Passagen/Passages - Beat Sterchi
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E N T Z Ü C K E N U N D E N T S E T Z E N<br />
Der Zoo als kulturelle Institution<br />
Sehschule Tiergarten<br />
Von Peter Studer<br />
nahmebereit sind, haben aufmerksam zugehört,<br />
jedenfalls besser, als wir dies erwartet<br />
hatten. Die Präsenz einer jedermann verständlichen<br />
Ausgangssprache hat sicherlich<br />
die Aufnahme der Musik begünstigt. Wir<br />
waren zum Wortführer der Vögel geworden,<br />
und sie haben unserer Musik Aussagekraft<br />
verliehen. Im Laufe der Konzerte haben wir<br />
uns mit diesem Repertoire immer freier und<br />
wohler gefühlt. Wir beherrschten das Thema<br />
besser, und es gelang uns, besser auf die<br />
Vögel zu antworten. Sie haben eine unglaubliche<br />
Kraft, und es ist nicht immer einfach,<br />
sich dieser anzunähern. Man muss versuchen,<br />
auf ihrem Niveau zu sein, und das gelingt<br />
einem nicht immer! ■<br />
Aus dem Französischen<br />
von Katharina Hofer<br />
Christian Steulet wurde 1961 in Delémont im Jura<br />
geboren. Er studierte moderne und zeitgenössische<br />
Geschichte an der Universität Freiburg, wirkte<br />
anschliessend am Aufbau des Kulturzentrums Fri-<br />
Son mit und gründete, ebenfalls in Freiburg, die<br />
Agentur für geschriebene Kommunikation Transit<br />
TXT. Von 1998 bis 2001 war Christian Steulet Mitglied<br />
des Stiftungsrates von Pro Helvetia und arbeitete<br />
als Journalist für mehrere Westschweizer Tageszeitungen<br />
und Zeitschriften, gegenwärtig ist er<br />
Programmleiter der Association pour l’encouragement<br />
de la Musique impRovisée (AMR) in Genf.<br />
Yves Cerf, Frédéric Folmer, Raúl Esmerode: Ornithologies<br />
– Dix pièces improvisées pour chants d’oiseaux,Altri<br />
Suoni AS 067, 2000<br />
1<br />
Die Association pour l’encouragement de la Musique<br />
impRovisée AMR, der zahlreiche Musiker aus<br />
Genf und Umgebung angehören, veranstaltet im<br />
Parc des Cropettes jedes Jahr Ende Juni ein Musikfestival<br />
mit freiem Eintritt.<br />
S. 30: Jules Spinatsch, Sepp, Balaeniceps Rex,<br />
1998<br />
Um die 600 Millionen Menschen besuchen<br />
jährlich die rund 1000 in der<br />
WAZA (World Association of Zoos<br />
and Aquaria) organisierten Zoologischen<br />
Gärten der Welt. Allein die in der Gesellschaft<br />
wissenschaftlicher Zoos der Schweiz,<br />
ZOOSCHWEIZ, organisierten fünf kleineren<br />
Tiergärten, Basel, Bern, Goldau, Langenberg<br />
und Zürich, hatten im Jahr 2000 ca. 2,87<br />
Millionen Besucher. Zoos sind also ein Teil<br />
der Manifestation menschlicher Gesellschaften<br />
und damit je nach der zugrunde liegenden<br />
Definition Teil der Kultur. Dazu kommt,<br />
dass das für die Haltung von Wildtieren relevante<br />
Wissen in den letzten Jahrzehnten<br />
ebenso rasch gewachsen ist, wie die Verstädterung<br />
unseres Lebens und die damit<br />
verbundene Entfremdung von der Natur<br />
zugenommen hat. Ganz zu schweigen von<br />
der Verschiebung des bewussten Erlebens,<br />
besonders junger Menschen, von einer, wenn<br />
auch noch so naturfernen, so doch immer<br />
noch realen Welt in eine virtuelle. Das alles<br />
regt an, den eigenen Standpunkt immer wieder<br />
zu überdenken, und die Zoologischen<br />
Gärten haben dies seit dem Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges laufend getan.<br />
Wenn sich die Zoos als kulturelle Institutionen<br />
auch im engeren Sinne verstehen, wird<br />
dies nicht ohne Widerspruch bleiben. Die<br />
klassische Bildung unterscheidet klar zwischen<br />
Natur und Kultur. Da sich die Zoos mit<br />
Wildtieren befassen, werden sie ins Umfeld<br />
der Naturwissenschaften verwiesen. Allerdings<br />
hat der Schweizer Heini Hediger, der<br />
Begründer der Disziplin der Tiergartenbiologie,<br />
bereits in den Vierzigerjahren des 20.<br />
Jahrhunderts erkannt, dass die wissenschaftliche<br />
Beschäftigung mit dem Gegenstand Zoo<br />
immer fächerübergreifend ist und auch<br />
Bereiche aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften<br />
umfasst. Die Natur selbst ist<br />
nicht Teil der Kultur, wohl aber die Art und<br />
Weise, wie sich die Menschen mit der Natur<br />
auseinandersetzen, wie sie ihr begegnen und<br />
wie sie diese nutzen.<br />
Zooähnliche Wildtierhaltungen durch Menschen<br />
gibt es seit ca. 4000 Jahren. Sie sind aus<br />
den alten Kaiserreichen Chinas überliefert<br />
und aus den Pharaonenreichen des alten<br />
Ägypten. Die Assyrer kannten Tiergärten<br />
bereits, und als die Spanier das Aztekenreich<br />
zerstörten, trafen sie auch hier auf einen Tierpark<br />
mit Wildtieren. Diese ältesten bekannten<br />
Wildtierhaltungen mit Zoocharakter sind<br />
Ausdruck von Hochkulturen mit städtischen<br />
Zentren. Mit Ausnahme des Tiergartens<br />
Schönbrunn in Wien, der heuer sein 250jähriges<br />
Bestehen feiert, sind die Zoos der<br />
Moderne Produkte des Bildungsbürgertums<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts. Der 1874 eröffnete<br />
Zoologische Garten Basel wurde ausdrücklich<br />
zur Bildung und Erholung der städtischen<br />
Bevölkerung gegründet. Die knapp<br />
bemessene Freizeit reichte nicht aus, um weite<br />
Wanderungen in der Natur zu unternehmen<br />
und dort die einheimischen Tiere zu<br />
beobachten.<br />
In Basel blieb es nicht lange bei einheimischen<br />
Tieren. Zum einen sind einheimische,<br />
das heisst meist alpine Tierarten im Klima<br />
von Basel durchaus nicht problemlos zu halten.<br />
Zum anderen war Basel schon damals<br />
31<br />
eine weltoffene Stadt. Der Zoo bekam darum<br />
ungezählte Tiergeschenke, die Handelsund<br />
Forschungsreisende aus Übersee mitgebracht<br />
hatten. Das Resultat war ein recht<br />
zufälliges Sammelsurium von Tierarten und<br />
eine steigende Begeisterung der Basler für<br />
diese Exotensammlung.<br />
Grundsätzlich neue Akzente wurden im Zoo<br />
Basel gesetzt, als Heini Hediger zum ersten<br />
wissenschaftlichen Leiter des Zoos berufen<br />
wurde. Mit seinen zahlreichen Publikationen<br />
stellte dieser die Wildtierhaltung auf ein wissenschaftliches<br />
Fundament, öffnete die Tür<br />
für den Einfluss der Verhaltensforschung und<br />
setzte eine Entwicklung in Gang, die weg<br />
führte von den Sammlungen hin zu den didaktisch<br />
ausgerichteten modernen Zoos von<br />
heute.<br />
Die 1946 gegründete IUDZG (International<br />
Union of Directors of Zoological Gardens –<br />
heute WAZA) fixierte die vier Tätigkeitsfelder<br />
eines Zoos mit den folgenden Stichworten:<br />
«recreation, education, research and conservation».<br />
In den folgenden Jahrzehnten<br />
brachten die von wissenschaftlich ausgebildeten<br />
Menschen geführten Zoos eine Flut von<br />
Forschungs- und Beobachtungsergebnissen<br />
hervor, die sowohl der Optimierung der Tierhaltung<br />
und der Zootiermedizin dienten als<br />
auch wichtige Beiträge zur Grundlagenforschung<br />
lieferten. Parallel dazu entwickelte<br />
sich die Disziplin der Zoopädagogik, welche<br />
die besonderen Chancen der Zoos wahrnahm,<br />
Informationen über und Verständnis<br />
für Wildtiere an Menschen aller Altersstufen<br />
zu vermitteln.<br />
Bei Zooleuten wuchs in der zweiten Hälfte