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BUNDESTAGS-STUDIE<br />
Kapitäne könnten sich bei Söldnereinsatz strafbar machen<br />
16.08.2011, 17:37 Uhr <strong>abendblatt</strong>.<strong>de</strong><br />
Der Wissenschaftliche Dienst <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages warnt in einem Gutachten vor<br />
<strong>de</strong>m Einsatz privater Sicherheitsleute im Kampf gegen Piraten.<br />
<br />
Soldaten <strong>de</strong>r British Navy nehmen einen somalischen Piraten fest<br />
(Archivbild)<br />
Foto: picture alliance / Photoshot<br />
HAMBURG . Für Kapitäne <strong>de</strong>utscher Han<strong>de</strong>lsschiffe könnte <strong>de</strong>r Einsatz privater<br />
Sicherheitskräfte gegen Piratenangriffe ernste juristische Folgen haben. Das geht<br />
aus einem Gutachten <strong>de</strong>s Wissenschaftlichen Dienstes <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages hervor, das<br />
von <strong>de</strong>r Grünen-Bun<strong>de</strong>stagsabgeordneten Valerie Wilms in Auftrag gegeben wur<strong>de</strong><br />
und <strong>de</strong>m "Hamburger Abendblatt" (Mittwoch-Ausgabe) vorliegt.<br />
Mo<strong>de</strong>rne Piraterie<br />
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Piraten-Prozess in Hamburg<br />
In <strong>de</strong>r Studie heißt es, eine Strafbarkeit könne sich dann ergeben, wenn <strong>de</strong>r Kapitän<br />
die nötigen Abwehrmaßnahmen fahrlässig falsch einschätze und <strong>de</strong>mentsprechend<br />
unangemessene Anweisungen an die Sicherheitskräfte erteile. "Hierdurch<br />
könnte sich ein Kapitän wegen fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise Tötung<br />
strafbar machen.“<br />
Eine zivilrechtliche Haftung <strong>de</strong>s Kapitäns für Schä<strong>de</strong>n, die seine Sicherheitskräfte<br />
verursacht hätten, sei ebenfalls <strong>de</strong>nkbar. Laut Studie müssten aber die genauen<br />
Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s jeweiligen Einzelfalles geprüft wer<strong>de</strong>n.<br />
Auch die Sicherheitsleute selbst könnten sich in einem Gerichtsverfahren in Deutschland<br />
wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n: "Überschreiten die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste bewusst<br />
die Grenzen <strong>de</strong>s Notwehrrechts, kommt eine Strafbarkeit wegen Körperverletzungs-,
eziehungsweise Tötungs<strong>de</strong>likten inBetracht.“ Hätten die Wachkräfte sich über das<br />
Vorliegen einer Notwehrlage geirrt, komme eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit in<br />
Betracht. Die Wachleute stecken noch in einem weiteren Dilemma: Sie dürfen laut<br />
Gutachten zwar Schusswaffen nach <strong>de</strong>m Waffengesetz mit sich führen, "es stellt sich<br />
aber die Frage, ob diese Art <strong>de</strong>r Bewaffnung zur Piratenabwehr geeignet ist“.<br />
Gleichzeitig sei es rechtlich problematisch, die Söldner mit Kriegswaffen – also beispielsweise<br />
Maschinengewehren o<strong>de</strong>r Handgranaten – auszustatten.<br />
Eine Schwierigkeit stellen nach Einschätzung <strong>de</strong>s Wissenschaftsdienstes die unterschiedlichen<br />
gesetzlichen Befugnisse an Bord dar.<br />
So dürfe nach <strong>de</strong>m Gesetz allein <strong>de</strong>r Kapitän Maßnahmen zur Gefahrenabwehr<br />
anordnen: "In <strong>de</strong>r Praxis könnten Konflikte entstehen, wenn Kapitän und Sicherheitsdienst<br />
die Gefährdungslage und die erfor<strong>de</strong>rlichen Maßnahmen unterschiedlich<br />
einschätzen.“<br />
Die Bun<strong>de</strong>sregierung hatte zuletzt auf Druck <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Ree<strong>de</strong>r zugesagt, eine<br />
gesetzliche Absicherung <strong>de</strong>r Arbeit von Sicherheitskräften an Bord zu prüfen. Außer<strong>de</strong>m<br />
will sie ihre Beteiligung an <strong>de</strong>r Anti-Piraten-Mission Atalanta verstärken, <strong>de</strong>ren<br />
Führung Deutschland am Sonnabend übernommen hat.<br />
For<strong>de</strong>rungen, Polizisten o<strong>de</strong>r Soldaten auf Han<strong>de</strong>lsschiffen mitfahren zu lassen, erteilte<br />
sie eine Absage.<br />
Grünen-Politikerin Wilms kritisierte das Vorgehen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung. "Mit <strong>de</strong>r<br />
Verweigerung <strong>de</strong>r Hilfe durch Militär o<strong>de</strong>r Polizei drängt man die Ree<strong>de</strong>reien gera<strong>de</strong>zu<br />
<strong>zum</strong> Ausflaggen. Für die Besatzungen muss <strong>de</strong>r Eindruck stehen bleiben,<br />
dass sie von <strong>de</strong>r Politik alleine gelassen wer<strong>de</strong>n“, sagte Wilms <strong>de</strong>m Abendblatt.<br />
Die Bun<strong>de</strong>sregierung setze an <strong>de</strong>r falschen Stelle an.<br />
Der Schutz vor Piraten sei eine staatliche Aufgabe, die als erstes eine politische Lösung<br />
in Somalia brauche. "Es fehlen jegliche Vorschläge, wie die Ursachen <strong>de</strong>r Piraterie<br />
bekämpft wer<strong>de</strong>n können. Statt<strong>de</strong>ssen wird eine Lösung mittels privater<br />
Sicherheitsdienste vorgegaukelt, die es so nicht geben kann – und die eine weitere<br />
Eskalation <strong>de</strong>r Gewalt be<strong>de</strong>uten“, kritisierte Wilms.