EiNS-Magazin 3/2013 - Deutsche Evangelische Allianz
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TITEL-THEMA<br />
Im Gespräch: Der Bundestagsabgeordnete<br />
Frank Heinrich, Vorsitzender des Vereins<br />
„Gemeinsam gegen Menschenhandel“<br />
Den Markt für käuflichen Sex austrocknen<br />
Das Thema Menschenhandel, Zwangsprostitution ist seit einiger Zeit<br />
stärker im öffentlichen Bewusstsein ... Endlich?<br />
Ja, und ich bin dankbar dafür. Mehrere Krimis ranken sich in jüngster<br />
Zeit um das Thema. Und bei der EU-Studie hat sich Deutschland ordentlich<br />
blamiert. Dadurch wurde das Thema öffentlich „hochgezogen“.<br />
Der Bundestag hat kurz vor der parlamentarischen Sommerpause noch<br />
Änderungen am Prostitutionsgesetz vorgenommen. Täuscht der<br />
Eindruck, dass vielen erst jetzt so richtig die Brisanz des Themas<br />
dämmert?<br />
„Dämmern“ ist ein guter Ausdruck! Manche haben kritisiert: Das ist<br />
nur ein Notnagel kurz vor Ende! Es ist auch viel zu kurz gesprungen.<br />
Aber: Es ist ein Zeichen in die richtige Richtung. Deshalb bin ich dankbar,<br />
aber dabei darf’s auf keinen Fall bleiben.<br />
Was muss denn in der nächsten Legislaturperiode noch kommen?<br />
Wir müssen im Ausländerrecht eine Möglichkeit verankern, dass die<br />
Schuld nicht immer sofort auf die Frauen gelegt wird. Es ist fast verwerflich,<br />
dass wir die Frauen, die hier landen, kriminalisieren, ausweisen<br />
und damit schneller bestrafen als die Zuhälter. Auch die<br />
„Controlling“-Gesetze müssen wir ändern. Die Stätten für käuflichen<br />
Sex, auch für die „Wohnungsprostitutionsstellen“ brauchen eine Genehmigungspflicht.<br />
Die Polizei muss auf Indizien reagieren können.<br />
Und wir brauchen ein besseres Netz von Ansprachestellen. In manchen<br />
Bundesländern gibt es nicht eine Hilfsstelle für Frauen, die aussteigen<br />
wollen. Das Recht auf Krankenversicherung heißt bei vielen<br />
nicht, dass sie dieses Recht auch nutzen. Also: Ganz viele Regelungen<br />
müssen zu einem Muss werden.<br />
Wo liegt der Kern des Problems? „Bordell Deutschland“ hat der<br />
SPIEGEL vor Wochen getitelt. In Deutschland wird Prostitution legalisiert,<br />
in Skandinavien werden die Freier rangenommen …<br />
In Deutschland wurde an zwei kritischen Stellen eine „Schleuse“ geöffnet.<br />
Einmal mit dem Prostitutionsgesetz 2002, das ich nicht im<br />
Kern für falsch halte, aber die ganzen Rahmengesetzgebungen fehlen<br />
und müssen dazugefügt werden. Vor allem aber hat die Liberalisierung<br />
in vielen Köpfen zu der Annahme geführt: Es ist jetzt erlaubt, es<br />
ist nicht mehr kriminell, wir dürfen jetzt alles machen. Das zweite ist:<br />
Mitte des Jahrzehnts sind mit der Europa-Erweiterung viele Menschen<br />
hierher kommen, die haben gar nicht an Prostitution gedacht - aber<br />
dadurch ist ein großer Markt entstanden.<br />
Auch darum wurde der Verein „Gemeinsam gegen Menschenhandel“<br />
ins Leben gerufen. Was ist euch als Aktiven wichtig?<br />
Am wichtigsten ist uns aufzuklären, zu sensibilisieren, auch das<br />
Schamblatt vor dem Thema wegzuziehen. Etwa eine Million Männer<br />
suchen pro Tag in Deutschland käuflichen Sex. Und 70% der Freier<br />
sind - wahrscheinlich unwissentlich - Vergewaltiger, denn sie stehen<br />
nicht freiwilligen Prostituierten gegenüber. Zweitens wollen wir ein<br />
Netzwerk von bestehenden Arbeiten in dem Bereich knüpfen, damit<br />
die Aktiven voneinander wissen und sich unterstützen können, etwa<br />
wenn eine Gruppe mal ein Zimmer außerhalb der eigenen Stadt<br />
braucht. Das dritte: Wir wollen bis in die Länder hinein wirken, aus<br />
denen die Frauen kommen, mit Flyern aufklären - und dadurch verhindern,<br />
dass sie überhaupt hierher kommen und den Markt der Prostitution<br />
vergrößern. Viertens: gesetzliche Änderungen, im Bundestag,<br />
aber auch in den Landtagen. Wir möchten, dass die Wähler ihren<br />
Abgeordneten schreiben und fragen: Könnt ihr uns sagen, wie es bei<br />
uns ist - im Land, in der Stadt, in der Straße? Wer kümmert sich? Wohin<br />
kann man Aussteigerinnen verweisen? Wo kann ich helfen?<br />
Was können, sollten Christen und Gemeinden hier tun?<br />
Nicht beim Beten bleiben! Das Beten hilft, dass die Beteiligten, die in<br />
der Gesellschaft schon damit zu tun haben, das richtige Auge, den richtigen<br />
Mumm haben: in Politik, Sozialamt, Arbeitsamt ... Aber das andere<br />
wäre, dass sie ein Auge drauf werfen - falls sie ein Herz für diese<br />
Fragen haben: Wo gibt es in unserem Umfeld ein Netzwerk, an dem wir<br />
uns beteiligen können, ob christlich oder nichtchristlich, städtisch, freier<br />
Träger? Und da hinein bringen wir unser eigenes Know-how: um<br />
den Grundwasserspiegel von Erreichbarkeit, von Hilfe zu heben. Damit<br />
kann der Markt für käuflichen Sex allmählich ausgetrocknet werden.<br />
Info:www.gemeinsam-gegen-menschenhandel.de<br />
Interview: Jörg Podworny<br />
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