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Kaffee

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GenieSSen // <strong>Kaffee</strong><br />

Bevor die unterschiedlichen <strong>Kaffee</strong>sorten in den Handel kommen,<br />

werden die Bohnen abgekühlt und luftdicht verpackt. Sauerstoff<br />

ist der ärgste Feind des <strong>Kaffee</strong>aromas: Bereits nach acht<br />

Stunden ungeschützter Lagerung an der Luft kann die Bohne<br />

bis zu 40 Prozent ihres Geschmacks einbüßen.<br />

Keine Wissenschaft ohne Lehre: An der „Università del Caffè<br />

della Germania“ weiht der Triester Röster Illy Gastronomen und<br />

Privatpersonen in die Kunst des <strong>Kaffee</strong>kochens ein. Auf dem<br />

Stundenplan stehen neben Bohnenkunde und Aromen-Chemie<br />

auch Siebträger-Pflege und „Latte Art“. Von der Plantage bis zur<br />

Tasse legt der <strong>Kaffee</strong> Tausende von Kilometern zurück und eine<br />

Vielzahl von Produktionsschritten. „Es ist eine Schande, wenn<br />

der Letzte in dieser Kette den <strong>Kaffee</strong> versaut“, begründet Schulungsleiter<br />

Mathias Gerber seine Mission. Nach vier Stunden<br />

kurzweiligen Bohnenmahlens und Spielens an großen <strong>Kaffee</strong>maschinen<br />

tritt mehr als offensichtlich zu Tage, dass für einen<br />

guten Espresso mehr nötig ist als nur eine imposante Maschine.<br />

Der perfekte Geschmack ist von einer Reihe an Parametern<br />

abhängig, die ein guter Barista perfekt beherrscht. In deutschen<br />

Bars und Restaurants bedient häufig ungeschultes Personal nur<br />

unzureichend gereinigte Maschinen. Weswegen wir uns an einen<br />

suboptimalen <strong>Kaffee</strong>geschmack gewöhnt haben.<br />

Echten <strong>Kaffee</strong>genuss erlebt man beispielsweise im Gerner <strong>Kaffee</strong>-,<br />

Tee- und Schoko-Laden in München. Im alten Villenviertel<br />

wird der beste <strong>Kaffee</strong> Münchens aufgetragen – völlig unprätentiös,<br />

auf Gartenstühlen zwischen Obststand und Bäckerei. Karl-<br />

<strong>Kaffee</strong>- SieGeL – mehr aLS nur aufKLeber // für DaS gute konSumentengewiSSen:<br />

umwelt- unD SozialSiegel auf kaffeePackungen boomen in DeutSchlanD. groSSkonzerne wie<br />

mcDonalDS, tchibo oDer kraft fooDS Schmücken ihre ProDukte mit Dem rainforeSt-alliance-froSch,<br />

Die kaffeekette StarbuckS Verkauft fair gehanDelten kaffee unD Dallmayr kooPeriert bei Seinen<br />

neuen granD-cru-Sorten mit jane gooDall oDer mit karlheinz böhmS äthioPienhilfe „menSchen für men-<br />

Schen“. wir Stellen Die wichtigSten Siegel auf Dem DeutSchen kaffeemarkt unD ihre SchwerPunkte Vor.<br />

4c association<br />

Ziel der 4C Association ist es,<br />

mehr Nachhaltigkeitspraktiken im<br />

gesamten <strong>Kaffee</strong>sektor zu etablieren.<br />

Ihr Verhaltenskodex, der „Common<br />

Code for the Coffee Community“,<br />

wurde von Akteuren der weltweiten<br />

<strong>Kaffee</strong>kette erarbeitet und ist auf<br />

Produktion, Weiterverarbeitung<br />

und Handel von Mainstream-<strong>Kaffee</strong><br />

ausgerichtet. Im Kodex werden zehn<br />

„inakzeptable Praktiken“ abgelehnt,<br />

wie schlimmste Formen von<br />

Kinderarbeit oder Abholzung von<br />

Primärwäldern. Der Abdruck des<br />

4C-Logos auf <strong>Kaffee</strong>verpackungen<br />

ist nicht erlaubt, Hersteller können<br />

durch ein Membership Statement<br />

auf ihre Mitgliedschaft hinweisen.<br />

biosiegel<br />

Das Biosiegel ist das bundeseinheitliche<br />

Dachzeichen für Erzeugnisse<br />

aus dem ökologischen Landbau<br />

und steht für die kontrollierte<br />

Erzeugung und Herstellung von<br />

Bio-Produkten. Nur Produkte, die<br />

mindestens den Anforderungen der<br />

EU-Öko-Verordnung entsprechen,<br />

tragen dieses Siegel. Gekennzeichnete<br />

Lebensmittel dürfen zum Beispiel<br />

nicht unter Einsatz von synthetischen<br />

Pflanzenschutzmitteln oder<br />

leicht löslichen mineralischen Düngern<br />

erzeugt werden. Mindes tens<br />

95 % der landwirtschaftlichen<br />

Zutaten müssen aus ökologischem<br />

Anbau stammen, 5 % können konventionell<br />

erzeugte Bestandteile sein.<br />

Heinz Kleppel ist der Besitzer dieser Genussoase und teilt ganz<br />

zwanglos sein lexikalisches Wissen über <strong>Kaffee</strong> – wenn man<br />

denn nachfragt. Zigarillo schmauchend sitzt er vor seinem Laden<br />

und serviert seinen Stammkunden <strong>Kaffee</strong> in allen gewünschten<br />

Varianten. Für ihn existiert sie nicht – die eine perfekte Art, <strong>Kaffee</strong><br />

zu trinken. Denn mit jeder Zubereitungsweise entfalten sich<br />

verschiedene Aromen. Das Verhalten der Hersteller und Konsumenten,<br />

die meinen, es ganz genau zu wissen, bezeichnet er als<br />

„fast schon sektiererisch“. Kleppel gibt Tipps und Ratschläge,<br />

macht aber keine Vorschriften. Er selbst trinkt gerne Maragogype<br />

aus Mexiko und mag das Aroma der Bohnen, die in einem<br />

kleinen Regenwaldstreifen auf den Galapagos-Inseln gedeihen.<br />

Eher beiläufig erzählt er von diesen Spezialitäten, die buchstäblich<br />

auf der Zunge zergehen und selbst Nicht-<strong>Kaffee</strong>trinker zum<br />

täglichen Koffeinkonsum bekehren. Doch Kleppel empfindet es<br />

vor allem als wichtig, dass mit dem wertvollen Rohstoff <strong>Kaffee</strong><br />

und dem eigenen Körper respektvoll umgegangen wird: „Man<br />

schüttet in den Motor seines Autos das teuerste Öl und in den<br />

eigenen Körper Schund.“<br />

Nebenbei: James Bond schwört nicht nur auf geschüttelten<br />

Martini, sondern auch auf die seltene <strong>Kaffee</strong>sorte „Blue Mountain“<br />

aus dem jamaikanischen Hochland. Dieses Fachwissen<br />

wird den Film-Fans vorenthalten, nur die Leser der Romane von<br />

Ian Fleming gehören zu den Eingeweihten. Die Queen höchstselbst<br />

trinkt den „Blue Mountain“ übrigens auch jeden Morgen<br />

– angeblich.<br />

rainforest alliance<br />

Die Rainforest Alliance ist eine<br />

internationale Nichtregierungsorganisation<br />

und zertifiziert vor allem<br />

<strong>Kaffee</strong>, Kakao, Ananas, Bananen<br />

oder Zitrusfrüchte. Erklärtes Ziel<br />

ist, produktive Landwirtschaft mit<br />

dem Erhalt der Biodiversität zu<br />

verbinden und soziale wie arbeitsrechtliche<br />

Förder- und Schutzmaßnahmen<br />

durchzusetzen. Das Logo<br />

wird vergeben, wenn mindestens<br />

30 % der Inhaltsstoffe von zertifizierten<br />

Betrieben stammen, dies<br />

wird durch die Prozentangabe unter<br />

dem Frosch kenntlich gemacht. Das<br />

Logo ohne weiteren Hinweis bedeutet,<br />

dass 100 % der Inhaltsstoffe<br />

zertifiziert sind.<br />

fair traDe<br />

Das Ziel von TransFair ist es,<br />

benachteiligte Produzentenorganisationen<br />

in den sogenannten<br />

Entwicklungsländern zu stützten<br />

– vornehmlich durch Sicherung<br />

fairer Handelsvereinbarungen.<br />

Produzentengruppen soll durch garantierte<br />

Mindestpreise, Fairtrade-<br />

Prämien und Vorfinanzierung<br />

zu einem besseren Einkommen<br />

verholfen werden. Die internationalen<br />

Fairtrade-Standards umfassen<br />

zudem Aspekte wie Einhaltung der<br />

Menschenrechte oder Förderung<br />

kontrollierten biologischen Anbaus.<br />

Das Fairtrade-Label auf einem Produkt<br />

impliziert, dass 100 Prozent<br />

der Inhaltsstoffe zertifiziert sind.<br />

anDrea illy<br />

ist Chef des Familienunternehmens<br />

Illycaffè, das 1933 von seinem Großvater<br />

Francesco Illy im italienischen<br />

Triest gegründet wurde. Seit 1994<br />

steht der 45-Jährige an der Spitze des<br />

Unternehmens. Neben einem Diplom<br />

in Chemie kann er einen Master in<br />

Business Management vorweisen<br />

„DaS zentrum Der WeLtKuLtur“<br />

anDrea iLLy über KoSmopoLitiSchen <strong>Kaffee</strong>GenuSS,<br />

KnoW-hoW-tranSfer unD KinDerarbeit<br />

pure: Die offene Einstiegsfrage – was bedeutet<br />

<strong>Kaffee</strong> für Sie?<br />

Illy: <strong>Kaffee</strong> ist Teil meines Lebens, er ist Kultur<br />

und Leidenschaft. Wir alle, die in der<br />

<strong>Kaffee</strong>branche arbeiten, haben das Glück,<br />

dass <strong>Kaffee</strong> so reich und vielfältig ist. All die<br />

unterschiedlichen Geschmacksnoten, die<br />

Arten des Anbaus, die Herkunftsländer, die<br />

Möglichkeiten, zu blenden, die Technologie<br />

dahinter, die Arten, <strong>Kaffee</strong> zuzubereiten und<br />

den Gästen zu servieren – <strong>Kaffee</strong> ist sehr<br />

vielfältig, sogar vielfältiger als Wein. Außerdem<br />

ist <strong>Kaffee</strong> das Zentrum der Weltkultur:<br />

<strong>Kaffee</strong> inspiriert uns und regt die Kreativität<br />

an. Dank der stimulierenden Wirkung des<br />

Koffeins verband man <strong>Kaffee</strong> schon immer<br />

mit Kreativität, Kunst und Literatur. <strong>Kaffee</strong>genuss<br />

hat also einen intellektuellen Aspekt.<br />

Letztlich ist <strong>Kaffee</strong> ein sehr kosmopolitisches<br />

Getränk. <strong>Kaffee</strong> hat seine Wurzeln in den ältesten<br />

Kulturen dieser Erde und ist ein leidenschaftliches<br />

und sehr ursprüngliches Produkt.<br />

In Italien muss man nicht einmal das Land<br />

verlassen, um verschiedene Arten der <strong>Kaffee</strong>zubereitung<br />

zu erleben und zu genießen.<br />

Man muss nur in die nächste Stadt reisen<br />

und schon gibt es ein anderes Rezept und<br />

ein anderes Ritual der <strong>Kaffee</strong>zubereitung.<br />

pure: Gibt es in Deutschland eine <strong>Kaffee</strong>kultur,<br />

schätzen die Deutschen guten <strong>Kaffee</strong>?<br />

Illy: Ja, es ist eines der besten Länder! Bis<br />

vor ungefähr zehn Jahren war Deutschland<br />

das Land, das weltweit den besten <strong>Kaffee</strong> importierte,<br />

aus den besten Herkunftsländern<br />

dieser Welt. Zu dieser Zeit war der Import<br />

von Robusta-<strong>Kaffee</strong> nach Deutschland sehr<br />

gering. Dann begann sich dies zu verändern,<br />

denn deutsche Unternehmen stellten plötzlich<br />

<strong>Kaffee</strong> mit einem großen Anteil Robusta-<br />

Bohnen her. Unter anderem weil die Technik<br />

entwickelt wurde, um dem Robusta-<strong>Kaffee</strong><br />

einige der schlechten Aromen zu entziehen.<br />

Letztlich war der <strong>Kaffee</strong>, betrachtet man den<br />

gesamten Markt, nicht mehr so gut wie zuvor.<br />

Just zu dieser Zeit ging auch der <strong>Kaffee</strong>konsum<br />

in Deutschland deutlich und stetig<br />

zurück.<br />

Erst vor Kurzem, etwa in den letzten fünf<br />

bis sieben Jahren, stieg die <strong>Kaffee</strong>-Qualität<br />

wieder an und die Deutschen begannen, viel<br />

Espresso zu konsumieren. Ich glaube, dass<br />

der deutsche Konsument eine besondere<br />

Beziehung zu <strong>Kaffee</strong> hat: Er ist auf der Suche<br />

nach dem besten <strong>Kaffee</strong> und falls er den<br />

nicht findet, zieht er es vor, gar keinen <strong>Kaffee</strong><br />

zu trinken. Denn <strong>Kaffee</strong> konsumiert man aus<br />

zwei Gründen: zum Genuss oder für den Koffein-Kick.<br />

Robusta ist weniger Genuss, mehr<br />

Koffein-Kick. Falls Sie also das Geschmackserlebnis<br />

suchen, werden Sie vielleicht weniger<br />

<strong>Kaffee</strong> trinken, wenn die Mischung mehr<br />

Robusta statt Arabica enthält.<br />

pure: Verstehen die Konsumenten, dass guter<br />

<strong>Kaffee</strong> einen höheren Preis wert ist?<br />

Illy: Ja und nein (lacht). Weil die Qualität des<br />

<strong>Kaffee</strong>s so tief reicht, dass die Menschen den<br />

Unterschied sofort bemerken, vor allem jene<br />

mit Gespür. Wenn man wirklich das Gefühl<br />

hat, dass etwas gut ist, bedarf es nicht vieler<br />

Umschreibungen: Eine Tasse Espresso sagt<br />

mehr als tausend Worte. Qualität ist selbsterklärend.<br />

pure: Det Norske Veritas (DNV), eine der führenden<br />

unabhängigen Zertifizierungs-Stiftungen, hat<br />

in Kooperation mit Illy ein neues <strong>Kaffee</strong>zertifikat<br />

entwickelt. Warum?<br />

Illy: Dieses Zertifikat betrifft die Nachhaltigkeit<br />

der gesamten Zulieferkette. Illycaffè ist<br />

ein Fan von Zertifizierung, da wir der Meinung<br />

sind, dass dies ein aufrichtiger und<br />

transparenter Weg ist, um dem Endverbraucher<br />

unsere Methoden und Handlungsweisen<br />

näherzubringen – unser Statement zu transportieren.<br />

Das neue Zertifikat dient dazu, die<br />

interview | anDrea illy<br />

ökonomische, soziale und ökologische Situation<br />

der <strong>Kaffee</strong>produzenten zu beurteilen.<br />

pure: Was ist neu an diesem Zertifikat?<br />

Illy: Dieser Standard basiert auf drei Säulen:<br />

Erstens arbeiten wir Hand in Hand mit dem<br />

Hersteller, zweitens transferieren wir Knowhow<br />

von und zu den <strong>Kaffee</strong>farmern, drittens<br />

kaufen wir direkt für einen Preis über Weltmarktniveau<br />

– um Qualität zu belohnen. Wir<br />

wollen die Konsumentenzufriedenheit und<br />

den Profit der Bauern maximieren, ohne der<br />

Natur zu schaden.<br />

pure: Können Maßnahmen wie Zertifizierung garantieren,<br />

dass auch <strong>Kaffee</strong>pflücker einen fairen<br />

Lohn erhalten und Kinderarbeit verhindert wird?<br />

Illy: Ja, weil mit diesem Zertifikat der Standard<br />

auch in soziale Aspekte hineinreicht.<br />

Das heißt, auch der Mindestlohn für Pflücker<br />

und Kinderarbeit werden thematisiert.<br />

Das Zertifizierungs-Komitee überprüft die<br />

Farmen jährlich. Zudem müssen sich die<br />

<strong>Kaffee</strong>bauern im Voraus auf die Standards<br />

verpflichten. Das Zertifikat basiert auch auf<br />

Vertrauen. Eine hundertprozentige Garantie<br />

gibt es niemals. Doch es gibt Kontrollen,<br />

Gegenmaßnahmen und eine Rechenschaftspflicht.<br />

Aber lassen Sie uns über das Thema Kinderarbeit<br />

separat sprechen. Kinderarbeit kennt<br />

verschiedene Formen. In einigen Ländern<br />

helfen die Kinder ihren Eltern einfach auf<br />

den Plantagen und pflücken mit ihnen zusammen<br />

den <strong>Kaffee</strong>. Falls sie das davon abhält,<br />

in die Schule zu gehen, ist das natürlich<br />

nicht in Ordnung. Es ist eine andere Sache,<br />

Kinder auszubeuten, wie das beispielsweise<br />

in China in Schuh- oder Spielzeugfabriken<br />

geschieht. Wo Kinder gezwungen, unterbezahlt<br />

und bestraft werden. Ich glaube, dass<br />

es solche Kinderarbeit auf 99 Prozent der<br />

<strong>Kaffee</strong>plantagen nicht mehr gibt.

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