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Klaus Kissel: Führen mit sinnvollen Zielvereinbarungen in

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personal- und Organisationsentwicklung<br />

Neue Wege zu e<strong>in</strong>er<br />

s<strong>in</strong>nvolleren Zielvere<strong>in</strong>barung<br />

FÜHRUNG. In vielen Unternehmen werden Ziele top-down an die Mitarbeiter herangetragen.<br />

Bonuszahlungen sollen Mitarbeiter motivieren, diese Ziele zu erreichen. Dieser<br />

Fachartikel beschreibt die nicht beabsichtigten Folgen e<strong>in</strong>es solchen Vorgehens und<br />

schlägt e<strong>in</strong>e neue Art der Zielvere<strong>in</strong>barung vor. Die Idee ist, <strong>in</strong>dividuell erreichbare<br />

Prozessziele bottom-up zu gestalten und diese Ziele von Bonuszahlungen zu trennen.<br />

Klassische Überzeugungen der Führungslehre<br />

stehen seit e<strong>in</strong>iger Zeit zur Diskussion.<br />

E<strong>in</strong>e soll hier kritisch beleuchtet<br />

werden. Es ist die Annahme, dass <strong>mit</strong><br />

<strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> (die von der Unternehmensleitung<br />

über die jeweiligen Führungskräfte<br />

an die Mitarbeiter kommuniziert<br />

werden) die Arbeitsprozesse klar<br />

und nachprüfbar gesteuert werden können<br />

und messbare Verbesserungen e<strong>in</strong>treten.<br />

Bis heute genießt der <strong>in</strong> den 1950er<br />

Jahren entwickelte Managementansatz<br />

„MbO" (Management by Objectives) Ansehen<br />

und Aufmerksamkeit - und das<br />

branchenübergreifend. Die Grundidee,<br />

durch <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> zu führen, hat<br />

sich vielerorts etabliert. In jährlichen Mitarbeitergesprächen<br />

werden Ziele vere<strong>in</strong>bart<br />

und deren Erfüllung <strong>in</strong> regelmäßigen<br />

Abständen überprüft. Mit unterschiedlichsten<br />

Methoden soll die Zielerfüllung<br />

bestimmt und gemessen werden. Getragen<br />

wird diese Vorgehensweise von der<br />

Überzeugung, dass sich nur dasjenige<br />

durch Führung lenken lässt, was nachweislich<br />

bestimmbar und da<strong>mit</strong> messbar<br />

ist. Nicht beabsichtigt war die Folge,<br />

34 wirtschaft+weiterbildung 07/08_2013


dass dieses Postulat der Messbarkeit von<br />

Mitarbeitern, aber auch von Führungskräften,<br />

als Diktat empfunden wird. Das<br />

Bemühen, Mitarbeiter und ihre Leistungen<br />

zu bemessen, zu vergleichen und zu<br />

kontrollieren, hat sich häufig als Nährboden<br />

für e<strong>in</strong>e „Kultur des Misstrauens"<br />

erwiesen. In e<strong>in</strong>er solchen Unternehmenskultur<br />

s<strong>in</strong>d Führungsbemühungen,<br />

die beispielsweise auf die Förderung von<br />

Teamarbeit, Eigenständigkeit und Kreativität<br />

setzen, zum Scheitern verurteilt.<br />

Die Frage, die sich stellt, lautet also: Wie<br />

können im Unternehmen s<strong>in</strong>nvolle Ziele<br />

entwickelt und verfolgt werden, ohne<br />

dass sie die Zusammenarbeit und das<br />

Vertrauen gefährden?<br />

E<strong>in</strong> anderes Anliegen des MbO-Ansatzes<br />

war es, durch <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> die Eigenverantwortung<br />

von Mitarbeitern zu<br />

stärken. Aber auch die Umsetzung dieser<br />

Idee hat <strong>in</strong> der Unternehmenspraxis<br />

nicht beabsichtigte Folgen. In Jahresgesprächen<br />

werden Ziele vere<strong>in</strong>bart und<br />

die Aussicht auf Bonuszahlungen soll<br />

die Mitarbeiter motivieren, diese Ziele<br />

eigenverantwortlich und engagiert zu erreichen.<br />

In me<strong>in</strong>em Beruf als Berater unterschiedlicher<br />

Unternehmen werde ich<br />

<strong>mit</strong> den Problemen, die aus der Kopplung<br />

von Zielvere<strong>in</strong>barung und Bonuszahlung<br />

resultieren, konfrontiert. E<strong>in</strong> Problem,<br />

das mir Führungskräfte schildern, ist,<br />

dass sich der Fokus der Mitarbeiter durch<br />

diese Kopplung verschoben hat.<br />

Bonuserreichung statt<br />

Zielerreichung?<br />

Die Führungskräfte beobachten, dass im<br />

Fokus ihrer Mitarbeiter nicht die Zielerreichung,<br />

sondern die Bonuserreichung<br />

steht. Und das ist ke<strong>in</strong>esfalls das Gleiche.<br />

Liegt der Fokus zum Beispiel auf dem<br />

Bonus, wird alles unternommen, um den<br />

Bonus zu erreichen - die eigentliche Zielvorgabe<br />

ist dabei nur Mittel zum Zweck.<br />

Ist das Ziel an sich aber im Fokus der<br />

Mitarbeiter und f<strong>in</strong>det im Idealfall auch<br />

noch e<strong>in</strong>e Identifizierung <strong>mit</strong> diesem Ziel<br />

statt, dann wird der beste und wenn nötig<br />

auch e<strong>in</strong> neuer, kreativer Weg zur Zielerreichung<br />

gewählt.<br />

E<strong>in</strong> anderes Problem möchte ich an<br />

e<strong>in</strong>em ganz konkreten Beispiel darlegen.<br />

E<strong>in</strong> junges <strong>mit</strong>telständisches Unternehmen<br />

hatte zur Förderung besonders<br />

guter Mitarbeiter vor e<strong>in</strong>iger Zeit e<strong>in</strong> klassisches<br />

Bonussystem gewählt. Ziel war es<br />

auch, da<strong>mit</strong> Anreize für schwächere Mitarbeiter<br />

zu schaffen. In e<strong>in</strong>em Workshop<br />

beklagten die Führungskräfte: „De facto<br />

s<strong>in</strong>d beide gewünschten Effekte nicht<br />

e<strong>in</strong>getroffen. Die Top-Leister haben sich<br />

an das 14. Gehalt gewöhnt, die Niedrig-<br />

Leister empf<strong>in</strong>den es als Bestrafung. Der<br />

Unfrieden und der Verwaltungsaufwand,<br />

die uns durch die Bonuszahlungen entstanden<br />

s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d zu hoch, um am Bonussystem<br />

weiter festzuhalten."<br />

Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich das<br />

Unternehmen entschieden, den Bonus<br />

abzuschaffen. Ziel e<strong>in</strong>es neuen Systems<br />

ist es, wieder die Gesamtverantwortung<br />

des Mitarbeiters <strong>in</strong> den Mittelpunkt zu<br />

Zielsysteme: Drei Fragen an <strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong><br />

Interview. Die Kritik am Management by Objectives ist nicht neu, aber <strong>in</strong> Zeiten der<br />

Komplexitätsbewältigung wird es immer dr<strong>in</strong>glicher, über neue Formen der Mitarbeitermotivation<br />

und der Gew<strong>in</strong>nbeteiligung nachzudenken. Mehr denn je s<strong>in</strong>d die Unternehmen<br />

auf <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivation angewiesen.<br />

Welchen neuen Trend erkennen Sie zum Thema Zielvere<strong>in</strong>barung<br />

<strong>in</strong> der Wirtschaft?<br />

<strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong>: Ich erlebe ke<strong>in</strong>en neuen Trend. Ich sehe<br />

eben, dass bestimmte Theorien e<strong>in</strong>e starke Def<strong>in</strong>itionsmacht<br />

darüber haben, was die „richtigen" Methoden im<br />

Management s<strong>in</strong>d. Aber jede Bewegung hat auch immer<br />

Gegenbewegungen. Und auch die s<strong>in</strong>d nicht neu - zum<br />

Beispiel die Gedanken von Re<strong>in</strong>hard Sprenger, der schon<br />

Anfang der 90er Jahre vom „Mythos Motivation" gesprochen<br />

hat und Bonuszahlungen und äußere Anreizsysteme<br />

systematisch <strong>in</strong> Frage gestellt hat.<br />

Welche Hürden gilt es zu überw<strong>in</strong>den, wenn Alternativen<br />

zum MbO e<strong>in</strong>geführt werden?<br />

<strong>Kissel</strong>: Neben vielen praktischen Umsetzungsschritten<br />

s<strong>in</strong>d es vielleicht eher die Hürden <strong>in</strong> unserem eigenen Denken,<br />

die wir überw<strong>in</strong>den müssen. Ob das jetzt die Abkehr<br />

von der Idee ist, dass nur das für Führungskräfte relevant<br />

sei, was auch messbar ist, bleibt offen.<br />

Was sagen Ihre Kunden zu dieser E<strong>in</strong>stellung?<br />

<strong>Kissel</strong>: Das Thema ist zum Teil hochpolitisch. Es gibt<br />

durchaus Kunden, die sagen: Grundsätzlich haben wir<br />

ähnliche Erfahrungen gemacht, wir kommen aber aus der<br />

Problematik nicht mehr raus, da sich unsere Mitarbeiter<br />

an das Bonussystem gewöhnt haben. Ich glaube, es ist<br />

wichtig, <strong>in</strong> den obersten Führungskreisen geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong><br />

dem Betriebsrat e<strong>in</strong> Gedankenexperiment zu beg<strong>in</strong>nen,<br />

wie sie zu <strong>s<strong>in</strong>nvollen</strong> <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> kommen können<br />

und wie e<strong>in</strong> Veränderungsprozess hier gestaltet werden<br />

muss. E<strong>in</strong>fach ist das häufig nicht. Aber wenn man e<strong>in</strong>mal<br />

die Euros zusammenrechnet, die der Prozess an sich oft<br />

schon verschl<strong>in</strong>gt, kann sich die Investition <strong>in</strong> e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>ngebendes<br />

Zielführungssystem lohnen.<br />

07/08_2013 wirtschaft+weiterbildung 35


personal- und Organisationsentwicklung<br />

stellen. E<strong>in</strong>e Bonifikation erfolgt für alle<br />

Mitarbeiter am Unternehmensgew<strong>in</strong>n.<br />

Zudem wird e<strong>in</strong> Teil des e<strong>in</strong>gesparten Bonusgeldes<br />

<strong>in</strong> besondere Personalentwicklungsmaßnahmen<br />

<strong>in</strong>vestiert,<br />

die Top-<br />

Leister gegebenenfalls erhalten. Diese<br />

Maßnahme ist auch e<strong>in</strong>e Belohnung,<br />

wirkt aber dem Gewöhnungsfaktor entgegen.<br />

Denn Weiterbildungen werden nach<br />

Bedarf und nicht bedarfsunabhängig<br />

e<strong>in</strong>mal im Jahr gewährleistet. Außerdem<br />

liegt der Nutzen dieses Angebotes sowohl<br />

beim Mitarbeiter als auch beim Unternehmen.<br />

Gerade für junge, gut ausgebildete<br />

Mitarbeiter der „Generation Y" ist Bildung<br />

und persönliche Weiterentwicklung<br />

e<strong>in</strong> hoher Wert, der sich durchaus motivationssteigernd<br />

auswirkt.<br />

Identifikation br<strong>in</strong>gen<br />

realistische Bottom-up-Ziele<br />

Identifikation <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Ziel erlangt man<br />

selten durch äußere Anreize wie Boni.<br />

Identifikation leitet sich von dem late<strong>in</strong>ischen<br />

Wort „identitas" ab und kann<br />

<strong>mit</strong> „Wesense<strong>in</strong>heit" übersetzt werden.<br />

Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, e<strong>in</strong>e solche „E<strong>in</strong>heit"<br />

<strong>mit</strong> re<strong>in</strong> äußeren Faktoren, wie die<br />

Zielvorgabe der Führungskraft e<strong>in</strong>erseits<br />

und die der Bonuszahlung andererseits<br />

herstellen zu können, ist ger<strong>in</strong>g. Erfolgversprechender<br />

ist es, wenn Ziele nicht<br />

AUTOR<br />

<strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong>,<br />

Geschäftsführer<br />

des Ifsm Instituts<br />

für Salesmanagement,<br />

e<strong>in</strong>em Qualifizierungs- und Entwicklungsberatungsunternehmen<br />

im<br />

Bereich Vertriebsentwicklung, ist<br />

Autor der Bücher „Das Pr<strong>in</strong>zip der<br />

m<strong>in</strong>imalen Führung: Effektives Führen<br />

darfauch leicht se<strong>in</strong>" (geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong><br />

Wolfgang Tsch<strong>in</strong>kel) und „Sales Coach<strong>in</strong>g:<br />

Wirksam führen im Vertrieb"<br />

(geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> Uwe Reusche), beide<br />

im W<strong>in</strong>dmühle-Verlag erschienen.<br />

Klostergut Besselich<br />

56182 Urbar, Tel. 02619623112<br />

www.kissel-consult<strong>in</strong>g.de<br />

top-down (über die Geschäftsleitung, zur<br />

Führungskraft bis h<strong>in</strong> zum Mitarbeiter)<br />

vorgegeben, sondern wenn sie bottomup<br />

entwickelt werden. Es ist unerlässlich,<br />

dass Zielideen vom Mitarbeiter entwickelt<br />

und nicht von der Führungskraft diktiert<br />

werden. Würde sich e<strong>in</strong> Mitarbeiter e<strong>in</strong><br />

persönliches Ziel setzen, wie „Ich steigere<br />

me<strong>in</strong>en persönlichen Umsatz bei Produkt<br />

X um 10 Prozent."? Wohl kaum. Die meisten<br />

Mitarbeiter würden für realistische<br />

Ziele e<strong>in</strong>treten, die sie selbst im Fokus<br />

haben.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel soll dies verdeutlichen. Es ist<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich, dass e<strong>in</strong> Kurzstreckenläufer<br />

vor e<strong>in</strong>er Olympiade mehr Selbstmotivation<br />

für e<strong>in</strong> Ziel entwickelt, wenn<br />

er sich das Ziel setzt: „Ich möchte um 0,1<br />

Sekunden schneller spr<strong>in</strong>ten." Dies liegt<br />

im absoluten Ermessensspielraum e<strong>in</strong>es<br />

Läufers, wenn er es für erreichbar hält. Er<br />

kann dann von dem erhofften Edelmetall<br />

träumen. Der konkrete Medaillen-Traum<br />

ist jedoch eher e<strong>in</strong> Ergebniswunsch oder<br />

nennen wir es e<strong>in</strong>e Vision. E<strong>in</strong> konkretes<br />

Ziel h<strong>in</strong>gegen sollte von der „SMART-Formel"<br />

her gesehen und <strong>in</strong> jedem Fall aktiv<br />

erreichbar se<strong>in</strong>.<br />

An se<strong>in</strong>er Spr<strong>in</strong>tgeschw<strong>in</strong>digkeit kann er<br />

arbeiten, die Entwicklung se<strong>in</strong>er Mitbewerber<br />

kann er jedoch nicht endgültig<br />

e<strong>in</strong>schätzen oder bee<strong>in</strong>flussen. Den e<strong>in</strong>deutigen<br />

Podest-Platz kann der Sportler<br />

vor der Olympiade nicht sicher voraussagen,<br />

sodass dies ergo für ihn auch nicht<br />

als aktiv erreichbares Ziel gelten kann.<br />

Genauso verhält es sich <strong>mit</strong> den meisten<br />

Produkt- und Absatzzielen. Sporttra<strong>in</strong>er<br />

arbeiten daher schon seit Langem <strong>mit</strong><br />

konkreten <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> <strong>mit</strong> den<br />

Sportlern, die kurzfristig die Verbesserung<br />

des Sportprozesses <strong>in</strong> den Vordergrund<br />

stellen. Freiburgs Fußballtra<strong>in</strong>er Christian<br />

Streich drückt es so aus: „Es macht ke<strong>in</strong>en<br />

S<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>en Spielern zu sagen, jetzt<br />

geht raus und gew<strong>in</strong>nt das Spiel. Deshalb<br />

werden sie nicht besser spielen." Anders<br />

gesagt: „Tore kann man schießen, aber<br />

nicht vere<strong>in</strong>baren!"<br />

Trennung von Prozesszielen<br />

und Ergebniserwartungen<br />

Auch im Unternehmen gilt es, überschaubare<br />

und <strong>in</strong>dividuell erreichbare Prozessziele<br />

zu vere<strong>in</strong>baren. Und das geht nicht<br />

Die Nachteile des<br />

MbO-Ansatzes<br />

Zusammenfassung. Die<br />

nicht<strong>in</strong>tendierten<br />

Folgen des MbO-<br />

Ansatzes (also der Führung<br />

durch <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong>) lassen<br />

sich im wesentlichen <strong>in</strong> folgenden<br />

drei Thesen zusammenfassen:<br />

1. Das Postulat der Messbarkeit<br />

fördert e<strong>in</strong>e Kultur des Misstrauens.<br />

2. <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong>, die topdown<br />

getroffen werden, hemmen<br />

die Eigenverantwortung.<br />

3. Das klassische Bonus-System<br />

lenkt die Aufmerksamkeit weg vom<br />

Geschäftsprozess.<br />

<strong>in</strong> Jahresgesprächen. Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,<br />

dass Mitarbeiter - und Führungskräfte<br />

- weitgesteckte Unternehmensziele<br />

im Berufsalltag aus den Augen verlieren,<br />

ist groß. Nicht zuletzt deshalb, weil diese<br />

Ziele selten flexibel an relevante marktpolitische<br />

oder auch <strong>in</strong>nerbetriebliche Veränderungen<br />

angepasst werden können.<br />

Die heutigen Anforderungen an Flexibilität<br />

machen es notwendig, Quartalsziele<br />

und Quartalsgespräche e<strong>in</strong>zuführen, <strong>in</strong><br />

denen der Mitarbeiter se<strong>in</strong>e zeitlich überschaubaren<br />

Prozessziele entwickelt.<br />

Vertriebsführungskräfte e<strong>in</strong>er Bank haben<br />

es sich zum Beispiel zum Ziel gesetzt,<br />

den Vertriebsprozess und die da<strong>mit</strong> verbundenen<br />

Ziele der Mitarbeiter <strong>in</strong> den<br />

Mittelpunkt der Dialoge zu stellen und<br />

nicht das zu erreichende Ergebnis. Die<br />

Führungskräfte haben sich als Coachs<br />

ausbilden lassen und begleiten ihre Mitarbeiter<br />

<strong>in</strong>dividuell, <strong>in</strong>dem sie ihnen „Onthe-job"-Feedback<br />

geben und Entwicklungswege<br />

aufzeigen und tra<strong>in</strong>ieren. Im<br />

Vordergrund stehen dabei die Gesprächsprozesse.<br />

Auch die Anzahl von Gespräche<br />

kann durchaus vere<strong>in</strong>bart werden. Der<br />

Erfolg und das Ergebnis stellen sich dann<br />

von ganz alle<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>. In diesem Beispiel<br />

wird deutlich, dass Unternehmen e<strong>in</strong>e<br />

klare Trennung von Prozesszielen e<strong>in</strong>er-<br />

36 wirtschaft+weiterbildung 07/08_2013


seits und den Ergebniserwartungen des<br />

Unternehmens andererseits vornehmen<br />

müssen. Natürlich hat die Unternehmensleitung<br />

e<strong>in</strong>e Ergebniserwartung für das<br />

kommende Jahr, die auch kommuniziert<br />

werden muss und an die eventuellen Bonifikationen<br />

fest gekoppelt wird. Bei den<br />

Prozesszielen aber handelt es sich um<br />

kurzfristige Milestones, die der Mitarbeiter<br />

entwickelt, um bestmöglich die Ergebniserwartungen<br />

zu unterstützen. Da<strong>mit</strong><br />

ke<strong>in</strong> unnötiger adm<strong>in</strong>istrativer Aufwand<br />

entsteht, müssen diese Ziele auch nicht<br />

an die Personalabteilung weitergegeben<br />

werden.<br />

E<strong>in</strong> Praxisbeispiel: E<strong>in</strong> Unternehmen hat<br />

e<strong>in</strong>e Ergebniserwartung bei Produkt A<br />

von e<strong>in</strong>er Million Euro, daran wird e<strong>in</strong><br />

Bonus pro Vertriebs<strong>mit</strong>arbeiter von X<br />

Euro gekoppelt. Die Mitarbeiter erhalten<br />

<strong>in</strong> regelmäßigen Reviews e<strong>in</strong>e Rückkopplung,<br />

<strong>in</strong>wieweit <strong>in</strong> diesem Produktbereich<br />

bereits das Ergebnis erreicht wurde. Die<br />

Mitarbeiter vor Ort entwickeln nun s<strong>in</strong>nvolle<br />

Prozessziele wie zum Beispiel: „Ich<br />

möchte im kommenden Quartal fünf F<strong>in</strong>anzkonzeptgespräche<br />

führen, <strong>in</strong>dem<br />

ich auch e<strong>in</strong>e Analyse durchführe, die für<br />

das Produkt A Möglichkeiten bietet!" Mit<br />

diesem Ziel stehen der Kunde und e<strong>in</strong>e<br />

ganzheitliche Beratung im Vordergrund<br />

und dennoch werden Chancen gesucht,<br />

das Produkt zu platzieren. Der Mitarbeiter<br />

ist es also, der die für ihn <strong>s<strong>in</strong>nvollen</strong><br />

Möglichkeiten und Maßnahmen entwickelt,<br />

die die Rahmenerwartungen maximal<br />

unterstützen.<br />

E<strong>in</strong>e Kultur des Zutrauens<br />

etablieren<br />

Für dieses Verfahren ist die Führungshaltung<br />

des Vertrauens notwendig. Die<br />

Unternehmensleitung fördert die Eigenverantwortung<br />

der Mitarbeiter und<br />

nimmt sie als Spezialisten für ihre Funktionsbereiche<br />

ernst. Auch <strong>in</strong> diesem<br />

Vorgehen können Boni wie beschrieben<br />

ausgezahlt werden. Allerd<strong>in</strong>gs setzen<br />

sich immer häufiger Überlegungen <strong>in</strong><br />

den Unternehmen durch, von Bonuszahlungen<br />

abzusehen. Erfolgreiche Vorbilder,<br />

wie der langjährige Geschäftsführer der<br />

Drogeriemarktkette DM, Götz Werner,<br />

machen vor, dass Unternehmen, die auf<br />

<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivationen setzen und auf<br />

klassische Bonuszahlungen an E<strong>in</strong>zelpersonen<br />

verzichten, nicht nur am Markt<br />

erfolgreich s<strong>in</strong>d, sondern e<strong>in</strong>e hohe Mitarbeiter-<br />

und Kundenzufriedenheit vorweisen<br />

können. Die Befürchtung der<br />

Unternehmensleitung, dass sich die Top-<br />

Leister zurückziehen, bewahrheitet sich<br />

<strong>in</strong> der Regel nicht. In unterschiedlichsten<br />

Lebensbereichen erleben wir, dass sich<br />

Menschen Ziele stecken und diese <strong>mit</strong><br />

hoher Motivation verfolgen, ohne sich<br />

e<strong>in</strong>en Bonus <strong>in</strong> Form von Geld zu erhoffen.<br />

Höchste Zeit, dass diese Erkenntnis<br />

<strong>in</strong> den Unternehmen e<strong>in</strong>e andere Haltung<br />

zum Thema Zielvere<strong>in</strong>barung fördert<br />

<strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong> •

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