich der Empathie würde das etwa heißen „Subjekt<br />
versteht Objekt“. Da dies für sich allein sich mörderisch<br />
auswirken könnte, muss ich alles dafür tun, um nun<br />
auch die entgegengesetzte Objekt-Subjekt-Dimension zu<br />
kultivieren, in der ich passiv dem Anderen ausgesetzt,<br />
mich in seinen Dienst stelle. Und nur in dem Maße, wie mir<br />
zwischen diesen beiden Dimensionen ein Gleichgewicht<br />
gelingt, kann die von allen gewünschte Subjekt-Subjekt-<br />
Dimension - zumindest zeitweilig – zum Tragen kommen.<br />
2. In der anthropologischen Perspektive, um die wir hier<br />
nicht herumkommen, hat sich mir das einfache und zum<br />
Glück wiederbelebte Modell von Helmuth Plessner bewährt<br />
(„Die Stufen des Organischen und der Mensch“,<br />
Berlin 1975): Danach – vereinfacht – lebt der Mensch zu<br />
50 % wie das Tier, nämlich „zentrisch“, wo er selbstbestimmt<br />
aus seinem Zentrum heraus versucht, sich den<br />
Rest der Welt nützlich zu machen. Zu den anderen 50 %<br />
lebt der Mensch jedoch entgegengesetzt „ex-zentrisch“,<br />
nämlich von einem ihm äußerlichen Anderen her be-<br />
■ Seite 22 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
stimmt, ob es das Andere der Welt, der andere Mensch<br />
oder das ganz Andere Gottes ist – in der Praxis zumeist eine<br />
Mischung aus alledem.<br />
3. Nach Kant haben nur Sachen einen Wert (Preis), der<br />
Mensch hingegen Würde (die unverstehbare Selbstzweckhaftigkeit).<br />
Das kluge Grundgesetz lehrt uns nun, was<br />
man in der Praxis mit Würde tun kann: man hat sie zuerst<br />
zu achten und erst danach zu schützen. Würde man die<br />
Reihenfolge umdrehen, käme wieder Aneignung heraus.<br />
Das hat selbst das englische Sozialministerium begriffen,<br />
indem es den Bewohnern von Altepflegeheimen einerseits<br />
das Recht auf Schutz und Sicherheit zuerkannt hat; weil<br />
aber ein Leben, das immer nur geschützt wird, kein menschenwürdiges<br />
Leben sei, hat das Ministerium ihnen auch<br />
noch – komplementär – auch noch das „Recht auf Risiko“<br />
zugesprochen.<br />
4. Um die Verstehensbegeisterung der Psychiatriereformbewegung<br />
(ähnlich wie heute in der Palliativbewegung)<br />
zu balancieren, haben wir 1978 in unserem „Irren ist<br />
menschlich“ die Beziehung als eine „Begegnung von Gegnern“<br />
dargestellt, womit wir die Härte der Andersheit des<br />
Anderen zu ihrem Recht verhelfen wollten: die vorgängige<br />
wechselseitige Anerkennung der unterschiedlichen Interessen<br />
beider Beziehungspartner läuft im Kern auf ein<br />
Verstehens-Verbot hinaus. Denn Menschen sind nicht wie<br />
Sachen gezielt, zielgerichtet anzugehen, sondern immer<br />
nur indirekt auf Umwegen (Umgang). Und Verstehen geht<br />
etymologisch auf die Handwerkersprache zurück: „Ich verstehe<br />
mich auf dich.“ Ich als Profi habe also nicht den Anderen<br />
besser zu verstehen, sondern mich selbst auf den<br />
Anderen; es geht also um das naturwissenschaftlich nur<br />
schwer darstellbare philosophische Reflexionsvermögen.<br />
Der Erfinder der Systemtheorie, Gregory Bateson, hat dies<br />
in den zauberhaften Satz gekleidet: „Der Kontext ist immer<br />
wichtiger als der Text“.<br />
Und jetzt versuchen wir, die bisherigen Überlegungen auf<br />
die Lebensphase des Sterbens zu übertragen, zumindest<br />
so lange der Tod nicht auf Knopfdruck vom „Kunden“ bestellt<br />
wird (, wie das ja im gerade verabschiedeten Patientenverfügungsgesetz<br />
möglich ist):<br />
Wir verfügen heute immerhin über ein empirisch evidenzbasiertes<br />
Wissen, nämlich, dass gegenüber früheren Zeiten<br />
heute zunehmend fast alle Menschen in den eigenen<br />
vier Wänden und im Gespräch mit den ihnen Nächsten<br />
sterben wollen. Auf diesen letzten und dann ja wohl auch<br />
vornehmsten Wunsch fast aller Bürger, der in den Patientenverfügungsformularen<br />
kaum berücksichtigt ist, reagieren<br />
verständlicherweise Staat und Gesellschaft nur zögerlich.<br />
Die erste Reaktion auf diese Wunschänderung<br />
stammt dann auch von der bürgerschaftlichen Basis in<br />
Form der Hospizbewegung, während wir Profis erst jetzt<br />
mit der Palliativbewegung nachrüsten.<br />
Aber was wollen Sterbende subjektiv wirklich, wo sie oft<br />
an ihr eigenes Wollen nicht mehr herankommen; da kann<br />
es kaum Evidenz geben, und da scheitert die Empathie<br />
meist schon früh.<br />
Aus vielen Berichten der Hospizler ergibt sich einige Plausibilität<br />
dafür, dass mir als einem Sterbenden die mir früher<br />
wichtige Verfügung über mein Leben weniger wichtig<br />
ist, in einer Phase, in der mir die Verfügung über mein<br />
Leben zwischen den Fingern zerrinnt. Mehr schon interessiert<br />
mich meine „Bedeutung für Andere“, auch über<br />
den Tod hinaus, weshalb ich vielleicht nicht mehr den<br />
plötzlichen Tod wünsche und ich auch einen gewissen<br />
Grad an Schmerzen eher in Kauf nehme, wenn es mir um<br />
die Zeit des bewussten Abschiednehmens geht. Vielleicht<br />
kann ich mich auch eines gewissen Kicherns nicht erwehren<br />
angesichts des Aufwandes, der um mein Sterben herum<br />
gemacht wird, bis mir die Einsicht kommt, dass auch<br />
das ja eher etwas ist, das nicht ich, sondern die Anderen<br />
brauchen, also ebenfalls mit der „Bedeutung für Andere“<br />
zu tun hat.<br />
So schreibt der Philosoph Hans-Georg Gadamer, der mit<br />
seinen fast 100 Jahren lange Zeit hatte, sich im Sterben<br />
subjektiv evident zu sehen (in „Über die Verborgenheit der<br />
Gesundheit“, Frankfurt 1996): „Der Sterbende, der mit<br />
sich selbst schon abgeschlossen hat, durchschaut das Vorwandhafte<br />
aller Dinge um ihn her mit ungetrübter Klarheit<br />
… mit einem fast mitleidigen Blick verfolgt der Sterbende<br />
die falschen Anstrengungen der Lebenden, ihm<br />
sein Sterbenmüssen zu verbergen. So viel mehr ist er<br />
schon mit sich einig.“ – Bloß niemand weiß, ob wir je so<br />
viele, jedes Mal einmalige subjektive Sterbesichten verallgemeinern<br />
und auch nur Sterbe-Typen daraus bilden<br />
könnten; und besonders evidenzbasiert wäre das dann<br />
immer noch nicht.<br />
Sollte man die Sterbephase auch als eine Krise auffassen<br />
können, dann könnten hier vielleicht auch die Regeln für<br />
den Umgang mit Krisen Anwendung finden. Ich stelle ihnen<br />
abschließend zwei solcher Regeln zu Diskussion.<br />
Einmal geht es um den Beginn einer palliativen Arzt-Patient-Angehörigen-Beziehung.<br />
Statt mit dem immer Verbotenen,<br />
weil einen Menschen objektivierenden „Ich verstehe<br />
dich“, habe ich anzufangen, indem ich dem Sterbenden<br />
meine stets widersprüchliche Situation mit Worten<br />
und noch mehr mit meiner auch averbalen<br />
Grundhaltung (in welchem Fortbildungsmodul kommt<br />
das vor?) verständlich zu machen – etwa so:<br />
„Ich sage dir jetzt zwar etwas (gebe dir zum Beispiel eine<br />
Empfehlung), denn weil ich der Experte bin, hast du das<br />
Recht darauf. Aber das wird wahrscheinlich falsch sein,<br />
schon weil es ja zunächst nur von mir kommt. Daher bin<br />
ich von dir darin abhängig, dass du mir glauben kannst,<br />
mich angstfrei korrigieren zu können (wie drücken Sie das<br />
in Ihrer Grundhaltung aus?); denn nur über diesen Umweg,<br />
wo ich mich eben nicht empathisch in den Anderen,<br />
sondern reflexiv in mich selbst hineinversetze, kann aus<br />
unserer Beziehung eine vertrauensgetragene Kooperation<br />
werden, zu der beide Seiten Unterschiedliches, aber gleichermaßen<br />
Wichtiges beitragen. Eine solche kooperative<br />
Annäherung an die jeweilige Wahrheit baut sich also aus<br />
korrigierten Irrtümern auf.<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 23 ■
Die andere Regel beantwortet die Frage, warum jeder<br />
Mensch in einer Krise, hier in einer Sterbekrise, über die<br />
Angehörigen hinaus zwei verschiedene Beziehungspartner<br />
braucht? Er braucht nämlich einmal (palliative) Profihelfer,<br />
die mit Hilfe ihres größeren und evidenzbasierten<br />
Wissens „als Besserwisser“ ihn in seiner Verunsicherung<br />
beruhigen, ihn – als Sterbenden oder Angehörigen, entlasten.<br />
Das leuchtet uns sofort ein. Weniger einleuchtend<br />
für uns Profis ist es jedoch, dass er zum Anderen auch hospizliche<br />
Bürgerhelfer braucht, die gerade umgekehrt mit<br />
Hilfe der „Kunst ihres Nichtwissens“ genauso wichtig sind,<br />
etwas indem sie sagen: „Ich weiß ja auch nicht, wie man<br />
mit deiner Krise umgeht; aber ich bleibe bei dir, sodass wir<br />
gemeinsam versuchen können, dies herauszufinden.“ Da<br />
es zwar für den Umgang mit todbringenden Krankheiten<br />
(palliative Experten) geben kann, nie aber für das Sterben<br />
selbst, weil dessen existenzieller Tiefgang jeden Expertenanspruch<br />
lächerlich macht, bleibt das entlastende Besserwissen<br />
der Profihelfer für die Betroffenen Fremderfahrung,<br />
während gerade das Nichtwissen der Bürgerhelfer<br />
auch Selbsterfahrung ermöglicht.<br />
Insofern tragen Palliativler und Hospizler Unterschiedliches,<br />
aber gleichermaßen Notwendigen komplementär<br />
bei, sodass sie – beide in Selbst-Organisation – auf derselben<br />
Beziehungsebene kooperieren, eine Integrationskultur,<br />
die nach keiner Seite auflösbar ist und wo keine Seite<br />
die andere ersetzen kann. Was zudem die von fast allen<br />
gewünschte Deinstitutionalisierung und die gesellschaftliche<br />
Integration des Sterbens in die eigene Wohnung, die<br />
Familie oder die ambulante Wohnpflegegruppe in der Vertrautheit<br />
des eigenen Viertels oder Dorfs angeht, so sind<br />
sich inzwischen wohl alle einig, wenn auch noch nicht bewusst:<br />
Solange ich von Profis umzingelt bin (stationär<br />
oder ambulant), solange bin ich nicht integriert; denn<br />
niemals wir Profis, sondern nur Bürger können Bürger im<br />
Alltagsvollzug integrieren.<br />
Meine Titelfrage ist also etwa so zu beantworten, dass es<br />
zumindest im graduellen Empathie-Modell durchaus evidenzbasierte<br />
Empathie gibt, die aber nur dann nicht aneignend-objektivierend<br />
wirkt, wenn sie im Unverstehbarkeits-Empathie-Modell,<br />
philosophisch oder reflexiv begründet,<br />
eingebettet ist. Die beiden verwirrenden englischen<br />
Begriffs-Einwanderer bedürfen freilich, wenn wir sie<br />
nicht ersetzen wollen, noch einer langen bedeutungsgemäßen<br />
Eindeutschungs-Anstrengung.<br />
■ Mitgliederversammlung des<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V. fand am<br />
17.06.<strong>2009</strong> statt<br />
Auszüge aus dem Jahresbericht 2008<br />
1. Krebsregister<br />
Prof. Dr. med. Michael Herold,<br />
Stellv. Vorsitzender des <strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong><br />
e.V., berichtete über die Arbeit des vergangenen<br />
Jahres<br />
Die klinische Tumordokumentation ist ein wesentliches<br />
Element der Qualitätssicherung in der Onkologie und eine<br />
der Hauptaufgaben des <strong>Tumorzentrum</strong>s. Es ist daher<br />
sehr erfreulich, dass sowohl die Meldebereitschaft der<br />
Krankenhäuser und der niedergelassenen Ärzte als auch<br />
das Interesse an den Daten des Klinischen Krebsregisters<br />
insgesamt weiter zugenommen haben.<br />
Am 31.12.2008 waren die Krankheitsverläufe von 64.137<br />
Patienten mit insgesamt 71.969 Tumoren im klinischen<br />
Register des <strong>Tumorzentrum</strong>s gespeichert. 6.510 Patienten<br />
(7.977 Tumoren) wurden im Berichtsjahr neu erfasst<br />
(Abb. 1). Hierbei konnten im Jahr 2008 weitere Fortschritte<br />
verzeichnet werden. Den meldenden Ärzten gilt<br />
dafür ebenso unser Dank wie den Mitarbeitern des Registers.<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner<br />
Nissenstr. 3<br />
20251 Hamburg<br />
Telefon 040-46774042<br />
Abb.1 Neu erfasste Patienten/Tumoren im Klinischen Krebsregister<br />
<strong>Erfurt</strong><br />
Das <strong>Erfurt</strong>er <strong>Tumorzentrum</strong> ist bemüht, möglichst alle in<br />
den Einrichtungen des Einzugsgebietes behandelten Patienten<br />
zu erfassen und deren Krankheitsverläufe vollständig<br />
zu dokumentieren. Trotz steigender Anzahl meldender<br />
niedergelassener Ärzte bestehen aber nach wie<br />
■ Seite 24 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
vor Defizite bei der Dokumentation der Tumornachsorge.<br />
Eine entitäts- und stadienbezogene Auswertungen der<br />
rezidivfreien Überlebenszeiten als einem der wichtigsten<br />
Qualitätsindikatoren sind daher nur eingeschränkt möglich.<br />
Wir erneuern deshalb den Aufruf an alle, die Nachsorgeergebnisse<br />
(Datum und aktueller Tumorstatus) dem Register<br />
zu melden. Der Aufwand ist vergleichsweise gering,<br />
eine Arztbrief-Kopie an das TZ reicht aus. Die Mitarbeiter<br />
des TZ beraten gern. Außerdem gibt es Faltblätter und Informationsbroschüren.<br />
Leider konnte auch 2008 für Thüringen noch keine befriedigende<br />
Lösung für einen gebührenfreien Datenabgleich<br />
mit den Einwohnermeldeämtern zwecks Ermittlung des<br />
Life-Status gefunden werden, was die Arbeit des Registers<br />
zusätzlich erschwert und vor allem die Validität der Daten<br />
beeinträchtigt. Angestrebt wird ein kostenloser oder zumindest<br />
kostengünstiger jährlicher elektronischer Datenabgleich<br />
mit dem Landes-Melderegister, wie es in anderen<br />
Bundesländern bereits praktiziert wird.<br />
Auch von den anderen Ärzten der Region werden Serviceleistungen<br />
des klinischen Registers regelmäßig genutzt.<br />
Täglich werden Übersichtsberichte zu Krankheitsverläufen<br />
angefordert und regelmäßig Abteilungs- bzw. Praxisstatistiken<br />
einschließlich Überlebenszeitanalysen erstellt.<br />
Die immer bessere Erfassungsrate im Klinischen Register<br />
wirkt sich auch positiv auf die Melderate für das Gemeinsame<br />
Krebsregister der neuen Bundesländer und Berlins<br />
(GKR) in Berlin aus, da fast alle Meldungen über die<br />
Tumorzentren zum epidemiologischen Register gelangen.<br />
Insgesamt wurde aber bisher die geforderte 90%-Marke<br />
aus Arztmeldungen erfasster Krebserkrankungen nicht erreicht<br />
(Abb. 2).<br />
42,3 % aller im Jahr 2008 erstmals von Thüringen nach<br />
Berlin gemeldeten Fälle kamen vom <strong>Erfurt</strong>er Register,<br />
in den Jahren 2004-2008 waren es insgesamt 38,9 %<br />
(Abb. 3).<br />
Abb. 2 Vollzähligkeit der epidemiologischen Krebsregistrierung in<br />
Thüringen<br />
(DCO – Death Certificate Only, nur über den Leichenschauschein<br />
dokumentierter Tumor)<br />
Das Register ist Kooperationspartner von inzwischen<br />
6 zertifizierten Organtumorzentren (HELIOS Brustzentrum<br />
<strong>Erfurt</strong>/Gotha, Darmkrebszentrum <strong>Erfurt</strong>, Darmkrebszentrum<br />
Südthüringen, Prostatakrebszentrum Südthüringen,<br />
HELIOS Hautkrebszentrum <strong>Erfurt</strong>) und an der Vorbereitung<br />
und Durchführung der aufwendigen Zertifizierungsverfahren<br />
sowie der jährlichen Audits beteiligt. Außerdem<br />
ist das Register in die Dokumentation des Brustzentrums<br />
Mittelthüringen (Sömmerda/UH-Kreis) einbezogen. Die<br />
Nutzung der vorhandenen Infrastruktur für die Tumordokumentation<br />
einschließlich der Möglichkeiten statistischer<br />
Auswertungen ist für bestehende und künftige Organzentren<br />
vor allem wegen der Unterstützung bei der<br />
Beschaffung der unerlässlichen Follow up-Daten vorteilhaft.<br />
Außerdem erfüllen die Einrichtungen auf diesem<br />
Wege die in Thüringen geltende Meldepflicht für Tumorerkrankungen,<br />
da die epidemiologischen Daten vom Klinikregister<br />
an das Gemeinsame Krebsregister in Berlin<br />
weitergeleitet werden.<br />
Abb. 3 Eingangsstatistik des Gemeinsamen Krebsregisters (GKR Berlin):<br />
Prozentualer Anteil der Erstmeldungen aus den Thüringer<br />
Tumorzentren<br />
2. Konsile<br />
Interdisziplinäre onkologische Konsile<br />
Seit November 1993 werden vom <strong>Tumorzentrum</strong> regelmäßig<br />
interdisziplinäre Konsile organisiert. Mit dem seit<br />
Mai 2006 geänderten Modus hat sich die Zahl der beratenen<br />
Fälle auch im Jahr 2008 weiter erhöht. In den 49<br />
durchgeführten Konsilen des Berichtsjahres sind insgesamt<br />
333 Fälle beraten worden (2007: 282 Fälle).<br />
Wissenschaftliche onkologische Konsile (WOK)<br />
Vom Institut für Pathologie wurde am 03.12.2008 mit<br />
großem Aufwand ein WOK durchgeführt. Mit 30 Teilnehmern<br />
war die Resonanz leider nur gering.<br />
3. Leitlinien<br />
Die Erarbeitung von Diagnose-, Therapie und Nachsorgeleitlinien<br />
für einzelne Tumorentitäten war in früheren Jahren<br />
eine Hauptaufgabe des <strong>Tumorzentrum</strong>s und insbesondere<br />
des Wissenschaftlichen Beirates. Nachdem inzwischen<br />
anerkannte Leitlinien von der Deutschen Krebsge-<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 25 ■
sellschaft und den medizinischen Fachgesellschaften für<br />
nahezu alle Entitäten vorliegen, wurde die Erarbeitung eigener<br />
Leitlinien weitgehend eingestellt. Das TZ sieht seine<br />
Aufgabe vorrangig darin, die überregionalen Leitlinien<br />
stärker in der Region zu propagieren. Ausnahme sind die<br />
Leitlinien „Mammakarzinom“, die im Berichtsjahr überarbeitet<br />
und in der 8. Auflage herausgegeben worden ist,<br />
und „Tumornachsorge“, deren geplante Neuauflage auch<br />
2008 aus verschiedenen Gründen nicht realisiert werden<br />
konnte.<br />
4. Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen<br />
Das Profil der vom <strong>Tumorzentrum</strong> veranstalteten Fortund<br />
Weiterbildungen wurde beibehalten. Veranstaltungen<br />
mit einem einzigen Referenten sind die Ausnahme.<br />
Aus organisatorischen und finanziellen Gründen werden<br />
überwiegend komplexe Veranstaltungen von ca. 3 Stunden<br />
Dauer organisiert. Die Onkologische Konferenz als<br />
Hauptveranstaltung des Jahres fand traditionsgemäß wieder<br />
im Haus Hainstein Eisenach statt.<br />
Insgesamt sind 13 Fort- und Weiterbildungen mit insgesamt<br />
1224 registrierten Teilnehmern allein oder gemeinsam<br />
mit anderen Kliniken oder Instituten organisiert worden.<br />
5. Psychoonkologie<br />
Für onkologische Patienten am HELIOS Klinikum besteht<br />
ein psychologisches Betreuungsangebot, das jedoch auf<br />
Grund der Personalkapazität (1,0 Psychologen) nicht befriedigen<br />
kann. Die Betreuung wird als psychoonkologischer<br />
Konsiliardienst im Brustkrebszentrum (0,5 VK) und<br />
im Hautkrebszentrum (0,5 VK) angeboten und rege in Anspruch<br />
genommen. Das Angebot der ambulanten Weiterbetreuung<br />
von Krebspatienten wurde ausgebaut. Im Berichtsjahr<br />
wurden von Herrn Dipl.-Psych. Lohse 124 Tumorpatienten<br />
in 628 Patienten- und/oder Angehörigengesprächen<br />
begleitet. Darüber hinaus sind 18 psychotraumatisierte<br />
Patienten und Angehörige aus nichtonkologischer<br />
Genese in der Intensivmedizin und Unfallchirurgie<br />
betreut worden.<br />
Ein wichtiger Teil der Arbeit ist die psychologische Unterstützung<br />
des Ärzte- und Pflegepersonals bei ihrem belastenden<br />
Umgang mit traumatisierten Patienten. Im Frau-<br />
Mutter-Kind-Zentrum wurde eine Weiterbildung zum Bewältigungsverhalten<br />
bei schweren Erkrankungen und im<br />
Hautkrebszentrum eine Weiterbildung zur sozialen Wahrnehmung<br />
und dem Einsatz von Screeningverfahren<br />
durchgeführt. Darüber hinaus war Herr Lohse mit einem<br />
Seminar zu den Themen Kommunikation, Trauer und Burnout<br />
in die Fortbildung der Ärztekammer Thüringen zur<br />
Erlangung der Zusatzbezeichnung „Palliativmedizin“ eingebunden.<br />
6. Patientenberatung, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Selbsthilfe<br />
Die regelmäßig per Telefon und e-Mail eingehenden Anfragen<br />
von Patienten und Angehörigen werden überwiegend<br />
von den Mitarbeitern der Geschäftsstelle selbst beantwortet.<br />
Schwierige medizinischen Anfragen werden<br />
an entsprechende Fachvertreter weitergegeben, die die<br />
oft zeitaufwendige Beantwortung übernehmen. Dafür an<br />
dieser Stelle unser Dank!<br />
Im Berichtsjahr wurden 5 Veranstaltungen für Patienten<br />
und interessierte Bürger (mit-)veranstaltet, darunter der<br />
Patientenkongress der Deutschen Krebshilfe am 20.09.08<br />
im Audimax der Universität <strong>Erfurt</strong>.<br />
Ständiger Kontakt besteht zum <strong>Erfurt</strong>er Gesundheitsamt<br />
(Geschwulstberatungsstelle, Kontakt- und Informationsstelle<br />
für Selbsthilfegruppen) und zur Frauenselbsthilfe<br />
nach Krebs.<br />
Die 2007 neu gestaltete Internetseite des TZ wurde nochmals<br />
erweitert und den Bedürfnissen informationssuchender<br />
Patienten und Angehöriger angepasst. Die Seite wird<br />
rege besucht.<br />
Auch im 3. Erscheinungsjahr sind wieder 2 <strong>Heft</strong>e des<br />
„Journal <strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong>“ herausgegeben worden.<br />
7. Forschung, Serviceleistungen, Ausbildung<br />
Die Geschäftsstelle gab Unterstützung bei der statistischen<br />
Auswertung und bei der Präsentation der Ergebnisse<br />
von verschiedenen Studien und Untersuchungen, die in<br />
den Kliniken durchgeführt worden. 2 Dissertationen zu<br />
onkologischen Themen wurden betreut.<br />
Ein Seminar „Tumordokumentation und TNM-System“ für<br />
Umschüler zum Medizinischen Dokumentationsassistenten<br />
wurde gehalten und 2 Praktikanten im Klinischen Register<br />
betreut.<br />
8. Zusammenarbeit mit anderen Tumorzentren und Fachgesellschaften<br />
In der Interessengemeinschaft der Thüringischen Tumorzentren<br />
spielt das TZ <strong>Erfurt</strong> eine aktive Rolle. Regelmäßig<br />
finden Treffen der Koordinatoren statt. Prof. Ulshöfer ist<br />
Vertreter der Interessengemeinschaft im Vorstand der<br />
Thüringischen Krebsgesellschaft (ThKG). Prof. Hoyme ist<br />
stellv. Vorsitzender der Thüringischen Krebsgesellschaft.<br />
Als Vertreter der Thüringer TZ nimmt Dr. Göbel an den regelmäßigen<br />
Beratungen des Verwaltungsrates der am Gemeinsamen<br />
Krebsregister beteiligten Bundesländer teil.<br />
Aktiv arbeitet das TZ <strong>Erfurt</strong> auch in der Arbeitsgemeinschaft<br />
Deutscher Tumorzentren (ADT) mit. Dr. Göbel ist<br />
Mitglied einer Arbeitsgruppe zur Mitgliederevaluation<br />
und Leistungserfassung.<br />
Ebenfalls vertreten ist <strong>Tumorzentrum</strong> im Kooperationsverbund<br />
klinischer Krebsregister Deutschlands, der sich eine<br />
bessere Vernetzung lokaler und regionaler Aktivitäten<br />
zum Ziel gesetzt hat sowie gemeinsame Datenauswertungen<br />
durchführt. An der Vorbereitung der auf dem Deutschen<br />
Krebskongress 2008 vorgestellten und viel beachteten<br />
überregionalen Datenauswertungen zu Prostatakarzinom,<br />
Mammakarzinom, kolorektale Karzinomen und<br />
Lungenkrebs war das <strong>Erfurt</strong>er Register mit beteiligt.<br />
9. Vereinsstatistik<br />
Am 31.12.2008 hatte der Verein 306 Mitglieder (10 neu<br />
aufgenommene Mitglieder; 2 Mitglieder schieden aus).<br />
■ Seite 26 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
■ Gemeinsames Veranstaltungsverzeichnis<br />
von Medizinisch-wissenschaftlicher Gesellschaft <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong> GmbH und <strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
wir möchten Ihre gezielten und konzentrierten Fortbildungsaktivitäten<br />
mit einem gemeinsamen Veranstaltungsverzeichnis unterstützen und Ihnen<br />
ein breites Spektrum zertifizierter und hoffentlich für Sie interessanter<br />
Fort- und Weiterbildungen anbieten.<br />
Die nachstehende Kurzfassung kann weder vollständig sein, noch umfassend<br />
informieren. Sie soll als Orientierungshilfe dienen und Sie animieren,<br />
alle weiteren Informationen und die laufenden Aktualisie-rungen<br />
auf der Internetseite www.mwg-erfurt.de nachzulesen und / oder<br />
direkt bei den Organisatoren zu erfragen.<br />
Über eine zahlreiche Teilnahme an den Veranstaltungen, rege Diskussionen<br />
sowie die Vertiefung und Ausweitung persönlicher Kontakte freuen<br />
wir uns besonders.<br />
PD Dr. med. Prof. Dr. med. Prof. Dr. med.<br />
K. Hamm B. Ulshöfer D. Eßer<br />
Vorsitzender Vorsitzender Ärztlicher Direktor<br />
MWG e.V. <strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V. HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
September <strong>2009</strong><br />
02.09.<strong>2009</strong>, 16.00 bis 18.00 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Besprechungsraum der 3. Medizinischen Klinik<br />
Linksventrikuläre Hypertrophie – Hypertrophe nicht-obstruktive<br />
Kardiomyopathie<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, 3. Medizinische Klinik, Kardiologie,<br />
Internistische Intensivmedizin<br />
09.09.<strong>2009</strong>, 14.00 bis 15.30 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Besprechungsraum der Klinik für Geriatrie<br />
Neglectphänomene<br />
Frau Fritze (Ergotherapeutin)<br />
Teilnehmerzahl begrenzt, Anmeldung unter 0361-7812907<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Abteilung Physikalische Medizin und<br />
Rehabilitation<br />
09.09.<strong>2009</strong>, 17.00 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Auditorium<br />
153. Unfallchirurgisch-Orthopädisches Kolloquium<br />
Versorgungsstrategien nach Verletzungen des distalen<br />
Radioulnargelenkes<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Klinik für Orthopädie und Klinik für Unfall-,<br />
Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
18. – 19.09.<strong>2009</strong><br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Besprechungsraum der Klinik für Allgemeinund<br />
Viszeralchirurgie<br />
21. Kurs Audiometrie<br />
Grundlagen der subjektiven und objektiven Audiometrie –<br />
Versorgung mit technischen Hörhilfen<br />
Anmeldung erforderlich<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Klinik für HNO-Heilkunde – Plastische<br />
Operationen<br />
19.09.<strong>2009</strong>, 9.00 bis 14.00 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Auditorium<br />
<strong>Erfurt</strong>er Dermatologische Herbsttagung: Hautkrankheiten als<br />
(Multi-)Systemerkrankungen<br />
Allergologie – Dermatoonkologie – Immunologie<br />
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Hauttumorzentrum<br />
<strong>Erfurt</strong> in Zusammenarbeit mit dem <strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
23.09.<strong>2009</strong>, 17.00 bis 20.00 Uhr<br />
Evangelisches Augustinerkloster <strong>Erfurt</strong>, Augustinerstraße 10<br />
Symposium „Aktuelles zum Pankreaskarzinom“<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V. in Zusammenarbeit mit der 2. Medizinischen<br />
Klinik und der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
23.09.<strong>2009</strong>, 12.00 bis 12.45 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Demo-Raum B100 des Instituts für diagnostische<br />
und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie<br />
Dr. med. René Aschenbach, Dr. med. Cornelia Eger<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Institut für diagnostische und interventionelle<br />
Radiologie und Neuroradiologie<br />
30.09.<strong>2009</strong>, 17.00 bis 20.30 Uhr<br />
Victor’s Residenz-Hotel <strong>Erfurt</strong><br />
Symposium „Therapie von Mamma- und Genitalkarzinomen“<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V. in Zusammenarbeit mit der Klinik für<br />
Frauenheilkunde und Geburtshilfe, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
November <strong>2009</strong><br />
04.11.<strong>2009</strong>, 14.00 bis 15.00 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Abteilung Physikalische Medizin und<br />
Rehabilitation im Hauptgebäude<br />
Kognitives Training bei psychisch Kranken<br />
Frau Bergmann (Ergotherapeutin)<br />
Teilnehmerzahl begrenzt, Anmeldung unter 0361-7816791<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Abteilung Physikalische Medizin und<br />
Rehabilitation<br />
04.11.<strong>2009</strong>, 15.00 bis 18.30 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Auditorium<br />
8. <strong>Erfurt</strong>er Symposium Immunologie und Autoimmunologie<br />
im Kindes- und Jungendalter<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin<br />
11.11.<strong>2009</strong>, 17.00 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Auditorium<br />
154. Unfallchirurgisch-Orthopädisches Kolloquium<br />
Diagnostik und Therapie bakterieller Infekte des<br />
Bewegungsapparates<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Klinik für Orthopädie und Klinik für Unfall-,<br />
Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
13. – 14.11.<strong>2009</strong><br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Besprechungsraum der Klinik für Allgemeinund<br />
Viszeralchirurgie<br />
Ultraschalldiagnostik im Kopf-Hals-Bereich<br />
(A- und B-Bild-Verfahren) – Abschlusskurz<br />
Anmeldung erforderlich<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Klinik für HNO-Heilkunde,<br />
Plastische Operationen<br />
18.11.<strong>2009</strong>, 12.00 bis 12.45 Uhr<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Demo-Raum B100 des Instituts für diagnostische<br />
und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie<br />
Bedeutung der H-MR-Spektroskopie in der Graduierung von<br />
Hirntumoren<br />
Dr. med. Cornelia Eger<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Institut für diagnostische und interventionelle<br />
Radiologie und Neuroradiologie<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 27 ■
20. – 21.11.<strong>2009</strong><br />
Haus Hainstein Eisenach<br />
22. Onkologische Konferenz<br />
Themenschwerpunkte:<br />
– Prognosefaktoren in der Onkologie<br />
– Krebsstammzellen<br />
– Diagnostische und therapeutische Standards bei häufigen Tumoren<br />
(Intrakranielle Tumoren, Hodentumoren)<br />
– Innovative Behandlungskonzepte bei weit fortgeschrittenen<br />
Tumorerkrankungen<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V. in Kooperation mit der Medizinisch-<br />
Wissenschaftlichen Gesellschaft <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
Dezember <strong>2009</strong><br />
02.12.<strong>2009</strong><br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Besprechungsraum der 3. Medizinischen Klinik<br />
Echokardiographische Diagnostik bei der infektiösen Endokarditis<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, 3. Medizinische Klinik, Kardiologie,<br />
Internistische Intensivmedizin<br />
Januar 2010<br />
23.01.2010, 9.00 bis 15.00 Uhr<br />
Hotel Pullman <strong>Erfurt</strong> am Dom<br />
2. <strong>Erfurt</strong>er Symposium für Pädiatrische Neuroonkologie und<br />
Neurochirurgie<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V. in Zusammenarbeit mit der Klinik für<br />
Neurochirurgie und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
KONTAKTADRESSEN:<br />
Medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
Vorsitzender Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Hamm<br />
Nordhäuser Straße 74 · 99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-67 18<br />
Telefax: 03 61 / 7 81-67 19<br />
e-Mail: klaus.hamm@helios-kliniken.de<br />
www.mwg-erfurt.de<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Pressesprecherin Brigitte Kohlberg<br />
Nordhäuser Straße 74 · 99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-10 31<br />
Telefax: 03 61 / 7 81-10 32<br />
e-Mail: brigitte.kohlberg@helios-kliniken.de<br />
www.helios-kliniken/erfurt<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
Geschäftsführer Dr. Hubert Göbel<br />
Nordhäuser Straße 74 · 99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-48 06<br />
Telefax: 03 61 / 7 81-48 03<br />
e-Mail: hubert.goebel@helios-kliniken.de<br />
www.tumorzentrum-erfurt.de<br />
■ ANGEBOTE DES<br />
TUMORZENTRUM ERFURT e.V.<br />
KONSILARDIENSTE<br />
• Interdisziplinäres onkologisches Konsil<br />
Jeden Mittwoch, 7.30 Uhr, Demo-Raum C 1.400 des Instituts<br />
für bildgebende Diagnostik, Hauptgebäude 1. OG,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong>, Nordhäuser Straße 74<br />
Anmeldungen über Telefon 03 61 / 7 81-48 02<br />
Leitung: Prof. Dr. Herold / Prof. Ulshöfer<br />
Jeder Arzt kann seine onkologischen Fälle persönlich einem<br />
Gremium von Experten aller Fachdisziplinen vorstellen.<br />
Am Ende der (kostenfreien) Beratung erhält er eine<br />
konkrete Therapieempfehlung. Zu jeder Fallbesprechung<br />
wird ein Protokoll angefertigt, das dem vorstellenden Arzt<br />
und eventuellen mitbehandelnden Ärzten zugeht.<br />
• Telefonischer Konsilardienst<br />
Unkompliziertes Vermitteln von Kontakten zu den<br />
speziellen onkologischen Ansprechpartnern aller Fachgebiete<br />
f www.tumorzentrum.de<br />
ONKOLOGISCHE LEITLINIEN<br />
Hilfestellung bei der Umsetzung der aktuellen Diagnose-,<br />
Therapie- und Nachsorgeleitlinien der Deutschen<br />
Krebsgesellschaft und der medizinischen Fachgesellschaften.<br />
In Ergänzung und zur praktischen Durchführung werden<br />
diese wo nötig für die speziellen regionalen Bedingun-gen<br />
adaptiert.<br />
KONTAKTE ZU SELBSTHILFEGRUPPEN UND<br />
HOSPIZDIENSTEN IN DER REGION<br />
PSYCHOLOGISCHE BETREUUNG<br />
Betreuungsangebote für stationäre Patienten des HELIOS<br />
Klinikum <strong>Erfurt</strong> sowie für Ärzte und Pflegepersonal.<br />
FORT- UND WEITERBILDUNG<br />
• Ärzte<br />
• Krankenschwestern und -pfleger<br />
• Sozialdienste<br />
DOKUMENTATION<br />
• Klinische Tumordokumentation<br />
In Erfüllung des Qualitätssicherungsauftrages des Sozialgesetzbuches<br />
(SGB V) wird für jeden Patienten der gesamte<br />
Krankheitsverlauf nach anerkannten Regeln (Tumorbasisdokumentation)<br />
dokumentiert. Die Unterlagen stehen<br />
dem Patienten und ihren behandelnden Ärzten zur Verfügung.<br />
Im Einzelfall (bei Umzug, Arztwechsel, Verlust von<br />
Originalunterlagen) sind sie für den Arzt eine unschätzbare<br />
Hilfe.<br />
■ Seite 28 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
• Gemeinsames Krebsregister der neuen<br />
Bundesländer<br />
Epidemiologisch relevante Daten werden entsprechend<br />
geltender Gesetze an das Gemeinsame Krebsregister der<br />
neuen Bundesländer weitergegeben.<br />
Mehr als 95 % der Meldungen des Einzugsgebietes kommen<br />
vom <strong>Tumorzentrum</strong>. Diese Daten werden regelmäßig<br />
mit den amtlichen Sterbedaten abgeglichen und stehen<br />
dem meldenden Einrichtungen zur Verfügung.<br />
SERVICE<br />
• Unterstützung der Nachbetreuung,<br />
Erinnerungsfunktion<br />
Auf persönlichen Wunsch werden Patienten (und ihre betreuenden<br />
Ärzte) an vereinbarte bzw. vergessene Nachsorgetermine<br />
erinnert.<br />
• Statistiken für Krankenhäuser und Praxen<br />
Erstellung von Übersichten, Leistungsstatistiken und<br />
Überlebenszeitanalysen für die von der jeweiligen Einrichtung<br />
betreuten Patienten.<br />
• Informationen<br />
Kostenlose Bereitstellung von Tumor-Nachsorgepässen<br />
und Informationsmaterialien für Patienten, Ärzte, Pflegepersonal<br />
und Sozialdienste<br />
■ HIER ERREICHEN SIE UNS<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong> GmbH<br />
Haus 8, Nordhäuser Straße 74, 99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-48 02<br />
Telefax: 03 61 / 7 81-48 03<br />
E-Mail:<br />
info@tumorzentrum-erfurt.de<br />
Homepage: http://www.tumorzentrum-erfurt.de<br />
Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Hubert Göbel<br />
■ WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT<br />
Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl (Vorsitzender)<br />
Chefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-27 50<br />
Dr. med. Joachim Bechler<br />
Chefarzt, Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe,<br />
HELIOS Kreiskrankenhaus Gotha / Ohrdruf<br />
Telefon: 0 36 21 / 2 20-2 49<br />
Adjunct Professor Dr. med. Rainer Bonnet M.D.<br />
Dpt. of Medicine, Loma Linda Univ., California<br />
Chefarzt, Klinik für Pneumologie, Zentralklinik Bad Berka<br />
Telefon: 03 64 58 / 5 15 00<br />
Michael Domrös<br />
Leiter der Landesvertretung Thüringen, VdAK / AEK,<br />
Lucas-Cranach-Platz 2, 99099 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 4 42 52 11<br />
Dr. med. Alexander Fichte<br />
Urologe, Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 6 43 73 03<br />
Dipl.-Med. Susanne Köhler<br />
Oberärztin, Innere Medizin I, HELIOS Kreiskrankenhaus<br />
Gotha / Ohrdruf<br />
Telefon: 0 36 21 / 2 20-1 30<br />
Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Hamm<br />
Leiter der Abteilung Stereotaktische Neurochirurgie und<br />
Radiochirurgie, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-67 18<br />
Prof. Dr. med. Udo B. Hoyme<br />
Direktor, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-40 00<br />
Prof. Dr. med. Ruthild Linse<br />
em. Chefärztin, Klinik für Hautkrankheiten,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-43 00<br />
Dr. med. André Nemat<br />
Chefarzt, Klinik für Thoraxchirurgie und Thorakale Endoskopie,<br />
Thoraxzentrum, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-25 90<br />
Priv.-Doz. Dr. med. Günter Ortmann<br />
Oberarzt, Klinik für Chirurgie, Hufeland Klinikum, Standort<br />
Bad Langensalza<br />
Telefon: 0 36 03 / 8 55-0<br />
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hans Pistner<br />
Chefarzt, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-22 30<br />
Dr. med. Stefan Reinsch<br />
Oberarzt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-63 01<br />
Prof. Dr. med. Steffen Rosahl<br />
Chefarzt, Klinik für Neurochirurgie, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-22 60<br />
Prof. Dr. med. Axel Sauerbrey<br />
Chefarzt, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-45 00<br />
JOURNAL 01/<strong>2009</strong><br />
■ Seite 29 ■
■ VORSTAND<br />
Prof. Dr. med. Berthold Ulshöfer (Vorsitzender)<br />
Chefarzt, Klinik für Urologie, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-22 00<br />
Prof. Dr. med. Michel Herold (Stellvertr. Vorsitzender)<br />
Chefarzt, 4. Medizinische Klinik, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-25 66<br />
Prof. Dr. med. Dirk Eßer<br />
Chefarzt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,<br />
HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-21 00<br />
Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl<br />
Chefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-27 50<br />
Dr. med. Christina Müller<br />
Chefärztin, Klinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad Berka<br />
Telefon: 03 64 58 / 5 19 00<br />
Priv.-Doz. Dr. med. Ulrike Schalldach<br />
Chefärztin, Klinik für Strahlentherapie und<br />
Radioonkologie, HELIOS Klinikum <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-24 00<br />
Dr. med. Jörg Weniger<br />
Hämatologe und internistischer Onkologe,<br />
Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 5 66 78 19<br />
IMPRESSUM<br />
ISSN 1868-291X (Print-Ausgabe)<br />
ISSN 1868-2928 (Internet)<br />
■ Herausgeber:<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
■ Redaktion:<br />
Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl · Dr. rer. nat. Hubert Göbel<br />
■ Redaktionsbüro und Versand:<br />
<strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> e.V.<br />
Nordhäuser Straße 74 · 99089 <strong>Erfurt</strong><br />
Telefon: 03 61 / 7 81-48 02 · Telefax: 03 61 / 7 81-48 03<br />
E-Mail: info@tumorzentrum-erfurt.de<br />
■ Layout, Satz und Druck:<br />
Handmann Werbung GmbH <strong>Erfurt</strong><br />
■ Hinweis:<br />
Das <strong>Tumorzentrum</strong> <strong>Erfurt</strong> erstellt die Artikel nach bestem<br />
Wissen und Gewissen. Die Verantwortung für den Inhalt der<br />
medizinischen und wissenschaftlichen Beiträge obliegt den<br />
Autoren. Sie stellen keine Handlungsempfehlungen für den<br />
individuellen Fall dar.<br />
Glivec ® 100 mg/400 mg Filmtabletten<br />
Wirkstoff: Imatinib. Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 100 mg/400 mg Imatinib (als Mesilat) sowie<br />
mikrokristalline Cellulose, Crospovidon, Hypromellose, Magnesiumstearat, hochdisperses Silicium di o xid, Eisen(III)-<br />
oxid (E172), Eisenoxidhydrat x H2O (E172). Anwendungs gebiete: Behandlung von Er wach se nen und Kindern mit<br />
neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom (bcr-abl)-positiver (Ph+) chronischer myelo ischer Leukämie (CML),<br />
für die eine Knochenmark-Transplantation als Erstbehandlungsmöglichkeit nicht in Betracht gezogen wird, mit<br />
Ph+ CML in der chronischen Phase nach Versagen einer Interferon-Alpha-The ra pie, in der akzelerier ten Phase<br />
oder in der Blastenkrise. Behandlung von Erwachsenen mit neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom-positiver<br />
akuter lymphatischer Leukämie (Ph+ ALL) in Kombination mit einer Chemotherapie. Behand lung von Erwachsenen<br />
mit rezidivierter oder refraktärer Ph+ ALL als Monothe rapie. Behandlung von Erwachsenen mit myelodysplastischen/mye<br />
loproliferativen Erkrankungen (MDS/MPD) in Verbindung mit Genumlagerungen des PDGF-Rezeptors<br />
(platelet-derived growth factor). Be handlung von Erwachsenen mit fortgeschrittenem hypereosinophilen<br />
Syn drom (HES) und/oder chronischer eosinophiler Leukämie (CEL) mit FIP1L1-PDGFR-Umlagerung. Behandlung<br />
von Erwachsenen mit c-Kit-(CD117)-posi ti ven nicht resezierbaren und/oder metastasierten malignen gastrointestinalen<br />
Stromatumoren (GIST). Behandlung von Erwachsenen mit nicht resezierbarem Dermatofibrosarcoma<br />
protuberans (DFSP) und von Erwachsenen mit rezidivierendem und/oder metastasiertem DFSP, die für eine<br />
chirurgische Behandlung nicht in Frage kommen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff<br />
oder einem der sonstigen Bestandteile. Schwangerschaft und Stillzeit. Vorsicht bei Leberfunktionsstörung und<br />
schwerer Nieren in suffizienz. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie, Kopfschmerzen,<br />
Übel keit, Er brechen, Durchfall, Dyspepsie, Abdominalschmerzen, periorbitale Ödeme, Dermatitis/Ekzem/Hautaus<br />
schlag, Mus kel spasmen und Muskelkrämpfe, Muskel- und Skelettschmerzen einschl. Myalgie, Arthralgie,<br />
Knochenschmerzen, Flüssigkeitsretention und periphere Ödeme, Müdigkeit, Gewichtszunahme. Häufig: Panzytopenie,<br />
fiebrige Neutropenie, Anorexie, Schwindel, Ge schmacks stö run gen, Pa räs thesie, Hypästhesie, Schlaflo sigkeit,<br />
Konjunktivitis, vermehrter Tränenfluss, verschwommenes Sehen, trockene Augen, Augen lidödem, Bindehautblutung,<br />
plötzliche Hautrötung („Flushing“), Hämorrhagie, Epis taxis, Dyspnoe, Husten, geblähter Bauch,<br />
Flatulenz, Verstopfung, Magen- und Speiseröhrenreflux, Mund tro ckenheit, Gas tri tis, erhöhte Leber enzyme, Gesichtsödem,<br />
Pruritus, Erythem, trockene Haut, Licht emp find lich keits re ak tio nen, Alopezie, nächt liches Schwit zen,<br />
Anschwellen der Gelenke, Fieber zustand, Schwäche, Schüttelfrost, generalisierte Ödeme des Un terhautgewebes<br />
(Ana sarka), Kältegefühl, Gewichtsverlust. Gelegent lich: Sepsis, Pneumonie, Herpes simplex, Herpes zoster, Infektionen<br />
der oberen Atemwege, Gastro enteritis, Nasopharyngitis, Sinusitis, Haut infektion, Influenza, Harnwegsinfektionen,<br />
Knochenmarkdepres sion, Thrombozythämie, Lympho zy to penie, Eosinophilie, Lymphadenopathie,<br />
Dehydration, Hyperuri kämie, Hypokaliämie, Hyperkalzämie, Hypergly kämie, Hyponatriä mie, verstärkter oder verminderter<br />
Appetit, Gicht, Hypophosphatämie, Depression, Angstzustände, verminderte Libido, Synkope, periphere<br />
Neuropathie, Schläfrigkeit, Migräne, Gedächtnisschwäche, Ischias beschwerden, „Restless Leg Syndrom“, Tremor,<br />
Hirn blutung, Augenreizung, Augenschmerzen, Augen höh lenödem, Glas kör perhämorrhagie, Retinablutungen, Blepharitis,<br />
Makulaödem, Schwin del, Tinnitus, Hör ver lust, Stauungs herzinsuffizienz, Lungenödem, Palpita tionen,<br />
Tachykardie, Häma tom, Hypertonie, Hypo tonie, peripheres Kältegefühl, Raynaud-Syndrom, Pleura erguss, Rachenund<br />
Kehl kopfschmerzen, Pharyngitis, GI-Blutungen, Meläna, Aszites, Magengeschwür, Sto matitis, Mundulzera,<br />
Öso phagitis, Hämatemesis, Lippen entzündung, Dysphagie, Auf stoßen, Pankreatitis, Gelbsucht, Hepatitis, Hyperbilirubinämie,<br />
pustulöser Haut ausschlag, Hautblutungen, vermehrte Tendenz zu blauen Flecken, Follikulitis,<br />
Petechien, Kontusion, vermehr tes Schwitzen, Urtikaria, Brüchigwerden der Nägel, Purpura, Hypotrichose, Hyperund<br />
Hypopigmentation der Haut, Psoriasis, exfoliative Dermatitis, bullöser Hautausschlag, Gelenk- und Muskelsteifigkeit,<br />
akutes Nieren versagen, Nierenschmerzen, erhöhte Miktions frequenz, Hämaturie, Gynäkomastie,<br />
Brust vergrößerung, Skro tumödem, Me norrhagie, Schmerzen der Brust warzen, Störungen der Sexual funktion,<br />
erektile Dysfunktion, unregelm. Menstruation, Brustschmerzen, allgem. Krankheitsgefühl, erhöhte Werte für<br />
alkalische Phospha tase, Kreati nin, Kreatinphosphokinase und Laktatdehydrogenase im Blut. Selten: Pilzinfektionen,<br />
hämolyti sche Anämie, Hy per kaliämie, Hypomagnesiämie, Verwirrung, Sehnervenentzündung, erhöhter<br />
intrakranieller Druck, Konvulsionen, Papillenödem, Katarakt, Glaukom, Perikard erguss, Arrhythmie, Vorhofflimmern,<br />
Herz stillstand, Myokardinfarkt, Angina pectoris, Rip pen fellschmerzen, pulmonale Hypertonie, Lungenblutung,<br />
Lungenfibrose, Kolitis, Ileus, Darmentzündung, Leberversagen, Lebernekrose, Verfärbung der Nägel, angio neuro<br />
tisches Ödem, Erythema multiforme, leukozytoklastische Vaskulitis, bläs chen förmiges Exanthem, Stevens-<br />
Johnson-Syndrom, Sweet- Syndrom, Muskelschwäche, Arthritis, erhöhte Amylase-Werte im Blut. Nicht bekannt:<br />
Tumorblutungen/Tumornekrosen, anaphylaktischer Schock, Perikarditis, Herztamponade, Hirnödem, Glas kör perhämorrhagie,<br />
akute respiratorische In suf fizienz, interstitielle Lungenerkrankung, Illeus/ Darm obstruktion, gastrointestinale<br />
Perforation, Divertikulitis, lichenoide Keratose, Lichen planus, toxische epidermale Nekro lyse,<br />
avaskuläre Nekrose/Nekrose des Hüftknochens, Thrombose/Embolie. Weitere An gaben siehe Fach information.<br />
Verschreibungspflichtig. Dar reichungs form und Packungsgrößen: 100 mg Filmtabletten: Packungen mit<br />
20 (N1) und 60 (N2) Stück; 400 mg Filmtabletten: Packungen mit 30 (N1) und 90 (N3) Stück. Klinikpackung.<br />
Stand: März <strong>2009</strong> (MS 04/8.11). Novartis Pharma GmbH, 90327 Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0, Fax.: (09 11)<br />
273-12 653. www.novartis.de<br />
Tasigna ® 200 mg Hartkapseln<br />
Wirkstoff: Nilotinib. Zusammensetzung: Eine Hartkapsel enthält 200 mg Nilotinib (als Hydrochlorid 1 H2O).<br />
Sonst. Bestandt.: Lactose-Monohydrat, Crospovidon, Poloxamer 188, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat,<br />
Gelatine, Titandioxid (E171), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172), Schellack, Eisen(III)-oxid (E172),<br />
entölte Phospholipide aus Sojabohnen (E322). An wendungsgebiete: Behandlung von Er wach se nen mit Philadelphia-Chromosom<br />
positiver chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen und akzelerierten<br />
Phase mit Resis tenz oder Unverträglichkeit gegenüber einer Vorbehandlung ein schließlich Imati nib. Gegenanzeigen:<br />
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestand teile. Schwan ger schaft<br />
(strenge Ind.stellung) und Stillzeit. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Throm bo zytopenie, Neutro pe nie, Anämie,<br />
Kopf schmerzen, Übelkeit, Obstipation, Diarrhö, Exanthem, Pruritus, Müdigkeit, Erhö hung Lipase. Häufig: Herzinsuffizienz,<br />
GI- und ZNS-Blutungen, Erbrechen, Bauchschmerzen, Alopezie, Myalgie, Arthralgie, Muskelspasmen,<br />
Knochenschmerzen, Appetitlosigkeit, Asthenie, peripheres Ödem, Erhöhung Amylase/ALAT/ASAT/Bilirubin/alk.<br />
Phos phatase/GGT/Kreatininkinase/Blutzucker, Gewichts ab nah me, Gewichts zu nah me, Palpitationen, Verlängerung<br />
d. QT-Zeit im EKG, febrile Neutropenie, Panzyto pe nie, Benommenheit, Parästhe sien, Schwindel, Dyspnoe,<br />
Belastungsdyspnoe, Husten, Dysphonie, Magen be schwerden, Dyspepsie, Flatulenz, nächtliche Schweißausbrüche,<br />
Ekzem, Urtikaria, Erythem, Hyperhi drose, Hauttrockenheit, mus ku loskelettale Schmerzen (im Brustraum),<br />
Hypomagnesiämie, Hyperkali ämie, Hy per glykämie, Hypertonie, Hitzegefühl/Hautröte, Fieber, Insomnie.<br />
Gelegentlich: Pleura- und Perikarderguss, Komplikationen infolge Flüssigkeitsretention, Verlängerung des QTcF-<br />
Intervalls, Erhöhung LDH, Erniedrigung Blutzucker, Erhöhung Kreatinin/Harnstoff, Herzversagen, Angina pectoris,<br />
Vorhofflimmern, Perikarderguss, koronare Herzkrank heit, Kardiomegalie, Herz geräusche, Bradykardie, Thrombozytämie,<br />
Leukozytose, intra kranielle Blutungen, Migräne, Tremor, Hypoästhesie, Hyperästhesie, Augenblutungen,<br />
verminderte Sehschärfe, periorbitales Ödem, Konjunktivitis, Augenreizung, Sicca-Syndrom, Lungenödem,<br />
Pleuraerguss, interstitielle Lungenkrankheit, Pleuraschmerzen, Pleuritis, Epistaxis, pharyngolaryngeale Schmerzen,<br />
Hals reizung, Pankreatitis, gastrointestinale Blutungen, Meläna, Magenaufblähung, Ulzeration im Mund,<br />
gastro ösophagealer Reflux, Stomatitis, Mund tro ckenheit, Dysurie, verstärkter Harndrang, Nokturie, Pollakisurie,<br />
exfoliatives Exanthem, Ekchymose, Schwel lungen im Gesicht, Muskel schwäche, Hyperthyreose, Hypokaliämie,<br />
Hyponatriämie, Hypokalzämie, Hypophosphatämie, Dehydratation, Appetitverlust, gestei ger ter Appetit,<br />
Pneumonie, Harn wegsinfektion, Gastroenteritis, Pharyngitis, hypertone Krise, Hämatom, Schmerzen im Brustraum,<br />
Gesichtsödem, Stauungsödem, Influenza-ähnliches Krankheitsbild, Schüttelfrost, Unwohlsein, Hepatitis,<br />
Brustschmerzen, Gynäkomastie, Erektionsstörungen, Depression, Angst. Nicht bekannt: Erhöhung Troponin,<br />
Hypo kaliämie, Erhöhung unkonju giertes Bili rubin, Herzinfarkt, ventrikuläre Dysfunktion, Perikar ditis, Herzflattern,<br />
Extrasystolen, Hirn ödem, Bewusstseinsverlust, Optikusneuritis, pe riphere Neuropathie, Papillenödem,<br />
Dop pelt sehen, verschwommenes Sehen, Photophobie, Augenschwellung, Blepharitis, Augen schmerzen, vermindertes<br />
Hörvermögen, Ohrenschmerzen, pulmonale Hypertonie, Perforation Magen-Darm-Ulkus, retroperitoneale<br />
Blutungen, Hämatemesis, Ulcus ventriculi, ulzerierende Ösophagitis, Subileus, Nieren insuffizienz, Hämaturie,<br />
Harninkontinenz, Ery thema nodosum, Hautulkus, Petechien, Photosensitivität, Ar thritis, Gelenkschwellungen,<br />
Hypothyreose, Thyreoiditis, Dia be tes mellitus, Hyperkalzämie, Hyperphospha tämie, Sepsis,<br />
Bron chitis, Herpes simplex, Candidose, hämorrhagischer Schock, Hypotonie, Thrombose, Hepatoto xi zität, Hepatomegalie,<br />
Ikterus, Orientierungsstörungen, Verwirrtheitszustand. Warnhin weis: Ent hält Lactose. Weitere Angaben<br />
siehe Fachinformation. Ver schreibungspflichtig. Darreichungsform und Pack ungs größen: Packung<br />
mit 112 Stück (N3). Stand: März <strong>2009</strong> (MS 11/7.1). Novartis Pharma GmbH, 90327 Nürnberg. Tel.: (09 11)<br />
273-0, Fax.: (09 11) 273-12 653. www.novartis.de<br />
1. O´Brien SG et al., ASH 2008, Abstract 186, oral presentation<br />
2. Kantarjian HM et al., ASH 2007, Abstract 1047, poster presentation<br />
3. Baccarani M et al., Blood 2006, 106:1809-1820<br />
4. Kantarjian HM et al., ASH 2008; Abstract 3238, poster presentation<br />
5. le Coutre P et al., ASH 2008; Abstract 3229, poster presentation<br />
6. Weisberg E et al., Cancer Cell 2005; 7:129-141<br />
■ Seite 30 ■ JOURNAL 01/2005 01/<strong>2009</strong>
Konsequente Therapie der CML<br />
Goldstandard in der Erstlinientherapie<br />
1<br />
2,3<br />
Effektive Zweitlinientherapie<br />
4,5<br />
<br />
Novartis Oncology. Partner in der CML-Therapie
Pink ist vorne!<br />
AZIB-ARI-4107/08<br />
1<br />
ATAC Trialists Group, Lancet Oncol 2008; 9: 45-53 (medianes Follow-up 100<br />
Monate)<br />
ARIMIDEX ® 1 mg Filmtabletten. Wirkstoff: Anastrozol. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung:<br />
1 Filmtablette enthält 1 mg Anastrozol. Sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat;<br />
Povidon; Poly(O-carboxymethylstärke), Natriumsalz; Magnesiumstearat;<br />
Hypromellose; Macrogol 300; Titandioxid. Anwendungsgebiete: Adjuvante<br />
Behandlung postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptorpositivem, nicht fortgeschrittenem,<br />
invasivem Mammakarzinom. Adjuvante Behandlung postmenopausaler<br />
Frauen mit hormonrezeptorpositivem, nicht fortgeschrittenem Mammakarzinom,<br />
die bereits 2 bis 3 Jahre eine adjuvante Behandlung mit Tamoxifen erhalten haben.<br />
Fortgeschrittenes Mammakarzinom bei postmenopausalen Frauen. Bei Patientinnen<br />
mit östrogenrezeptornegativen Tumoren ist die Wirksamkeit von Arimidex ® bisher<br />
nicht belegt, es sei denn, die Patientinnen sprachen zuvor auf Tamoxifen an.<br />
Gegenanzeigen: Überempfi ndlichkeit gegen Anastrozol bzw. einen der angegebenen<br />
Hilfsstoffe; prämenopausale Frauen; Schwangerschaft und Stillzeit; Patientinnen<br />
mit schweren Nierenfunktionsstörungen (Kreatinin-Clearance < 20 ml/min), Patientinnen<br />
mit mäßigen oder schweren Leberfunktionsstörungen. Östrogenhaltige Arzneimittel<br />
nicht zusammen mit Arimidex ® verabreichen, da diese dessen pharmakologische<br />
Wirkung aufheben. Nicht zusammen mit Tamoxifen einsetzen. Nebenwirkungen:<br />
Arimidex ® ist im Allgemeinen gut verträglich. Die bei klinischen Prüfungen<br />
beobachteten Nebenwirkungen waren überwiegend leicht bis mäßig ausgeprägt<br />
und führten nur in wenigen Fällen zum Therapieabbruch. Auftreten können: Sehr<br />
häufi g: Hitzewallungen. Häufi g: schnelle Ermüdbarkeit, Gelenkschmerzen/-steifheit,<br />
trockene Scheide, Haarausfall, Hautausschlag, Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit,<br />
Durchfall), Kopfschmerzen, Karpaltunnelsyndrom, Erhöhung der Leberenzyme<br />
alkalische Phosphatase, ALT (Alaninaminotransferase) und AST (Aspartataminotransferase).<br />
Gelegentlich: Appetitlosigkeit, Erbrechen, Vaginal blutungen (vor allem<br />
in den ersten Wochen nach der Umstellung von einer anderen Hormontherapie),<br />
Schläfrigkeit, erhöhte Cholesterinwerte, erhöhte Werte von Gamma-GT und Bilirubin,<br />
Hepatitis. Sehr selten: Haut- und Schleimhautveränderungen mit Blasenbildung<br />
(Erythema multiforme, Stevens-Johnson-Syndrom), allergische Reaktionen, darunter<br />
Angioödem, Urticaria und Anaphylaxie. Da Arimidex ® die endogenen Östrogenspiegel<br />
senkt, kann Arimidex ® eine Reduktion der Knochendichte hervorrufen und<br />
für einige Patientinnen das Risiko für Knochenbrüche erhöhen. Es ist unwahrscheinlich,<br />
dass Arimidex ® die Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen oder Maschinen zu bedienen,<br />
beeinträchtigt. Treten jedoch die Symptome Schwächegefühl und Somnolenz<br />
auf, ist beim Führen von Fahrzeugen oder zum Bedienen von Maschinen Vorsicht<br />
geboten. Dosierung: 1 Filmtablette täglich. Anwendungsdauer: Bei der adjuvanten<br />
Behandlung des nicht fortgeschrittenen Mammakarzinoms wird eine Behandlungsdauer<br />
von 5 Jahren empfohlen. Handelsformen: OP mit 30 Filmtabletten (N1);<br />
OP mit 100 Filmtabletten (N3); Klinikpackung.<br />
Hersteller: AstraZeneca GmbH, 22876 Wedel,<br />
www.astrazeneca.de. Stand der Information:<br />
Juli 2008. Weitere Informationen enthält die<br />
Fach- bzw. Gebrauchsinformation bzw. sind auf<br />
Anforderung erhältlich.<br />
Signifi kant weniger Rückfälle und<br />
Fernmetastasen vs. Tamoxifen 1<br />
Längstes Follow-up aller adjuvanten<br />
Aromatasehemmer-Studien 1<br />
Einziger Aromatasehemmer mit<br />
bereits belegtem Carry-over Effekt<br />
für die Upfront-Therapie 1