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Atheistische Religionskritik - Katholisch-Theologische Fakultät

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<strong>Atheistische</strong> <strong>Religionskritik</strong><br />

»Viele unserer Zeitgenossen erfassen aber diese innigste und lebensvolle Verbindung mit Gott gar nicht oder<br />

verwerfen sie ausdrücklich. So muss man den Atheismus zu den ernstesten Gegebenheiten dieser Zeit rechnen<br />

und aufs sorgfältigste prüfen.«<br />

[Gaudium et spes, Art. 19]<br />

1 Atheismus<br />

≠ <strong>Religionskritik</strong> (→ intern versus extern)<br />

≠ Leugnung des Theismus<br />

→ Begriffsklärung<br />

1.1 Was bedeutet »Atheismus«?<br />

Definition äußerst problematisch!<br />

→ Besser: differenzierte Behandlung unterschiedlicher Erscheinungsformen<br />

Aber: Vielzahl von Typologien (→ GS, Handbuch der Fth, Waldenfels, Böttigheimer,...)<br />

→ Vorschlag einer arbeitsrelevanten Klassifizierung reflektierter Positionen:<br />

- ohne Anspruch auf Vollständigkeit -<br />

Ausgangspunkt:<br />

Die Existenz Gottes bzw. des Göttlichen ist nicht beweisbar.<br />

Atheismus<br />

Die Behauptung Gott existiert ist falsch.<br />

Agnostizismus<br />

Ob Gott existiert, lässt sich nicht erkennen.<br />

postulatorisch<br />

Die Argumente dafür, dass Gott nicht existiert, überzeugen.<br />

Zur Beachtung:<br />

kategorisch-doktrinär<br />

Dass Gott nicht existiert, ist beweisbar.<br />

- Zuordnung bzw. Bekenntnis zu einem theoretischen Atheismus lassen keinen Schluss auf den<br />

existentiell-praktischen Daseinsvollzug zu.<br />

- Die Fundamentaltheologie interessiert sich primär für eine Auseinandersetzung auf theoretischargumentativer<br />

Ebene. Das pastorale Problem des sog. praktischen Atheismus wird weitgehend<br />

der Praktischen Theologie überlassen.<br />

1.2 Wurzeln des Atheismus<br />

−→ griechisch-römische Philosophie:<br />

(Tendenzen zu)<br />

1


- Skeptizismus<br />

- Genese religiöser Überzeugungen<br />

- naturalistischer Erklärung der Phänomene<br />

1.3 Atheismus als gesellschaftliches Phänomen<br />

ab 17./18. Jh. - warum erst so spät?<br />

Voraussetzung:<br />

Trennung von Theologie und Philosophie/Emanzipation der Vernunft<br />

Kritik der Gottesbeweise −→ Irrationalitätsverdacht<br />

Wiederentdeckung des Skeptizismus −→ Agnostizismus<br />

Entstehung der Naturwissenschaften −→ Inkohärenz<br />

Wiederentdeckung des Materialismus −→ fehlende Erklärungsrelevanz<br />

=⇒<br />

2 Formen atheistischer <strong>Religionskritik</strong><br />

=⇒ doppelte Zielsetzung: Irrationalität und Schädlichkeit des Glaubens aufzeigen<br />

2.1 Strategie<br />

Zu zeigen ist: der Glaube ist unwahr schädlich<br />

↓<br />

↓<br />

Dann folgt: der Glaube ist irrational ethisch nicht verantwortbar<br />

↑<br />

↑<br />

Die Argumente sind: der Glaube ist natürlich erklärbar (1) dysfunktional (2)<br />

überflüssig (3)<br />

sinnlos (4)<br />

inkonsistent (5)<br />

inkohärent (6)<br />

2.2 Prominente Vertreter<br />

Genese Funktionalkritik fehlende Relevanz Sinnlosigkeit<br />

(1) (2) (3) (4)<br />

radikale Aufklärung (18. Jh.) ✓ ✓ ✓ ✓<br />

Feuerbach, Nietzsche,<br />

Marx, Freud (19. Jh.) ✓ ✓<br />

Logischer Positivismus (20. Jh.) ✓<br />

Neuer Atheismus (21. Jh.) ✓ ✓ ✓<br />

2


3 ... und was sagt die <strong>Katholisch</strong>e Kirche?<br />

Dei Filius −→ Gaudium et spes<br />

Anathema sit.<br />

Kompromissaussagen<br />

4 ... und was kann die Theologie sagen?<br />

→ Entgegnung auf dem Hintergrund des kritizistischen Rationalitätsmodells:<br />

zu (1) Rekurs auf natürliche Genese ist ein Trugschluss, die Wahrheit einer Überzeugung hat nichts<br />

damit zu tun, wie die Überzeugung zustande kam. → Kritizistisches Rationalitätsmodell: eine<br />

Überzeugung gilt als (möglicherweise) wahr genau dann, wenn die Einwände (3)–(6) entkräftet<br />

werden können.<br />

zu (2) Die mögliche Schädlichkeit hat nichts mit der möglichen Wahrheit einer Überzeugung zu tun.<br />

Aber: Die Schädlichkeit wäre ein ethisches Argument gegen den Glauben an Gott. → Selbstkritik<br />

und Rückfrage an <strong>Religionskritik</strong>: Ist die Verwirklichung des Humanum ohne Gott möglich/gelungen?<br />

zu (3) Die Naturwissenschaften stoßen an Grenzen. (Vgl. einschlägige Sitzung!) → Der Glaube an Gott<br />

ist nicht überflüssig, wenn er als gute Erklärung verschiedener Phänomene (Existenz des Universums,<br />

Existenz von Bewusstsein, Sinnfrage, etc...) infrage kommt. Mindestanforderung an eine<br />

gute Erklärung ist die logische Widerspruchsfreiheit. D.h. die Einwände (4)–(6) müssen entkräftet<br />

werden können.<br />

zu (4) Auf den Sinnlosigkeitsvorwurf gibt es grundsätzlich drei Antwortmöglichkeiten:<br />

#1 #2 #3<br />

Akzeptanz der Kritik Entgegnung auf die Kritik Bestreitung impliziter Annahmen<br />

↓ ↓ ↓<br />

non-kognitive Interpretation These der Verifikation taugt nicht als<br />

religiöser Rede eschatologischen Verifikation Sinnkriterium<br />

↓ (John Hick) ↓<br />

Irrationalität des Glaubens<br />

alternative Bedeutungstheorien<br />

✗ ✓ ✓<br />

zu (5) Der Glaube an Gott wäre inkonsistent, wenn sich kein in sich schlüssiges Gottesbild aufzeigen<br />

ließe. → Notwendigkeit der theologischen Reflexion der Eigenschaften Gottes<br />

zu (6) Der Glaube an Gott wäre inkohärent, wenn er der Erfahrung widersprechen würde. → Notwendigkeit<br />

der Entwicklung von Lösungsansätzen für das Theodizee-Problem bzw. des Dialogs mit<br />

den Naturwissenschaften<br />

3


Prüfungsfragen<br />

Unterrichtsfach<br />

- Worin besteht das Anliegen des neuzeitlichen Atheismus und was lässt sich aus der Sicht des<br />

christlichen Glaubens dazu sagen? (F2003)<br />

- Erläutern Sie Begriff und Entstehung des Atheismus! Beschreiben und bewerten Sie die Stellungnahme<br />

des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Art.<br />

19–21! (F2006)<br />

- Erläutern Sie den Atheismus-Abschnitt der Pastoralkonstitution Gaudium et spes des Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils! (F2008)<br />

- Stellen Sie die <strong>Religionskritik</strong> von Feuerbach dar und führen Sie aus christlicher Perspektive ein<br />

Gespräch mit ihm! (F2003)<br />

- Inwiefern ist Ludwig Feuerbach ein <strong>Religionskritik</strong>er? Stellen Sie seinen geistigen Weg, seine<br />

Argumentation und Auswirkungen seiner <strong>Religionskritik</strong> dar! (F2007)<br />

- Zur <strong>Religionskritik</strong> von Karl Marx. Was ist Inhalt seiner <strong>Religionskritik</strong>? Wie kann die Theologie<br />

den Argumenten von Marx begegnen? (F2004)<br />

- Erörtern Sie die <strong>Religionskritik</strong> von Karl Marx unter folgenden Gesichtspunkten: geistesgeschichtlich<br />

- philosophische Einordnung, Darstellung, Frage der Aktualität, christliche Gegenkritik<br />

(H2006)<br />

LA vertieft<br />

- Die Auseinandersetzung mit dem Atheismus auf dem I. und II. Vatikanum. Worin besteht der<br />

unterschiedliche Ansatz? (F2007)<br />

- Stellen Sie die <strong>Religionskritik</strong> von Karl Marx dar und nehmen Sie Stellung dazu! (F2008)<br />

4

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