Info-Flyer als PDF - Orgelbau Claudius Winterhalter
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DIE ORGEL<br />
SANKT JOHANNIS<br />
LAHNSTEIN
Disposition<br />
I / HAUPTWERK<br />
PRINCIPAL 8‘<br />
TRAVERSFLÖTE 8‘<br />
OCTAVE 4‘<br />
ROHRFLÖTE 4‘<br />
SUPEROCTAVE ** 2‘<br />
MIXTUR 2‘<br />
TROMPETE 8‘<br />
PEDALWERK<br />
SUBBASS 16’<br />
OCTAVBASS * 8‘<br />
FLÖTBASS * 8‘<br />
BASSOCTAVE * 4‘<br />
FAGOTT 16‘<br />
TROMPETE * 8‘<br />
*Transmission ** Vorauszug<br />
II / NEBENWERK<br />
BOURDON 8‘<br />
SALICIONAL 8‘<br />
FUGARA 4‘<br />
HOLZFLÖTE 4‘<br />
QUINTE 2 2/3‘<br />
FLAGEOLET 2’<br />
TERZ 1 3/5‘<br />
DULCIAN 8’<br />
TONUMFANG<br />
Manual C – a’’’ Pedal C – f’<br />
KOPPELN<br />
II-I SUB II/I I-P II-P<br />
TREMULANT<br />
TRAKTUREN<br />
Mechanische Tontraktur<br />
Elektrische Registertraktur<br />
WINDDRUCK<br />
72 mm WS<br />
STIMMUNG<br />
Billeter 440 Hz/16°<br />
MIXTUR – REPETITION<br />
C 2‘ 1‘ 2/3‘ 1/2‘<br />
c° 2‘ 1 1/3‘ 1‘ 2/3‘<br />
c‘ 2 2/3‘ 2‘ 1 1/3‘ 1‘<br />
fs‘ 4’ 2 2/3‘ 2‘ 1 1/3‘ 1’<br />
fs‘‘ 8’ 4‘ 2 2/3‘ 2‘ 1 1/3‘<br />
c‘‘‘ 8’ 4‘ 2 2/3‘ 2‘ 2 2/3‘
Realisation<br />
WERKSTATT<br />
Jörg Backeberg<br />
Markus Bieler<br />
Joachim Frede<br />
Wolfgang Krettenauer<br />
Christian Kroll<br />
Alois Schwingshandl<br />
Simon Siebel<br />
Alain Souillard<br />
SACHBERATUNG<br />
Achim Seip<br />
Markus Eichenlaub<br />
DISPOSITION<br />
Achim Seip<br />
Alois Schwingshandl<br />
<strong>Claudius</strong> <strong>Winterhalter</strong><br />
GESTALTUNG<br />
ENTWURF<br />
<strong>Claudius</strong> <strong>Winterhalter</strong><br />
KONZEPTION<br />
<strong>Claudius</strong> <strong>Winterhalter</strong><br />
Jo Scherg-Quittek<br />
TECHNISCHE<br />
PLANUNG<br />
Jo Scherg-Quittek<br />
Christian Kroll<br />
BAULEITUNG<br />
Architekturbüro<br />
Gerlach Lahnstein<br />
MONTAGELEITUNG<br />
Jörg Backeberg<br />
MENSUREN<br />
KLANGGESTALTUNG<br />
Alois Schwingshandl<br />
<strong>Claudius</strong> <strong>Winterhalter</strong><br />
INTONATION<br />
Alois Schwingshandl<br />
FARBFASSUNG<br />
Frieder Haser<br />
LACKIERUNG<br />
SPIELANLAGE<br />
Hubert Falk<br />
EINWEIHUNG<br />
13. Oktober 2013<br />
Markus Eichenlaub<br />
KONTAKT<br />
Kath. Pfarramt<br />
St. Barbara<br />
Joh.-Bapt.-Ludwigstr. 6<br />
56112 Lahnstein
Zu Wasser<br />
und<br />
zu Lande<br />
Die Idylle ist perfekt: Inmitten lieblicher Auen<br />
steht am Nordufer der Lahnmündung die<br />
anstelle eines römischen Wachturms erbaute,<br />
romanische Johanniskirche von Lahnstein<br />
nahe Koblenz. Eine riesige Kastanie ziert den<br />
Kirchplatz. Lastkähne und Passagierschiffe<br />
tuckern gemächlich vorbei. Der Blick schweift<br />
über den Rhein auf die Steilhänge am<br />
westlichen Ufer und die Burg Stolzenfels.<br />
Das altehrwürdige, mehrfach aufgelassene<br />
Gotteshaus, heute Schul- und Gemeindekirche,<br />
ist sowohl zu Wasser <strong>als</strong> auch zu Lande<br />
bestens erreichbar. Einziger Nachteil: Von Zeit<br />
zu Zeit überschwemmt das Hochwasser das<br />
Kircheninnere – etwa 1993 über einen Meter<br />
hoch. Doch trocknet das Gemäuer erstaunlich<br />
gut, und die schlichte, moderne Einrichtung<br />
ist größtenteils beweglich, <strong>als</strong>o schnell zu<br />
evakuieren. Gewichtige Kunstwerke wie einige<br />
Barockfiguren und das schwebende Kreuz<br />
von Hubert Elsässer (2005) im Hochchor sind<br />
buchstäblich höher gehängt – so auch die neue<br />
Schwalbennest-Orgel aus der Werkstätte<br />
<strong>Winterhalter</strong>.<br />
Eine Orgel in einer romanischen Kirche –<br />
darf das sein?<br />
Romanische Kirchen können sich <strong>als</strong> sperrig<br />
erweisen, wenn dort eine Orgel eingebaut<br />
werden soll. Verständlich ist der Wunsch,<br />
die historische Architektur möglichst in allen<br />
Teilen sichtbar zu erhalten. Zudem lehrte die<br />
Denkmalpflege des 20. Jahrhunderts einen<br />
gewissen Purismus, den sich inzwischen viele<br />
Betrachter zu eigen gemacht haben: Im frühen<br />
Mittelalter gab es in diesen Kirchen keine Orgel,<br />
ergo gehört sie auch heute nicht dorthin.<br />
Das 1136 in seiner jetzigen Gestalt erbaute<br />
Gotteshaus in Lahnstein ist zwar die älteste<br />
Emporenkirche der Region, dennoch potenziert<br />
sich hier das eben Gesagte: Der Raum ist<br />
bei geringen Ausmaßen stark gegliedert und<br />
daher hochsensibel. Die Galerien über den<br />
Seitenschiffen (die sog. Emporen) sind recht<br />
niedrig und nur durch eine schmale Brücke vor<br />
der Westwand miteinander verbunden. Wie<br />
ein massiger Baukörper wirkt der markante<br />
Turm, der mit dem Kirchenschiff durch einen
säulengeschmückten Portikus verbunden ist.<br />
Es verbietet sich, dieses kostbare Element<br />
zu verdecken oder gar anzutasten. – Ein<br />
(ebenerdiger) Orgel-Standort kam wohl auch<br />
wegen der Hochwassergefahr nicht infrage<br />
und die schmale Brücke zwischen den beiden<br />
Emporen bietet weder für Spielanlage noch<br />
für Trakturen Platz, ohne den Turmportikus<br />
zu verbauen. Doch es blieb die hohe<br />
Wandfläche vor dem Turm, an der bereits<br />
Teile des von Wand zu Wand reichenden<br />
Vorgängerinstruments auf einer künstlichen<br />
Plattform montiert waren. Zum Glück gab es im<br />
oberen Bereich der Rückwand einen weiteren,<br />
zwischenzeitlich geschlossenen Durchbruch<br />
von der oberen Turmstube her. Dieser<br />
wurde nach Freilegung und entsprechender<br />
Abtreppung <strong>als</strong> jetziger Zugang zur neuen Orgel<br />
in Verwendung gebracht, die nun komplett<br />
– samt Windanlage und Spielkammer – <strong>als</strong><br />
„Schwalbennest“ vor der Turmwand hängt.<br />
Komplexe Konstruktion<br />
Aus ästhetischen und architektonischen<br />
Gründen musste der Korpus nicht nur<br />
aufwendig und dennoch Substanz schonend<br />
konzipiert, sondern auch möglichst kompakt<br />
und flach gehalten werden. Es ist gelungen,<br />
mit nur 21 m 3 baulicher Masse, verteilt auf<br />
5.70 m Höhe und 2.00 m maximaler Tiefe,<br />
dieses Ziel ohne orgelbauliche Nachteile<br />
zu erreichen. Das Rückgrat bildet ein<br />
zurückhaltend bemalter „Orgelkasten“ in Form<br />
eines Schuhkartons im Hochformat, unter dem<br />
sich die Stahlkonstruktion des Tragekäfigs und<br />
das gesamte Orgelwerk verbirgt. Auf dieser<br />
Grundlage wurde das plastische Prospektbild<br />
gestaltet.<br />
Im Gehäusekasten unterhalb der Prospektpfeifen<br />
befinden sich Windmaschine, Balganlage<br />
und die Wellaturen der nach unten umgelenkten<br />
Mechanik von Hauptwerk und Pedal. Diese<br />
beiden Klangwerke stehen in Höhe des unteren<br />
Fischrückens auf einer durchschobenen Lade.<br />
Sie wurden asymmetrisch geteilt, um die<br />
bestmögliche Platzausnutzung zu beiden Seiten<br />
der (aus Zugänglichkeitsgründen) nicht mittig<br />
platzierten Spielanlage zu erreichen.<br />
Ein Kuriosum ist der Arbeitsplatz des<br />
Organisten. Vom Kirchenraum aus betrachtet<br />
sitzt er rechts von der Mitte, sozusagen auf dem<br />
Buckel des unteren „Goldfisches“. Er sitzt in der<br />
Mitteletage des hängenden Orgelgebäudes<br />
und kann über verstellbare Türen und Klappen<br />
den Klang kontrollieren und ausbalancieren.<br />
Der Blickkontakt mit der Kirche wird via Kamera<br />
und Bildschirm hergestellt. Einen direkten<br />
Durchblick gibt es auch. Die Tür zum unteren<br />
Pfeifenwerk besitzt ein Fenster.<br />
Über der Organisten-Kammer befindet sich<br />
das geräumige Nebenwerk in guter 4-Fuß<br />
Höhe ohne Pfeifenkröpfe. Zur Optimierung der<br />
Klangabstrahlung sind in der Gehäusedecke
schräg stehende Lamellen eingelassen. Trotz<br />
der bizarren Konstruktion ist das hoch über<br />
dem Boden hängende Instrument überall<br />
gefahrlos begehbar.<br />
Die Windanlage arbeitet mit einem<br />
Einfalten-Magazinbalg nach dem Prinzip<br />
der Ringversorgung. Diese Konstruktion hält<br />
den Winddruck stabil und doch elastisch.<br />
Auch bei starker Belastung lässt der Druck<br />
erstaunlicherweise nicht nach, sondern<br />
vermittelt den Eindruck eines behutsamen<br />
„Nachschiebens“, was gerade bei großem<br />
Spiel eine angenehme Atmung des Klanges<br />
vermittelt.<br />
Kein Fischwunder, dafür Klangvermehrung<br />
Im Unterschied zur früheren „Lösung“<br />
schließt nun ein durch und durch gestaltetes<br />
Kunstwerk den Kirchenraum ab. Die Wellen<br />
des nahen Wassers werden mehrdimensional<br />
im Pfeifenprospekt aufgegriffen: im Verlauf<br />
von Pfeifenfüßen, Labien und Mündungen<br />
sowie im geschwungenen Prospektstock – in<br />
dieser Ausführung eine orgelbautechnische<br />
Meisterleistung. Dieses optische wie musikalische<br />
Zentrum wird oben und unten von zwei<br />
Farbflächen und mit Gold veredeltem Glas<br />
eingerahmt, die in ihrer Silhouette zwei Fischen<br />
gleichen. Die Farbfassung schuf der Künstler<br />
Frieder Haser, die Glaselemente stammen<br />
von der Firma Teufel, beide im Ortenaukreis<br />
ansässig.<br />
Mit den Fischen präsentiert die Orgel nicht nur<br />
ein urchristliches Zeichen, sondern auch eines<br />
der schönsten biblischen Bilder für Vielfalt und<br />
wirklichen Reichtum: Analog zum Gleichnis bei<br />
Matthäus 14, 15 – 21, werden hier die Klänge<br />
vermehrt. Symbolhaft sind in der geradezu<br />
irisierenden Linienführung des schwebenden<br />
Prospekts Schallwellen zu erkennen oder eine<br />
Formverwandschaft zu Raum und Altarkreuz.<br />
Wenig Masse – viel Klasse<br />
Knapper Platz, vor allem jedoch die extrem<br />
kleine Grundfläche, geboten eine äußerst
ökonomische Disposition: 16 Register netto,<br />
dazu ein Vorabzug und vier Transmissionen<br />
sowie eine zusätzliche Koppel II / I Sub. Dieser<br />
bescheidene und scheinbar unspektakuläre<br />
Fundus erlaubt jedoch eine verblüffende<br />
musikalische Vielfalt, zumal in diesem akustisch<br />
so dankbaren Raum. Das Hauptwerk enthält<br />
einen kleinen, aber vollständigen Prinzipalchor<br />
und ist, basierend auf einem geschmeidigen<br />
Principal 8’, hier eher schlank intoniert.<br />
Hinzu kommen eine grazile Rohrflöte und<br />
eine Traversflöte, die im Bass füllt, im Diskant<br />
charakteristische Vorläufertöne entfaltet.<br />
Die Trompete bietet Glanz und Volumen<br />
gleichermaßen. Das II. Manual ist zunächst<br />
ein zerlegtes Cornet. Flöte plus Fugara<br />
ergeben dort ein Pendant zur Traversflöte im<br />
Hauptwerk. Gedeckt und Salicional 8’ addieren<br />
sich zu einem intimen Principal dolce. Dulcian 8’<br />
kann mit den übrigen Stimmen des II. Manu<strong>als</strong><br />
eingefärbt und so in vielfältige Funktionen<br />
verwandelt werden. Gravität und weitere<br />
Farbfacetten lassen sich über die Subkoppel<br />
gewinnen. Die Transmissionen erlauben<br />
Ped<strong>als</strong>oli mit Oktave 4’ oder Trompete 8’, auch<br />
wenn das Hauptwerk anderweitig verwendet<br />
wird. Obwohl das Pedal nur mit zwei eigenen<br />
16’-Stimmen besetzt ist, wirkt es <strong>als</strong> erstaunlich<br />
kräftiges Fundament. Bester Garant dafür<br />
ist übrigens kein Geringerer <strong>als</strong> Gottfried<br />
Silbermann. Die Intonation ist auf solistische<br />
Qualitäten der einzelnen Register ebenso<br />
ausgelegt wie auf ihre Mischfähigkeit. Bereits<br />
wenige Stimmen genügen, um die Liturgie<br />
abwechslungsreich zu gestalten und den<br />
Gemeindegesang sicher zu führen. Und <strong>als</strong><br />
Konzertinstrument von begabter Hand gespielt,<br />
kann diese Orgel für Furore sorgen.<br />
Die Lahnsteiner Johanniskirche – im Herzen<br />
des Welterbes Oberes Mittelrheintal und<br />
geschütztes Kulturgut nach der Haager<br />
Konvention – beherbergt <strong>als</strong> „älteste Stimme“<br />
die Apollonia-Glocke von 1326. In der<br />
neuen Schwalbennest-Orgel hat sie nun ein<br />
würdiges Pendant im Kircheninnern – optisch<br />
wie klanglich ein Ausdrucksmittel des 21.<br />
Jahrhunderts im Kontext der romanischen<br />
Architektur.<br />
Markus Zimmermann
Impressum<br />
CLAUDIUS WINTERHALTER ORGELBAU<br />
77784 Oberharmersbach<br />
fon 07837 – 477 fax 07837 – 1463<br />
info@orgelbau-winterhalter.de<br />
www.orgelbau-winterhalter.de<br />
FOTOS Dieter Wissing<br />
GRAFIK Ben von Stietencron<br />
DRUCK Kehler Druck