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Kaffee

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GenieSSen // <strong>Kaffee</strong><br />

Der grüne Weg<br />

Das neue Aromageheimnis<br />

des <strong>Kaffee</strong>rösters lautet<br />

Nachhaltigkeit in jeglicher<br />

Hinsicht – vom Herkunftsland<br />

bis zum Mahlgut<br />

Design / nachhaltigkeit<br />

<strong>Kaffee</strong> – Die DeutSchen WiSSen Den Wahren Wert ihreS LiebLinGSGetränKeS<br />

nicht zu Schätzen. fertiG<strong>Kaffee</strong>S auS KapSeLn unD to-Go-pappbecher haben<br />

unS von Dem naturproDuKt entfremDet. vor aLLem: Wir verSchWenDen Den<br />

KicK, DaS GeSchmacKSpotenziaL. pure Geht biS zu Den WurzeLn unD Schaut tief<br />

in Die taSSen. SeLbSt in Die taSSe Der Queen


60 61<br />

r<br />

m<br />

a<br />

<strong>Kaffee</strong>anbaugebiete der 14 größten <strong>Kaffee</strong>produzenten der Welt:<br />

r – robusta, a – arabica, m – gemischt<br />

von Michaela Förster<br />

Der Nebel kriecht aus dem Tal empor, drückt sich durch<br />

das Grün, das jede Felsspalte in Besitz nimmt. Langsam<br />

gewöhnt sich das Auge an das diffuse Licht, das die Wolkendecke<br />

durchbricht: Kleine rote Früchte blitzen aus dem<br />

Dickicht hervor – – das das tropische Wachsen und und Gedeihen hat<br />

System. hat System. Auf Auf diesen diesen <strong>Kaffee</strong>plantagen der Region der Region Tarrazú Tarra- in<br />

Costa zú in Costa Rica, Rica, auf einer auf einer Höhenlage Höhenlage von mehr von mehr als 1500 als 1500 Metern,<br />

Metern, gedeiht gedeiht einer einer der der besten besten <strong>Kaffee</strong>s <strong>Kaffee</strong>s der Welt. der Welt. Aus die- Aus<br />

sen diesen tropischen Regionen zwischen zwischen dem dem Wendekreis des<br />

Krebses des Krebses bis zum bis Wendekreis zum Wendekreis des Steinbocks des Steinbocks stammen stam- die<br />

Bohnen men die für Bohnen das koffeinhaltige für das koffeinhaltige Heißgetränk, Heißgetränk, das im acht- das<br />

zehnten im achtzehnten Jahrhundert Jahrhundert Johann Sebastian Johann Bach Sebastian zu seiner Bach „Kaf- zu<br />

feekantate“ seiner „<strong>Kaffee</strong>kantate“ inspirierte inspirierte und nach dem und nach Zweiten dem Weltkrieg zweiten<br />

in Weltkrieg Deutschland in Deutschland zum Symbol zum des Symbol Wiederaufbaus des Wiederaufbaus und des<br />

Wirtschaftswunders und des Wirtschaftswunders avancierte. avancierte. Der <strong>Kaffee</strong>genuss Der <strong>Kaffee</strong>genuss ist integraler<br />

ist integraler Bestandteil Bestandteil unserer unserer Kultur Kultur und wird und heute wird heute doch<br />

so doch wenig so wenig wertgeschätzt. wertgeschätzt. Auf der Auf einen der einen Seite ist Seite <strong>Kaffee</strong> ist Kaf- ein<br />

Massenprodukt: fee ein Massenprodukt: Rohkaffee Rohkaffee zählt zu zählt den zu wichtigsten den wichtigsten HandelsproHanduktendelsprodukten weltweit weltweit und wird und an den wird großen an den <strong>Kaffee</strong>börsen großen <strong>Kaffee</strong>börsen in New York in<br />

und New London York und gehandelt. London gehandelt. Auf der anderen Auf der anderen Seite ist Seite <strong>Kaffee</strong> ist Kultur: <strong>Kaffee</strong><br />

Das Kultur: anregende Das anregende Heißgetränk Heißgetränk ist mehr ist als mehr nur als ein nur Wachmacher, ein Wachma- der<br />

– cher, mit der viel – Milch mit viel und Milch Zucker und genießbar Zucker genießbar gemacht gemacht – den Bürohengst – den Bü-<br />

auf rohengst Trab hält auf Trab oder hält als bitterer oder als Wermutstropfen bitterer Wermutstropfen zur süßen zur Torte süßen an<br />

Omas Torte an <strong>Kaffee</strong>tisch Omas <strong>Kaffee</strong>tisch gereicht wird. gereicht Wer einmal wird. Wer guten einmal <strong>Kaffee</strong> guten gefühlt, <strong>Kaffee</strong> gerochen,<br />

gefühlt, gekostet gerochen, hat, gekostet dem kommt hat, dem nichts kommt anderes nichts mehr anderes in die mehr Tasse. in<br />

<strong>Kaffee</strong> die Tasse. ist noch <strong>Kaffee</strong> vor ist Bier noch und vor Wasser Bier und das Wasser Lieblingsgetränk das Lieblingsgetränk der Deutschen:<br />

der Deutschen: Im Jahr 2008 Im lag Jahr der 2008 durchschnittliche lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum Pro-Kopf- bei<br />

148 Konsum Litern. bei Die 148 wenigsten Litern. Die Konsumenten wenigsten Konsumenten wissen den wahren wissen Wert den<br />

des wahren <strong>Kaffee</strong>s Wert zu des schätzen; <strong>Kaffee</strong>s zu kein schätzen; Wunder kein bei Wunder einem Preis bei einem von unge- Preis<br />

fähr ungefähr 3,80 Euro 3,80 Euro pro Pfund pro Pfund Röstkaffee. Röstkaffee. Echter Echter <strong>Kaffee</strong>genuss <strong>Kaffee</strong>genuss ist mehr ist<br />

wert mehr als Wert ein als paar ein paar Euro, Euro, in ihm in ihm stecken steckt harte Arbeit und Herzblut.<br />

In Tarrazú hat hat die die Sonne Sonne mittlerweile ihren ihren höchsten höchsten Stand Stand erreicht er–<br />

für reicht den – Betrachter für den Betrachter nur zu erahnen nur zu – erahnen denn es – ist denn Regenzeit es ist Regenzeit und harte<br />

Regentropfen und harte Regentropfen schlagen auf schlagen das Blätterwerk auf das Blätterwerk nieder. Diese nieder. tropischen Diese<br />

Regengüsse tropischen Regengüsse nennen die nennen Costa Ricaner die Costa „Shower“ Ricaner – „Shower“ eine kleine – eine Dusche.<br />

kleine Den Dusche. wertvollen Den wertvollen <strong>Kaffee</strong>kirschen <strong>Kaffee</strong>kirschen kann die Wucht kann der die Wassermas- Wucht der<br />

sen Wassermassen nichts anhaben, nichts das anhaben, Laubwerk das der Laubwerk zwischen der ihnen zwischen gedeihenden ihnen<br />

Schattenbäume gedeihenden Schattenbäume schützt sie vor schützt Regen und sie starker vor Regen Sonneneinstrah-<br />

und starker<br />

lung. Sonneneinstrahlung. Diese ursprüngliche Diese Form ursprüngliche des <strong>Kaffee</strong>anbaus Form des wird <strong>Kaffee</strong>anbaus<br />

in weiten Teilen<br />

wird Costa in weiten Ricas Teilen betrieben, Costa doch Ricas das betrieben, mittelamerikanische doch das mittelame- Land ist<br />

nur rikanische ein kleiner Land Exporteur ist nur ein von kleiner Rohkaffee. Exporteur Hier und von auf Rohkaffee. anderen Plan- Hier<br />

tagen und auf dieser anderen Welt Plantagen kauft der dieser italienische Welt kauft Röster der Illycaffè italienische seinen Röster Rohkaffee,<br />

Illycaffè direkt seinen bei Rohkaffee, den Farmern, direkt ohne bei den Umweg Farmern, über ohne die <strong>Kaffee</strong>börsen.<br />

Umweg über<br />

Die die <strong>Kaffee</strong>börsen. enge Zusammenarbeit Die enge des Zusammenarbeit Unternehmens des mit Unternehmens den <strong>Kaffee</strong>bauern mit<br />

und den <strong>Kaffee</strong>bauern sein Bemühen und um sein nachhaltigen Bestreben Anbau um Nachhaltigen verdeutlicht Luca Anbau Turelverlo,deutlicht Agrarwissenschaftler Luca Turello, Agrarwissenschaftler von Illycaffè: „Für einen von Illycaffè: Espresso „Für benötigt einen<br />

man Espresso 50 <strong>Kaffee</strong>bohnen. benötigt man Ist 50 <strong>Kaffee</strong>bohnen. nur eine einzige Ist <strong>Kaffee</strong>bohne nur eine einzige verdorben, <strong>Kaffee</strong>-<br />

ist bohne der verdorben, Espresso ruiniert.“ ist der Espresso Der Weg ruiniert.“ zum perfekten Der Weg <strong>Kaffee</strong>genuss zum perfekten beginnt<br />

<strong>Kaffee</strong>genuss bereits mit beginnt dem Pflanzensetzling bereits mit dem in Pflanzensetzling den Herkunftsländern. in den Her-<br />

Die kunftsländern. Wiege des <strong>Kaffee</strong>s ist wahrscheinlich das abessinische Hochland<br />

in Die Äthiopien. Wiege des Der <strong>Kaffee</strong>s Legende ist nach wahrscheinlich sollen Hirten das aus abessinische dem äthiopischen Hoch-<br />

Kaffa land in auffälliges Äthiopien. Verhalten Der Legende bei ihren nach Ziegen sollen beobachtet Hirten aus haben: dem äthi- Die<br />

Tiere opischen fanden Kaffa nachts auffälliges keine Ruhe, Verhalten zeigten bei keinerlei ihren Ziegen Müdigkeit. beobachtet<br />

Die formeL für Den perfeKten eSpreSSo: 7 – 9 – 25 – 25<br />

Der kleine Schwarze gilt als der König unter den <strong>Kaffee</strong>s und nicht jeder kurze <strong>Kaffee</strong> darf sich Espresso nennen.<br />

In Italien wacht das „Istituto Nationale Espresso Italiano“ über die Einhaltung der Zubereitungskriterien.<br />

Die wichtigsten Parameter lassen sich in einer Formel zusammenfassen: 7 Gramm Espressopulver werden für<br />

eine Tasse verwendet // 9 Bar beträgt der Druck, unter dem das Wasser durch das Mahlgut gepresst wird / /<br />

25 Sekunden fließt das 92 bis 96 Grad heiße Wasser durch das Espressopulver // 25 Milliliter Genuss enthält<br />

die vorgewärmte Espressotasse<br />

Die Hirten beklagten sich bei den Mönchen eines nahe gelegenen<br />

Klosters über das hyperaktive Verhalten ihrer Tiere. Die Gottesmänner<br />

beobachteten die Tiere, wie sie von einer grünen Pflanze mit kirschenartigen<br />

Früchten aßen. Aus den Früchten bereiteten sich die<br />

Mönche einen Aufguss zu und konnten fortan die ganze Nacht beten<br />

oder angeregte Unterhaltungen führen. Auch heute noch stammen<br />

einige der besten und teuersten <strong>Kaffee</strong>s der Erde aus dem afrikanischen<br />

Hochland. In Sachen Export-Quantität führen Brasilien,<br />

Vietnam und Kolumbien die weltweite Rangliste an. Auf dem Weltmarkt<br />

sind zwei <strong>Kaffee</strong>sorten von Bedeutung: Arabica und Robusta.<br />

Während der Arabica-<strong>Kaffee</strong> reicher an Aromen ist, enthält Robusta<br />

zwar weniger Geschmacksstoffe, dafür aber pro Kilogramm fünf bis<br />

zehn Gramm mehr Koffein als Arabica.<br />

Nicht nur die <strong>Kaffee</strong>art variiert von Herkunftsland zu Herkunftsland,<br />

auch die Art des <strong>Kaffee</strong>anbaus und die Art der Weiterverarbeitungen<br />

haben einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Endproduktes.<br />

In den Erzeugerländern ist <strong>Kaffee</strong> ein wichtiges Exportgut,<br />

dessen Anbau Arbeitsplätze schafft und das Sozialgefüge beeinflusst.<br />

Die Kultivierung der <strong>Kaffee</strong>pflanzen ist sehr arbeitsintensiv<br />

und schafft für circa 20 bis 25 Millionen Menschen in den Produktionsländern<br />

eine Beschäftigungsmöglichkeit. Da der Rohkaffee<br />

vornehmlich aus Dritte-Welt-Ländern importiert wird, sind Themen<br />

wie ökologischer und nachhaltiger Anbau von wachsender Bedeutung:<br />

Mittlerweile stammen zwei bis drei Prozent des <strong>Kaffee</strong>s am<br />

<strong>Kaffee</strong>markt aus zertifiziertem nachhaltigem Anbau und/oder aus<br />

biologischem Anbau gemäß EG-Öko-Verordnung. Die Unternehmen<br />

engagieren sich nicht aus reinem Gutmenschentum in den Herkunftsländern,<br />

sondern auch um Qualitätssicherung bereits beim Anbau<br />

zu betreiben. Grace Mena ist Vorsitzende des zentralamerikanischen<br />

<strong>Kaffee</strong>-Exporteurs Deli-Café und nach über zwanzig Jahren im <strong>Kaffee</strong>-<br />

Business weiß sie, wie der Hase läuft: „Durch das Engagement von<br />

Illycaffè entsteht eine Win-win-Situation für den <strong>Kaffee</strong>farmer und<br />

die Rösterei. Die Farmer erhalten Know-how und höhere Preise und<br />

liefern so dem Kunden bessere Qualität.“ Für Spitzenkaffee muss der<br />

Produktionsprozess von Anfang bis zum Ende überwacht werden, so<br />

sendet Illy einmal im Jahr Spezialisten zu seinen <strong>Kaffee</strong>farmern, um<br />

ihnen die neuesten Standards in der Verarbeitung nahezubringen.<br />

Durch das Engagement von Unternehmen und nichtstaatlichen Organisationen<br />

wie Fair Trade oder Rainforest Alliance steigt auch der<br />

Lebensstandard der <strong>Kaffee</strong>bauern, denn sie können ihr Produkt zu<br />

Preisen über Weltmarktniveau verkaufen. Bei aller Kritik an diesen<br />

Initiativen – sie verbessern die Lebenssituation der Produzenten<br />

und langfristig die Qualität für den Konsumenten.<br />

Die Qualitätsauslese beginnt bereits bei der richtigen Ernte: Die<br />

<strong>Kaffee</strong>kirschen eines Strauches erreichen den optimalen Reifegrad<br />

zeitversetzt. Neben weißen Blüten stehen grüne, gelbe und rote<br />

Früchte sowie überreife schwarze Kirschen. Das Pflücken mit der<br />

Ripping-Methode ist kostengünstig und kann in großen Monokulturen<br />

maschinell ausgeführt werden. Alle Kirschen werden unabhängig<br />

vom Reifegrad geerntet, ein höherer Qualitätsgrad lässt sich nur<br />

durch spätere Auslese erreichen. Beim „Picking“ zupfen die Pflücker<br />

nur die reifen Früchte vom Strauch. Diese selektive Pflückung ist wesentlich<br />

kostenintensiver, da die Erntezeit eine Periode von zehn bis<br />

zwölf Wochen umfassen kann und die Arbeiter den Pflückvorgang<br />

alle acht bis zehn Tage wiederholen. Hat ein Pflücker seinen zwölf<br />

Kilogramm schweren Korb mit <strong>Kaffee</strong>kirschen gefüllt, müssen diese<br />

innerhalb von zwölf und spätestens 24 Stunden nach der Ernte<br />

weiterverarbeitet werden. In Costa Rica läuft dieser Prozess nicht in<br />

großen Anlagen ab, sondern in kleinen Verarbeitungseinheiten, den<br />

sogenannten „Microbeneficios“.<br />

Bei der Nassaufbereitung werden die ganzen Kirschen in Wasser<br />

vorgereinigt und durch Schwemmen minderwertige Bohnen aussortiert.<br />

Der „Entpulper“ entfernt das Fruchtfleisch mechanisch und<br />

legt die beiden dicht aneinandergefügten grünen Steinkerne frei.<br />

Die schleimige Haut, welche die Bohnen zusammenhält, wird durch<br />

einen Fermentationsprozess gelöst. Die im <strong>Kaffee</strong> enthaltenen Enzyme<br />

sind Motor dieser Reaktion, die sich auch auf das spätere Aroma<br />

der Bohne auswirkt. Nach einem weiteren Waschgang und dem<br />

Trocknen der Bohnen ist der Rohkaffee marktfertig. In den kargeren<br />

Anbauregionen dieser Erde bereiten die Farmer ihren <strong>Kaffee</strong> trocken<br />

auf. Die Kirschen werden auf Trockenflächen über drei bis fünf<br />

Wochen ständig bewegt, bis sie einen Wassergehalt von 12 Prozent<br />

aufweisen. Nach der Trocknung wird die Umhüllung der Früchte abgeschält.<br />

Bei beiden Aufbereitungsmethoden sind Sauberkeit und


62 63<br />

GenieSSen // <strong>Kaffee</strong><br />

auf JeDem Kontinent unD in JeDem LanD hat Sich eine anDere typiSche <strong>Kaffee</strong>-<br />

zubereitunGSWeiSe entWicKeLt. Die VietnameSen etwa bereiten ihren muntermacher taSSenweiSe zu unD<br />

SüSSen ihn mit DickflüSSiger konDenSmilch. Dem italieniSchen eSPreSSofan hingegen treibt DieSe trinkgewohnheit tränen in Die<br />

augen: er liebt Seinen kaffee kurz, kräftig. allein auf Dem euroPäiSchen kontinent haben Sich unterSchieDlichSte formen Der<br />

kaffeezubereitung herauSgebilDet – Denen Sich jeweilS ein kaffee-trinker-tyP zuorDnen läSSt<br />

// Der Show-Freund<br />

Vollautomaten<br />

Was Mensch und Maschine bei der<br />

Zubereitung mit dem Siebträger-System<br />

leisten, kann ein Vollautomat auf<br />

Knopfdruck. Die Qualität bleibt bei<br />

jeder Tasse konstant, dafür fehlt dem<br />

<strong>Kaffee</strong> der individuelle Charakter. Das<br />

Design der pflegeleichten Multitalente<br />

ist Blickfang in jeder Küche und die<br />

Modelle reichen von klassisch bis modern.<br />

Vollautomaten sind Maschinen<br />

für Zeigefreudige: Kurz nach Erklingen<br />

des imposanten Mahlgeräusches<br />

spucken sie eine gute Tasse Kaffe aus<br />

– der Eigenaufwand ist minimal.<br />

// Der Franzose<br />

french PreSS<br />

<strong>Kaffee</strong> oder Tee? In der Pressstempelkanne<br />

lassen sich beide Heißgetränke<br />

zubereiten, nur die Kunst des<br />

Milchaufschäumens beherrscht sie<br />

nicht. In den Aspekten Aroma und<br />

Stärke hat die sogenannte Frenchpress<br />

der Papierfiltermethode einiges voraus.<br />

Andererseits verbleiben Öle und Fette<br />

im <strong>Kaffee</strong>, die sich negativ auf den<br />

Cholesterinspiegel auswirken können.<br />

Diese in Frankreich beliebte Brühmethode<br />

hat sich aus dem direkten<br />

Handaufguss entwickelt. Genuss vor<br />

Gesundheit – vive le plaisir!<br />

// Der Weltenbummler<br />

arab./türk./griech. mocca<br />

Die Zubereitung eines Mocca in dem<br />

langstieligen Metallgefäß verlangt<br />

nach Geduld und Geselligkeit. Am<br />

schönsten schlürft sich diese <strong>Kaffee</strong>variante<br />

in gemütlicher Runde, während<br />

auf dem Campingkocher schon die<br />

nächste Kanne bereitet wird. Für<br />

guten Mocca wird eine fein gemahlene,<br />

helle Röstung mit etwas Zucker und<br />

Wasser in der Metallkanne aufgekocht,<br />

bis sich eine Schaumkrone bildet.<br />

Der <strong>Kaffee</strong> bleibt ungefiltert, wird<br />

in kleinen Porzellantassen serviert und<br />

in kleinen Schlucken getrunken.<br />

// Der Italiener<br />

caffettiera<br />

Waschechte Italiener trinken ihren<br />

Espresso in der Bar um die Ecke mit<br />

einer Zigarette in der Hand und einem<br />

geduldigen Gesprächspartner an der<br />

Seite. Zu Hause bei Mama wird der<br />

<strong>Kaffee</strong> mit einer Espressokanne oder<br />

Caffettiera zubereitet. Die Kanne wird<br />

auf der Kochstelle erhitzt und presst<br />

das Wasser mit einem Druck von<br />

maximal 1,5 bar durch das Mahlgut.<br />

Aufgrund des geringen Drucks entsteht<br />

ein Mocca – der im Gegensatz<br />

zum Espresso entweder keine oder nur<br />

eine leicht flüchtige Crema aufweist.<br />

// Der Yuppie<br />

PortionSSySteme<br />

Das Lebenselixier der modernen<br />

Schlipsträger fließt aus Pad- und<br />

Kapselmaschinen. Die Heroen der<br />

Convenient-Gesellschaft bevorzugen<br />

ihren <strong>Kaffee</strong> fertig abgepackt und<br />

konsumfertig. Mit wenigen Fingerbewegungen<br />

lassen sich die unterschiedlichsten<br />

Varianten zubereiten. Schafft<br />

der Automat es, das Wasser mit neun<br />

Bar durch das Mahlgut zu pressen,<br />

kann sogar trinkbarer Espresso entstehen.<br />

Es gibt keine einfachere, aber<br />

auch keine leidenschaftslosere Art der<br />

Zubereitung.<br />

// Der Bodenständige<br />

filterkaffee<br />

Wer erinnert sich nicht an den immer<br />

lächelnden Melitta-Mann aus der<br />

Werbung? Deutschland ist das Land<br />

des Filterkaffees – ob von Hand oder<br />

in der Maschine gebrüht. Zwischen<br />

den Deutschen und seinen <strong>Kaffee</strong><br />

kommt nur ein dünnes Stück Zellulose.<br />

Gefilterter <strong>Kaffee</strong> enthält weniger<br />

Öle und Fette als ungefilterter <strong>Kaffee</strong><br />

und enthält mehr Koffein als Espresso.<br />

Filterkaffee sollte nicht auf Vorrat<br />

produziert werden, auch er schmeckt<br />

frisch gebrüht am besten. Solider kann<br />

man <strong>Kaffee</strong> nicht zubereiten.<br />

// Der Passionierte<br />

SiebträgermaSchinen<br />

Eine Siebträgermaschine ist wie ein<br />

Oldtimer: Sie verlangt nach Liebe und<br />

intensiver Pflege. Im Heimgebrauch ist<br />

der Siebträger nur etwas für leidenschaftliche<br />

<strong>Kaffee</strong>connaisseure und ein<br />

echter Barista sollte mit nichts anderem<br />

arbeiten. Für die Bedienung einer<br />

solchen Schönheit sind umfangreiche<br />

Kenntnisse zu Produkt, Maschine und<br />

<strong>Kaffee</strong> erforderlich. <strong>Kaffee</strong>zubereitung<br />

mit einem Siebträger ist Schweiß und<br />

Herzblut. Wer die Maschine beherrscht<br />

und gut behandelt, wird mit außerordentlichem<br />

<strong>Kaffee</strong>genuss belohnt.<br />

// Der Verzweifelte<br />

löSlicher kaffee<br />

Wenn der kalte Schweiß auf der Stirn<br />

steht und der Kopfschmerz gegen die<br />

Schädeldecke hämmert, dann sind<br />

die Koffein-Entzugserscheinungen so<br />

stark, dass man zu löslichem <strong>Kaffee</strong><br />

greifen darf. Nach einer Reise in die<br />

Welt des <strong>Kaffee</strong>genusses sollte man zu<br />

dieser Zubereitungsart kein Wort mehr<br />

verlieren müssen. Die pure-Redaktion<br />

gedenkt an dieser Stelle all der <strong>Kaffee</strong>bohnen,<br />

die ihr Aroma lassen mussten<br />

– nur weil in Deutschland stündlich<br />

770 000 Tassen löslichen <strong>Kaffee</strong>s konsumiert<br />

werden.<br />

Sorgfalt elementar. Vor allem bei der Fermentation kann Nachlässigkeit<br />

fatale Folgen haben: Eine einzige überfermentierte „Stinkerbohne“<br />

kann eine ganze Ladung <strong>Kaffee</strong> verderben. Übrigens erhält<br />

der seltenste und teuerste <strong>Kaffee</strong> eben durch den besonderen Fermentierungsprozess<br />

seine besondere Note: Die Kirschen der indonesischen<br />

<strong>Kaffee</strong>sorte Kopi Luwak werden von einer Schleichkatze<br />

gefressen. Der Fermentierungsprozess läuft im Darm des Tieres ab<br />

und verleiht dem „Katzenkaffee“ sein besonderes Aroma, das sich<br />

Kenner bis zu 1000 Euro pro Pfund kosten lassen. Aber auf welche<br />

Weise der <strong>Kaffee</strong> auch immer verarbeitet wurde: Am Ende entsteht<br />

Rohkaffee, auch „grüner <strong>Kaffee</strong>“ genannt. Vor dem Verschiffen werden<br />

die Bohnen mechanisch oder per Hand nach verschiedenen<br />

Qualitätsgraden und Größen sortiert. In Säcken von 60 bis 70 Kilogramm<br />

oder als Schüttgut tritt die grüne Bohne in Containern ihre<br />

Reise über die Weltmeere an.<br />

Nach Tausenden von Seemeilen kommt der Rohkaffee am Hamburger<br />

Hafen an. Dort schlägt das Herz des zentraleuropäischen <strong>Kaffee</strong>handels<br />

– der Stadtstaat ist der weltweit größte Umschlagplatz<br />

für <strong>Kaffee</strong>. Allein im Jahr 2008 wurden 17,5 Millionen Sack nicht entkoffeinierten<br />

Rohkaffees in Deutschland eingeführt und große Mengen<br />

nach Weiterverarbeitung und Veredelung in andere Länder ausgeführt.<br />

Eine der ältesten und bis heute durchgängig betriebenen<br />

<strong>Kaffee</strong>schänken Europas liegt auf deutschem Boden: die Gaststätte<br />

„Zum Arabischen Coffe Baum“ in Leipzig, die den schwarzen Muntermacher<br />

seit 1720 kredenzt. Die größten Röstereien der Republik<br />

konzentrieren sich jedoch im Raum Hamburg und Bremen. Die <strong>Kaffee</strong>röstung<br />

selbst ist eine hohe Kunst, die dem Röster viel Erfahrung<br />

und Gefühl abverlangt. Beim trockenen Erhitzen der grünen <strong>Kaffee</strong>-<br />

bohnen entfaltet sich die Seele des <strong>Kaffee</strong>s: Etwa 800 unterschiedliche<br />

Substanzen werden frei, die für das Aroma verantwortlich sind.<br />

Der Röstmeister kitzelt Geschmacksrichtungen und Bitterstoffe aus<br />

dem <strong>Kaffee</strong> und entscheidet über die Sensation auf der Zunge. Er<br />

muss exakt bestimmen können, welche Temperatur und Röstdauer<br />

seinen Bohnen und unserem Gaumen gut tun.<br />

Neben dem weitverbreiteten Verfahren der Trommelröstung hat sich<br />

die computergesteuerte Konvektionsröstung durchgesetzt, bei der<br />

die Bohnen in einem Luftstrom erhitzt werden. So entsteht eine<br />

gleichmäßige Röstung, dafür geht der direkte Kontakt zum Produkt<br />

verloren. Für den optimalen Geschmack sollte die Rösttemperatur<br />

unter 200 Grad Celsius liegen. Da <strong>Kaffee</strong> als Massenprodukt gehandelt<br />

wird – und Zeit gleich Geld ist – wird in einigen Großröstereien<br />

die Maximaltemperatur überschritten. Bei zu heißer Röstung entstehen<br />

Reiz- und Bitterstoffe, die unangenehme Geschmackskomponenten<br />

in die Tasse bringen. Beim Röstgrad existieren zwei Abstufungen:<br />

die dunkle Espressoröstung und die normale helle Röstung.<br />

Für Filterkaffee wird in der Regel eine weniger starke Röstung von<br />

hellbrauner Farbe verwendet, die dem <strong>Kaffee</strong> eine säuerliche Note<br />

verleiht. Daneben existiert die dunkle Röstung, aus der ein <strong>Kaffee</strong><br />

mit vollem, angenehm bitterem Geschmack entsteht. Um den<br />

Geschmack für den Endverbraucher gefällig und gleich zu halten,<br />

werden Bohnen unterschiedlicher Herkunft, Sorte und Qualität gemischt.<br />

Das „Blenden“ erfolgt vor oder nach der Röstung und dient<br />

dazu, Qualitätsschwankungen beim Naturprodukt <strong>Kaffee</strong> auszugleichen.<br />

Auf dem Markt sind aber auch <strong>Kaffee</strong>s mit dem Prädikat „Single<br />

Origin“ oder „Grand Cru“ erhältlich, die aus nur einem Herkunftsland<br />

oder einer speziellen Region stammen. ‹<br />

„Die crema Spricht Die Wahrheit“ – vier Kern-fraGen an<br />

frau WiebKe reineKe-GörinG, <strong>Kaffee</strong>-SommeLière beim maSchinen-herSteLLer Jura<br />

pure: Worin besteht der Unterschied zwischen<br />

einem/r <strong>Kaffee</strong>-Sommelièr/e und einem/r Barista?<br />

Reineke-Göring: Ein Barista ist vornehmlich<br />

der Künstler an der <strong>Kaffee</strong>maschine, klassischerweise<br />

dem Siebträger. Ein <strong>Kaffee</strong>-Sommelièr<br />

beurteilt zusätzlich auch die Rohkaffeequalitäten,<br />

stellt <strong>Kaffee</strong>mischungen oder<br />

pure Origins zusammen, lässt der jeweiligen<br />

<strong>Kaffee</strong>sorte die entsprechende Röstung<br />

zukommen. Der <strong>Kaffee</strong>-Sommelièr kann auch<br />

entsprechend einer Menüfolge eines tollen<br />

Essens den passenden <strong>Kaffee</strong> aussuchen.<br />

pure: Woran erkenne ich einen guten Espresso?<br />

Reineke-Göring: Ein guter Espresso soll serviert<br />

sein in einer rundlichen, nicht zu weiten<br />

Espressotasse, die vorgewärmt ist. Der<br />

Espresso hat eine füllige, dichte Crema, die<br />

keinerlei „Löcher“ aufweist. Die Crema hat<br />

gleichmäßige kleine Poren, der <strong>Kaffee</strong> duftet<br />

angenehm rund aus der Tasse, auf keinen<br />

Fall verbrannt. Wenn der <strong>Kaffee</strong> einen sehr<br />

säuerlichen Geschmack aufweist, ist eine<br />

Nachfrage zur Sorte erlaubt.<br />

pure: Wie bereite ich den bestmöglichen <strong>Kaffee</strong> zu<br />

Hause selbst zu?<br />

Reineke-Göring: Auf den guten <strong>Kaffee</strong>packungen<br />

auch in größeren Geschäften<br />

finden sich Angaben zu Sorte, Röstung,<br />

Aroma, Säurestärke und Vielfalt. Das Probieren<br />

ersetzt dies nur zum Teil. Zu empfehlen<br />

ist eine Sorte aus ganzen Bohnen<br />

in kleiner Verpackung von 100 bis 250<br />

interview | wiebke reineke-göring<br />

Gramm. Den <strong>Kaffee</strong> erst direkt vor dem<br />

Genuss mahlen. Neben kurzer Extraktion<br />

mit hohem Druck sind Brühtemperatur und<br />

Pulvermenge pro Tasse die entscheidenden<br />

Argumente – beides auch hier mit Siebträger<br />

und Vollautomat gut zu realisieren.<br />

pure: Ist der „Crema“-Kult nur eine reine Marketingidee?<br />

Reineke-Göring: Die Crema spricht die Wahrheit<br />

über den Weg des <strong>Kaffee</strong>s von der Bohne<br />

bis in die Tasse. Waren Brühdruck, Brühtemperatur,<br />

Brühzeit und <strong>Kaffee</strong>pulvermenge<br />

neben der optimalen <strong>Kaffee</strong>mischung und<br />

Mahlung perfekt aufeinander abgestimmt<br />

– bildet sich eine füllig weiche, aromatisch<br />

duftende Crema in der Tasse.


64 65<br />

GenieSSen // <strong>Kaffee</strong><br />

Bevor die unterschiedlichen <strong>Kaffee</strong>sorten in den Handel kommen,<br />

werden die Bohnen abgekühlt und luftdicht verpackt. Sauerstoff<br />

ist der ärgste Feind des <strong>Kaffee</strong>aromas: Bereits nach acht<br />

Stunden ungeschützter Lagerung an der Luft kann die Bohne<br />

bis zu 40 Prozent ihres Geschmacks einbüßen.<br />

Keine Wissenschaft ohne Lehre: An der „Università del Caffè<br />

della Germania“ weiht der Triester Röster Illy Gastronomen und<br />

Privatpersonen in die Kunst des <strong>Kaffee</strong>kochens ein. Auf dem<br />

Stundenplan stehen neben Bohnenkunde und Aromen-Chemie<br />

auch Siebträger-Pflege und „Latte Art“. Von der Plantage bis zur<br />

Tasse legt der <strong>Kaffee</strong> Tausende von Kilometern zurück und eine<br />

Vielzahl von Produktionsschritten. „Es ist eine Schande, wenn<br />

der Letzte in dieser Kette den <strong>Kaffee</strong> versaut“, begründet Schulungsleiter<br />

Mathias Gerber seine Mission. Nach vier Stunden<br />

kurzweiligen Bohnenmahlens und Spielens an großen <strong>Kaffee</strong>maschinen<br />

tritt mehr als offensichtlich zu Tage, dass für einen<br />

guten Espresso mehr nötig ist als nur eine imposante Maschine.<br />

Der perfekte Geschmack ist von einer Reihe an Parametern<br />

abhängig, die ein guter Barista perfekt beherrscht. In deutschen<br />

Bars und Restaurants bedient häufig ungeschultes Personal nur<br />

unzureichend gereinigte Maschinen. Weswegen wir uns an einen<br />

suboptimalen <strong>Kaffee</strong>geschmack gewöhnt haben.<br />

Echten <strong>Kaffee</strong>genuss erlebt man beispielsweise im Gerner <strong>Kaffee</strong>-,<br />

Tee- und Schoko-Laden in München. Im alten Villenviertel<br />

wird der beste <strong>Kaffee</strong> Münchens aufgetragen – völlig unprätentiös,<br />

auf Gartenstühlen zwischen Obststand und Bäckerei. Karl-<br />

<strong>Kaffee</strong>- SieGeL – mehr aLS nur aufKLeber // für DaS gute konSumentengewiSSen:<br />

umwelt- unD SozialSiegel auf kaffeePackungen boomen in DeutSchlanD. groSSkonzerne wie<br />

mcDonalDS, tchibo oDer kraft fooDS Schmücken ihre ProDukte mit Dem rainforeSt-alliance-froSch,<br />

Die kaffeekette StarbuckS Verkauft fair gehanDelten kaffee unD Dallmayr kooPeriert bei Seinen<br />

neuen granD-cru-Sorten mit jane gooDall oDer mit karlheinz böhmS äthioPienhilfe „menSchen für men-<br />

Schen“. wir Stellen Die wichtigSten Siegel auf Dem DeutSchen kaffeemarkt unD ihre SchwerPunkte Vor.<br />

4c association<br />

Ziel der 4C Association ist es,<br />

mehr Nachhaltigkeitspraktiken im<br />

gesamten <strong>Kaffee</strong>sektor zu etablieren.<br />

Ihr Verhaltenskodex, der „Common<br />

Code for the Coffee Community“,<br />

wurde von Akteuren der weltweiten<br />

<strong>Kaffee</strong>kette erarbeitet und ist auf<br />

Produktion, Weiterverarbeitung<br />

und Handel von Mainstream-<strong>Kaffee</strong><br />

ausgerichtet. Im Kodex werden zehn<br />

„inakzeptable Praktiken“ abgelehnt,<br />

wie schlimmste Formen von<br />

Kinderarbeit oder Abholzung von<br />

Primärwäldern. Der Abdruck des<br />

4C-Logos auf <strong>Kaffee</strong>verpackungen<br />

ist nicht erlaubt, Hersteller können<br />

durch ein Membership Statement<br />

auf ihre Mitgliedschaft hinweisen.<br />

biosiegel<br />

Das Biosiegel ist das bundeseinheitliche<br />

Dachzeichen für Erzeugnisse<br />

aus dem ökologischen Landbau<br />

und steht für die kontrollierte<br />

Erzeugung und Herstellung von<br />

Bio-Produkten. Nur Produkte, die<br />

mindestens den Anforderungen der<br />

EU-Öko-Verordnung entsprechen,<br />

tragen dieses Siegel. Gekennzeichnete<br />

Lebensmittel dürfen zum Beispiel<br />

nicht unter Einsatz von synthetischen<br />

Pflanzenschutzmitteln oder<br />

leicht löslichen mineralischen Düngern<br />

erzeugt werden. Mindes tens<br />

95 % der landwirtschaftlichen<br />

Zutaten müssen aus ökologischem<br />

Anbau stammen, 5 % können konventionell<br />

erzeugte Bestandteile sein.<br />

Heinz Kleppel ist der Besitzer dieser Genussoase und teilt ganz<br />

zwanglos sein lexikalisches Wissen über <strong>Kaffee</strong> – wenn man<br />

denn nachfragt. Zigarillo schmauchend sitzt er vor seinem Laden<br />

und serviert seinen Stammkunden <strong>Kaffee</strong> in allen gewünschten<br />

Varianten. Für ihn existiert sie nicht – die eine perfekte Art, <strong>Kaffee</strong><br />

zu trinken. Denn mit jeder Zubereitungsweise entfalten sich<br />

verschiedene Aromen. Das Verhalten der Hersteller und Konsumenten,<br />

die meinen, es ganz genau zu wissen, bezeichnet er als<br />

„fast schon sektiererisch“. Kleppel gibt Tipps und Ratschläge,<br />

macht aber keine Vorschriften. Er selbst trinkt gerne Maragogype<br />

aus Mexiko und mag das Aroma der Bohnen, die in einem<br />

kleinen Regenwaldstreifen auf den Galapagos-Inseln gedeihen.<br />

Eher beiläufig erzählt er von diesen Spezialitäten, die buchstäblich<br />

auf der Zunge zergehen und selbst Nicht-<strong>Kaffee</strong>trinker zum<br />

täglichen Koffeinkonsum bekehren. Doch Kleppel empfindet es<br />

vor allem als wichtig, dass mit dem wertvollen Rohstoff <strong>Kaffee</strong><br />

und dem eigenen Körper respektvoll umgegangen wird: „Man<br />

schüttet in den Motor seines Autos das teuerste Öl und in den<br />

eigenen Körper Schund.“<br />

Nebenbei: James Bond schwört nicht nur auf geschüttelten<br />

Martini, sondern auch auf die seltene <strong>Kaffee</strong>sorte „Blue Mountain“<br />

aus dem jamaikanischen Hochland. Dieses Fachwissen<br />

wird den Film-Fans vorenthalten, nur die Leser der Romane von<br />

Ian Fleming gehören zu den Eingeweihten. Die Queen höchstselbst<br />

trinkt den „Blue Mountain“ übrigens auch jeden Morgen<br />

– angeblich.<br />

rainforest alliance<br />

Die Rainforest Alliance ist eine<br />

internationale Nichtregierungsorganisation<br />

und zertifiziert vor allem<br />

<strong>Kaffee</strong>, Kakao, Ananas, Bananen<br />

oder Zitrusfrüchte. Erklärtes Ziel<br />

ist, produktive Landwirtschaft mit<br />

dem Erhalt der Biodiversität zu<br />

verbinden und soziale wie arbeitsrechtliche<br />

Förder- und Schutzmaßnahmen<br />

durchzusetzen. Das Logo<br />

wird vergeben, wenn mindestens<br />

30 % der Inhaltsstoffe von zertifizierten<br />

Betrieben stammen, dies<br />

wird durch die Prozentangabe unter<br />

dem Frosch kenntlich gemacht. Das<br />

Logo ohne weiteren Hinweis bedeutet,<br />

dass 100 % der Inhaltsstoffe<br />

zertifiziert sind.<br />

fair traDe<br />

Das Ziel von TransFair ist es,<br />

benachteiligte Produzentenorganisationen<br />

in den sogenannten<br />

Entwicklungsländern zu stützten<br />

– vornehmlich durch Sicherung<br />

fairer Handelsvereinbarungen.<br />

Produzentengruppen soll durch garantierte<br />

Mindestpreise, Fairtrade-<br />

Prämien und Vorfinanzierung<br />

zu einem besseren Einkommen<br />

verholfen werden. Die internationalen<br />

Fairtrade-Standards umfassen<br />

zudem Aspekte wie Einhaltung der<br />

Menschenrechte oder Förderung<br />

kontrollierten biologischen Anbaus.<br />

Das Fairtrade-Label auf einem Produkt<br />

impliziert, dass 100 Prozent<br />

der Inhaltsstoffe zertifiziert sind.<br />

anDrea illy<br />

ist Chef des Familienunternehmens<br />

Illycaffè, das 1933 von seinem Großvater<br />

Francesco Illy im italienischen<br />

Triest gegründet wurde. Seit 1994<br />

steht der 45-Jährige an der Spitze des<br />

Unternehmens. Neben einem Diplom<br />

in Chemie kann er einen Master in<br />

Business Management vorweisen<br />

„DaS zentrum Der WeLtKuLtur“<br />

anDrea iLLy über KoSmopoLitiSchen <strong>Kaffee</strong>GenuSS,<br />

KnoW-hoW-tranSfer unD KinDerarbeit<br />

pure: Die offene Einstiegsfrage – was bedeutet<br />

<strong>Kaffee</strong> für Sie?<br />

Illy: <strong>Kaffee</strong> ist Teil meines Lebens, er ist Kultur<br />

und Leidenschaft. Wir alle, die in der<br />

<strong>Kaffee</strong>branche arbeiten, haben das Glück,<br />

dass <strong>Kaffee</strong> so reich und vielfältig ist. All die<br />

unterschiedlichen Geschmacksnoten, die<br />

Arten des Anbaus, die Herkunftsländer, die<br />

Möglichkeiten, zu blenden, die Technologie<br />

dahinter, die Arten, <strong>Kaffee</strong> zuzubereiten und<br />

den Gästen zu servieren – <strong>Kaffee</strong> ist sehr<br />

vielfältig, sogar vielfältiger als Wein. Außerdem<br />

ist <strong>Kaffee</strong> das Zentrum der Weltkultur:<br />

<strong>Kaffee</strong> inspiriert uns und regt die Kreativität<br />

an. Dank der stimulierenden Wirkung des<br />

Koffeins verband man <strong>Kaffee</strong> schon immer<br />

mit Kreativität, Kunst und Literatur. <strong>Kaffee</strong>genuss<br />

hat also einen intellektuellen Aspekt.<br />

Letztlich ist <strong>Kaffee</strong> ein sehr kosmopolitisches<br />

Getränk. <strong>Kaffee</strong> hat seine Wurzeln in den ältesten<br />

Kulturen dieser Erde und ist ein leidenschaftliches<br />

und sehr ursprüngliches Produkt.<br />

In Italien muss man nicht einmal das Land<br />

verlassen, um verschiedene Arten der <strong>Kaffee</strong>zubereitung<br />

zu erleben und zu genießen.<br />

Man muss nur in die nächste Stadt reisen<br />

und schon gibt es ein anderes Rezept und<br />

ein anderes Ritual der <strong>Kaffee</strong>zubereitung.<br />

pure: Gibt es in Deutschland eine <strong>Kaffee</strong>kultur,<br />

schätzen die Deutschen guten <strong>Kaffee</strong>?<br />

Illy: Ja, es ist eines der besten Länder! Bis<br />

vor ungefähr zehn Jahren war Deutschland<br />

das Land, das weltweit den besten <strong>Kaffee</strong> importierte,<br />

aus den besten Herkunftsländern<br />

dieser Welt. Zu dieser Zeit war der Import<br />

von Robusta-<strong>Kaffee</strong> nach Deutschland sehr<br />

gering. Dann begann sich dies zu verändern,<br />

denn deutsche Unternehmen stellten plötzlich<br />

<strong>Kaffee</strong> mit einem großen Anteil Robusta-<br />

Bohnen her. Unter anderem weil die Technik<br />

entwickelt wurde, um dem Robusta-<strong>Kaffee</strong><br />

einige der schlechten Aromen zu entziehen.<br />

Letztlich war der <strong>Kaffee</strong>, betrachtet man den<br />

gesamten Markt, nicht mehr so gut wie zuvor.<br />

Just zu dieser Zeit ging auch der <strong>Kaffee</strong>konsum<br />

in Deutschland deutlich und stetig<br />

zurück.<br />

Erst vor Kurzem, etwa in den letzten fünf<br />

bis sieben Jahren, stieg die <strong>Kaffee</strong>-Qualität<br />

wieder an und die Deutschen begannen, viel<br />

Espresso zu konsumieren. Ich glaube, dass<br />

der deutsche Konsument eine besondere<br />

Beziehung zu <strong>Kaffee</strong> hat: Er ist auf der Suche<br />

nach dem besten <strong>Kaffee</strong> und falls er den<br />

nicht findet, zieht er es vor, gar keinen <strong>Kaffee</strong><br />

zu trinken. Denn <strong>Kaffee</strong> konsumiert man aus<br />

zwei Gründen: zum Genuss oder für den Koffein-Kick.<br />

Robusta ist weniger Genuss, mehr<br />

Koffein-Kick. Falls Sie also das Geschmackserlebnis<br />

suchen, werden Sie vielleicht weniger<br />

<strong>Kaffee</strong> trinken, wenn die Mischung mehr<br />

Robusta statt Arabica enthält.<br />

pure: Verstehen die Konsumenten, dass guter<br />

<strong>Kaffee</strong> einen höheren Preis wert ist?<br />

Illy: Ja und nein (lacht). Weil die Qualität des<br />

<strong>Kaffee</strong>s so tief reicht, dass die Menschen den<br />

Unterschied sofort bemerken, vor allem jene<br />

mit Gespür. Wenn man wirklich das Gefühl<br />

hat, dass etwas gut ist, bedarf es nicht vieler<br />

Umschreibungen: Eine Tasse Espresso sagt<br />

mehr als tausend Worte. Qualität ist selbsterklärend.<br />

pure: Det Norske Veritas (DNV), eine der führenden<br />

unabhängigen Zertifizierungs-Stiftungen, hat<br />

in Kooperation mit Illy ein neues <strong>Kaffee</strong>zertifikat<br />

entwickelt. Warum?<br />

Illy: Dieses Zertifikat betrifft die Nachhaltigkeit<br />

der gesamten Zulieferkette. Illycaffè ist<br />

ein Fan von Zertifizierung, da wir der Meinung<br />

sind, dass dies ein aufrichtiger und<br />

transparenter Weg ist, um dem Endverbraucher<br />

unsere Methoden und Handlungsweisen<br />

näherzubringen – unser Statement zu transportieren.<br />

Das neue Zertifikat dient dazu, die<br />

interview | anDrea illy<br />

ökonomische, soziale und ökologische Situation<br />

der <strong>Kaffee</strong>produzenten zu beurteilen.<br />

pure: Was ist neu an diesem Zertifikat?<br />

Illy: Dieser Standard basiert auf drei Säulen:<br />

Erstens arbeiten wir Hand in Hand mit dem<br />

Hersteller, zweitens transferieren wir Knowhow<br />

von und zu den <strong>Kaffee</strong>farmern, drittens<br />

kaufen wir direkt für einen Preis über Weltmarktniveau<br />

– um Qualität zu belohnen. Wir<br />

wollen die Konsumentenzufriedenheit und<br />

den Profit der Bauern maximieren, ohne der<br />

Natur zu schaden.<br />

pure: Können Maßnahmen wie Zertifizierung garantieren,<br />

dass auch <strong>Kaffee</strong>pflücker einen fairen<br />

Lohn erhalten und Kinderarbeit verhindert wird?<br />

Illy: Ja, weil mit diesem Zertifikat der Standard<br />

auch in soziale Aspekte hineinreicht.<br />

Das heißt, auch der Mindestlohn für Pflücker<br />

und Kinderarbeit werden thematisiert.<br />

Das Zertifizierungs-Komitee überprüft die<br />

Farmen jährlich. Zudem müssen sich die<br />

<strong>Kaffee</strong>bauern im Voraus auf die Standards<br />

verpflichten. Das Zertifikat basiert auch auf<br />

Vertrauen. Eine hundertprozentige Garantie<br />

gibt es niemals. Doch es gibt Kontrollen,<br />

Gegenmaßnahmen und eine Rechenschaftspflicht.<br />

Aber lassen Sie uns über das Thema Kinderarbeit<br />

separat sprechen. Kinderarbeit kennt<br />

verschiedene Formen. In einigen Ländern<br />

helfen die Kinder ihren Eltern einfach auf<br />

den Plantagen und pflücken mit ihnen zusammen<br />

den <strong>Kaffee</strong>. Falls sie das davon abhält,<br />

in die Schule zu gehen, ist das natürlich<br />

nicht in Ordnung. Es ist eine andere Sache,<br />

Kinder auszubeuten, wie das beispielsweise<br />

in China in Schuh- oder Spielzeugfabriken<br />

geschieht. Wo Kinder gezwungen, unterbezahlt<br />

und bestraft werden. Ich glaube, dass<br />

es solche Kinderarbeit auf 99 Prozent der<br />

<strong>Kaffee</strong>plantagen nicht mehr gibt.

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