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Fall: Wiedereinweisung eines gekündigten Mieters

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Prof. Dr. Hanno Kube SS 2008<br />

<strong>Fall</strong>: <strong>Wiedereinweisung</strong> <strong>eines</strong> gekündigten <strong>Mieters</strong><br />

A ist Eigentümer <strong>eines</strong> Hauses in der kreisfreien rheinland-pfälzischen Stadt S und hat den<br />

Mietvertrag mit seinem Mieter B zum Ende des Jahres 2007 gekündigt. Kündigungsgrund<br />

waren die ausbleibenden Mietzahlungen. B zog nach Ende des Mietverhältnisses jedoch nicht<br />

aus, da seine Suche nach einer anderen Unterkunft erfolglos geblieben war. A erwirkte<br />

daraufhin vor dem Amtgericht einen rechtskräftigen Räumungstitel gegen B und beauftragte<br />

den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung. B wendet sich sodann an die Stadtverwaltung<br />

mit der Bitte, ihn bei der Beschaffung einer Unterkunft zu unterstützen. A erhält daraufhin<br />

von der Stadt S eine Verfügung zugestellt, durch die B in das Haus des A eingewiesen und<br />

dem A aufgegeben wird, den Besitz des B zu dulden. Die Dauer der Einweisung wird auf<br />

einen Zeitraum von zwei Monaten befristet. Zur Begründung führt die Stadt S zutreffend<br />

unter anderem aus, dass in S kein ausreichender Ersatzwohnraum für B zu beschaffen sei.<br />

Ist der Bescheid der Stadt rechtmäßig?<br />

(vgl. dazu Volkmann, JuS 2001, S. 888)


Lösung:<br />

I. Ermächtigungsgrundlage<br />

§ 22 POG (Sicherstellung)?<br />

Dagegen spricht, dass die Sicherstellung in erster Linie auf Fälle zugeschnitten ist, in denen<br />

die Gefahr von der Sache selbst ausgeht oder zumindest mittelbar mit dieser zusammenhängt;<br />

zudem ist sie regelmäßig auf die Begründung einer behördlichen Verwahrung gerichtet, von<br />

der hier aber nicht ausgegangen werden kann.<br />

Daher: § 9 Abs. 1 S. 1 POG<br />

II. Formelle Rechtmäßigkeit<br />

1. Zuständigkeit<br />

§§ 1 Abs. 1 S. 1, 88 Abs. 1 Nr. 1, 89 Abs. 1 POG<br />

2. Verfahren<br />

Anhörung: nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG entbehrlich.<br />

3. Form<br />

III. Materielle Rechtmäßigkeit<br />

1. Tatbestand des § 9 Abs. 1 S. 1 POG<br />

a. Schutzgut: Öffentliche Sicherheit und Ordnung<br />

Obdachlosigkeit beeinträchtigt Leib und Leben des Obdachlosen und damit wichtige<br />

Individualrechtsgüter sowie Grundrechtspositionen (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)<br />

b. Gefahr<br />

Hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Schutzgutes gegeben.<br />

2. Rechtsfolge: Ermessen (§ 3 POG)<br />

a. Entschließungsermessen: Keine Ermessensfehler ersichtlich<br />

b. Auswahlermessen hinsichtlich des Adressaten<br />

aa. A als Verhaltensstörer, § 4 Abs. 1 POG?<br />

Dafür könnte sprechen, dass A durch die von ihm ausgesprochene Kündigung eine<br />

wesentliche Bedingung für die drohende Obdachlosigkeit des B gesetzt hat.<br />

Aber: Als Verhaltensverantwortlicher kann nicht angesehen werden, wer lediglich von einer<br />

ihm zustehenden rechtlichen und durch die Gerichte bestätigen Befugnis Gebrauch gemacht


hat (Rechtswidrigkeitstheorie). Andernfalls ergäbe sich innerhalb der Rechtsordnung ein<br />

unauflöslicher Wertungswiderspruch.<br />

bb. A als Zustandsstörer, § 5 Abs. 1 POG?<br />

§ 5 Abs. 1 S . 1 POG setzt voraus, dass die Gefahr von der Sache selbst ausgeht. Das ist aber<br />

nicht der <strong>Fall</strong>.<br />

cc. Inanspruchnahme des A gem. § 7 POG (polizeilicher Notstand)?<br />

Setzt neben der hier vorliegenden gegenwärtigen erheblichen Gefahr voraus, dass die Gefahr<br />

nicht auf andere Weise abgewendet werden kann und die Heranziehung des eigentlichen<br />

Störers nicht möglich nicht.<br />

Als Störer kommt hier nur B in Betracht, der sich jedoch außerstande ist, sich selbst zu helfen.<br />

Für die anderweitige Abwendbarkeit der Gefahr kommt es entscheidend darauf an, ob<br />

innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Ordnungsbehörde angemessener Ersatzwohnraum<br />

zur Verfügung steht und sich die Behörde bemüht hat, solchen Ersatzwohnraum zu<br />

beschaffen.<br />

Deshalb hier: keine anderweitige Abwendbarkeit der Gefahr.<br />

Mithin liegen die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des A als Nichtstörer im<br />

Rahmen des polizeilichen Notstandes vor.<br />

c. Auswahlermessen hinsichtlich des Mittels<br />

Verhältnismäßigkeitsanforderungen gewahrt<br />

Ergebnis: Die Verfügung der Stadt S ist rechtmäßig.

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