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Zur Philosophie der Schulfächer* - Klaus Giel

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(3) als ein sich verhaltendes Wesen, das sich zu an<strong>der</strong>en sich verhaltenden Wesen, Organismen<br />

und Körpern verhält; und (4) schließlich als ein umweltloses Wesen, das in einer von<br />

seinesgleichen geschaffenen, sekundären Wirklichkeit lebt und überlebt.<br />

Es ist kein Zufall, daß die Dimensionen, in denen <strong>der</strong> Mensch in <strong>der</strong> Fraglichkeit seines Daseins<br />

vor sich selber gebracht wird, an die überlieferten Kategorien <strong>der</strong> Ontologie <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

erinnern, an eine Ontologie, die das Seiende in unbelebte, belebte und beseelte Natur<br />

einteilt und in die Wirklichkeit des Geistes als dem Gestaltungsprinzip <strong>der</strong> Kultur. Es war sicher<br />

die Fraglichkeit des Wissens, was die <strong>Philosophie</strong> dazu bewegte, das Wissen auf vorab<br />

konstituierte Gegenstandsbereiche zu fundieren. Dabei hat sie die Frage nach dem Sinn des<br />

Wissens nach Art <strong>der</strong> Forschung bearbeitet und zu beantworten versucht: Die Forschung baut<br />

stets auf vorhandenem Wissen auf, und in diesem Sinne hat dann auch die Ontologie versucht,<br />

das Wissen auf ein unüberholbar erstes Wissen zu fundieren. Dadurch hat sie die gegenständliche<br />

Unverbürgtheit <strong>der</strong> wissenschaftlichen Repräsentation bereits im Ansatz verfehlt.<br />

Vor diesem Hintergrund sei dann noch einmal hervorgehoben: Es gibt keinen letzten Halt des<br />

Wissens 46 . Sein Ursprung liegt nicht im Wesen <strong>der</strong> Dinge, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Rätselhaftigkeit und<br />

Fraglichkeit unserer Existenz, die, wo sie die Wirklichkeit auf sich als <strong>der</strong>en Subjektum zu<br />

beziehen versucht, sich selber verliert. Anthropologisch gesehen verdankt das Wissen sich einer<br />

eigentümlichen Produktivität, die aus den geschichtslosen Tiefen unserer Existenz aufsteigt<br />

und in <strong>der</strong> Lesbarkeit <strong>der</strong> Wirklichkeit ihren Ausdruck findet. [63/64] So wenig es einen<br />

letzten Halt des Wissens geben kann, so wenig kommt es an ein Ende: zu einem alle Texte in<br />

sich aufhebenden Gesamttext. Die Lesbarkeit <strong>der</strong> Welt ist daher immer nur in einer Mehrzahl<br />

von relativ selbständigen Texten vermittelt, die in keiner logischen Beziehung zueinan<strong>der</strong> stehen,<br />

son<strong>der</strong>n in einer durch die Typik <strong>der</strong> Textbildung bedingten Ähnlichkeitsrelation, in <strong>der</strong><br />

ein Text an den an<strong>der</strong>n erinnert. Die Repräsentationsfunktion <strong>der</strong> so verstandenen Texte erklärt<br />

sich nicht aus einer letzten, nicht hintergehbaren Beziehung auf etwas außerhalb seiner,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Text repräsentiert nur seine eigene „Bildung“, die hinter seiner „Mache“ verborgene<br />

Produktivität. In diesem Sinne heißt es, um ihn noch einmal zu Wort kommen zu lassen,<br />

bei Heisenberg: „Denn Erkennen heißt, das sinnlich wahrnehmbare Außen mit den Urbil<strong>der</strong>n<br />

innen vergleichen und es damit als übereinstimmend zu beurteilen.“ 47<br />

Damit will, aufs Ganze gesehen, gesagt sein: In <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung des Wissens (die nicht<br />

identisch ist mit <strong>der</strong> Rekonstruktion des Forschungsprozesses) bleibt ein obzwar ungegenständlicher<br />

Bezug auf die Dimensionen <strong>der</strong> Fraglichkeit erhalten. Die lesbar gewordene Wirklichkeit<br />

erscheint daher als körperlich-anorganische, als Wirklichkeit von Organismen, als<br />

solche von Interaktionen und Kommunikationen und kulturellen Objektivationen. Allein: eine<br />

ontologische Deckung haben diese Wirklichkeitsbereiche nicht.<br />

4.3 Elementare Repräsentationsformen<br />

Die Frage, wie die Dekomposition des Wissens veranstaltet, „gemacht“ o<strong>der</strong> inszeniert wird,<br />

haben wir bisher übergangen. Aus den Überlegungen zum formalen Aspekt <strong>der</strong> Dekomposition<br />

ergibt sich hinsichtlich ihrer Inszenierung die For<strong>der</strong>ung, dass sie in Formen vollzogen<br />

werden muss, denen ein „fruchtbarer Moment“ innewohnt, <strong>der</strong> die Bildkraft in den Tiefen unserer<br />

Existenz aktualisiert, die die Texte generiert, in denen die fraglich gewordene Wirklichkeit<br />

entziffert wird. Die Formen <strong>der</strong> Dekomposition müssen, mit an<strong>der</strong>en Worten, Winke enthalten,<br />

die das Fußfassen in einer rätselhaften Wirklichkeit ermöglichen. Wir suchen somit<br />

solche Formen des Zugriffs auf das Wissen, die es nicht im Sinne von Informationen abrufen,<br />

46 Vgl. dazu auch R. Dahrendorf 1964, 48.<br />

47 Heisenberg 1989, a. a. O., S. 264.

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