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Heft [PDF] - Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.

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Buchbesprechungen<br />

Buchbesprechung<br />

Gregor Thüsing<br />

Arbeitnehmerdatenschutz<br />

und Compliance<br />

Effektive Compliance im<br />

Spannungsfeld von reformiertem<br />

BDSG, Persönlichkeitsschutz<br />

und betrieblicher Mitbestimmung<br />

C. H. Beck 2010<br />

ISBN 978-3-406-60497-3<br />

308 Seiten, kartoniert, 79,00 Euro<br />

(sj) Gregor Thüsing, Arbeitsrechtler<br />

an der Universität Bonn, hat ein mutiges<br />

Buch geschrieben. Zusammen mit seinen<br />

Mitarbeitern Gerrit Forst, Thomas<br />

Granetzny und Wolfgang Schorn hat<br />

er sich an die Themen Compliance<br />

und Arbeitnehmerdatenschutz gewagt,<br />

obwohl – oder gerade weil –<br />

die Mitarbeiterüberwachung durch<br />

den Arbeitgeber demnächst gesetzlich<br />

neu geregelt werden soll. Dass<br />

Thüsing trotzdem Zeit und Energie in<br />

das Buchprojekt gesteckt hat, spricht<br />

<strong>für</strong> ihn – und <strong>für</strong> eine zweite, aktualisierte<br />

Auflage.<br />

Mutig ist das Werk aber auch unter<br />

einem ganz anderen Gesichtspunkt:<br />

Bei zahlreichen Streitfragen stellt sich<br />

Thüsing konsequent gegen die so genannte<br />

herrschende Meinung. Dies<br />

kann beim Leser <strong>für</strong> Begeisterung, aber<br />

auch <strong>für</strong> Befremdung sorgen. Doch<br />

dazu später.<br />

Thematisch kann „Arbeitnehmerdaten<br />

schutz und Compliance“ grob in<br />

vier Teile untergliedert werden: Knapp<br />

ein Zehntel des Buchs widmet Thüsing<br />

dem Thema Compliance; dieser erste<br />

Part ist vor allem <strong>für</strong> den Leser von<br />

Interesse, der sich als Datenschützer<br />

dem Thema nähert. Im zweiten Teil erläutert<br />

Thüsing auf gut 40 Seiten das<br />

System des Beschäftigtendatenschutzes.<br />

Im dritten Abschnitt des Buchs werden<br />

dann fünf „Konfliktfelder des<br />

Arbeitnehmerdatenschutzes“ dargestellt:<br />

der elektronische Datenabgleich,<br />

die Sichtung und Speicherung von<br />

E-Mails und Logfiles, die Sichtung von<br />

Telefonverbindungsdaten, die Videoüberwachung<br />

und das Fragerecht des<br />

Arbeitgebers bei der Einstellung.<br />

Der vierte und letzte Teil behandelt<br />

den Datentransfer im Konzern,<br />

die Datenweitergabe an Dritte, verschiedene<br />

Informationspflichten, die<br />

Rechts folgen einer unerlaubten Datenverarbeitung<br />

sowie betriebsverfassungsrechtliche<br />

As pek te.<br />

Schon dieser allgemeine Überblick<br />

belegt, dass das Werk inhaltlich<br />

mehr bietet, als der Titel suggeriert.<br />

Beispielsweise werden Fragerecht und<br />

Datennutzung bei Einstellung auf etwa<br />

20 Seiten abgehandelt, ohne dass deutlich<br />

wird, in welchem Zusammenhang<br />

sie zur Compliance stehen. Ob diese<br />

und andere Ausführungen nun als<br />

„Sahnehäubchen“ verstanden werden<br />

oder als „Sättigungsbeilage“, muss jeder<br />

Leser <strong>für</strong> sich entscheiden. Aber<br />

wer wie Thüsing laut Klappentext<br />

„Vorstände und Geschäftsführer“ als<br />

Zielgruppe im Auge hat, sollte sich vielleicht<br />

eher knapper fassen. (Nebenbei:<br />

<strong>Datenschutz</strong>beauftragte werden nicht<br />

als Zielgruppe genannt.)<br />

Sinnbildlich beschreibt Thüsing<br />

Compliance als einen Weg zwischen<br />

Scylla und Charybdis, als eine Passage<br />

zwischen Mitarbeiterüberwachung und<br />

Beschäftigtendatenschutz. Anders als<br />

weiland Odysseus steuert Thüsing jedoch<br />

nicht elegant zwischen diesen beiden<br />

Gefahren hindurch, sondern wagt<br />

sich gemeinsam mit dem Leser bedenklich<br />

nah an die Überwachungs-Scylla<br />

heran. Oder um es mit deutlicheren<br />

Worten zu sagen: Thüsing vertritt eine<br />

Compliance-freundliche Position, die<br />

<strong>für</strong> Datenschützer stellenweise schwer<br />

erträglich ist.<br />

Ausgehend von der Prämisse, dass<br />

„gebotene“ Compliance-Maß nahmen<br />

letztendlich nicht gegen <strong>Datenschutz</strong>vorschriften<br />

verstoßen können, konstruiert<br />

Thüsing eine Rechtswirklichkeit,<br />

die außerhalb seines Werks so nicht<br />

existiert. So vertritt Thüsing beispielsweise<br />

die Auffassung, dass das<br />

Telekommunikationsgesetz (TKG) im<br />

Arbeitsverhältnis auch dann nicht anwendbar<br />

sei, wenn der Arbeitgeber<br />

die private Nutzung von Telefonieund<br />

Internet-/E-Mail-Diensten erlaubt.<br />

Leider kann er seine Rechtsmeinung<br />

nicht über zeugend begründen. Gewagt<br />

ist auch die Behauptung, Be triebsvereinbarungen<br />

seien „gesetzliche<br />

Vorschriften“ im Sinne des Telekommuni<br />

kations rechts (und damit<br />

Rechtsgrundlage <strong>für</strong> eine Datenverarbeitung).<br />

Dass diese Behauptung<br />

dem eindeutigen Wortlaut des TKG<br />

widerspricht, ficht Thüsing nicht<br />

an. Es handele sich um eine „bloße<br />

Ungenauigkeit bei der Formulierung“,<br />

also um eine Nachlässigkeit des Gesetzgebers.<br />

Befremdlich wirkt auch die These, dass<br />

sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in<br />

keinem Über-/Unterordnungsverhältnis<br />

befinden, sondern sich als autonome<br />

Privatrechtssubjekte gegenüberstehen.<br />

Dies mag rechtlich der Fall<br />

sein, die Realität sieht angesichts des<br />

Weisungsrechts des Arbeitgebers und<br />

der wirtschaftlichen Abhängigkeit des<br />

Arbeitnehmers anders aus. Wie Thüsing<br />

aus der rein juristischen Gleichstellung<br />

des Arbeitnehmers auf eine „freiwillige<br />

Datenherausgabe“ zu schließen, geht an<br />

der betrieblichen Wirklichkeit vorbei.<br />

Thüsing wäre insgesamt überzeugender,<br />

wenn er keine Rosinenpickerei<br />

betreiben würde. Mal zieht er die<br />

Gesetzesbegründung heran, um gegen<br />

den Wortlaut des Gesetzes zu argumentieren.<br />

An anderer Stelle lehnt er die<br />

Begründung als „Motivirrtum“ ab, weil<br />

sie seine Auslegung des Gesetzestextes<br />

nicht stützt. In der Gesamtheit gesehen<br />

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DANA • <strong>Datenschutz</strong> Nachrichten 3/2010

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