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Vorwort - Wiley-VCH

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Einleitung<br />

Harry Potter und der Zauber<br />

der Philosophie<br />

Lassen Sie uns ein kleines Spiel machen. Was fällt Ihnen ein, wenn<br />

Sie das Wort Philosophie hören? Tiefgründig. Schwer verständlich.<br />

Komplex. Mit anderen Worten: eine schwierige Materie, oder?<br />

Wo liegt also die Verbindung zwischen den Harry-Potter-Filmen<br />

und -Büchern und der Philosophie? Wie kann denn in Fantasybüchern,<br />

die sich hauptsächlich an Kinder richten, tatsächlich richtige –<br />

oder gute – Philosophie stecken? Ganz einfach!<br />

Philosophie, sagt Plato, beginnt mit der Neugierde. Und Kinder<br />

sind neugierig auf alles. Sie sind von Natur aus wissbegierig, stellen<br />

Fragen und wollen Neues lernen. Häufig verstehen sie weitaus mehr,<br />

als Erwachsene ihnen zutrauen.<br />

Aus diesem Grund schreckt J. K. Rowling – ebenso wenig wie J. R.<br />

R. Tolkien, C. S. Lewis und weitere herausragende Kinderbuchautoren<br />

– nicht davor zurück, komplexe Themenbereiche anzuschneiden<br />

und anspruchsvolle Fragen aufzuwerfen. Natürlich weiß Rowling,<br />

dass die meisten ihrer Leser nicht alle Subtilitäten und Vielschichtigkeiten<br />

der von ihr behandelten Themen erfassen. Aber sie weiß auch,<br />

dass ihre jungen Leser – genau wie Fang, der an einem großen, saftigen<br />

Drachenknochen knabbert – sehr viele Nährstoffe aus Speisen gewinnen,<br />

die sie nicht vollständig verdauen können.<br />

Dieses Buch richtet sich an Rowling-Fans, die ein paar der in den<br />

Potter-Büchern und -Filmen aufgeworfenen tiefgründigeren Fragen<br />

angehen möchten. Was ist Liebe? Ist sie, wie Rowling sagt, der mächtigste<br />

Zauber von allen? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wenn ja,<br />

wie könnte es aussehen? Muss man den Tod fürchten – oder »bewältigen«,<br />

wie es Harry schließlich gelungen ist? Haben die Menschen<br />

eine Seele? Falls ja, wie ist sie mit ihrem Körper verbunden? Können<br />

Seelen, so sie denn existieren, aufgespalten werden, so wie Voldemort<br />

seine mithilfe der Horkruxe geteilt hat? Was lehren uns Gestaltwand-<br />

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ler wie Animagi und Irrwichte über die Identität und das Selbst?<br />

Muss Macht unweigerlich korrumpieren? Ist Hogwarts eine Musterschule,<br />

oder gibt es Schwächen bei der Ausbildung, welche die Schüler<br />

dort erhalten? Hat Albus Dumbledore recht, wenn er sagt, dass<br />

unsere Entscheidungen weitaus mehr über uns aussagen als unsere<br />

Fähigkeiten? Was lehrt uns die komplexe und faszinierende Persönlichkeit<br />

von Severus Snape über moralische Konflikte, Charakterbeurteilung<br />

und die Möglichkeiten der Wiedergutmachung? Kann es<br />

moralisch vertretbar sein, einen Liebestrank zu verwenden? Stimmt<br />

die Behauptung von Kingsley Shacklebolt, dass »jedes Menschenleben<br />

gleich viel wert ist«? Hat Dumbledore recht, wenn er sagt, dass etwas<br />

real sein kann, selbst wenn es nur im Kopf eines Menschen existiert?<br />

Dieses Buch ist für Potter-Fans von Potter-Fans, von denen die<br />

meisten zufälligerweise in ihrem Berufsalltag professionelle Philosophen<br />

sind. Für das Konzept dieser Veröffentlichungsreihe wird Populärkultur<br />

genutzt – in diesem Fall die Potter-Bücher und -Filme –, um<br />

die Ideen großer Denker zu vermitteln und einer größeren Zielgruppe<br />

bekannt zu machen. Einige Kapitel beschäftigen sich mit der<br />

Philosophie der Harry-Potter-Bücher – den Grundwerten und -voraussetzungen,<br />

die der Buchreihe zugrunde liegen –, wohingegen andere<br />

anhand der in den Büchern aufgeworfenen Themen verschiedene<br />

philosophische Ideen und Perspektiven erörtern. Wie auch viele<br />

andere Wissenschaftler, die mit Popkultur und der philosophischen<br />

Bewegung zu tun haben, hoffen wir, die Philosophie damit aus dem<br />

akademischen Elfenbeinturm zu befreien und ihre Methoden, Ressourcen<br />

und ihren kritischen Geist für jedermann zugänglich zu machen.<br />

Einige der Philosophen, die an diesem Buch mitgearbeitet haben,<br />

waren auch an Harry Potter and Philosophy (2004; hrsg. von David<br />

Baggett und Shawn E. Klein) beteiligt. In mancher Hinsicht ist das<br />

vorliegende Buch eine Fortsetzung davon. Jenes früher erschienene<br />

Buch behandelte jedoch nur die ersten fünf Bände der Potter-Serie.<br />

Deshalb musste manches spekulativ bleiben, denn viele der entscheidenden<br />

Enthüllungen und Handlungsentwicklungen tauchen erst in<br />

den letzten beiden Bänden der Serie auf. Das vorliegende Buch deckt<br />

die gesamte siebenbändige Saga ab und konzentriert sich insbeson-


dere auf die kulminierenden Entwicklungen der letzten beiden Bände.<br />

Das Warten ist also vorüber. Die Fakultät hat sich ein letztes Mal<br />

versammelt, die Große Halle, strahlend hell erleuchtet, summt vor<br />

Geschäftigkeit, und die langen Holztische biegen sich unter der Last<br />

köstlicher Speisen. Es ist wieder Zeit, eure Roben anzulegen, einen<br />

großen Schluck von Baruffios Gehirnelixier zu nehmen und euch auf<br />

ein philosophisches Festmahl vorzubereiten. Es wird ein tolles Jahr<br />

werden.<br />

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