Passagen/Passages - Beat Sterchi
Passagen/Passages - Beat Sterchi
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Pflanzen, die ein Basilisk berührte, verdorrten<br />
augenblicklich, und jeder Ritter, der ihn<br />
aufspiessen wollte, starb durch den blossen<br />
Kontakt mit der Lanze, die das Ungeheuer<br />
berührt hatte. Die beste Waffe gegen einen<br />
Basilisken war ein Spiegel: Sah er sich darin<br />
selbst, wurde er durch seinen eigenen Blick<br />
getötet.<br />
Der Basilisk ist bis heute das Wappentier der<br />
Stadt Basel, in deren Aufzeichnungen davon<br />
berichtet wird, wie am Donnerstag vor dem<br />
Tag des heiligen Lorenz im Jahre 1474 ein<br />
Hahn öffentlich hingerichtet und zusammen<br />
mit dem Ei verbrannt wurde, das er gelegt<br />
hatte und aus dem nach allgemeiner Auffassung<br />
ein Basilisk schlüpfen würde. Dennoch<br />
hat der Name der Stadt etymologisch nichts<br />
mit dem Ungeheuer zu tun, das man unter<br />
den Namen Kwakua oder Cheneganda auch<br />
im Wallis kennt.<br />
Der Vouivre: Dieses schreckliche Fabelwesen,<br />
das auch Karfunkeldrache genannt wurde,<br />
kannte man sowohl in der Schweiz – im<br />
Bernischen Jura, im Wallis, in der Ajoie oder<br />
in den jurassischen Freibergen – als auch in<br />
der französischen Region Franche-Comté.<br />
Der Vouivre wurde als lange, geflügelte<br />
Schlange beschrieben, die wie eine Sternschnuppe<br />
durch die Lüfte glitt. Auf der Stirn<br />
des bedrohlichen Reptils sass ein Karfunkelstein<br />
– sein einziges Auge und der wertvollste<br />
Edelstein der Welt. Sein Blick soll, wie jener<br />
des Basilisken oder der Medusa, tödlich gewesen<br />
sein.<br />
Wenn die furchterregende Drachenschlange<br />
im Sommer ein Bad in einem der nahen Weiher<br />
oder in den Flussbecken des Doubs, der<br />
Sorne oder der Allaine nahm, legte sie vorher<br />
ihr Auge am Uferrand ab. Wer dies jedoch<br />
ausnutzen wollte, um in den Besitz des begehrten<br />
Schatzes zu kommen, begab sich in<br />
grosse Gefahr. Der Vouivre war stets wachsam<br />
und bereit, den Karfunkelstein erbittert<br />
zu verteidigen, denn ohne sein Auge musste<br />
er unter schrecklichen Qualen zugrunde<br />
gehen.<br />
Die kalten Monate verbrachte das Ungeheuer<br />
meist schlafend, versteckt im Winternebel.<br />
Wenn es dann zur Zeit der Schneeschmelze<br />
erwachte und sich erhob, hörte man im Tal<br />
sein Ächzen und Brüllen. Hin und wieder<br />
liess sich der Vouivre, der sich vom goldhaltigen<br />
Sand der grossen Bergseen ernährte,<br />
vom Eis einschliessen und brachte, wenn er<br />
sich wieder befreite, damit den Berg zum<br />
Erzittern. Manchmal als Mischwesen aus<br />
Frau und Schlange oder als feuerspeiende<br />
Schlange beschrieben, glich er auch der im<br />
Wallis beheimateten schwarzen Viper oder<br />
erinnerte an eine böse Sirene.<br />
Die Sirene: Erstaunlicherweise findet man<br />
auch in der Schweiz Darstellungen von Sirenen,<br />
so an den Kapitellen der Kirche im<br />
jurassischen Saint-Ursanne, an der Bilderdecke<br />
der Kirche St. Martin in Zillis (Graubünden)<br />
sowie im Engadin und im Bergell.<br />
Die Schweizer Sirene hat häufig zwei adrette<br />
Schwanzflossen, die das Entspringen der<br />
Rhone und des Rheins symbolisieren.<br />
Die ebenso verführerischen wie hinterlistigen<br />
Sirenen fügten den Menschen oft Schaden<br />
zu. Am Doubs fand der Legende nach einst<br />
ein Fischer, der Vater von sieben Kindern<br />
war, in seinem Netz einen seltsamen Fisch<br />
mit dem Oberkörper einer Frau und Haaren<br />
aus Algen – eine Sirene. Diese bat den<br />
Fischer, ihr seine jüngste Tochter zu zeigen,<br />
und versprach ihm dafür ein besonderes<br />
Geldstück, das ihn reich machen würde. Der<br />
Fischer holte das Neugeborene, das die Sirene<br />
zunächst entzückt betrachtete und plötzlich<br />
behalten wollte. Sie versprach dem Fischer,<br />
ihm alle seine Wünsche zu erfüllen,<br />
doch dieser lehnte ab und lief mit seiner<br />
Tochter davon. Die Sirene stiess wütende<br />
Drohungen aus und schwor, dass das Mädchen<br />
eines Tages ihr gehören würde. Der<br />
Fischer und seine Frau hielten ihre Tochter<br />
daraufhin vom Wasser fern, doch eines Tages<br />
begegnete das Mädchen einem jungen Mann<br />
mit wasserblauen Augen und Algenhaaren,<br />
folgte ihm heimlich und sah, wie er in den<br />
Fluss stieg. Als sie sich neugierig über das<br />
Wasser beugte, wurde sie gepackt und verschwand<br />
in der Tiefe.<br />
Der Bär: Dass der Bär zum Wappentier<br />
Berns wurde, hat seinen Ursprung in einer<br />
Legende über die Gründung der Stadt. Einst<br />
lebte der König von Bern glücklich und<br />
zufrieden in seinem Reich, das sich vom Norden<br />
bis zum Meer erstreckte, als sein Land<br />
plötzlich vom König der Burgunder überfallen<br />
und erobert wurde. Das konnte sich der<br />
König von Bern nicht gefallen lassen, denn er<br />
hatte die Hälfte seines Reiches einem Holzfäller<br />
versprochen, der ihm das Leben gerettet<br />
hatte und dessen Tochter Rovena – die<br />
ebenfalls vom Burgunderkönig gefangengehalten<br />
wurde – er liebte. Da er seinen Besitz<br />
verloren hatte und er bei den Menschen keine<br />
Hilfe fand, wandte er sich an den König<br />
der Bären und schloss mit ihm ein Bündnis. 13<br />
Darauf wurden auf den Bergen als Zeichen<br />
des Krieges Feuer entzündet, und aus allen<br />
Himmelsrichtungen eilten graue, schwarze,<br />
weisse und braune Bären zur Unterstützung<br />
herbei. Angesichts dieser Armee bekam es<br />
der König der Burgunder mit der Angst zu<br />
tun und nahm Reissaus. Rovena, die Tochter<br />
des Holzfällers, war frei, und der König von<br />
Bern konnte sie heiraten. Die Stadt erbaute<br />
er danach am Schauplatz des Sieges und widmete<br />
das Wappen dem König der Bären.<br />
Auch Appenzell und St. Gallen tragen als<br />
Zeichen der Stärke, des Mutes und der Klugheit<br />
einen Bären im Wappen. Dieser war<br />
gleichzeitig aber auch als wildes Tier gefürchtet,<br />
das die Herden angriff. So wurde vom<br />
Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert immer wieder<br />
versucht, den Bären aus der Schweiz zu<br />
vertreiben.<br />
Der Fastnachtsfigur des Strohbären, des Symbols<br />
des Gottes des Frühlings und des Donners,<br />
werden dämonische Kräfte zugeschrieben,<br />
während der aus Zweigen geflochtene<br />
und mit Blumen geschmückte Maibär, den