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MEMMI La statue de sei

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512 <strong>MEMMI</strong> <strong>La</strong> <strong>statue</strong> <strong>de</strong> <strong>sei</strong><br />

schienen 1957. - Die Analyse <strong>de</strong>r selbstdurchlittenen<br />

Kolonisierung und die vergebliche Suche nach<br />

Lösungen ftir <strong>de</strong>n einzelnen Betroffenen, die Memmis<br />

erste bei<strong>de</strong> Romane bestimmen (<strong>La</strong> <strong>statue</strong> <strong>de</strong><br />

se!, 1953; Agar, 1955), führten <strong>de</strong>n Autor zur generellen<br />

Reflexion über die koloniale Situation und<br />

damit zur Gattung <strong>de</strong>s Essays. In <strong>de</strong>n zwei Teilen<br />

<strong>de</strong>s Portrait wird die <strong>La</strong>ge <strong>de</strong>s Kolonisators und <strong>de</strong>s<br />

Kolonisietten in allen Teilaspekten beschrieben;<br />

die systematische, vor allem ökonomisch, politisch<br />

und psychologisch orientiette Analyse legt die Gesetzmäßigkeiten<br />

offen, die das Verhältnis von Unterdrücker<br />

und Unterdrücktem bestimmen. Ein expliziter<br />

Rückgriff auf theoretische Ansätze zur<br />

Deutung, z. B. aus Philosophie o<strong>de</strong>r Soziologie,<br />

bleibt zwar durchgehend ausgespart; die Nähe zu<br />

Erklärungsmo<strong>de</strong>llen wie <strong>de</strong>nen eines HEGEL o<strong>de</strong>r<br />

MARX ist jedoch offenkundig.<br />

Das typische Verhaltensmuster <strong>de</strong>s Kolonisators<br />

grün<strong>de</strong>t nach Memmi in einem Nero-Komplex:<br />

Die usurpiette Rolle <strong>de</strong>s Dominieren<strong>de</strong>n muß mit<br />

allen Mitteln <strong>de</strong>r Unterdrückung bis hin zur Geschichtsfalschung<br />

abgesichett und als legitim nachgewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n; die Herabwürdigung <strong>de</strong>s U nterdrückten,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Usurpator stets als leben<strong>de</strong>r<br />

Schuldvorwurf erscheint, wür<strong>de</strong> in letzter Konsequenz<br />

die physische Vernichtung verlangen, aber<br />

damit wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kolonisator sich selbst <strong>sei</strong>ner Existenzgrundlage<br />

berauben. In <strong>de</strong>r kolonialen Beziehung<br />

sind die bei<strong>de</strong>n Gegner im Sinne <strong>de</strong>r Hegelsehen<br />

Herr-Knecht-Dialektik unentrinnbar aneinan<strong>de</strong>r<br />

gekettet: Die Unterdrückung <strong>de</strong>s Kolonisierten<br />

kehtt sich gegen <strong>de</strong>n Kolonisator und entfrem<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>n Unterdrücker. Sein rassistisches und<br />

ten<strong>de</strong>nziell faschistisches Denken birgt dazu die<br />

stete Gefahr, daß diese i<strong>de</strong>ologische Ver<strong>de</strong>rbnis<br />

auch das Mutterland infiziert. - Der Kolonisierte<br />

reagiert auf <strong>sei</strong>ne <strong>La</strong>ge, in<strong>de</strong>m er sich selbst verleugnet<br />

und in totaler Assimilation versucht, in die<br />

Haut <strong>de</strong>s Kolonisators zu schlüpfen, eine Lösung,<br />

die <strong>de</strong>m Kolonialismus wi<strong>de</strong>rspricht, da sie mit <strong>de</strong>n<br />

Privilegien auch die koloniale Beziehung abschaffen<br />

wür<strong>de</strong>; sie kann <strong>de</strong>shalb allenfalls nur einzelnen<br />

Individuen gelingen. Die Zurückweisung dieses<br />

Kompromisses treibt <strong>de</strong>n Kolonisietten zwangsläufig<br />

zur Zurückweisung <strong>de</strong>s Kolonisators, zum<br />

Bruch; aber noch in <strong>de</strong>r Auflehnung bleibt <strong>de</strong>r<br />

Sich-Befreien<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n alten Unterdrücker gefesselt,<br />

wird er <strong>sei</strong>n neues Selbstbewußt<strong>sei</strong>n im Entwurf<br />

eines positiven Gegenmythos ausdrücken, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n alten Kolonialmythos lediglich umkehrt und<br />

das Bild <strong>de</strong>s stets Entwerteten und Herabgewürdigten<br />

zum I<strong>de</strong>albild umwettet.<br />

Krönen<strong>de</strong>r Abschluß <strong>de</strong>r <strong>de</strong>taillierten Analyse, <strong>de</strong>ren<br />

Eindringlichkeit und Reichtum an Ent<strong>de</strong>ckungen<br />

SARTRE später in einem ausführlichen VOtwort<br />

hervorhob, ist die Frage nach <strong>de</strong>r Lösung <strong>de</strong>s Konflikts.<br />

Memmi bleibt hier wie auch schon in <strong>sei</strong>nen<br />

Romanen eher zurückhaltend und en<strong>de</strong>t nicht mit<br />

handfesten Rezepten. Er stellt in allgemein gehaltenen<br />

Formulierungen fest, daß erst mit <strong>de</strong>r Abschaffung<br />

<strong>de</strong>s Kolonialismus die Entfremdung <strong>de</strong>s<br />

Kolonisators und <strong>de</strong>s Kolonisierten aufgehoben<br />

wer<strong>de</strong>n kann; es wird also nicht eine Revolte als<br />

momentaner Haß- und Gewaltausbruch nötig <strong>sei</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn einer Revolution bedürfen. Erst nach ihrem<br />

Gelingen wird <strong>de</strong>r ehemalige Kolonisierte sich<br />

selbst wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>cken und damit <strong>sei</strong>ne Befreiung<br />

vollen<strong>de</strong>n können.<br />

Das ruhig analysieren<strong>de</strong> und in <strong>sei</strong>nen Schlußfolgerungen<br />

sehr vorsichtige Buch Memmis war bereits<br />

vor 1954 verfaßt wor<strong>de</strong>n. Erst 1957 erschien nach<br />

<strong>de</strong>r Publikation erster Auszüge in <strong>de</strong>n Zeitschriften<br />

>Les Temps Mo<strong>de</strong>rnes< und >Esprit< schließlich<br />

auch <strong>de</strong>r vollständige Text. Das französische Publikum,<br />

das durch <strong>de</strong>n Verlust Indochinas (1954)<br />

und <strong>de</strong>n mittlerweile ausgebrochenen Algerienkrieg<br />

verunsichert war, reagierte heftig und kontrovers,<br />

stimmte <strong>de</strong>n Analysen <strong>de</strong>s Autors entwe<strong>de</strong>r<br />

rückhaltlos zu o<strong>de</strong>r verdammte sie als völlig abwegig<br />

und gefährlich. Für die in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren<br />

voll entflammte Dekolonisierungs<strong>de</strong>batte wur<strong>de</strong><br />

Memmis Essay neben <strong>de</strong>n Werken von Frantz FA­<br />

NON zum klassischen Referenztext. E.R.<br />

AUSGABEN: Paris 1957. - Paris 1966 [Vorw. J.-P.<br />

Sartre u. A. Memmi]. - Paris 1973.<br />

ÜBERSETZUNG: Der Kolonisator und <strong>de</strong>r Kolonisierte<br />

- Zwei Porträts, U. Rennert, Ffm. 1980.<br />

LA STATUE DE SEL<br />

(frz.; Ü: Die Salzsäule). Roman von Albert <strong>MEMMI</strong><br />

(Tunesien), erschienen 1953. - Der erste Roman<br />

Memmis, eine kaum verhüllte Autobiographie, ist<br />

ein Schlüsseltext rur das Gesamtwerk <strong>de</strong>s Autors.<br />

Er schil<strong>de</strong>rt an <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>rs komplexen Beispiel<br />

eines jüdischen Tunesiers aus armer Familie die<br />

Zerrissenheit <strong>de</strong>s jungen Kolonisierten, <strong>de</strong>r im<br />

Spannungsfeld verschie<strong>de</strong>ner Kulturen (jüdisch,<br />

arabisch, französisch) und sozialer Klassen heranwächst<br />

und von gravieren<strong>de</strong>n historischen Ereignissen<br />

geprägt wird (Pogrom durch die arabische<br />

Bevölkerung; Ju<strong>de</strong>nverfolgungen im Zweiten<br />

Weltkrieg; Verweigerung <strong>de</strong>r Aufnahme in die<br />

französische Armee). Zum Schreibanlaß wird die<br />

Abschlußklausur <strong>de</strong>s Philosophiestudiums, die sich<br />

in eine Selbstprüfung verwan<strong>de</strong>lt. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bilanz<br />

und damit auch am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buchs steht <strong>de</strong>r<br />

Bruch mit <strong>de</strong>m bisherigen Leben und <strong>de</strong>r Aufbruch<br />

in ein noch unbekanntes, neues. Die in diesen Rahmen<br />

eingebettete, chronologisch geordnete Geschichte<br />

<strong>de</strong>r Kindheit und Jugend <strong>de</strong>s Schreiben<strong>de</strong>n<br />

liefert die Erklärung rur diesen einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Entschluß. Der Titel <strong>de</strong>s ersten von insgesamt<br />

drei Teilen, L'impasse (Die Sackgasse), unterstreicht<br />

diese Funktion durch <strong>sei</strong>ne Doppelbe<strong>de</strong>utung und<br />

schließt zugleich <strong>de</strong>n Kreis zwischen Anfang und<br />

(vorläufigem) En<strong>de</strong> einer Existenz: Die Situation<br />

<strong>de</strong>s Prüflings, <strong>de</strong>r in die Sackgasse geraten ist und,<br />

fast am Ziel angekommen, <strong>sei</strong>nen bisherigen Lebensplan<br />

umwirft, wird direkt neben die <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />

gerückt, das in <strong>de</strong>r »Impasse Tarfoune« am<br />

Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ghettos von Tunis aufwuchs; <strong>de</strong>r mar-


MENA <strong>La</strong>s CCC 513<br />

ginale und ein<strong>sei</strong>tig blockierte Ausgangspunkt dieser<br />

Existenz führt das Scheitern am En<strong>de</strong> wie notwendig<br />

herbei. Die Situation aus <strong>de</strong>r Kindheit, mit<br />

<strong>de</strong>ren Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r erste Teil einsetzt, unterstreicht<br />

die symbolische Beziehung von Anfang<br />

und En<strong>de</strong>: Das Atmen <strong>de</strong>s Vaters, das das schlafen<strong>de</strong><br />

Kind beruhigt, ist das mühselige Luftholen <strong>de</strong>s<br />

Asthmatikers, das die Angst <strong>de</strong>s Heranwachsen<strong>de</strong>n<br />

vorm Ersticken in <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s armen Sartlers<br />

und letztlich <strong>de</strong>s Prüflings in <strong>sei</strong>nem bisherigen Leben<br />

ankündigt.<br />

Die Erfahrung <strong>de</strong>r Nichtzugehörigkeit und An<strong>de</strong>rsartigkeit,<br />

die das Kind vor allem in <strong>de</strong>r Schule<br />

in <strong>de</strong>r Konfrontation mit <strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n französischen<br />

Sprache und Kultur und <strong>de</strong>r christlichen Religion<br />

machen muß, entfrem<strong>de</strong>t es immer mehr <strong>de</strong>r<br />

Welt <strong>de</strong>r Eltern und ihres Glaubens. Um zwischen<br />

<strong>de</strong>n Kulturen, die sich symbolisch in <strong>de</strong>n drei Bestandteilen<br />

<strong>sei</strong>nes Namens Mor<strong>de</strong>khai Alexandre<br />

Benillouche kreuzen (jüdisch, europäisch, berberisch),<br />

nicht zerrissen zu wer<strong>de</strong>n, entschei<strong>de</strong>t sich<br />

<strong>de</strong>r etfolgreiche Schüler für die Assimilation <strong>de</strong>r<br />

französischen Kultur. Die Integration in die Welt<br />

<strong>de</strong>s Kolonisators gelingt ansatzweise auch im privaten<br />

Bereich, bleibt aber stets von Zurückweisungen<br />

bedroht. Der Ausbruch <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges<br />

führt dieses Leben, das als eine »Folge von Brüchen«<br />

erlebt wird, zu einer weiteren einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Etfahrung: Mit <strong>de</strong>r Weigerung <strong>de</strong>r Franzosen,<br />

<strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n in ihre Freiwilligen-Armee aufzunehmen,<br />

erweist sich die Hoffnung auf eine Integration<br />

in die Welt <strong>de</strong>s Okzi<strong>de</strong>nts als endgültig gescheitert.<br />

Die total negative Bilanz <strong>de</strong>s bisherigen<br />

Lebens legt schließlich <strong>de</strong>m Prüfling <strong>de</strong>n Gedanken<br />

an Selbstmord als Akt <strong>de</strong>r Selbstbestrafung für <strong>de</strong>n<br />

Blick zurück nahe, <strong>de</strong>n er wie das Weib Loths gewagt<br />

hatte, auf <strong>de</strong>ren Schicksal schon <strong>de</strong>r Romantitel<br />

anspielt. Aber ein Freund vermag ihn für <strong>de</strong>n<br />

Blick nach vorn zu motivieren: Vor <strong>de</strong>r gemeinsamen<br />

Abfahrt zu einem möglichst fernen Ziel (Südamerika)<br />

wird mit <strong>de</strong>r Verbrennung aller Tagebücher<br />

die letzte Brücke zur Vergangenheit abgebrochen.<br />

Memmis Buch fand durch <strong>sei</strong>ne Thematik sofort<br />

große Aufmerksamkeit. SARTRE hatte bereits für<br />

einen teilweisen Vorabdruck in <strong>de</strong>r Zeitschrift> Les<br />

Temps Mo<strong>de</strong>rnes< gesorgt. Die Buchpublikation<br />

wur<strong>de</strong> mit zwei Preisen geehrt (Prix <strong>de</strong> Carthage,<br />

1953; Prix Feneon, 1954). - CAMUS verfaßte ein<br />

Vorwort, das von <strong>de</strong>r zweiten Auflage an (1966)<br />

<strong>de</strong>m Text beigegeben wur<strong>de</strong>. Die offene Schil<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntitätsprobleme eines Kolonisierten<br />

löste eine breite, kontroverse Diskussion aus. Gegen<br />

die Betroffenheit <strong>de</strong>rer, die in <strong>de</strong>m Text ihr eigenes<br />

Schicksal geschil<strong>de</strong>rt fan<strong>de</strong>n, stand die gereizte<br />

Reaktion an<strong>de</strong>rer, die <strong>de</strong>m Autor eine herabsetzen<strong>de</strong>,<br />

ein<strong>sei</strong>tig-negative Darstellung <strong>de</strong>s heimatlichen<br />

Milieus vorwarfen. Für die zeitgenössische<br />

Kolonialismus-Debatte be<strong>de</strong>utete Memmis<br />

Buch einen wichtigen Anstoß.<br />

E.R.<br />

AUSGABEN: Paris 1953. -<br />

A. Camus]. - Paris 1972.<br />

Paris 1966 [Vorw.<br />

ÜBERSETZUNG: Die Salzsäule, G. M. Neumann,<br />

Köln/Bin. 1963. - Dass., <strong>de</strong>rs., Ffm. 1985.<br />

VERFILMUNG: Israel 1980 (Regie: H. Shiram).<br />

LASCCC<br />

JUAN DE MENA<br />

* 1411 C6rdoba<br />

t 1456 Torrelaguna / Madrid<br />

[trescientas], auch: Ellaberinto <strong>de</strong> Fortuna (span.;<br />

Die Dreihun<strong>de</strong>rt, auch: Das <strong>La</strong>byrinth <strong>de</strong>r Fortuna).<br />

Allegorisches Epos von Juan <strong>de</strong> MENA, been<strong>de</strong>t<br />

1444. - In 297 (nicht, wie <strong>de</strong>r Titel verspricht, in<br />

300) achtzeiligen Strophen aus Zwölfsilbern, sogenannten<br />

coplas <strong>de</strong> arte mayor o<strong>de</strong>r octavas <strong>de</strong> Juan<br />

<strong>de</strong> Mena, erzählt <strong>de</strong>r Dichter von <strong>sei</strong>ner Reise ins<br />

<strong>La</strong>nd <strong>de</strong>r Fortuna, wohin ihn, von Drachen gezogen,<br />

<strong>de</strong>r Wagen <strong>de</strong>r Kriegsgöttin Bellona entführt.<br />

In Fortunas Palast zeigt ihm Provi<strong>de</strong>ncia (Vorsehung)<br />

die riesenhaften Rä<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zeit, die stehen<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Vergangenheit und Zukunft und das sich<br />

drehen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gegenwart. Je<strong>de</strong>s Rad besteht aus<br />

sieben Kreisen, die <strong>de</strong>n Bahnen <strong>de</strong>r sieben Planeten<br />

entsprechen. In <strong>de</strong>n Kreisen <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

wohnen, je nach ihrem Stand, die Seelen <strong>de</strong>r Abgeschie<strong>de</strong>nen,<br />

in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Mon<strong>de</strong>s die Tatmenschen,<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Merkur die Kaufleute und Ratgeber, im<br />

Kreis <strong>de</strong>r Venus die großen Lieben<strong>de</strong>n; unter an<strong>de</strong>rem<br />

trifft hier <strong>de</strong>r Dichter <strong>de</strong>n galicischen Troubadour<br />

Madas el Enamorado, <strong>de</strong>ssen halblegendäre<br />

Gestalt die spanische Dichtung immer wie<strong>de</strong>r<br />

beschäftigen sollte (vgl. EI doncel <strong>de</strong> don Enrique el<br />

Doliente). Im Sonnenkreis, <strong>de</strong>m Kreis <strong>de</strong>r Weisen<br />

und Philosophen, erblickt <strong>de</strong>r Dichter <strong>de</strong>n wenige<br />

Jahre zuvor verstorbenen Enrique <strong>de</strong> V ILLENA (um<br />

1384-1434, vgl. Arte <strong>de</strong> trovar), im Kreis <strong>de</strong>s Mars<br />

berühmte Hel<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Jupiter bekannte Könige<br />

und Fürsten, im Kreis <strong>de</strong>s Saturn die Inhaber<br />

wichtiger Amter. Mit diesen Gestalten, von <strong>de</strong>nen<br />

die einen im oberen Teil, die an<strong>de</strong>rn, die sich gegen<br />

die beson<strong>de</strong>ren Tugen<strong>de</strong>n ihres Stan<strong>de</strong>s versündigt<br />

haben, im unteren Teil ihres Kreises wohnen und<br />

Strafe erlei<strong>de</strong>n, spricht <strong>de</strong>r Dichter, o<strong>de</strong>r er erzählt<br />

von ihnen o<strong>de</strong>r läßt sich von ihnen erzählen. So ist<br />

das große Vorbild <strong>de</strong>s Gedichts, DANTES GiJ'ttliche<br />

KomiJdie, überall gegenwärtig. Im einzelnen sind allerdings<br />

an<strong>de</strong>re Vorbil<strong>de</strong>r maßgebend gewesen:<br />

Szenen aus <strong>de</strong>r Aeneis und <strong>de</strong>n Georgica <strong>de</strong>s VER­<br />

GIL, vor allem die Pharsalia LUKANs, <strong>de</strong>n Juan <strong>de</strong><br />

Mena mit beson<strong>de</strong>rer Vorliebe nachahmt.<br />

Sowohl aus inhaltlichen als auch aus formalen<br />

Grün<strong>de</strong>n ist dieses Werk von großer literarhistorischer<br />

Be<strong>de</strong>utung. Durch die zahlreichen Lebensund<br />

Charakterbil<strong>de</strong>r und die zeitkritischen Aspekte,<br />

die es enthält, ist es »das nationalste Gedicht <strong>de</strong>r

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