Die Arztpraxis im Zugewinnausgleich - frank und thiele, koch

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Die Arztpraxis im Zugewinnausgleich
Möglicherweise ist zunächst diese Einführung für Sie von Interesse: Vermögensauseinandersetzung.pdf
Wenn bei einer Scheidung ein Zugewinnausgleich durchgeführt wird – dies geschieht,
sobald ein Ehepartner es beantragt –, muss der Wert einer Arztpraxis
oder Psychotherapeutenpraxis ermittelt werden. Denn die Praxis ist ein Unternehmen,
und der Wert dieses Unternehmens ist ein Vermögensgut, welches bei
der Aufstellung des Endvermögens anzugeben ist.
Bei der Wertermittlung ist darauf zu achten, dass der laufende Verdienst des Berufsträgers
nicht gleichzeitig als Vermögen gerechnet wird: Die Höhe des Einkommens
bestimmt bereits den Kindesunterhalt und den eventuellen Ehegattenunterhalt.
Wenn das Einkommen zusätzlich noch als Vermögen eingestellt und
im Zugewinnausgleich geteilt werden soll, findet eine Doppelverwertung statt, die
rechtlich nicht vorgesehen ist.
Andererseits hängt der Wert einer Praxis in hohem Maße von der Person ab, die
sie führt. Die Patientenbindung nach Inhaberwechsel wird in einer Einzelpraxis
mit allenfalls zwei Jahren veranschlagt, bei gemeinschaftlicher Berufsausübung
währt sie etwas länger.
Für den Zugewinnausgleich wird ermittelt: Welchen Wert hätte die Praxis (oder
der Praxisanteil) bei Weiterführung durch denselben Berufsträger hätte (Fortführungswert)
Die vorherrschende Wertermittlung, die den „Hinweisen zur Bewertung von Arztpraxen“
der Bundesärztekammer und der KBV entspricht, unterscheidet nicht genug
zwischen dem Fortführungswert und dem Übergabewert (Verkaufspreis). Die
Formel lautet vereinfacht so:
Substanzwert + ideeller Wert = Praxiswert
Der Substanzwert einer Praxis kann in der Regel dem Anlageverzeichnis der
Gewinn- und Verlustrechnung entnommen werden: Einrichtung, Informationstechnologie
und medizintechnischen Ausstattung (falls vorhanden auch: Immobilie,
Firmenwagen usw.). Es werden aber nicht die AfA-Werte (steuerlichen Ab-
Uwe Koch, Fachanwalt für Familienrecht in der Kanzlei Frank und Thiele, Koch, Hamburg – Kontakt: koch@aerztescheidung.de
Diese Texte sind nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, aber keine Rechtsberatung. Eine Haftung ist ausgeschlossen.

schreibungen) genommen, sondern die Wiederbeschaffungswerte (Zeitwert).
Eine Kontrollüberlegung ist immer: Was würde ein Praxisnachfolger allein dafür
zahlen, die Ausstattung in toto zu übernehmen?
Zweiter Bestandteil des Praxiswerts ist der ideelle Wert. Ein gängiger Rechenweg
dafür ist:
(Jahresgewinn vor Steuern) – (Facharztgehalt) x 2 = ideeller Praxiswert
Dies ist aber nur eine Faustregel. Die einzelnen Elemente einer Wertermittlung
werden nicht schematisch, sondern nach den Umständen des Einzelfalls gewichtet.
Das bedeutet: Im Zugewinnausgleich muss zu dem Wert einer Praxis konkret
und detailliert vorgetragen werden. Die Scheidungspartei (oder ihr Rechtsanwalt)
sollten sich nicht nur auf die GuV-Rechnung verlassen, die zum Zwecke der
Steuerklärung erstellt wurde. Die folgenden Merkpunkte geben eine Hilfe:
● Nur der übertragbare Umsatz wird berücksichtigt, also die Einnahmen, die
auch ein Nachfolger realisieren könnte. Liquidationen aus Belegarzttätigkeit, personenbezogene
Abrechnungsgenehmigungen, gutachterliche Tätigkeit, Lehrtätigkeit
– all dies wird nicht ohne Weiteres auch zum Umsatz des Nachfolgers gehören.
Da es sich bei einer Wertermittlung aus Anlass der Scheidung um einen
fiktiven Nachfolger handelt, dessen persönliche Voraussetzungen unbekannt
sind, müssen die personengebundenen Umsätze außer Acht bleiben.
● Nur die übertragbaren Kosten (und Kostenvorteile!) werden von diesem Umsatz
abgezogen. Wenn zum Beispiel die Praxisübergabe unweigerlich Veränderungen
in der Mitarbeiterschaft nach sich ziehen würde (mitarbeitende Familienmitglieder),
dann ist der durchschnittliche Aufwand zur Wiederherstellung der
gleichen Personalausstattung zu berücksichtigen.
● Von dem so ermittelten übertragbaren Gewinn wird der Durchschnitt der letzten
drei abgeschlossenen Kalenderjahre zugrunde gelegt.
● Abgezogen wird davon ein kalkulatorischer Arztlohn: Er besteht aus dem
Betrag, den der Berufsträger auch als Facharzt in angestellter Tätigkeit erzielen
würde. Nur was diese Personalkosten übersteigt, zählt zum Wert des Unternehmens.
Dieser Rechenschritt ist der umstrittenste. Die Bundesärztekammer empfiehlt,
den kalkulatorischen Arztlohn mit großzügigen Abschlägen zu bilden:
Facharztlohn – umsatzabhängiger Abzug = kalkulatorischer Arztlohn
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Beispiel: Für 2008 wurde angenommen, dass ein Facharzt durchschnittlich
76.000 € verdient. Dieses Durchschnittsgehalt soll von dem übertragbaren Gewinn
nur dann abgezogen werden, wenn dieser 240.000 € oder mehr beträgt.
Liegt der Jahresumsatz bei 120.000 €, soll nur die Hälfte des Durchschnittsgehalts
abgezogen werden, also 38.000 €.
In den Psychotherapeutenkammern wird diskutiert, dass noch geringere Beträge
abgezogen werden sollen, weil die erzielbaren Umsätze geringer, die delegierbaren
Tätigkeiten weniger und der Kostenanteil am Umsatz niedriger seien. Dies
führt zu der Ermittlung höherer Praxiswerte.
Im Zugewinnausgleich ist dies jedoch nicht gerechtfertigt, weil das Erwerbseinkommen
bereits im Unterhalt verteilt wird. Obwohl sich Überschneidungen nicht
vermeiden lassen (beim Unterhalt geht es um das erarbeitete Einkommen, beim
Zugewinn um einen Vermögenswert, der auf künftigen Einkommenserwartungen
beruht), ist es im Ergebnis angemessener, den Praxiswert im Zweifel eher konservativ
zu kalkulieren.
Nach den bis hierhin beschriebenen Rechenschritten wird die ermittelte Größe
mit 2 multipliziert, um den ideellen Praxiswert zu erhalten.
Beispiel: Albrechts Praxis
Substanzwert (Anlagen, Ausstattung) 120.000 €
Jahresumsatz, soweit nicht personengebunden 220.000 €
Betriebsausgaben – 120.000 €
Kalkulatorischer Arztlohn – 70.000 €
30.000 €
Ideeller Wert (30.000 x 2) 60.000 €
Praxiswert 180.000 €
● Fehlerhaft an der hier beschriebenen (vorherrschenden) Methode ist bereits,
dass das Bruttogehalt des Facharztes ohne die Arbeitgebernebenkosten eingestellt
wird. Der Arzt als Unternehmer muss auch diese selbst erwirtschaften.
● Der Bundesgerichtshof hat keine bestimmte Bewertungsart festgelegt. Er überprüft
Entscheidungen der Familiengerichte nur daraufhin, ob sie einen nachvollziehbaren
Maßstab anlegen. Damit wird die Auseinandersetzung um die zutreffende
Bewertungsmethode in das einzelne Verfahren verlagert.
● Auch die genannten „Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen“ der Bundesärztekammer
und der KBV verzichten bewusst auf die Empfehlung einer bestimm-
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ten Bewertungsmethode. Sie sind auf den Fall der Veräußerung der Praxis zugeschnitten,
nicht auf den Fall der Weiterführung. Die Psychotherapeutenkammern
einzelner Länder haben ebenfalls Leitlinien herausgegeben. In ihnen spielt
die Dämpfung des Bieterwettbewerbs unter den Bedingungen der Zulassungsbeschränkung
eine herausragende Rolle.
● Bei der Berechnung des immateriellen Wertes einer Praxis ist konkret zu untersuchen,
welche Auswirkungen die Fortführung durch einen anderen Berufsträger
hätte. Je mehr die Bindung des Patienten an die Praxis auf einem persönlichen
Vertrauensverhältnis beruht, umso weniger sagt der Ertrag der Vergangenheit
über die Gewinnaussichten in der Zukunft.
● Andere wertbeeinflussende Merkmale sind in den Rechenformeln nicht vorgesehen.
Anerkannt ist, dass „weiche Faktoren“ wie Lage der Praxis, Ausstrahlung,
Alter und Vernetzung des Berufsträgers, städtebauliche Entwicklungen, ja selbst
Parkbuchten in Praxisnähe, den Wert um bis zu 20 Prozent beeinflussen können.
● Bei der Ermittlung eines Startvorteils (Wert der Praxisübernahme im Vergleich
zur Neugründung) werden die rechtlichen Schranken des Verkaufs einer Patientenkartei
oft übersehen. Dies führt zu unrealistisch hohen Praxiswerten.
Die vorstehende Darstellung illustriert das Konfliktpotential bei der Bestimmung
eines Praxiswerts. Die Wertfestsetzungen sind Abstraktionen. Es ist bedeutsam,
einem vom Gericht bestellten Gutachter die entscheidenden Daten und Umstände
zu unterbreiten und ihm die richtigen Fragen zu stellen.
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