Klaus Kissel: Führen mit sinnvollen Zielvereinbarungen in
Klaus Kissel: Führen mit sinnvollen Zielvereinbarungen in
Klaus Kissel: Führen mit sinnvollen Zielvereinbarungen in
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personal- und Organisationsentwicklung<br />
Neue Wege zu e<strong>in</strong>er<br />
s<strong>in</strong>nvolleren Zielvere<strong>in</strong>barung<br />
FÜHRUNG. In vielen Unternehmen werden Ziele top-down an die Mitarbeiter herangetragen.<br />
Bonuszahlungen sollen Mitarbeiter motivieren, diese Ziele zu erreichen. Dieser<br />
Fachartikel beschreibt die nicht beabsichtigten Folgen e<strong>in</strong>es solchen Vorgehens und<br />
schlägt e<strong>in</strong>e neue Art der Zielvere<strong>in</strong>barung vor. Die Idee ist, <strong>in</strong>dividuell erreichbare<br />
Prozessziele bottom-up zu gestalten und diese Ziele von Bonuszahlungen zu trennen.<br />
Klassische Überzeugungen der Führungslehre<br />
stehen seit e<strong>in</strong>iger Zeit zur Diskussion.<br />
E<strong>in</strong>e soll hier kritisch beleuchtet<br />
werden. Es ist die Annahme, dass <strong>mit</strong><br />
<strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> (die von der Unternehmensleitung<br />
über die jeweiligen Führungskräfte<br />
an die Mitarbeiter kommuniziert<br />
werden) die Arbeitsprozesse klar<br />
und nachprüfbar gesteuert werden können<br />
und messbare Verbesserungen e<strong>in</strong>treten.<br />
Bis heute genießt der <strong>in</strong> den 1950er<br />
Jahren entwickelte Managementansatz<br />
„MbO" (Management by Objectives) Ansehen<br />
und Aufmerksamkeit - und das<br />
branchenübergreifend. Die Grundidee,<br />
durch <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> zu führen, hat<br />
sich vielerorts etabliert. In jährlichen Mitarbeitergesprächen<br />
werden Ziele vere<strong>in</strong>bart<br />
und deren Erfüllung <strong>in</strong> regelmäßigen<br />
Abständen überprüft. Mit unterschiedlichsten<br />
Methoden soll die Zielerfüllung<br />
bestimmt und gemessen werden. Getragen<br />
wird diese Vorgehensweise von der<br />
Überzeugung, dass sich nur dasjenige<br />
durch Führung lenken lässt, was nachweislich<br />
bestimmbar und da<strong>mit</strong> messbar<br />
ist. Nicht beabsichtigt war die Folge,<br />
34 wirtschaft+weiterbildung 07/08_2013
dass dieses Postulat der Messbarkeit von<br />
Mitarbeitern, aber auch von Führungskräften,<br />
als Diktat empfunden wird. Das<br />
Bemühen, Mitarbeiter und ihre Leistungen<br />
zu bemessen, zu vergleichen und zu<br />
kontrollieren, hat sich häufig als Nährboden<br />
für e<strong>in</strong>e „Kultur des Misstrauens"<br />
erwiesen. In e<strong>in</strong>er solchen Unternehmenskultur<br />
s<strong>in</strong>d Führungsbemühungen,<br />
die beispielsweise auf die Förderung von<br />
Teamarbeit, Eigenständigkeit und Kreativität<br />
setzen, zum Scheitern verurteilt.<br />
Die Frage, die sich stellt, lautet also: Wie<br />
können im Unternehmen s<strong>in</strong>nvolle Ziele<br />
entwickelt und verfolgt werden, ohne<br />
dass sie die Zusammenarbeit und das<br />
Vertrauen gefährden?<br />
E<strong>in</strong> anderes Anliegen des MbO-Ansatzes<br />
war es, durch <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> die Eigenverantwortung<br />
von Mitarbeitern zu<br />
stärken. Aber auch die Umsetzung dieser<br />
Idee hat <strong>in</strong> der Unternehmenspraxis<br />
nicht beabsichtigte Folgen. In Jahresgesprächen<br />
werden Ziele vere<strong>in</strong>bart und<br />
die Aussicht auf Bonuszahlungen soll<br />
die Mitarbeiter motivieren, diese Ziele<br />
eigenverantwortlich und engagiert zu erreichen.<br />
In me<strong>in</strong>em Beruf als Berater unterschiedlicher<br />
Unternehmen werde ich<br />
<strong>mit</strong> den Problemen, die aus der Kopplung<br />
von Zielvere<strong>in</strong>barung und Bonuszahlung<br />
resultieren, konfrontiert. E<strong>in</strong> Problem,<br />
das mir Führungskräfte schildern, ist,<br />
dass sich der Fokus der Mitarbeiter durch<br />
diese Kopplung verschoben hat.<br />
Bonuserreichung statt<br />
Zielerreichung?<br />
Die Führungskräfte beobachten, dass im<br />
Fokus ihrer Mitarbeiter nicht die Zielerreichung,<br />
sondern die Bonuserreichung<br />
steht. Und das ist ke<strong>in</strong>esfalls das Gleiche.<br />
Liegt der Fokus zum Beispiel auf dem<br />
Bonus, wird alles unternommen, um den<br />
Bonus zu erreichen - die eigentliche Zielvorgabe<br />
ist dabei nur Mittel zum Zweck.<br />
Ist das Ziel an sich aber im Fokus der<br />
Mitarbeiter und f<strong>in</strong>det im Idealfall auch<br />
noch e<strong>in</strong>e Identifizierung <strong>mit</strong> diesem Ziel<br />
statt, dann wird der beste und wenn nötig<br />
auch e<strong>in</strong> neuer, kreativer Weg zur Zielerreichung<br />
gewählt.<br />
E<strong>in</strong> anderes Problem möchte ich an<br />
e<strong>in</strong>em ganz konkreten Beispiel darlegen.<br />
E<strong>in</strong> junges <strong>mit</strong>telständisches Unternehmen<br />
hatte zur Förderung besonders<br />
guter Mitarbeiter vor e<strong>in</strong>iger Zeit e<strong>in</strong> klassisches<br />
Bonussystem gewählt. Ziel war es<br />
auch, da<strong>mit</strong> Anreize für schwächere Mitarbeiter<br />
zu schaffen. In e<strong>in</strong>em Workshop<br />
beklagten die Führungskräfte: „De facto<br />
s<strong>in</strong>d beide gewünschten Effekte nicht<br />
e<strong>in</strong>getroffen. Die Top-Leister haben sich<br />
an das 14. Gehalt gewöhnt, die Niedrig-<br />
Leister empf<strong>in</strong>den es als Bestrafung. Der<br />
Unfrieden und der Verwaltungsaufwand,<br />
die uns durch die Bonuszahlungen entstanden<br />
s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d zu hoch, um am Bonussystem<br />
weiter festzuhalten."<br />
Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich das<br />
Unternehmen entschieden, den Bonus<br />
abzuschaffen. Ziel e<strong>in</strong>es neuen Systems<br />
ist es, wieder die Gesamtverantwortung<br />
des Mitarbeiters <strong>in</strong> den Mittelpunkt zu<br />
Zielsysteme: Drei Fragen an <strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong><br />
Interview. Die Kritik am Management by Objectives ist nicht neu, aber <strong>in</strong> Zeiten der<br />
Komplexitätsbewältigung wird es immer dr<strong>in</strong>glicher, über neue Formen der Mitarbeitermotivation<br />
und der Gew<strong>in</strong>nbeteiligung nachzudenken. Mehr denn je s<strong>in</strong>d die Unternehmen<br />
auf <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivation angewiesen.<br />
Welchen neuen Trend erkennen Sie zum Thema Zielvere<strong>in</strong>barung<br />
<strong>in</strong> der Wirtschaft?<br />
<strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong>: Ich erlebe ke<strong>in</strong>en neuen Trend. Ich sehe<br />
eben, dass bestimmte Theorien e<strong>in</strong>e starke Def<strong>in</strong>itionsmacht<br />
darüber haben, was die „richtigen" Methoden im<br />
Management s<strong>in</strong>d. Aber jede Bewegung hat auch immer<br />
Gegenbewegungen. Und auch die s<strong>in</strong>d nicht neu - zum<br />
Beispiel die Gedanken von Re<strong>in</strong>hard Sprenger, der schon<br />
Anfang der 90er Jahre vom „Mythos Motivation" gesprochen<br />
hat und Bonuszahlungen und äußere Anreizsysteme<br />
systematisch <strong>in</strong> Frage gestellt hat.<br />
Welche Hürden gilt es zu überw<strong>in</strong>den, wenn Alternativen<br />
zum MbO e<strong>in</strong>geführt werden?<br />
<strong>Kissel</strong>: Neben vielen praktischen Umsetzungsschritten<br />
s<strong>in</strong>d es vielleicht eher die Hürden <strong>in</strong> unserem eigenen Denken,<br />
die wir überw<strong>in</strong>den müssen. Ob das jetzt die Abkehr<br />
von der Idee ist, dass nur das für Führungskräfte relevant<br />
sei, was auch messbar ist, bleibt offen.<br />
Was sagen Ihre Kunden zu dieser E<strong>in</strong>stellung?<br />
<strong>Kissel</strong>: Das Thema ist zum Teil hochpolitisch. Es gibt<br />
durchaus Kunden, die sagen: Grundsätzlich haben wir<br />
ähnliche Erfahrungen gemacht, wir kommen aber aus der<br />
Problematik nicht mehr raus, da sich unsere Mitarbeiter<br />
an das Bonussystem gewöhnt haben. Ich glaube, es ist<br />
wichtig, <strong>in</strong> den obersten Führungskreisen geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong><br />
dem Betriebsrat e<strong>in</strong> Gedankenexperiment zu beg<strong>in</strong>nen,<br />
wie sie zu <strong>s<strong>in</strong>nvollen</strong> <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> kommen können<br />
und wie e<strong>in</strong> Veränderungsprozess hier gestaltet werden<br />
muss. E<strong>in</strong>fach ist das häufig nicht. Aber wenn man e<strong>in</strong>mal<br />
die Euros zusammenrechnet, die der Prozess an sich oft<br />
schon verschl<strong>in</strong>gt, kann sich die Investition <strong>in</strong> e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>ngebendes<br />
Zielführungssystem lohnen.<br />
07/08_2013 wirtschaft+weiterbildung 35
personal- und Organisationsentwicklung<br />
stellen. E<strong>in</strong>e Bonifikation erfolgt für alle<br />
Mitarbeiter am Unternehmensgew<strong>in</strong>n.<br />
Zudem wird e<strong>in</strong> Teil des e<strong>in</strong>gesparten Bonusgeldes<br />
<strong>in</strong> besondere Personalentwicklungsmaßnahmen<br />
<strong>in</strong>vestiert,<br />
die Top-<br />
Leister gegebenenfalls erhalten. Diese<br />
Maßnahme ist auch e<strong>in</strong>e Belohnung,<br />
wirkt aber dem Gewöhnungsfaktor entgegen.<br />
Denn Weiterbildungen werden nach<br />
Bedarf und nicht bedarfsunabhängig<br />
e<strong>in</strong>mal im Jahr gewährleistet. Außerdem<br />
liegt der Nutzen dieses Angebotes sowohl<br />
beim Mitarbeiter als auch beim Unternehmen.<br />
Gerade für junge, gut ausgebildete<br />
Mitarbeiter der „Generation Y" ist Bildung<br />
und persönliche Weiterentwicklung<br />
e<strong>in</strong> hoher Wert, der sich durchaus motivationssteigernd<br />
auswirkt.<br />
Identifikation br<strong>in</strong>gen<br />
realistische Bottom-up-Ziele<br />
Identifikation <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Ziel erlangt man<br />
selten durch äußere Anreize wie Boni.<br />
Identifikation leitet sich von dem late<strong>in</strong>ischen<br />
Wort „identitas" ab und kann<br />
<strong>mit</strong> „Wesense<strong>in</strong>heit" übersetzt werden.<br />
Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, e<strong>in</strong>e solche „E<strong>in</strong>heit"<br />
<strong>mit</strong> re<strong>in</strong> äußeren Faktoren, wie die<br />
Zielvorgabe der Führungskraft e<strong>in</strong>erseits<br />
und die der Bonuszahlung andererseits<br />
herstellen zu können, ist ger<strong>in</strong>g. Erfolgversprechender<br />
ist es, wenn Ziele nicht<br />
AUTOR<br />
<strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong>,<br />
Geschäftsführer<br />
des Ifsm Instituts<br />
für Salesmanagement,<br />
e<strong>in</strong>em Qualifizierungs- und Entwicklungsberatungsunternehmen<br />
im<br />
Bereich Vertriebsentwicklung, ist<br />
Autor der Bücher „Das Pr<strong>in</strong>zip der<br />
m<strong>in</strong>imalen Führung: Effektives Führen<br />
darfauch leicht se<strong>in</strong>" (geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong><br />
Wolfgang Tsch<strong>in</strong>kel) und „Sales Coach<strong>in</strong>g:<br />
Wirksam führen im Vertrieb"<br />
(geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> Uwe Reusche), beide<br />
im W<strong>in</strong>dmühle-Verlag erschienen.<br />
Klostergut Besselich<br />
56182 Urbar, Tel. 02619623112<br />
www.kissel-consult<strong>in</strong>g.de<br />
top-down (über die Geschäftsleitung, zur<br />
Führungskraft bis h<strong>in</strong> zum Mitarbeiter)<br />
vorgegeben, sondern wenn sie bottomup<br />
entwickelt werden. Es ist unerlässlich,<br />
dass Zielideen vom Mitarbeiter entwickelt<br />
und nicht von der Führungskraft diktiert<br />
werden. Würde sich e<strong>in</strong> Mitarbeiter e<strong>in</strong><br />
persönliches Ziel setzen, wie „Ich steigere<br />
me<strong>in</strong>en persönlichen Umsatz bei Produkt<br />
X um 10 Prozent."? Wohl kaum. Die meisten<br />
Mitarbeiter würden für realistische<br />
Ziele e<strong>in</strong>treten, die sie selbst im Fokus<br />
haben.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel soll dies verdeutlichen. Es ist<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich, dass e<strong>in</strong> Kurzstreckenläufer<br />
vor e<strong>in</strong>er Olympiade mehr Selbstmotivation<br />
für e<strong>in</strong> Ziel entwickelt, wenn<br />
er sich das Ziel setzt: „Ich möchte um 0,1<br />
Sekunden schneller spr<strong>in</strong>ten." Dies liegt<br />
im absoluten Ermessensspielraum e<strong>in</strong>es<br />
Läufers, wenn er es für erreichbar hält. Er<br />
kann dann von dem erhofften Edelmetall<br />
träumen. Der konkrete Medaillen-Traum<br />
ist jedoch eher e<strong>in</strong> Ergebniswunsch oder<br />
nennen wir es e<strong>in</strong>e Vision. E<strong>in</strong> konkretes<br />
Ziel h<strong>in</strong>gegen sollte von der „SMART-Formel"<br />
her gesehen und <strong>in</strong> jedem Fall aktiv<br />
erreichbar se<strong>in</strong>.<br />
An se<strong>in</strong>er Spr<strong>in</strong>tgeschw<strong>in</strong>digkeit kann er<br />
arbeiten, die Entwicklung se<strong>in</strong>er Mitbewerber<br />
kann er jedoch nicht endgültig<br />
e<strong>in</strong>schätzen oder bee<strong>in</strong>flussen. Den e<strong>in</strong>deutigen<br />
Podest-Platz kann der Sportler<br />
vor der Olympiade nicht sicher voraussagen,<br />
sodass dies ergo für ihn auch nicht<br />
als aktiv erreichbares Ziel gelten kann.<br />
Genauso verhält es sich <strong>mit</strong> den meisten<br />
Produkt- und Absatzzielen. Sporttra<strong>in</strong>er<br />
arbeiten daher schon seit Langem <strong>mit</strong><br />
konkreten <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong> <strong>mit</strong> den<br />
Sportlern, die kurzfristig die Verbesserung<br />
des Sportprozesses <strong>in</strong> den Vordergrund<br />
stellen. Freiburgs Fußballtra<strong>in</strong>er Christian<br />
Streich drückt es so aus: „Es macht ke<strong>in</strong>en<br />
S<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>en Spielern zu sagen, jetzt<br />
geht raus und gew<strong>in</strong>nt das Spiel. Deshalb<br />
werden sie nicht besser spielen." Anders<br />
gesagt: „Tore kann man schießen, aber<br />
nicht vere<strong>in</strong>baren!"<br />
Trennung von Prozesszielen<br />
und Ergebniserwartungen<br />
Auch im Unternehmen gilt es, überschaubare<br />
und <strong>in</strong>dividuell erreichbare Prozessziele<br />
zu vere<strong>in</strong>baren. Und das geht nicht<br />
Die Nachteile des<br />
MbO-Ansatzes<br />
Zusammenfassung. Die<br />
nicht<strong>in</strong>tendierten<br />
Folgen des MbO-<br />
Ansatzes (also der Führung<br />
durch <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong>) lassen<br />
sich im wesentlichen <strong>in</strong> folgenden<br />
drei Thesen zusammenfassen:<br />
1. Das Postulat der Messbarkeit<br />
fördert e<strong>in</strong>e Kultur des Misstrauens.<br />
2. <strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen</strong>, die topdown<br />
getroffen werden, hemmen<br />
die Eigenverantwortung.<br />
3. Das klassische Bonus-System<br />
lenkt die Aufmerksamkeit weg vom<br />
Geschäftsprozess.<br />
<strong>in</strong> Jahresgesprächen. Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,<br />
dass Mitarbeiter - und Führungskräfte<br />
- weitgesteckte Unternehmensziele<br />
im Berufsalltag aus den Augen verlieren,<br />
ist groß. Nicht zuletzt deshalb, weil diese<br />
Ziele selten flexibel an relevante marktpolitische<br />
oder auch <strong>in</strong>nerbetriebliche Veränderungen<br />
angepasst werden können.<br />
Die heutigen Anforderungen an Flexibilität<br />
machen es notwendig, Quartalsziele<br />
und Quartalsgespräche e<strong>in</strong>zuführen, <strong>in</strong><br />
denen der Mitarbeiter se<strong>in</strong>e zeitlich überschaubaren<br />
Prozessziele entwickelt.<br />
Vertriebsführungskräfte e<strong>in</strong>er Bank haben<br />
es sich zum Beispiel zum Ziel gesetzt,<br />
den Vertriebsprozess und die da<strong>mit</strong> verbundenen<br />
Ziele der Mitarbeiter <strong>in</strong> den<br />
Mittelpunkt der Dialoge zu stellen und<br />
nicht das zu erreichende Ergebnis. Die<br />
Führungskräfte haben sich als Coachs<br />
ausbilden lassen und begleiten ihre Mitarbeiter<br />
<strong>in</strong>dividuell, <strong>in</strong>dem sie ihnen „Onthe-job"-Feedback<br />
geben und Entwicklungswege<br />
aufzeigen und tra<strong>in</strong>ieren. Im<br />
Vordergrund stehen dabei die Gesprächsprozesse.<br />
Auch die Anzahl von Gespräche<br />
kann durchaus vere<strong>in</strong>bart werden. Der<br />
Erfolg und das Ergebnis stellen sich dann<br />
von ganz alle<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>. In diesem Beispiel<br />
wird deutlich, dass Unternehmen e<strong>in</strong>e<br />
klare Trennung von Prozesszielen e<strong>in</strong>er-<br />
36 wirtschaft+weiterbildung 07/08_2013
seits und den Ergebniserwartungen des<br />
Unternehmens andererseits vornehmen<br />
müssen. Natürlich hat die Unternehmensleitung<br />
e<strong>in</strong>e Ergebniserwartung für das<br />
kommende Jahr, die auch kommuniziert<br />
werden muss und an die eventuellen Bonifikationen<br />
fest gekoppelt wird. Bei den<br />
Prozesszielen aber handelt es sich um<br />
kurzfristige Milestones, die der Mitarbeiter<br />
entwickelt, um bestmöglich die Ergebniserwartungen<br />
zu unterstützen. Da<strong>mit</strong><br />
ke<strong>in</strong> unnötiger adm<strong>in</strong>istrativer Aufwand<br />
entsteht, müssen diese Ziele auch nicht<br />
an die Personalabteilung weitergegeben<br />
werden.<br />
E<strong>in</strong> Praxisbeispiel: E<strong>in</strong> Unternehmen hat<br />
e<strong>in</strong>e Ergebniserwartung bei Produkt A<br />
von e<strong>in</strong>er Million Euro, daran wird e<strong>in</strong><br />
Bonus pro Vertriebs<strong>mit</strong>arbeiter von X<br />
Euro gekoppelt. Die Mitarbeiter erhalten<br />
<strong>in</strong> regelmäßigen Reviews e<strong>in</strong>e Rückkopplung,<br />
<strong>in</strong>wieweit <strong>in</strong> diesem Produktbereich<br />
bereits das Ergebnis erreicht wurde. Die<br />
Mitarbeiter vor Ort entwickeln nun s<strong>in</strong>nvolle<br />
Prozessziele wie zum Beispiel: „Ich<br />
möchte im kommenden Quartal fünf F<strong>in</strong>anzkonzeptgespräche<br />
führen, <strong>in</strong>dem<br />
ich auch e<strong>in</strong>e Analyse durchführe, die für<br />
das Produkt A Möglichkeiten bietet!" Mit<br />
diesem Ziel stehen der Kunde und e<strong>in</strong>e<br />
ganzheitliche Beratung im Vordergrund<br />
und dennoch werden Chancen gesucht,<br />
das Produkt zu platzieren. Der Mitarbeiter<br />
ist es also, der die für ihn <strong>s<strong>in</strong>nvollen</strong><br />
Möglichkeiten und Maßnahmen entwickelt,<br />
die die Rahmenerwartungen maximal<br />
unterstützen.<br />
E<strong>in</strong>e Kultur des Zutrauens<br />
etablieren<br />
Für dieses Verfahren ist die Führungshaltung<br />
des Vertrauens notwendig. Die<br />
Unternehmensleitung fördert die Eigenverantwortung<br />
der Mitarbeiter und<br />
nimmt sie als Spezialisten für ihre Funktionsbereiche<br />
ernst. Auch <strong>in</strong> diesem<br />
Vorgehen können Boni wie beschrieben<br />
ausgezahlt werden. Allerd<strong>in</strong>gs setzen<br />
sich immer häufiger Überlegungen <strong>in</strong><br />
den Unternehmen durch, von Bonuszahlungen<br />
abzusehen. Erfolgreiche Vorbilder,<br />
wie der langjährige Geschäftsführer der<br />
Drogeriemarktkette DM, Götz Werner,<br />
machen vor, dass Unternehmen, die auf<br />
<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivationen setzen und auf<br />
klassische Bonuszahlungen an E<strong>in</strong>zelpersonen<br />
verzichten, nicht nur am Markt<br />
erfolgreich s<strong>in</strong>d, sondern e<strong>in</strong>e hohe Mitarbeiter-<br />
und Kundenzufriedenheit vorweisen<br />
können. Die Befürchtung der<br />
Unternehmensleitung, dass sich die Top-<br />
Leister zurückziehen, bewahrheitet sich<br />
<strong>in</strong> der Regel nicht. In unterschiedlichsten<br />
Lebensbereichen erleben wir, dass sich<br />
Menschen Ziele stecken und diese <strong>mit</strong><br />
hoher Motivation verfolgen, ohne sich<br />
e<strong>in</strong>en Bonus <strong>in</strong> Form von Geld zu erhoffen.<br />
Höchste Zeit, dass diese Erkenntnis<br />
<strong>in</strong> den Unternehmen e<strong>in</strong>e andere Haltung<br />
zum Thema Zielvere<strong>in</strong>barung fördert<br />
<strong>Klaus</strong> <strong>Kissel</strong> •