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Interview mit der Zeitzeugin Ruth Felgentreff - Suitbertus Gymnasium

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<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeitzeugin</strong> <strong>Ruth</strong><br />

<strong>Felgentreff</strong><br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach Informationen über die Geschwister<br />

Aufricht sind wir auf <strong>Ruth</strong> <strong>Felgentreff</strong> gestoßen, die<br />

Schwester und Historikerin in <strong>der</strong> Diakonie Kaiserswerth<br />

ist. Sie hat eine Dokumentation über die Geschwister<br />

geschrieben. Als <strong>Zeitzeugin</strong> <strong>der</strong> NS-Zeit haben wir Frau<br />

<strong>Felgentreff</strong> in unseren Unterricht eingeladen und ein<br />

<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> ihr geführt.<br />

Quelle: eigene Fotos<br />

Die Geschwister Erna und Johanne<br />

Aufricht entstammten einer ungarischjüdischen<br />

Familie und hatten früh ihre<br />

Mutter verloren. Der Vater übertrug<br />

die Erziehungsrechte auf zwei deutsche<br />

evangelische Lehrerinnen, die in<br />

Kaiserswerth lebten.<br />

Johanne Aufricht trat als Schwester in<br />

den Bund <strong>der</strong> Diakonie ein, konnte jedoch<br />

dort aufgrund gesundheitlicher<br />

Probleme nicht lange bleiben. Durch<br />

die Korrespondenz <strong>mit</strong> einem ungarischen<br />

Pfarrer fielen die Geschwister<br />

<strong>der</strong> Gestapo auf, die Auslandskontakte<br />

kontrollierte. Um sie zu<br />

schützen, holte das Mutterhaus sie zurück nach Kaiserswerth.<br />

Erna und Johanne mussten einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie angaben, dass sie jüdischer<br />

Herkunft waren. Daraufhin wurde <strong>der</strong> Vorsteher des Schwesternhauses gezwungen, die<br />

Diakonieschwestern in einer Versammlung zu fragen, ob sie da<strong>mit</strong> einverstanden seien, <strong>mit</strong><br />

jüdischen Schwestern zusammen zu leben, weil es arischen Menschen nicht zumutbar sei, <strong>mit</strong><br />

Juden unter einem Dach zu leben. Für die Diakonieschwestern war es jedoch selbstverständlich, zu<br />

ihren jüdischen Mitschwestern zu halten. Mit <strong>der</strong> Verkündung <strong>der</strong> Nürnberger Rassengesetze 1935<br />

wurde die rassistisch orientierte, nationalsozialistische Gesellschaftsordnung festgeschrieben und<br />

Juden konnten systematisch verfolgt werden. Seit 1941 waren die Geschwister Aufricht wie alle<br />

Juden verpflichtet, den Judenstern zu tragen.<br />

Am 20. Juli 1942 wurden sie deportiert. Trotz des eigenen Elends versuchten die Geschwister,<br />

an<strong>der</strong>en Menschen zu helfen. Erna, die jüngere von beiden, wurde von Theresienstadt nach<br />

Auschwitz deportiert. Man vermutet, dass sie dort ums Leben gekommen ist. Johanne hingegen<br />

kehrte nach Kriegsende nach Kaiserswerth zurück, wo sie die restlichen 18 Jahre ihres Lebens<br />

verbrachte.<br />

<strong>Ruth</strong> <strong>Felgentreff</strong> lernte Johanne persönlich kennen. Da sie durch ihre Erlebnisse eine sehr<br />

introvertierte Frau geworden war, riet man ihr, zur Vergangenheitsbewältigung ihre Gedanken zu<br />

Papier zu bringen. <strong>Ruth</strong> <strong>Felgentreff</strong>s Dokumentation basiert auf dem nachträglich von Johanne<br />

geschriebenen Tagebuch.<br />

Außerdem berichtete <strong>Ruth</strong> <strong>Felgentreff</strong> über die damalige Situation in Kaiserswerth. Man versuchte,<br />

auf dem Theodor-Fliedner <strong>Gymnasium</strong>, auf unserer Schule und in Kin<strong>der</strong>gärten nationalsozialistisch<br />

denkende Frauen, so genannte „braune Schwestern“, einzusetzen, die die Kin<strong>der</strong> in Hitlers Sinne<br />

erziehen sollten. Jedoch gelang dies nur in Kin<strong>der</strong>gärten. Katholische Kin<strong>der</strong> kamen in einen NSV-<br />

Kin<strong>der</strong>garten, einen Kin<strong>der</strong>garten <strong>der</strong> nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Die damalige NSV<br />

hatte die Funktion <strong>der</strong> heutigen Caritas. Bei <strong>der</strong> Recherche für die Dokumentation stieß <strong>Ruth</strong>


<strong>Felgentreff</strong> auf eine Jüdin, Hildegard Müller, die ihr <strong>mit</strong> weiterem Material aus <strong>der</strong> NS-Zeit helfen<br />

konnte.<br />

Durch die Mahn- und Gedenkstätte in Düsseldorf hat <strong>Ruth</strong> <strong>Felgentreff</strong> noch heute Kontakt zu<br />

Wi<strong>der</strong>standskämpfern und Menschen, die sie in <strong>der</strong> schweren Zeit begleitet haben. Der Grund<br />

dafür, dass sie die Dokumentation erst jetzt verfasst hat, ist, dass sie und die Schwestern, die sie<br />

beim Schreiben unterstützten, erst das Erlebte verarbeiten mussten, was eine lange Zeit in<br />

Anspruch genommen hat. Die Recherche und das Verfassen <strong>der</strong> Dokumentation benötigten<br />

insgesamt 3 Jahre.<br />

Caritas<br />

1897<br />

Quelle: http://www.caritas.de<br />

Am 9. November wird in Köln durch den<br />

Priester Lorenz Werthmann <strong>der</strong> „Caritasverband für das katholische Deutschland" gegründet.<br />

Der Sitz <strong>der</strong> Zentrale ist bis heute in Freiburg.<br />

1916<br />

Die Deutsche Bischofskonferenz erkennt die Caritas als „die legitime Zusammenfassung <strong>der</strong><br />

Diözesanverbände zu einer einheitlichen Organisation" an, <strong>der</strong> „Deutsche Caritasverband“<br />

(DCV), wie er heute genannt wird.<br />

1922<br />

Alle deutschen Diözesen haben einen Diözesan-Caritasverband.<br />

1925<br />

Die katholisch-karitative Fürsorge unterhält in Deutschland bereits 10 000 Einrichtungen<br />

1933 – 1945<br />

Eingeengt, bedroht, unter Opfern auch an Freiheit und Leben von Mitarbeitern, unter Einbußen<br />

an Mitteln und Gebäuden übersteht <strong>der</strong> DCV arbeitsfähig die Jahre <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Unrechtsherrschaft.<br />

1945<br />

In jener Notzeit war <strong>der</strong> Caritasverband als einzige überregionale Organisation zur Lin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Not sofort arbeitsfähig und bereit.<br />

Um 1960<br />

Die Caritas leistet erstmals internationale Not- und Katastrophenhilfe.<br />

1990<br />

Mit <strong>der</strong> deutschen Einigung endet auch für die Caritas in Deutschland die über 40 Jahre<br />

andauernde, aufgezwungene Teilung. Die Caritasverbände in <strong>der</strong> damaligen DDR geben<br />

ihre Neu- bzw. Wie<strong>der</strong>gründung als eingetragene Vereine bekannt und bekennen sich in<br />

ihren Satzungen als Teil des Deutschen Caritasverbandes.<br />

1997<br />

Am 9. November begeht <strong>der</strong> DCV in Köln das 100-jährige-Jubiläum seines Bestehens.<br />

2003<br />

Dr. Peter Neher wird neuer Präsident.


Informationen zu Herrn Dr. Ulrich Brzosa (*1962)<br />

Dr. Ulrich Brzosa studierte Theologie und<br />

Geschichte in Bonn und Wien. Er war<br />

schon damals sehr an <strong>der</strong> Geschichte des<br />

3. Reiches interessiert und legte seinen<br />

Studienschwerpunkt auf diesen Bereich.<br />

Seit Studienbeginn beschäftigt sich Herr<br />

Dr. Brzosa beruflich wie auch privat <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

Rolle <strong>der</strong> katholischen Kirche im<br />

Nationalsozialismus und promovierte auch<br />

in diesem Themenbereich.<br />

Aufgrund des hun<strong>der</strong>tjährigen Bestehens<br />

des Caritas – Verbandes arbeitete er die<br />

Geschichte <strong>der</strong> katholischen Kirche in<br />

Düsseldorf während des NS – Regimes<br />

auf. Bei <strong>der</strong> da<strong>mit</strong> verbundenen<br />

Archivarbeit stieß er auf Elisabeth<br />

Heidkamp.<br />

Durch Herrn Michael Hänsch, den Geschäftsführer des Pfarrverbandes <strong>der</strong> katholischen<br />

Kirche Flingern/ Düsseltal, erhielten wir die Adresse von Herrn Dr. Brzosa.

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