Regionales Flussmanagement: Das Elbeästuar - IKZM-D Lernen
Regionales Flussmanagement: Das Elbeästuar - IKZM-D Lernen
Regionales Flussmanagement: Das Elbeästuar - IKZM-D Lernen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Geographisches Institut der Universität Kiel<br />
Wintersemester 2003/2004<br />
Mittelseminar: Management von Fluss-Küste-Systemen<br />
Leitung: PD Dr. Gerald Schernewski<br />
<strong>Regionales</strong> <strong>Flussmanagement</strong>: <strong>Das</strong> <strong>Elbeästuar</strong><br />
Janina Roblick<br />
Hautstraße 2c, 24576 Bimöhlen, JaninaRoblick@web.de<br />
1. Einleitung<br />
Meist münden Flüsse in einen Binnensee oder in ein Meer. Münden feststoffreiche Flüsse in ein<br />
großes Binnengewässer oder in gezeitenlose oder in ein schwaches Meer, so kommt es infolge der<br />
Abbremsung der Fließgeschwindigkeit zur Akkumulation großer Mengen mitgeführten Materials quer<br />
zur Mündung. Der Fluss verzweigt sich zwischen diesen Flussbarren und bildet ein Delta.<br />
Mündet der Fluss in ein Gezeiten – Meer, strömt das Wasser bei Flut auf der Nordhalbkugel unter<br />
Einwirkung der Coriolisbeschleunigung 1 auf der linken Seite des Flusses und bei Ebbe auf der rechten<br />
Seite wieder ab. So wird eine Flussmündung trichterförmig erweitert und ein Ästuar wird<br />
gebildet.(Lozán & Kausch(1996))<br />
Thema meiner Arbeit ist das „<strong>Elbeästuar</strong>“. Ich werde zunächst den Begriff „Ästuar“ klären, dann einen<br />
Einblick über den Fluss „Elbe“ geben. In der weiteren Ausführung werde ich das „<strong>Elbeästuar</strong>“<br />
vorrangig unter dem Blickwinkel der Vertiefung von Ästuaren zugunsten der Schifffahrt beleuchten,<br />
und die damit verbundenen Gefahren und Folgen für die Natur darstellen, dabei auch das Beispiel des<br />
„Mühlenberger Lochs“ einbringen. Mit einer Schlussbetrachtung werde ich die Ausarbeitung<br />
abrunden.<br />
2. <strong>Das</strong> Elbeästauar<br />
2.1 Begriffsklärung „Ästuar“<br />
<strong>Das</strong> Wort „Ästuar“ wird in der deutschen Sprache im allgemeinen Sinn für trichterartig erweiterte<br />
Flussmündungen verwendet. Im Lateinischen bedeutet „aestuarium“: buchtartige Flussmündung, nach<br />
„aestus“ = „tide“.<br />
Es gibt zahlreiche Definitionen für die Termini „Ästuar“ bezüglich seiner Merkmale von Morphologie,<br />
Geologie, Chemie und Biologie. Eine Mögliche Definition wäre:<br />
„An estuary is a semi-enclosed coastal body of water<br />
which has a free connection with the open sea<br />
and within which sea wat is measurably diluted<br />
with fresh water derived fromland drinage.”<br />
(nach D.W. Pritchard [1976] in: Gierloff-Emden [1980])<br />
1 Coriolisbeschleunigung (=Erdrotation). Sie bedingt eine Ablenkung entstandener Winde, und zwar auf der<br />
Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links.<br />
1
Allgemein jedoch werden unter Ästuaren Buchten oder erweiterte Flussmündungen verstanden, die<br />
vom Kontinent aus Süßwasserzufuhr haben und in welche das Meerwasser mit seiner<br />
Gezeitenerscheinung bis in das süßwasserführende Becken bzw. Trichter oder Kanal eindringt, so dass<br />
es zur Mischung von Süßwasser und Salzwasser kommt. In Ästuaren fließt das Wasser alternierend<br />
mit dem Rhythmus der Gezeiten periodisch in zwei Richtungen: mit der Flut in die Flussmündung, mit<br />
der Ebbe zum Meer.<br />
Abb.3:Beispiele von Ästuaren (aus Gierloff-Emden (1980), S. 1067)<br />
2.2 Die Elbe – Allgemeine Daten<br />
Die Elbe (tschechisch Labe), ist mit einer<br />
Länge von etwa 1 170 Kilometern einer<br />
der längsten Flüsse Mitteleuropas.<br />
<strong>Das</strong> Einzugsgebiet umfasst etwa<br />
144000 Quadratkilometer. Die<br />
Quellflüsse der Elbe entspringen im<br />
Riesengebirge im Norden der<br />
Tschechischen Republik. Bei Melník<br />
vereinigt sich die Elbe mit der Moldau,<br />
die die obere Elbe bis zum<br />
Zusammenfluss an Länge und<br />
Einzugsgebiet sowie Wasserführung<br />
übertrifft. Nachdem die Elbe mehrere<br />
kleinere Flüsse, darunter die Eger und<br />
die Biela aufgenommen hat,<br />
durchbricht sie zwischen Tetschen<br />
(Decin) auf tschechischer und Pirna auf deutscher<br />
Seite das Elbsandsteingebirge. Bei Riesa tritt die<br />
Elbe in die Norddeutsche Tiefebene ein und<br />
durchquert mit der Leipziger Tieflandsbucht und<br />
der Magdeburger Börde einige der fruchtbarsten<br />
Gebiete in Deutschland. Im weiteren Verlauf<br />
Abb.1: Der Verlauf der Elbe (Microsoft Encarta)<br />
Abb.2: Trichter-Mündung der Elbe unterhalb von Hamburg<br />
(Quelle: SATGEO (1))<br />
fließt sie durch ausgedehnte Heidelandschaften und Grundmoränengebiete wie die Altmark<br />
und die Lüneburger Heide. Bei Hamburg bildet die Elbe einen Mündungstrichter, der bei<br />
Cuxhaven eine Breite von 15 Kilometern erreicht.<br />
Wichtige linke Nebenflüsse sind Saale und Mulde, von rechts münden u. a. Schwarze Elster und Havel<br />
in die Elbe. Größere Städte an der Elbe sind auf tschechischer Seite Königgrätz (Hradec Králové) und<br />
2
Aussig (Ústí nad Labem), auf deutschem Staatsgebiet Dresden, Magdeburg und Hamburg. Diese<br />
Städte verfügen auch über bedeutende Binnenhäfen. Die Elbe ist durch Kanäle mit der Oder, dem<br />
Rhein und der Weser verbunden. Über den Nord-Ostsee-Kanal und den Elbe-Lübeck-Kanal hat sie<br />
auch Verbindung zur Ostsee. Die Elbe ist auf einer Länge von ungefähr 940 Kilometern von der<br />
Nordsee bis Prag schiffbar.<br />
Die Elbe ist bereits seit dem 10. Jahrhundert ein wichtiger Handelsweg. Ab Mitte des 12. Jahrhunderts<br />
wurde auch über längere Flussstrecken Handel getrieben. Vor allem Hamburg entwickelte sich schnell<br />
zu einem wichtigen Umschlagplatz für den Fluss- und Seehandel. Im Laufe der folgenden<br />
Jahrhunderte behinderte jedoch eine Vielzahl von Zollschranken den Warenverkehr. Dieser wurde<br />
durch die 1871 erfolgte Aufhebung sämtlicher innerdeutscher Zollbeschränkungen stark angekurbelt.<br />
(Microsoft® Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation)<br />
3. <strong>Elbeästuar</strong>- ein gefährdeter Lebensraum: Ursachen und Gefahren<br />
3.1 Ursachen<br />
Ästuare sind also Mündungstrichter der Flüsse. Sie stellen einen Übergangsbereich zwischen Land<br />
und Meer dar. Gekennzeichnet ist dieser Zustand durch das Mischen von Salz- und Süßwasser zum<br />
sogenannten Brackwasser. Sowohl Ebbe als auch Flut führen zu einem regelmäßigen Wechsel der<br />
Wasserstände im Einzugsgebiet des <strong>Elbeästuar</strong>s. Ein weiterer Umweltfaktor, der einen großen Einfluss<br />
hat, ist ein klimatischer Faktor wie zum Beispiel Sturm. Er kann unter anderem Sturmfluten<br />
verursachen.<br />
Da die eben genannten Faktoren nicht nur auf das Gewässer einwirken, erfordert das Leben von Tieren<br />
und Pflanzen im Brackwasser der Flussmündung ein hohes Maß an Anpassung. Sie müssen nicht nur<br />
mit dem schwankenden Salzgehalt und Wasserständen zurechtkommen, sondern auch periodisches<br />
Trockenfallen, wechselnde Strömungen und starke Winde ertragen.<br />
• Veränderung des Salzgehaltes<br />
Die Veränderung des Salzgehalts lässt sich folgendermaßen erklären: Die Flut kommt etwa zweimal<br />
pro Tag, die Ufer werden überspült, die Tide sind bis weit in die Flussmündung wirksam. Im Bereich<br />
der Brackwassergrenze verändert sich der Salzgehalt des Wassers, denn mit den Tiden wird die<br />
Vermischungszone zwischen Flusswasser und Nordseewasser bei ablaufendem Wasser in Richtung<br />
Nordsee und von der nächsten Flut wieder flussaufwärts gedrückt. Da das Süßwasser bis zu sechs mal<br />
hin und her pendelt, bis es die Nordsee erreicht hat, findet eine immer weitere Mischung mit<br />
Salzwasser statt.<br />
• Schwankung des Wasserstandes<br />
Die Schwankungen des Wasserstandes hängen u. a. mit den Hochwasserwellen der Elbe zusammen.<br />
Diese bringen nach Regenperioden oder Schneeschmelzen mehr Süßwasser. Im Sommer ist es<br />
umgekehrt, hier kann das Elbwasser nach einem trockenen Sommer weit sinken.<br />
• Wind<br />
Bei Wind wird das normale Tidegeschehen ebenfalls beeinflusst. <strong>Das</strong> Wasser wird bei ablandigen<br />
Wind aus dem Mündungstrichter der Elbe hinaus gedrückt, so dass sehr niedrige Wasserstände<br />
entstehen. Wind aus nordwestlicher Richtung bläst wiederum zusätzliches Wasser in das <strong>Elbeästuar</strong>.<br />
Sturmfluten können die Folge von Orkanen sein.<br />
3
Für die Vegetation der Ästuare sind Röhrichte und Salzwiesen charakteristisch und sie bestimmen<br />
auch heute noch das Aussehen der Elbmündung. Auwälder sind heute nicht mehr oft zu finden, jedoch<br />
wächst oberhalb von Hamburg an der Süderelbe der letzte Tideauwald Europas.<br />
• Ausbau und Vertiefung der Elbe zur Schifffahrtstraße<br />
Vor allem in dem <strong>Elbeästuar</strong> war eine Änderung der Fahrwassertiefe bis weit ins 19. Jahrhundert nicht<br />
nötig und auch nicht möglich. Die Gezeitenströmung, im Zusammenspiel mit dem aus dem Hauptfluss<br />
und seinen Nebenflüssen im Bereich des Ästuars abfließenden Oberwassermengen, führten zu<br />
ständigen Veränderungen der schiffbaren Fahrrinne durch Sandbänke und Verlagerungen. Flachere<br />
Stellen wurden erst bei Flut überwunden. Reichte die Fahrwassertiefe nicht aus, wurde die Ladung des<br />
Schiffs auf kleinere Flussschiffe umgeladen. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts gingen<br />
Dampfschiffe sowohl in der See- als auch in der Binnenschifffahrt in Gebrauch, es wurden von nun an<br />
immer stärkere Schiffe gebaut. Die bis heute immer wieder erneute Forderung der Schifffahrt, Häfen<br />
mit internationaler Bedeutung gezeitenunabhängig anlaufen zu können, führte letztlich zu der Abfolge<br />
von Vertiefungen und Verbreiterungen der für immer größer werdenden Schiffen zu flachen und zu<br />
schmalen Schifffahrtstraßen in den Ästuaren. (Lozán & Kausch 1996)<br />
Seit fast 150 Jahren wird die Mündung der Elbe ausgebaut. In Hamburg und Niedersachsen hat man<br />
sich derweil mit der sechsten Ausbaustufe befasst, die Unterelbe zwischen Hamburg und Glücksstadt<br />
soll von derzeit 13,5 Metern auf bis zu 15,3 Metern vertieft werden, damit auch riesige<br />
Containerschiffe den Hamburger Hafen Tide unabhängig verlassen können.<br />
Tab. 1: Ausbau der Ästuare (Quelle: BUND -Niedersachsen (2))<br />
3.2 Gefahren (Folgen) für das <strong>Elbeästuar</strong><br />
• Erhöhung der Fließgeschwindigkeit<br />
Durch die Vertiefung des Flusses und durch die Beseitigung von Untiefen hat sich der mittlere<br />
Tidenhub extrem erhöht. So hat er sich in Hamburg von ca. 124 cm (1898) auf 365 Zentimeter (1996)<br />
erhöht. Die Unterelbe wurde neben der Eindeichung besonders durch den Flussausbau für die<br />
Schifffahrt stark verändert. Durch den ebenso eintretenden Wasserfall sind schon gut ¼ der<br />
Flachwasserbereiche trockengefallen, sie haben also ihr ökologische Funktion verloren. Doch der<br />
Ausbau hat nicht nur Folgen für das Niedrig- bzw. Hochwasser. Auch die Fliessgeschwindigkeit hat<br />
rapide zugenommen. Dieser Effekt ist für die Schifffahrt vorteilhaft, es spart Kosten für die<br />
Freihaltung der Fahrrinne.<br />
4
Die Tierwelt allerdings hat mit der schnellen Fließkraft zu kämpfen. Immer mehr Fische und<br />
Kleinlebewesen verdriften. Durch das Verschlicken der Seitenbereiche, die nicht mehr durchströmt<br />
werden, verschlechtern sich zunehmend auch die Laichbedingungen der Fische.<br />
Die Folgen sind nicht nur in der Tierwelt zu erkennen. Als Resultat der erhöhten Strömung hat auch<br />
die Erosion, speziell an den Ufern, zugenommen, so dass Uferbefestigungen die natürliche<br />
Ufervegetation zerstören. Die Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit führt aber auch zu<br />
Resuspensionen 2 der Sedimente. Ein weiterer wichtiger Lebensraum, der dem Fluss fehlt, sind die<br />
Wattgebiete, die zweimal täglich trockenfallen. Daher ändert sich dort das vorhandene Arteninventar<br />
völlig. Fische und Garnelen können hier nur noch bedingt leben, in der daneben liegenden<br />
Schifffahrtsrinne aber ist die Strömungsgeschwindigkeit für sie zu hoch. Die im Süßwasserbereich<br />
unserer Ästuare vorhandenen Süß- uns Brackwasserwatte sind einzigartige Lebensräume von hoher<br />
Produktivität. Wegen der künstlich verbreiteten Schifffahrtsrinnen sind solche Flachwassergebiete<br />
heute stark reduziert. Sie gehören mittlerweile zu den stärksten gefährdeten Lebensräumen.<br />
Der Zustand des Mündungstrichters der Elbe weicht von dem natürlichen Zustand eines Ästuars ab, so<br />
dass er erneuert werden müsste. Doch anstatt zu renaturieren, werden auch noch die letzten Refugien<br />
(Zufluchtsorte) für die Tier- und Pflanzenwelt der Ästuare zugunsten wirtschaftlichen Zwängen<br />
geopfert.<br />
Prognosen zeigen, dass sich die Fauna und Flora der Unterelbe und der Außenelbe weiter<br />
verschlechtern wird. Jedoch sind durch die Flussvertiefung auch Nachteile im Bereich des<br />
Hochwasserschutzes zu erwarten.<br />
• Anstieg des Gezeiten –oder Tidenhubs<br />
Eine weitere Vertiefungsfolge ist der starke Anstieg des Gezeiten- oder Tidenhubs<br />
(= MThb), d.h. des Unterschiedes zwischen dem mittleren Tidenniedrigwasser bei Ebbe (=MTnw) und<br />
dem mittleren Tidehochwasser bei Flut, vor allem im Inneren des Ästuars.<br />
Auffallend ist dabei, dass der Abfall des MTnw dreimal so groß wie der Anstieg des MThw ist. Die<br />
mittleren Wasserstände bei Ebbe werden also immer niedriger. Durch den starken Rückgang der<br />
Niedrigwasserstände sind kleinere Ästuare der Nebenflüsse der Gefahr ausgesetzt, bei Ebbe<br />
vollkommen leer zu laufen. Dadurch werden ihre Flachwassergebiete und die des Hauptästuars zu<br />
trockenfallenden Wattgebieten. Darüber hinaus sind dann auch die letzten Tideauwälder gefährdet.<br />
• Zunahme des Schwebstoffgehalts<br />
Auch der Schwebstoffgehalt nimmt durch die Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit zu.<br />
Dieses führt zu einer Verringerung der für die Primärproduktion des Phytoplanktons benötigten<br />
Sonneneinstrahlung in das Wasser. <strong>Das</strong> Lichtklima für das Phytoplankton wird entscheidend<br />
verschlechtert, so dass die Primärproduktion verringert wird. Die Primärproduktion ist die Basis allen<br />
Lebens im pelagischen (dem landfernen Bereich) der Ozeane.<br />
Ein zunehmendes Problem stellt zudem das Verhältnis von Wasseroberfläche zu Wasservolumen dar.<br />
Durch die Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne ist das Verhältnis kleiner geworden und somit<br />
2 Unter Resuspensionen werden Prozesse zusammengefasst, bei denen eine Mobilisierung und Wiedereintritt von<br />
im Sediment gelagerten Stoffen in den Wasserkörper erfolgt.<br />
5
der physikalische Sauerstoffeintrag aus der Luft geringer geworden. Die Folgen sind regelmäßige<br />
Sauerstoffdefizite im Süßwasserbereich der Unterelbe unterhalb von Hamburg.<br />
• Fallbeispiel: <strong>Das</strong> „Mühlenberger Loch“<br />
Süder- und Norderelbe vereinigen sich hinter dem Hamburger Hafen zu einem breiten<br />
Mündungsstrom. Ebbe und Flut der Nordsee wirken bereits hier auf den Fluss ein, so dass das größte<br />
Süßwasserwatt Europas entstehen konnte, das sogenannte "Mühlenberger Loch".<br />
Am Beispiel des „Mühlenberger Lochs“ wurde gezeigt, welche große Bedeutung für den<br />
Sauerstoffeintrag in Ästuaren unter diesen Bedingungen wiederum den Flachwasserzonen zu gute<br />
kommt.<br />
Abb.5“<strong>Das</strong> Mühlenberger Loch“(Quelle:ELBBUCHT (3))<br />
<strong>Das</strong> Mühlenberger Loch“ ist<br />
bereits heute durch<br />
anthropogen erhöhte<br />
Sedimentationsraten zur Hälfte<br />
zu einem Wattgebiet<br />
geworden. So hat man im<br />
„Mühlenberger Loch“ eine<br />
Sauerstoffübersättigung<br />
vorgefunden, obwohl der<br />
Sauerstoffgehalt im Bereich<br />
der Fahrrinne auf fast Null<br />
gesunken war.<br />
• Verlagerung der Brackwasserzone<br />
Untersuchungen haben ergeben, dass in der Unterelbe die am Boden lebende Tierwelt langsam<br />
stromaufwärts wandert. Jedoch sind gleichermaßen in den neu eroberten Gebieten der Brackwasserund<br />
Meerestierarten Rückgänge der dort vorher lebenden Süßwassertiere zu beobachten.<br />
Dieser Rückgang lässt darauf schließen, dass aufgrund der langjährigen Vertiefung und aufgrund des<br />
Stromum- und ausbaus in der Unterelbe die Brackwasserzone sich Schritt für Schritt stromaufwärts<br />
verlagert hat, als Beispiel ist hier die Verlagerung von Böschrücken und Ostemündung hin bis<br />
Geesthacht zu nennen.<br />
Durch den Bau eines Wehrs bei Geesthacht, hat der tidebeeinflusste Bereich der Elbe keine<br />
Möglichkeit mehr, sich weiter stromaufwärts zu verlagern. So wird nun das vertiefte Ästuar<br />
zunehmend salziger, was sich wiederum negativ auf die Besiedlung der Ufer und auf das Grundwasser<br />
auswirkt.<br />
4.<strong>Flussmanagement</strong><br />
Mit dem Projekt „Lebendige Elbe“ entwickeln die Deutsche Umwelthilfe und Gruner+Jahr ein<br />
ganzheitliches Schutzkonzept für den Fluss „Elbe“ von der Quelle bis zur Mündung. Die<br />
Umweltpartnerschaft „Lebendige Elbe“ besteht seit dem 1.Januar 1997. Motto des Projektes sind die<br />
6
drei „B`s“: Biber, Buhnen und Badspaß. Während der Biber für den klassischen Naturschutz steht,<br />
bedeutet Buhnen die Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung der Elbregion. Mit<br />
Badespaß wird die Bedeutung für die Beziehung der Menschen zu dem Fluss deutlich. Die Elbe stellt<br />
dabei eine Lebensader für Mensch, Natur und eine umweltverträgliche Wirtschaft dar. Des weiteren<br />
initiierten die Deutsche Umwelthilfe und Gruner+Jahr die Ausweisung der Elbe als<br />
Weltkulturlandschaft der UNESCO. Um dieses Anliegen zu fördern, fand am 15. u. 16. August 2003<br />
ein Symposium in Hamburg statt. Ziel der Konferenz war die Unterzeichnung der „Elbe Charta“, die<br />
die Aufnahme der deutsch-tschechischen Flusslandschaft in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes<br />
vorbereitet. Die Charta beschreibt in neun Artikeln den Stellenwert der einmaligen Kulturlandschaft<br />
und die Gefahren für die Elbregion. Regierungen und Gemeinden sind dazu aufgerufen, die Natur- und<br />
Kulturgüter von ihrer Quelle bis zur Mündung grenzüberschreitend zu schützen und schonend<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Die Entscheidung zur „Weltkulturlandschaft Elbe“ ist von der UNESCO für voraussichtlich 2006 zu<br />
erwarten.<br />
5. Schlussbetrachtung<br />
Wie die von mir dargelegte Arbeit gezeigt hat, sind die natürlichen Strukturen großer Flüsse stark<br />
verändert worden. Die Flüsse, hier die Elbe, werden ständig an die neuen Schiffsgenerationen<br />
angepasst – auf Kosten der Natur.<br />
Doch jede weitere Vertiefung der Elbe stellt nicht nur eine Gefahr für die Natur, sondern auch für den<br />
Hochwasserschutz dar. Ästuare besitzen eine natürliche Pufferfunktion bei Hochwasser, die durch den<br />
Ausbau der Flussunterläufe, durch Vordeichung und Sperrwerke verloren gehen. Die<br />
Hochwassergefahr wird sich also erhöhen und Küstenschutzmaßnahmen nach sich ziehen.<br />
Im Gegensatz zu früher gibt es heute ein gesetzlich geregeltes Verfahren, mit dem die<br />
Umweltverträglichkeit des Ausbaues und seine voraussichtlichen Folgen untersucht und überprüft<br />
werden. Die geplanten Baumaßnahmen müssen somit in einer Weise ausgeführt werden, dass die<br />
Folgen minimal bleiben. Vorgeschrieben sind auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für technisch<br />
unvermeidbare, ökologisch nachhaltige Eingriffe und deren Auswirkungen. Auftraggeber der<br />
Baumaßnahmen müssen darauf achten, dass durch geeigneten Ausbau z.B. die Zunahme des Tidenhub<br />
minimiert wird oder dass beispielsweise Ersatzbiotope geschaffen werden.<br />
Durch immer wieder auftretende Eingriffe des Menschen in die Natur (z.B. das Kanalisieren des<br />
Flusses), werden Flussmündungen von ihrem ursprünglichen, amphibischen Lebensraum nichts<br />
erhalten.<br />
Die Elbe ist der letzte, noch relativ naturnahe Strom in Deutschland. Sie kann noch heute zu den<br />
„Perlen unter den deutschen Flüssen“ gerechnet werden. Nicht zu vergessen sind die größten<br />
Auenwälder Mitteleuropas, die das Ufer der mittleren Elbe säumen.<br />
Doch mehr und mehr werden auch diese erfreulichen Merkmale durch Pläne zur „Modernisierung der<br />
Bundeswasserstraße Elbe“ zerstört.<br />
Obwohl das „Mühlenberger Loch“ als europäisches Naturschutzgebiet unantastbar sein sollte, wurde<br />
im Wettlauf um die Produktion des Airbus A380 bereits mit der Zuschüttung begonnen und die erste<br />
Halle errichtet.<br />
7
Die Flugzeugwerft EADS wird zur Zeit ohne tragfähige<br />
rechtliche Grundlage in das Süßwasserwatt der Elbe hinein<br />
erweitert. So wird nicht nur ein Refugium (Zufluchtsort) der<br />
Natur vernichtet, sondern auch das Herzstück einer<br />
großartigen Kulturlandschaft unwiederbringlich zerstört und<br />
schrittweise weiter angegriffen .<br />
Abb.5: Erweiterungsfläche des Airbus- Werks bei<br />
Hamburg- Finkenwerder (Quelle: ELBBUCHT (3))<br />
Nach den Folgen der wasserbaulichen Maßnahmen des 20. Jahrhunderts ist das Mühlenberger Loch :<br />
• das letzte, große, zusammenhängende Flachwasser- und Süßwasserwattgebiet von<br />
herausragender ökologischer Bedeutung, das der limnischen Tideelbe noch geblieben ist,<br />
• das wichtigste Aufwuchsgebiet für Jungfische im gesamten <strong>Elbeästuar</strong> und Laichplatz der<br />
Finte (Alosa fallax), ein in Europa extrem gefährdeter Wanderfisch,<br />
• für die Produktionsbiologie der Tideelbe unersetzlich (es gibt kein vergleichbares Gebiet<br />
mehr),<br />
• als sauerstoffreiches Refugium während Zeiten des sommerlichen "Sauerstoffloches" in der<br />
Elbe von größter Wichtigkeit, zumal die Sauerstoffproduktion der Algen wegen des aus<br />
Lichtmangel weitgehenden Ausfalles des Phytoplanktons in der künstlich vertieften Fahrrinne<br />
kaum mehr eine Rolle spielt,<br />
• als Winterquartier und Rastplatz für wandernde Wasservögel unersetzlich (nicht umsonst war<br />
es als Ramsar-Gebiet, ein Natur- und Vogelschutzgebiet von internationaler Bedeutung,<br />
ausgewiesen worden) und sollte im Rahmen der Elbevertiefung der 90er-Jahre als eine der<br />
schadensmindernden Maßnahmen als Flachwassergebiet erhalten werden.<br />
Eine erste Hoffnung hingegen stellt die „Elbe-Erklärung“ dar. Am 5.September 1996 einigten sich<br />
NABU, BUND, WWF und Euronatur mit dem Bundesverkehrsministerium auf den Verzicht der des<br />
eigentlich geplanten Umbau der Elbe zur Großwasserstraße. Sowohl das Bundesverkehrsministerium<br />
als auch die Naturschutzverbände sehen die Zukunft der Binnenschifffahrt auf der Strecke Hamburg-<br />
Magdeburg-Tschechien in der Benutzung des Elbe-Seitenkanals. Der Elbe-Seitenkanals erhält damit<br />
einen Ausbauzustand, der mit dem des Mittellandkanals vergleichbar ist und somit dem Standard für<br />
Containerverkehre entspricht. Die untere Mittelelbe bleibt bis zur Anpassung des Elbe-Seitenkanals<br />
für Binnenschiffe im ökologisch verträglichem Rahmen befahrbar. Die Realisierung soll<br />
naturschonend erfolgen, damit das derzeitige ökologische Potential der unteren Mittelelbe erhalten<br />
bleibt. Nach dem Ausbau des Elbe-Seitenkanals werden weitere Verbesserungen in dem Strombett der<br />
Elbe angestrebt.<br />
Mit der Erklärung sind zudem die Chancen für ein vom NABU veranschlagtes Großprojekt zur<br />
Renaturierung der Unteren Havel gestiegen. Die Elbe-Erklärung sieht die Stilllegung des<br />
Flussabschnittes für die Berufsschifffahrt vor. <strong>Das</strong> anvisierte Gebiet hat eine Größe von ca. 50.000 ha.<br />
Die Untere Havel zählt des weiteren zu dem größten zusammenhängenden Binnenfeuchtland<br />
Mitteleuropas.(Quelle: NABU (4))<br />
8
Mit einer kurzen Zusammenstellung einiger Gefahren für das „<strong>Elbeästuar</strong>“ und einem Zitat des<br />
BUND–Niedersachsen, möchte ich meine Ausarbeitung beenden:<br />
<strong>Das</strong> naturnahe Flussbett verliert an Lebensraum, die Artenvielfalt stirbt aus. Durch die Einengung des<br />
Flussbettes nimmt die Strömungsgeschwindigkeit in der Fahrrinne rasant zu, fällt der Wasserspiegel,<br />
drohen angrenzende Auen mit ihren typischen Wäldern, ihren feuchten Wiesen und Gewässern zu<br />
vertrocknen.<br />
„Statt die Flüsse ständig neuen Schiffsgenerationen anzupassen,<br />
sollte das technische Know-how eingesetzt werden,<br />
um die Schiffe den Flüssen anzupassen.<br />
Auch durch Hafen-Kooperation statt Hafen-Konkurrenz<br />
könnten Flussvertiefungen vermieden werden!“<br />
(Quelle: BUND-Niedersachsen (2))<br />
Literatur<br />
Dyer, K.R. (1973): Estuaries: A Phsyical Introduction, John Wiley & Sons, London,135p.<br />
Dyer, K.R. (1979): Estuarine hydrography and sedimentation, Cambridge University Press, Cambridge, 226p.<br />
Gierloff-Emden, H.G. (1980): Geographie des Meeres, Ozeane und Küsten (Teil 2), Walter de Gruyter Verlag,<br />
Berlin, 1310p.<br />
Gierloff-Emden, H.G. (1961): Luftbild und Küstengeographie am Beispiel der dt. Nordseeküste, Selbstverlag der<br />
Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung, Bad Godesberg, 117p.<br />
Little, C. (2000): The Biology of Soft Shores an Estuaries, Oxford University Press, New York, 252p.<br />
Lozán, J.L. & Kausch, H. (1996): Warnsignale aus Flüssen und Ästuaren, Parey Buchverlag, Berlin, 389p.<br />
Microsoft® Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation<br />
Remane, A. (1958): Ökologie des Brackwassers, E. Schweizerbart`sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 348p.<br />
Umweltbundesamt (1989): Überwachung von Schadstoffen im <strong>Elbeästuar</strong><br />
(1) SATGEO http://satgeo.zum.de/satgeo/quicklooks/kueste_01.htm 18.02.2004, 13.07 Uhr<br />
(2) BUND (2004): http://www.bund-niedersachsen.de 05.0220.04, 13.54 Uhr<br />
(3) ELBBUCHT (2004): http://www.elbbucht.de 18.02.2004, 13.35 Uhr<br />
(4) NABU (1999) : http://www.nabu.de/nh/199/fluss199.htm 19.02.2004, 9.47 Uhr<br />
ARGE-ELBE (2004): http://www.arge-elbe.de 12. 02.2004, 18.05 Uhr<br />
ELBE-INSEL (2004):http://www.elbe-insel.de/basis/basis1.php 12.02.2004, 18.09 Uhr<br />
http://www.umwelt.schleswig-holstein.de/sevlet/is/12904 28.01.2004 , 12.23 Uhr<br />
9