Texto completo (pdf) - Dialnet
Texto completo (pdf) - Dialnet
Texto completo (pdf) - Dialnet
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Inhalt und Rechtspolitische Bedeutung der “Einleitung” des ABGB im Kontext der Kodifikationsgesetzgebung des Frühen 19º.<br />
Klar-stellung, dass die Akzeptanz der Gerichte als Auslegungsinstanzen<br />
keineswegs auch bedeutet, dass diese damit ihre altüberlieferte Eigenschaft<br />
als Rechts-quelle wieder annehmen sollen. Urteile binden nur die<br />
beteiligten Parteien im konkret entschiedenen Rechtsfall. Im übrigen aber<br />
sind sie, wie auch die gelehrten Ausführungen der Rechtswissenschaftler,<br />
»bloße Privat-Meinungen, die der freyen Beurtheilung Anderer überlassen<br />
bleiben« und »keine Autorität gründen« (ZEILLER, 1811a, § 8, S.<br />
73). In einer Kodifikation älteren Typs wie dem ALR war eine solche<br />
Klarstellung nicht erforderlich, weil es hier im Grundsatz ohnehin keine<br />
Gesetzesauslegung durch die Gerichte geben sollte. Hier soll vielmehr<br />
generell, wie § 6 der Einleitung ALR ausdrücklich feststellt, »auf ältere<br />
Aussprüche der Richter bei künftigen Entscheidungen keine Rücksicht<br />
genommen werden«.<br />
6 Schlussfolgerungen<br />
Das Bisherige lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Neben<br />
der Siche-rung der Autorität des Gesetzes gegenüber dem Gewohnheitsrecht<br />
liegt der Zweck der Einleitungskapitel in den naturrechtlichen Kodifikation<br />
vor allem auch darin, der Justiz durch gesetzliche Positivierung<br />
methodischer Regeln für die Gesetzesauslegung und Lückenfüllung einen<br />
bestimmten Umgang mit dem Gesetz aufzuerlegen. Sie stehen an Stelle<br />
der älteren Interpretationsverbote und des Référé législatif. Wie jene<br />
sind auch die methodischen Anweisungen des Gesetzgebers an die Justiz<br />
von dem Bemühen motiviert, eine Anwendung der Gesetze im Einzelfall<br />
sicherzustellen, die die vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszwecke<br />
in den gerichtlichen Einzelfallentscheidungen ausreichend zur Geltung<br />
kommen lässt. Im Gegensatz aber zu den älteren Sicherungsinstrumenten<br />
des Interpretationsverbotes und des Référé gehen die methodi-schen Vorschriften<br />
in den »Einleitungen« der naturrechtlichen Kodifikationen von<br />
einer neuartigen Funktionsaufteilung zwischen Gesetzgeber und Justiz<br />
aus, derzufolge ersterer im Grundsatz auf den Erlass möglichst generell-<br />
-abstrakt zu formulierender Normprogramme beschränkt ist, während deren<br />
Konkretisierung durch Ausweisung unmittelbar anwendungsfähiger<br />
Fallnor-men der Justiz vorbehalten bleiben soll. Man kann darin ohne<br />
76 Seqüência (Florianópolis), n. 66, p. 47-82, jul. 2013