kalmenzone Heft 1
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Cornelius van Alsum<br />
LAURAS STALKER<br />
I<br />
Und dann, sechshundertvierundachtzig Jahre,<br />
Neun Monate und Tage zehn und sieben,<br />
Nachdem er sie erschaut, die einzig wahre,<br />
Stand’s zeitgemäß und schwarz auf weiß geschrieben:<br />
Daß, zöge man erst ab die Wunderschreibe,<br />
Weil sich fixiert des Dichters Avatar,<br />
Vom Canzoniere nur der Stalker bliebe.<br />
E i n Ausgang macht den Irrgang: allzu klar.<br />
Denn fühlte er, nach Reimen und Sestine,<br />
Wer weiß das schon, in sich den Dirty Talker,<br />
Dann sagte er vielleicht zur Konkubine:<br />
„Ich lieb’ sie, ja. Aber für’n Labyrinth<br />
Bin ich zu groß: zwei Köpfe überm Stalker.<br />
Jetzt zieh dich aus. Sei nackt und blind, mein Kind!“<br />
II<br />
Man stellte ihn mir vor … Dreizehn… vor langer Zeit:<br />
Verlegen der Riese, doch ohne Panik,<br />
Und er wußte, was sich vor Frau de Sade schickt.<br />
Ich hör’ jetzt öfters, wie herrlich er schreibt.<br />
Schneehaut und Goldhaar: nur ein Idealbild;<br />
Und ich bin auch nicht sein lebender Stein:<br />
Ich hab’ von jeher Almosen verteilt –<br />
In Brot und Münzen, selbst wo’s niemand wahrnimmt.<br />
Der Dichter spielt nur, er kennt mich ja kaum.<br />
Aber was ist, wenn nicht? Ich grüble schon,<br />
Ob es nicht doch so schlimm war: all die Jahre.<br />
Und jetzt, wo mich die böse Krankheit holt<br />
Und der Firn bald die düstren Flecken taut,<br />
Kann ich ihn nicht mehr fragen.<br />
Der Gedichttitel zitiert eine Formulierung aus Christiane Pöhlmanns Rezension zu einer italienisch-deutschen<br />
Teilausgabe des Canzoniere (FAZ vom 23. Januar 2012).<br />
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