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Nachhaltig Wirtschaften - Uwe Kekeritz, MdB

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Konferenzdokumentation<br />

<strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

München, 21. September 2012


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl,<br />

insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins<br />

für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller<br />

Volksschichten. […] Insbesondere alle wirtschaftlichen Ausbeutungsverträge<br />

sind rechtswidrig und nichtig.<br />

Bayerische Verfassung, Artikel 151<br />

2


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Inhalt<br />

Abkürzungen 4<br />

Die VeranstalterInnen 5<br />

Vorwort von <strong>Uwe</strong> <strong>Kekeritz</strong> 6<br />

Die Konferenz auf einen Blick 8<br />

Paneldiskussion: CSR Maßnahmen auf EU-Ebene 9<br />

Disput: Kontrolle von Lieferketten 11<br />

Arbeitsgruppen<br />

Arbeitsgruppe 1: Das Prinzip der Freiwilligkeit in der CSR-Debatte 13<br />

Arbeitsgruppe 2: Möglichkeiten und Grenzen von Unternehmensverantwortung 15<br />

Arbeitsgruppe 3: Perspektiven in der Siegeldebatte 17<br />

Zusammenfassung 20<br />

Schlussfolgerungen und Handlungsimplikationen 21<br />

3


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Abkürzungen<br />

AG<br />

BP<br />

BSH<br />

CCC<br />

CorA<br />

CO2<br />

CSR<br />

CSA<br />

EU<br />

e.V.<br />

ILO<br />

ISO<br />

LMU<br />

<strong>MdB</strong><br />

MdEP<br />

MdL<br />

NGO<br />

OECD<br />

PR<br />

UN<br />

USA<br />

vbw<br />

Aktiengesellschaft<br />

Beyond Petroleum (ehem. British Petroleum)<br />

Bosch Siemens Hausgeräte<br />

Kampagne für saubere Kleidung<br />

Netzwerk für Unternehmensverantwortung<br />

Kohlenstoffdioxyd<br />

Corporate Social Responsibility<br />

Corporate Social Accountability<br />

Europäische Union<br />

Eingetragener Verein<br />

Internationale Arbeitsorganisation<br />

Internationale Organisation für Normung<br />

Ludwig Maximilian Universität (München)<br />

Mitglied des Bundestags<br />

Mitglied des Europäischen Parlaments<br />

Mitglied des Landtags<br />

Nichtregierungsorganisation<br />

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

Public Relations<br />

Vereinte Nationen<br />

Vereinigte Staaten von Amerika<br />

Vereinigung der bayerischen Wirtschaft<br />

4


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Dokumentation der Konferenz:<br />

Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Die vorliegende Dokumentation legt die<br />

wichtigsten Ergebnisse und politische<br />

Einschätzungen zur Konferenz „<strong>Nachhaltig</strong><br />

<strong>Wirtschaften</strong> – Bayerns Wirtschaft in globaler<br />

Verantwortung“ dar. Die Veranstaltung fand am<br />

21. September 2012 im bayerischen Landtag in<br />

München statt und brachte VertreterInnen aus<br />

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und<br />

Zivilgesellschaft zusammen, um über das Thema<br />

Unternehmensverantwortung zu diskutieren.<br />

Hierbei ging es insbesondere darum, wie<br />

bayerische Unternehmen durch gute<br />

Unternehmensführung global Verantwortung<br />

für Menschen und Umwelt übernehmen<br />

können. Wir bedanken uns noch einmal für<br />

interessante und gehaltvolle Debatten und<br />

wünschen viel Spaß mit der vorliegenden<br />

Dokumentation.<br />

Herzliche Grüße,<br />

Barbara Lochbihler Christine Kamm <strong>Uwe</strong> <strong>Kekeritz</strong><br />

MdEP MdL <strong>MdB</strong><br />

5


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Vorwort von <strong>Uwe</strong> <strong>Kekeritz</strong>, <strong>MdB</strong><br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,<br />

unternehmerische Verantwortung ist unter<br />

dem Label Corporate Social Responsibility - oder<br />

CSR – in aller Munde. Das liegt an der<br />

Professionalität mit der CSR-StrategInnen<br />

Unternehmen als verantwortungsvolle Akteure<br />

positionieren, Hochglanzbroschüren drucken<br />

und wohltätige Projekte über die Medien<br />

werbewirksam präsentieren. Trotzdem wird die<br />

Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft<br />

immer stärker hinterfragt. Das ist zum einen auf<br />

die Finanzkrise zurückzuführen, die uns das<br />

gestörte Verhältnis zwischen Wirtschaft und<br />

Gesellschaft eindrucksvoll vor Augen führt; zum<br />

anderen darauf, dass Fälle von fehlendem<br />

Verantwortungsbewusstsein inzwischen<br />

regelmäßig in den Schlagzeilen landen. Die<br />

Berichterstattung beschäftigt die Bürger und<br />

macht sie, zu Recht, wütend: Egal ob BP ganze<br />

Küstenstreifen mit Ölteppichen überzieht oder<br />

Apple seine Produkte von Arbeitssklaven in<br />

Asien herstellen lässt. Wir hören zunehmend<br />

von den skandalösen Bedingungen unter denen<br />

Konzerne weltweit produzieren. Kinderarbeit,<br />

Hungerlöhne, Umweltverschmutzung - die Liste<br />

der Verstöße der Konzerne gegen das<br />

Allgemeinwohl ist beliebig lang fortsetzbar. Der<br />

Eindruck verfestigt sich, dass Unternehmen ihre<br />

Verantwortung gegenüber der Gesellschaft<br />

häufig nicht wahrnehmen und das, obwohl uns<br />

nur ein Bruchteil der Verstöße gegen Umweltund<br />

Sozialstandards sowie Menschenrechte<br />

bekannt sind.<br />

Durch die Globalisierung werden<br />

Produktionsprozesse immer intransparenter.<br />

Damit Fairness und Verantwortung tatsächlich<br />

wahrgenommen werden, brauchen wir aber<br />

mehr Transparenz. Damit stellt sich auch die<br />

Frage wie eine Lieferkette oder ein Liefernetz<br />

aus unzähligen Zulieferern und<br />

Tochtergesellschaften kontrolliert werden kann.<br />

Wie können Qualität und akzeptable<br />

Arbeitsstandards in Fabriken am anderen Ende<br />

der Welt garantiert und überprüft werden?<br />

Diese Probleme sind real und sollten nicht klein<br />

geredet werden. Auch wenn sich teilweise der<br />

Verdacht aufdrängt, dass sich Konzerne hinter<br />

einer vermeintlichen Ohnmacht gegenüber den<br />

realen Verhältnissen verstecken. Auch die<br />

Unternehmerseite muss berücksichtigt und<br />

verstanden werden. Ich war im vergangenen<br />

Jahr mit über 130 bayerischen Unternehmen in<br />

Kontakt. Mit mehr als 40 habe ich mich enger<br />

ausgetauscht. Mein Eindruck war, dass viele<br />

dieser Unternehmen versuchen, Arbeits- und<br />

Sozialstandards auch international zu<br />

respektieren. Ich konnte feststellen, dass einige<br />

Unternehmen tatsächlich Maßnahmen zur<br />

Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den<br />

letzten Jahren getroffen und damit auch die<br />

Sozialstandards angehoben haben. Zum Beispiel<br />

im Bereich der Bezahlung hinken die meisten<br />

Betriebe jedoch weit hinter ihren Möglichkeiten<br />

her. Ich bezweifle, dass dies auf Dauer<br />

akzeptiert werden kann. Trotzdem müssen die<br />

6


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Fragen beantwortet werden, was ein<br />

Unternehmen leisten kann und was nicht.<br />

Welche Rolle der Staat in einem betreffenden<br />

Land übernehmen muss und wie weit die<br />

Verantwortung der internationalen<br />

Gemeinschaft geht. Die Erfahrung zeigt uns,<br />

dass Transparenz und Verlässlichkeit der<br />

international agierenden Konzerne ein Schlüssel<br />

zur Verbesserungen der Bedingungen ist. Die<br />

nationale und internationale Politik muss ihre<br />

Hausaufgaben machen und im Dialog mit der<br />

Zivilgesellschaft und den Unternehmen<br />

Lösungswege finden. Andernfalls werden keine<br />

Verbesserungen erzielt. Erste Schritte in diese<br />

Richtung sind die Überarbeitung der OECD-<br />

Leitlinien, die um ein Menschrechtskapitel<br />

ergänzt wurden, der von der UN initiierte<br />

Ruggie-Prozess, sowie die neuen<br />

Gesetzesinitiativen der Europäischen Union<br />

vom Oktober 2011. Es besteht kein Zweifel,<br />

dass wir in Deutschland und damit auch im<br />

reichen Freistaat in einer wirtschaftlich<br />

globalisierten Welt Verantwortung<br />

übernehmen müssen. Die soziale<br />

Marktwirtschaft, die ich als Grundpfeiler<br />

unseres Wohlstandes ansehe, muss auch auf<br />

internationalem Level Fuß fassen, denn die<br />

Entwicklung der Bundesrepublik ist der Beweis,<br />

dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale<br />

Verantwortung zwingend zueinander gehören.<br />

Bayern als das Bundesland mit der größten<br />

Wirtschaftsleistung – als einer der<br />

Wirtschaftsmotoren Europas – ist somit<br />

geradezu prädestiniert, eine Vorreiterrolle im<br />

Bereich der Unternehmensverantwortung zu<br />

übernehmen. Wir beheimaten bundesweit die<br />

größte Anzahl von kleinen und mittleren<br />

Unternehmen und eine beeindruckende Zahl<br />

von Global Playern. Viele bayerische<br />

Unternehmen zeichnen sich durch eine<br />

bodenständige und verantwortungsvolle<br />

Unternehmensführung aus. Das<br />

Selbstverständnis der bayerischen<br />

UnternehmerInnen ging oft über reines<br />

betriebswirtschaftliches Kalkül hinaus. Diese<br />

Tradition sehe ich als große Zukunftschance.<br />

Für den Wirtschaftsstandort Bayern aber auch<br />

hinsichtlich mehr globaler Gerechtigkeit!<br />

<strong>Uwe</strong> <strong>Kekeritz</strong><br />

7


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Die Konferenz auf einen Blick<br />

In den Debatten wurden unterschiedliche Aspekte der Unternehmensverantwortung beleuchtet. Die<br />

wichtigsten Kernaussagen sowie unsere politischen Schlussfolgerungen aus der Konferenz sind die<br />

Folgenden:<br />

Die wichtigsten Kernaussagen der Konferenz<br />

Um Bayerns Wirtschaft zukunftsfähig zu gestalten, muss das Thema internationale<br />

Unternehmensverantwortung einbezogen werden.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Etliche Unternehmen sowie die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) lehnen<br />

gesetzliche Bestimmungen pauschal ab. Allerdings erkennen auch immer mehr<br />

Unternehmen, dass gesetzliche Verpflichtungen für sie Vorteile bieten.<br />

Der Stakeholder-Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft muss aufrecht<br />

erhalten werden.<br />

Unternehmensverantwortung darf kein PR-Instrument sein, sondern muss als Teil der<br />

Unternehmenskultur etabliert werden und gehört ins Kerngeschäft der Unternehmen.<br />

Internationale Lieferketten sind schwer zu kontrollieren. Transparenz und Offenlegung sind<br />

hier jedoch ein Schritt in die richtige Richtung.<br />

Unsere politischen Schlussfolgerungen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Der Bereich der Unternehmensverantwortung muss gesetzlich reguliert werden, um Green<br />

Washing wirksam zu unterbinden.<br />

Unternehmen müssen die Verantwortung für die gesamte Lieferkette übernehmen, zu mehr<br />

Transparenz verpflichtet werden und sich dadurch auch externer Kontrolle stellen.<br />

Verpflichtende Maßnahmen und ein Level Playing Field können sich als Wettbewerbsvorteil<br />

für den Wirtschaftsstandort Bayern erweisen.<br />

Nicht nur Unternehmen, sondern auch die internationale Gemeinschaft sowie die einzelnen<br />

Staaten stehen in der Verantwortung, Umwelt- und Sozialstandards sowie die Achtung der<br />

Menschenrechte zu garantieren.<br />

Auch die VerbraucherInnen stehen in der Pflicht und müssen mit ihren Kaufentscheidungen<br />

Verantwortung übernehmen.<br />

Besondere Verantwortung tragen Bund, Länder und Kommunen bei der öffentlichen<br />

Beschaffung.<br />

Um Transparenz und verantwortungsbewussten Konsum zu ermöglichen, bedarf es einer<br />

grundlegenden Reform des derzeitigen Zertifizierungssystems.<br />

8


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Nach diesem kurzen Überblick werden im Folgenden die wichtigsten Debattenpunkte protokollarisch<br />

zusammengefasst.<br />

Paneldiskussion:<br />

Eigentum verpflichtet – CSR Maßnahmen der EU und die Bedeutung<br />

für den Freistaat<br />

DiskussionsteilnehmerInnen:<br />

Dr. Antonia Wadé – Corporate Social Responsibility der Audi AG<br />

Dr. Claudia Wöhler – Leiterin Abteilung Sozial- und Gesellschaftspolitik bei der Vereinigung der<br />

bayerischen Wirtschaft (vbw)<br />

Volkmar Lübke – langjähriger Koordinator des Netzwerkes für Unternehmensverantwortung (CorA)<br />

Moderation: Barbara Lochbihler, MdEP<br />

Die einführende Paneldiskussion befasste sich mit den Prozessen, die derzeit den Bereich der<br />

Corporate Social Responsibility auf EU-Ebene neu ausrichten.<br />

Thema<br />

Am 25. Oktober 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission ihre neue Kommunikation zum<br />

Thema CSR, mit der sie die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen vorantreiben will.<br />

Außerdem stehen derzeit die Überarbeitung der Transparenz- und der Rechnungslegungsrichtlinie<br />

auf der Agenda. Beide Gesetzesentwürfe zielen darauf ab, sowohl Transparenz als auch die<br />

Lieferkettenproblematik zu verbessern. Vor dem Hintergrund dieser Prozesse sind zum einen<br />

Auswirkungen dieser Gesetze auf Bayern interessant, zum anderen auch die Frage, was<br />

Unternehmen leisten können und was nicht.<br />

Barbara Lochbihler, die das Thema als<br />

Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses in<br />

Brüssel intensiv verfolgt, legte zu Beginn der<br />

Debatte dar, inwieweit die Europäische Union<br />

den CSR-Bereich neu regelt. Dr. Antonia Wadé,<br />

aus der CSR-Abteilung der Audi AG und Dr.<br />

Claudia Wöhler von der Vereinigung der<br />

bayerischen Wirtschaft (vbw) betonten die<br />

Leistungen, die deutsche Unternehmen bereits<br />

auf freiwilliger Basis erbringen. Insbesondere<br />

durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die<br />

Ausbildung von FacharbeiterInnen leisteten sie<br />

einen enormen gesellschaftlichen Beitrag –<br />

häufig ohne das Label CSR zu verwenden.<br />

9


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Darüber hinaus geben deutsche Unternehmen,<br />

laut Dr. Wöhler für ihr soziales Engagement<br />

jährlich 11 Milliarden Euro aus. Diese Aspekte<br />

hätten oft große Auswirkungen, allerdings<br />

würde selten darüber gesprochen. Gesetzliche<br />

Regelungen, so Wöhler, würden insbesondere<br />

kleine und mittelständische Unternehmen hart<br />

treffen, da der erhöhte Bürokratie-Aufwand die<br />

Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtige.<br />

Dieses Argument wurde von Volkmar Lübke,<br />

langjähriger Vorsitzender des Netzwerkes für<br />

Unternehmensverantwortung<br />

(CorA),<br />

entschieden zurückgewiesen. Wichtig sei nicht<br />

die Größe, sondern die Relevanz der<br />

Unternehmen. Gerade das Argument, kleinere<br />

Unternehmen könnten die Maßnahmen nicht<br />

umsetzen, würde häufig grundlos vorgebracht.<br />

Es gehe nicht darum, aufwändige CSR-Berichte<br />

zu veröffentlichen, sondern darum, Transparenz<br />

zu schaffen. Er forderte außerdem die<br />

Offenlegung von Lieferketten, um so gleiche<br />

Bedingungen für alle zu schaffen. Auf einem<br />

solchen Level-Playing-Field würde sich dann ein<br />

fairer Wettbewerb über die Standards<br />

entwickeln. Dies sei auch im Interesse der<br />

Unternehmen, von denen einige genau dies<br />

bereits einfordern. Er ordnete die CSR-Debatte<br />

in einen breiteren Kontext ein. Schließlich ginge<br />

es um fundamentale Fragen unserer Zeit - um<br />

Klima, Hunger und Rohstoffe. Die freiwillige<br />

Konzipierung von Unternehmensverantwortung<br />

sei nicht in der Lage, diesen Problemen<br />

entgegenzutreten. Deshalb fordert das CorA-<br />

Netzwerk verbindliche Standards und treibt das<br />

Konzept der Corporate Social Accountability<br />

(CSA) voran, das die Haftbarkeit der<br />

Unternehmen in den Vordergrund stellt.<br />

Thomas Gambke, <strong>MdB</strong>, betonte in seiner<br />

Wortmeldung, dass hohe Standards durchaus<br />

ein Wettbewerbsvorteil seien und in den USA<br />

gerade der Aspekt der Transparenz allein schon<br />

durch den Druck der AktionärInnen weiter<br />

voran getrieben werde. Frau Doktor Wöhler<br />

merkte daraufhin an, dass die Standards bereits<br />

sehr hoch seien und kein Verbesserungsbedarf<br />

bestünde.<br />

Fazit<br />

Die DiskussionsteilnehmerInnen waren sich einig, dass Bayern als Deutschlands stärkster Wirtschaftsstandort<br />

eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik benötigt. Allerdings gingen die Meinungen darüber,<br />

wie diese aussehen müsse, weit auseinander. Die Unternehmensseite unterstrich die Wichtigkeit,<br />

den Bereich der Unternehmensverantwortung auf freiwilliger Basis weiterzuführen und verwies auf<br />

die vermeintlichen Erfolge dieser Handhabung. Von Seiten der Zivilgesellschaft kam die Forderung,<br />

verpflichtende gesetzliche Maßnahmen für CSR-Projekte einzuführen. Zum einen, weil sich das<br />

Prinzip der Freiwilligkeit nicht bewährt habe. Zum anderen, um angemessen auf internationale und<br />

europaweite Prozesse zu reagieren. Da gesetzliche Neuerungen im CSR-Bereich anstünden, müsse<br />

man diese entsprechend berücksichtigen. Wie Barbara Lochbihler, die sich für gesetzliche<br />

10


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Regelungen aussprach, anmerkte: „es sollte kein generelles Misstrauen gegenüber Unternehmen<br />

herrschen. Aber Unternehmen haben großen Einfluss und somit auch eine klare Verantwortung<br />

gegenüber der Gesellschaft“.<br />

Disput<br />

Volle Kontrolle – Überwachung von Lieferketten in der<br />

Textilindustrie<br />

DiskussionsteilnehmerInnen:<br />

Christiane Schnura – Koordinatorin der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC)<br />

Frank Henke – Global Director der Adidas AG<br />

Moderation: Christine Kamm, MdL<br />

Im darauf folgenden Disput zwischen Frank Henke von der Adidas AG und Christiane Schnura von der<br />

Kampagne für saubere Kleidung ging es um die Kontrollierbarkeit von Lieferketten in globalen<br />

Produktionsabläufen. Moderiert wurde die Debatte von Christine Kamm.<br />

Thema<br />

Im Zuge der Globalisierung wurden in den vergangen Jahrzehnten etliche Arbeitsschritte der<br />

Wertschöpfungskette ins Ausland verlegt. Hierbei entstand ein schier undurchschaubares Netzwerk<br />

von Produktionsstandorten, Zulieferfirmen und Tochterunternehmen. Auf dem Weg von den<br />

RohstofflieferantenInnen bis zu den EndverbraucherInnen werden, insbesondere in der<br />

Textilbranche, Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards missachtet. Adidas als global agierendes<br />

Unternehmen ist direkt von dieser Problematik betroffen. Die Kampagne für saubere Kleidung weist<br />

bereits seit über 20 Jahre auf Missstände in der Textilindustrie hin.<br />

Frank Henke betonte zu Beginn der Debatte, dass es ihm viel mehr um einen Dialog als um einen<br />

Disput ginge. Er legte dar, wie das Unternehmen Anfang der 90er Jahre von Produktions-intensiv auf<br />

Marketing-intensiv umstrukturiert wurde. Heute beschäftigt Adidas 65 ExpertenInnen, die mit der<br />

Kontrolle von Lieferketten befasst sind und das Unternehmen beraten. Dabei betonte er, dass Adidas<br />

mit derart vielen Zulieferfirmen zusammenarbeite, dass die Kontrolle dieser praktisch unmöglich sei.<br />

Daher kontrolliert das Unternehmen grundsätzlich nur diejenigen Firmen, die einen Vertrag mit<br />

Adidas haben. Außerdem wies er auf das Engagement von Adidas im Kampf gegen Kinderarbeit in<br />

Usbekistan und die finanzielle Unterstützung der fair-factory-clearing-house Initiative hin. Christiane<br />

11


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Schnura hielt dagegen, dass all dies nur Augenwischerei sei. Unternehmen gingen schließlich ins<br />

Ausland, um von den Billiglöhnen zu profitieren und große Gewinne einzufahren. Das Argument,<br />

Mindestlöhne zu bezahlen, sei absurd, da diese von den Regierungen niedrig gehalten würden, um<br />

InvestorInnen anzulocken. Als Beispiel nannte sie El Salvador, wo Adidas zwar den Mindestlohn von<br />

180 € bezahle, eigentlich jedoch 700 € für eine 4-köpfige Familie zum Überleben notwendig wären.<br />

Henke betrachtete diesen Wert als von NGOs berechnet und weitestgehend willkürlich. Man müsse<br />

sich am Mindestlohn orientieren und könne dann weitere Zusätze bezahlen. Schnura entgegnete,<br />

dies sei zu wenig. Auch wenn es häufig schwer festzustellen sei, wie hoch ein fairer Lohn sein müsse,<br />

sei es doch einfach zu sehen, wenn ein Lohn nicht zum Leben reiche.<br />

Fazit<br />

Die Debatte verdeutlichte die Schwierigkeiten bei der Kontrolle von globalisierten<br />

Produktionsabläufen. Hierbei traten die Probleme der Textilindustrie zutage – insbesondere die<br />

Hindernisse bei der Kontrolle komplexer Liefernetze. Allerdings wurde auch deutlich, dass<br />

Unternehmen Milliarden in Marketing investieren, während sie die Löhne in Entwicklungs- und<br />

Schwellenländern so niedrig wie möglich halten wollen. Gleichzeitig machen die Löhne nur einen<br />

marginalen Teil des Verkaufspreises aus. Genaue Zahlen gibt es hier nicht, die Offenlegung der<br />

Lieferketten würde hier mehr Transparenz schaffen.<br />

12


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Arbeitsgruppe I<br />

Von der Freiwilligkeit zur Pflicht – auf dem Weg zur Corporate Social<br />

Accountability?<br />

DiskussionsteilnehmerInnen:<br />

Dr. Peter Böhm – Leiter des <strong>Nachhaltig</strong>keitsmanagements von Bosch-Siemens Hausgeräte (BSH)<br />

Prof. Dr. Manfred Schwaiger – Studiendekan der LMU München<br />

Dr. Alexander Fonari – Eine Welt Netzwerk Bayern e.V.<br />

Moderation: Barbara Lochbihler, MdEP<br />

Die erste Arbeitsgruppe befasste sich mit dem Prinzip der Freiwilligkeit, das ein zentrales Merkmal<br />

der Corporate Social Responsibility ist.<br />

Thema<br />

Die freiwillige Konzipierung von CSR wird mehr und mehr in Frage gestellt. Dies entfachte die<br />

Debatte, inwieweit Unternehmensverantwortung gesetzlich geregelt werden sollte. Neben den<br />

Extremstandpunkten Freiwilligkeit und gesetzliche Verpflichtungen werden mehr Transparenz und<br />

schärfere Rechnungslegungspflichten gefordert.<br />

Zu Beginn der Debatte erklärte Dr. Peter Böhm<br />

von Bosch Siemens Hausgeräte, dass<br />

Unternehmen auf gesellschaftliche Akzeptanz<br />

angewiesen seien und daher automatisch<br />

Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft<br />

übernehmen würden. Außerdem könnten<br />

Unternehmen nur dann wettbewerbsfähig sein,<br />

wenn sie nachhaltig wirtschaften. Folglich<br />

müssten sie zu gesellschaftlichem Engagement<br />

nicht gezwungen werden. In dieselbe Richtung<br />

argumentierte auch Prof. Dr. Schwaiger von der<br />

LMU München, der auf seine Forschung<br />

verwies, die verdeutliche, dass Unternehmen<br />

sich aufgrund ihrer Reputation freiwillig sozial<br />

engagieren. Verpflichtende Maßnahmen sah er<br />

auch deshalb kritisch, weil man mit<br />

Standardisierungs-Schwierigkeiten zu kämpfen<br />

habe, die eher zu „kläglichen<br />

Mindeststandards“ als zu substanziellen<br />

Verbesserungen führen würden. Vielmehr<br />

sollten Anreize für Unternehmen etabliert<br />

werden, diese fielen bei gesetzlichen<br />

Maßnahmen weg. Arbeitsstandards müssten<br />

geschaffen und auch international voran<br />

getrieben werden. Dies könne jedoch nicht die<br />

Hauptaufgabe der Unternehmen sein. Dr.<br />

Alexander Fonari, vom Eine Welt Netzwerk<br />

Bayern e.V. sah in jeder wirtschaftlichen<br />

Tätigkeit eine Tätigkeit zur Verbesserung des<br />

Allgemeinwohls. Er machte deutlich, dass<br />

13


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Verbesserungen im Bereich der<br />

Unternehmensverantwortung meist das<br />

Ergebnis zivilgesellschaftlichen Engagements<br />

sei. Gerade deshalb sei es wichtig, die<br />

Forderungen nach Mindestlöhnen und<br />

Offenlegungsplichten im Sinne von publish what<br />

you pay-Regelungen voranzutreiben. Das<br />

Publikum sprach sich in großen Teilen ebenfalls<br />

für gesetzliche Regelungen aus. Freiwilligkeit<br />

und Industrie, das passe nicht zusammen.<br />

Außerdem sei der Vorwand der Nicht-<br />

Realisierbarkeit unhaltbar. Auch damals bei der<br />

Einführung des Katalysators hätte die Industrie<br />

geklagt, heute würde niemand mehr eine<br />

solche Debatte führen. Prof. Dr. Schwaiger<br />

bekräftigte daraufhin, dass Unternehmen eine<br />

Verantwortung den Menschen gegenüber<br />

hätten, jedoch nicht zu einer bestimmten Form<br />

des Handelns gezwungen werden sollten. Das<br />

Problem müsse auch aus juristischer und<br />

betriebswirtschaftlicher Perspektive betrachtet<br />

werden. Herr Dr. Böhm bekräftigte noch<br />

einmal, dass Arbeitsbedingungen schon allein<br />

aus Image-Gründen für Unternehmen oberste<br />

Priorität hätten. Daher seien<br />

Menschenrechtsverletzungen in globalen<br />

Unternehmen „kein Thema“. Diese Meinung<br />

wurde von großen Teilen der Mitdiskutanten<br />

nicht geteilt. Vielmehr würden Lobby-Verbände<br />

die Veröffentlichung verhindern. Dr. Fonari<br />

verwies darauf, dass die Menschenrechte zu<br />

jedem Zeitpunkt überall einzuhalten seien. Der<br />

beste Weg, dies sicherzustellen, wäre die<br />

Offenlegung der gesamten Lieferkette. Herr Dr.<br />

Böhm forderte die Rolle von Unternehmen und<br />

Staaten nicht zu verwechseln. Staaten seien<br />

schließlich in der Pflicht, die Einhaltung<br />

gesetzlicher Regelungen zu garantieren. Es<br />

könne noch so viele Vorschriften geben, die<br />

nutzlos seien, wenn ihre Einhaltung nicht<br />

kontrolliert werde. Prof. Schwaiger fügte hinzu,<br />

dass Misstrauen die Debatte negativ<br />

beeinflusse. Trotz aller Skepsis solle man von<br />

einem positiven Menschenbild ausgehen. Dr.<br />

Fonari merkte an, dass es Bereiche gebe, in<br />

denen Freiwilligkeit durchaus Sinn mache. Die<br />

Unternehmensverantwortung gehöre jedoch<br />

nicht dazu. Schließlich seien die Standards nicht<br />

unverschämt hoch. Die ILO-Kernarbeitsnormen<br />

könnten von jedem Unternehmen eingehalten<br />

werden.<br />

Fazit<br />

Die Debatte beleuchtete den Hauptstreitpunkt der CSR-Debatte aus den Blickwinkeln der<br />

Unternehmen, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft und machte deutlich, wie wichtig der<br />

Austausch zwischen den unterschiedlichen Stakeholdern ist. Das Grundproblem, ob gesetzliche<br />

Regelungen notwendig sind oder nicht, konnte zwar nicht geklärt werden, allerdings wurden die<br />

unterschiedlichen Standpunkte deutlich. Dies führte auf beiden Seiten zu einer differenzierteren<br />

Bewertung des Konfliktes. Die Debatte zeigte, dass gesetzliche Regelungen sich nicht zwangsläufig als<br />

Wettbewerbsnachteil erweisen müssen, sondern durchaus positive Effekte haben können.<br />

14


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Arbeitsgruppe II<br />

Beispiele aus Bayern: Möglichkeiten und Grenzen<br />

verantwortungsvoller Unternehmensführung<br />

DiskussionsteilnehmerInnen:<br />

Dr. Antonia Wadé – Corporate Social Responsibility der Audi AG<br />

Dr. Michal Fürst – Manager Corporate Responsibility der Novartis AG<br />

Kathrin Hartmann – Freie Autorin<br />

Moderation: Dr. Martin Runge, MdL<br />

In der zweiten Arbeitsgruppe ging es um die Möglichkeiten und Grenzen von Unternehmensverantwortung.<br />

Thema<br />

Verantwortungsbewusstsein ist seit langem bei einer großen Zahl bayerischer Unternehmen in der<br />

Unternehmenskultur verankert. Allerdings wurden bayerische Unternehmen ebenfalls von den<br />

Prozessen der Globalisierung beeinflusst. Während in Europa Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards<br />

meist eingehalten werden, bleiben sie an ausländischen Produktionsstandorten häufig auf der<br />

Strecke. Das Instrument der CSR hat in vielen Fällen zu Projekten geführt, die parallel und<br />

eigenständig zur eigentlichen Unternehmenspolitik existieren und caritative Zwecke verfolgen.<br />

Anstelle solcher Prestige-Projekte sollte ernst gemeinte unternehmerische Verantwortung bei den<br />

internen Standards ansetzen.<br />

Moderator Martin Runge führte zu Beginn auf<br />

das Thema hin und verdeutlichte, inwieweit<br />

Unternehmensverantwortung als Teil der<br />

Unternehmenskultur verstanden oder nur als<br />

Marketing-Element instrumentalisiert wird.<br />

Frau Dr. Wadé beschrieb, wie die Audi AG ihren<br />

CSR-Bereich neu ausrichtete und beispielsweise<br />

Aspekte wie die Eingliederung älterer<br />

Menschen im Unternehmen voran treibe.<br />

Außerdem seien in den letzten Jahren CO2-<br />

arme Fahrzeugtechnologien aufwendig<br />

weiterentwickelt worden. Herr Dr. Fürst von<br />

der Novartis AG betonte, dass<br />

Unternehmensverantwortung in die<br />

Konzernkultur integriert werden müsse. Es gebe<br />

zwar weitere Themen und Projekte, die man<br />

nebenher unterstützen könne – die<br />

Unternehmenskultur sei jedoch entscheidend.<br />

Die Autorin Kathrin Hartmann warf beiden<br />

Unternehmen vor, Augenwischerei zu<br />

15


Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

betreiben. Die CSR-Projekte der Unternehmen<br />

lenkten nur vom Kerngeschäft ab. Als Beispiel<br />

nannte sie das Lobbying der Autoindustrie<br />

gegen EU-Richtwerte und Novartis‘ Klage gegen<br />

die Herstellung von Generika in Indien. Beide<br />

Unternehmen rechtfertigten diese Aspekte<br />

durch wirtschaftliche und technologische<br />

Sachzwänge und leiteten eine angeregte<br />

Diskussion innerhalb der Gruppe ein. Es wurde<br />

diskutiert, ob man überhaupt das Richtige im<br />

falschen System tun könne und inwieweit<br />

verbindliche Maßnahmen auf einem Level-<br />

Playing-Field Vorteile für Unternehmen mit sich<br />

bringen könnten. Es wurde darauf verwiesen,<br />

dass freiwillige Maßnahmen bisher nur<br />

bescheidene Erfolge aufwiesen und<br />

Transparenz und Offenlegung ein erster Schritt<br />

in die richtige Richtung seien. Frau Hartmann<br />

betonte, dass Unternehmen wegen der<br />

Billiglöhne und nicht aus Altruismus in<br />

Entwicklungsländern produzieren ließen.<br />

Wohingegen Herr Dr. Fürst die Produktion im<br />

Ausland nicht als das Kernproblem ansah,<br />

sondern vielmehr die niedrigen Standards vor<br />

Ort kritisierte.<br />

Fazit<br />

Die Debatte machte deutlich, wie unterschiedlich die Rolle von Unternehmen in unserer Gesellschaft<br />

gesehen wird. Die Unternehmensseite sieht über die unterschiedlichen Instrumente der CSR<br />

verantwortungsvolles Handeln als zusätzliche Leistung gegenüber der Gesellschaft, die anerkannt<br />

werden sollte. Die Zivilgesellschaft sieht Unternehmen allgemein der Gesellschaft verpflichtet.<br />

Unternehmen könnten die Probleme der Menschheit nicht lösen, aber sie hätten durchaus eine<br />

Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Diese Verantwortung gehe weit über die Schaffung von<br />

Arbeitsplätzen hinaus. Außerdem sollten die hohen Maßstäbe, die für die einheimische Produktion<br />

angelegt werden, auch global als Richtwert dienen.<br />

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Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Arbeitsgruppe III<br />

Besiegelt? – Perspektiven in der Zertifizierungsdebatte<br />

DiskussionsteilnehmerInnen:<br />

Christiane Schnura – Koordinatorin der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC)<br />

Volkmar Lübke – langjähriger Koordinator des Netzwerkes für Unternehmensverantwortung (CorA)<br />

Jürgen Schmidt – Vorstandssprecher der Memo AG<br />

Moderation: Christine Kamm, MdL<br />

Die dritte Arbeitsgruppe befasste sich mit Entwicklungen und Standpunkten in der<br />

Zertifizierungsdebatte<br />

Thema<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Produktionsprozesse sind in den vergangenen Jahren zertifiziert worden und haben eine<br />

Vielzahl unterschiedlicher Siegel hervorgebracht. Allerdings sind Indikatoren und Bewertungsraster<br />

meist intransparent. Die Fülle an unterschiedlichen Siegeln führt zudem zu einer unübersichtlichen<br />

Situation, in der es schwierig ist, Qualität von Green Washing zu unterscheiden. Neben den<br />

VerbraucherInnen sind jedoch auch Unternehmen direkt von der Siegel-Problematik betroffen, da<br />

die Zertifizierung häufig schwer nachprüfbar ist und nicht immer gemäß der angegeben Standards<br />

erfolgt.<br />

In Ihrem Eingangsstatement machte Christiane<br />

Schnura von der Kampagne für Saubere<br />

Kleidung darauf aufmerksam, dass die<br />

Einhaltung der Menschenrechte eine<br />

Selbstverständlichkeit sei. Die Zertifizierung von<br />

Produkten, die unter Einhaltung der<br />

Menschenrechte hergestellt werden, sei daher<br />

nur bedingt nachvollziehbar. Man zertifiziere<br />

schließlich einen Grundsatz unseres<br />

gesellschaftlichen Miteinanders. Gleichzeitig<br />

machte sie deutlich, dass die Etablierung eines<br />

Sozial-Siegels bisher nicht erfolgreich war – was<br />

vor allem durch die komplexen Lieferketten<br />

begründet sei. Allerdings würden Firmen neben<br />

dem so genannten Green Washing inzwischen<br />

auch Fair Washing betreiben, um den Anschein<br />

einer fairen Produktion zu erwecken. Wichtig<br />

sei es jedoch, die gesamte Unternehmenspolitik<br />

am Prinzip der Fairness auszurichten und nicht<br />

nur PR- und CSR-Abteilungen zu beauftragen<br />

ein entsprechendes Image zu kreieren. Das Ziel<br />

müsse sein, die gesamten Lieferketten<br />

offenzulegen und durch externe Organisationen<br />

auditieren zu lassen. Volkmar Lübke betonte die<br />

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Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

negative Seite der Konsumentenmacht, da<br />

Unternehmen durch das Nutzen von Siegeln<br />

ihre Verantwortung hin zu den KundInnen<br />

verlagern würden. Aufgrund der fehlenden<br />

Transparenz und der Vielzahl unterschiedlicher<br />

Siegel seien die KonsumentInnen dieser<br />

Verantwortung jedoch nicht gewachsen. Auf<br />

der anderen Seite betonte er jedoch, dass<br />

Unternehmen in zertifizierten Produkten ein<br />

wachsendes Marktsegment erkannt hätten und<br />

somit verstärkt auf die Zertifizierung ihrer<br />

Produkte setzten. Allerdings führe dies nicht<br />

unbedingt dazu, dass sich Unternehmen den<br />

Labelbestimmungen anpassten. Vielmehr<br />

würde häufig ein eigenes Label entwickelt oder<br />

eines unter der Vielzahl schon existierender<br />

Label ausgewählt. Dies führe zu einem<br />

ungesunden Wettbewerb zwischen den<br />

unterschiedlichen Siegeln und so häufig zu<br />

einem Unterbietungswettbewerb bei deren<br />

Standards. Für ihn habe die „Labelitis“ der<br />

vergangenen Jahre dazu geführt, dass das<br />

Produktlabeling seinen Zenit überschritten<br />

habe. Wirksame Label zeichneten sich durch die<br />

Beteiligung unterschiedlicher Stakeholder, die<br />

Gründlichkeit der Auditierung und ihren<br />

Wirkungsgrad aus. Jürgen Schmidt von der<br />

Memo AG machte deutlich, wie wichtig Siegel<br />

für Konsumenten, aber auch für Produzenten<br />

seien, da diese so besser einschätzen könnten,<br />

unter welchen Bedingungen entsprechende<br />

Produkte produziert wurden. Dies gelte auch<br />

dann, wenn Siegel nur bestimmte Aspekte der<br />

Produktion abdeckten. In der Debatte mit dem<br />

Publikum wurde insbesondere die ISO 26000<br />

Norm diskutiert, die keine messbaren Standards<br />

beinhaltet und sich somit nicht zur<br />

Zertifizierung eignet. Herr Lübke äußerte hierzu<br />

seine Frustration, betonte jedoch zugleich, dass<br />

die Norm für Länder mit niedrigen<br />

Arbeitsstandards ein wichtiges Referenz-<br />

Dokument darstelle. Außerdem wurde<br />

festgestellt, dass Label nur einen ersten Schritt<br />

in die Richtung gerechterer<br />

Produktionsverhältnisse sein können. In Zukunft<br />

sollten am besten ganze Unternehmen<br />

zertifiziert werden. Während ein Großteil der<br />

Unternehmen dies bisher ablehnt, machte<br />

Jürgen Schmidt deutlich, dass die Memo AG<br />

auch hierzu gerne bereit sei. Außerdem wurde<br />

angemerkt, dass Sanktionsmechanismen für<br />

Verstöße ausgebaut werden sollten. Bei<br />

staatlichen Siegeln existieren diese bereits, was<br />

die Forderung nach weiteren staatlichen Siegeln<br />

aufkommen ließ. Abschließend machte Herr<br />

Schmidt deutlich, dass seiner Ansicht nach alle<br />

Label gebraucht würden. Die allgemeinen<br />

Siegel, um die breite Masse mitzunehmen, und<br />

die high-class Labels, um höhere Standards zu<br />

etablieren. Allerdings solle dies nicht dazu<br />

führen, die unterschiedlichen Label<br />

gegeneinander auszuspielen.<br />

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Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Fazit<br />

Die Debatte verdeutlichte, wie sehr sowohl VerbraucherInnen als auch Unternehmen auf<br />

aussagekräftige Siegel angewiesen sind. Probleme ergeben sich hierbei sowohl aus der Vielzahl von<br />

unterschiedlichen Labels als auch aus dem Mangel an Transparenz und Überprüfbarkeit.<br />

Auch das Fehlen von Sanktionsmechanismen wurde als Schwachstelle identifiziert. Um in Zukunft<br />

Green Washing und Fair Washing zu vermeiden und VerbraucherInnen die Möglichkeit zu geben,<br />

verantwortungsvoll zu konsumieren, muss mehr Transparenz geschaffen werden. Unterschiedliche<br />

Siegel stellen an sich kein Problem dar, so lange ihre Zertifizierungskriterien nachvollziehbar sind.<br />

Allerdings erfüllen insbesondere konzerneigene Siegel diese Voraussetzung meist nicht.<br />

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Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Zusammenfassung<br />

ReferentInnen und TeilnehmerInnen<br />

debattierten angeregt und auch nach den<br />

jeweiligen Diskussionsrunden gingen die<br />

Gespräche weiter. Die unterschiedlichen Inputs<br />

sowie der rege Austausch verdeutlichten die<br />

hohe gesellschaftliche Relevanz des Themas.<br />

Ein zentraler Aspekt der Veranstaltung war<br />

somit erfüllt: der Dialog zwischen Politik,<br />

Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft<br />

wurde angestoßen und lebhaft geführt.<br />

Ohne Zweifel gab es unüberbrückbare<br />

Unterschiede bei der Auffassung, wie und ob<br />

der Bereich der Unternehmensverantwortung<br />

gesetzlich reguliert werden sollte. Diese<br />

Debatte wird auch in absehbarer Zeit nicht<br />

abgeschlossen sein. Allerdings gibt es durchaus<br />

Prozesse, die auf eine Veränderung der<br />

Sachlage hindeuten. Zum einen kreieren<br />

unterschiedliche<br />

zivilgesellschaftliche<br />

AkteurInnen Aufmerksamkeit für das Thema<br />

Unternehmensverantwortung<br />

und<br />

sensibilisieren so die Bevölkerung. Inzwischen<br />

gibt ein Viertel aller Deutschen an, dass der<br />

Aspekt der <strong>Nachhaltig</strong>keit ihre<br />

Kaufentscheidungen beeinflusst. Zum anderen<br />

wird das Thema auch von Seiten der Politik<br />

verstärkt angegangen – zumindest auf<br />

europäischer Ebene. Erste Gesetzesvorschläge<br />

deuten darauf hin, dass die Politik<br />

unternehmerische Verantwortung in<br />

absehbarer Zeit gesetzlich einfordern wird.<br />

Außerdem erkennen inzwischen auch immer<br />

mehr Unternehmen die positiven<br />

Auswirkungen verpflichtender Standards und<br />

dem daraus resultierenden Level Playing Field.<br />

Etliche Firmen haben erkannt, wie sehr es sich<br />

lohnt, im Bereich der<br />

Unternehmensverantwortung<br />

eine<br />

Führungsrolle einzunehmen und versuchen,<br />

unternehmerische Verantwortung in ihrer<br />

Unternehmenskultur zu verankern. Viele dieser<br />

Unternehmen haben nichts gegen höhere<br />

Standards einzuwenden, da sie diese ohnehin<br />

bereits erfüllen.<br />

Dennoch bleibt viel zu tun. Die Globalisierung<br />

der Wirtschaft stellt VerbraucherInnen und<br />

Unternehmen auch weiter vor schwierige<br />

Aufgaben. Fortschritte bei der Kontrolle der<br />

globalen Lieferketten sind nicht abzusehen, laut<br />

ExpertInnen verschlechtern sich in vielen Fällen<br />

die Produktionsbedingungen internationaler<br />

Konzerne sogar. Strukturelle Erfolge konnten<br />

bisher nicht nachgewiesen werden.<br />

Aufgrund dieser komplexen Ausgangslage und<br />

der facettenreichen Debatten während der<br />

Veranstaltung haben wir unsere wichtigsten<br />

politischen Schlussfolgerungen auf der<br />

nächsten Seite zusammengefasst.<br />

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Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Unsere Schlussfolgerungen und Handlungsimplikationen:<br />

>> Der Ruggie-Prozess, die Erneuerung der OECD-Leitsätze, sowie Gesetzesinitiativen auf<br />

europäischer Ebene deuten darauf hin, dass gesetzliche Regelungen in absehbarer Zeit eingeführt<br />

werden. Eine vorausschauende bayerische Wirtschaftspolitik sollte dies berücksichtigen und<br />

rechtzeitig die Weichen dafür stellen, bayerische Unternehmen auf diese neue Situation<br />

vorzubereiten.<br />

>> Corporate Social Responsibility muss konzeptionell vom Prinzip der Freiwilligkeit abgekoppelt<br />

werden, um Unternehmen für negative gesellschaftliche Auswirkungen haftbar machen zu können.<br />

>> Das Thema Unternehmensverantwortung muss unter betriebswirtschaftlichen, juristischen,<br />

politischen und sozialen Gesichtspunkten betrachtet werden. Alle beteiligten Stakeholder müssen<br />

ihren Dialog fortsetzen und ausweiten. Hierzu prüfen wir u.a. die Idee einen CSR-Helpdesk Bayern ins<br />

Leben zu rufen.<br />

>> Unternehmerische Verantwortung muss integraler Teil der Unternehmenskultur werden. CSR als<br />

Marketinginstrument ist ungeeignet, die Probleme der globalisierten Wirtschaft zu beheben.<br />

>> Gesetzliche Regelungen müssen Transparenz schaffen und gleichzeitig Unternehmen<br />

Rechtssicherheit garantieren. Hierzu müssen Regelungslücken geschlossen werden, die sich<br />

angesichts der globalen Wirtschaftsbeziehungen aufgetan haben.<br />

>> Die logistischen Schwierigkeiten von Unternehmen bei der Überwachung von Lieferketten müssen<br />

anerkannt werden, um konstruktiv Verbesserungen einleiten zu können. Transparentere<br />

Produktionsabläufe und faire Löhne sind jedoch unabdingbar.<br />

>> Die Verantwortung für soziale <strong>Nachhaltig</strong>keit darf nicht auf die VerbraucherInnen abgewälzt<br />

werden. Allerdings können nachvollziehbare und unabhängig kontrollierte Siegel<br />

Kaufentscheidungen positiv beeinflussen.<br />

>> Besondere Verantwortung tragen Bund, Länder und Kommunen bei der öffentlichen Beschaffung.<br />

Allerdings sind auch sie auf qualitativ hochwertige Siegel angewiesen.<br />

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Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

>> Die beteiligten AkteurInnen müssen ihre Kompetenzen wahrnehmen. Staaten müssen einen<br />

Gesetzesrahmen schaffen und durchsetzen. Unternehmen müssen Umwelt-, Sozial- und<br />

Menschenrechtstandards einhalten und ausbauen. Die Zivilgesellschaft muss diese Prozesse<br />

überwachen und notfalls einklagen.<br />

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Konferenzdokumentation - Bayerns Wirtschaft in globaler Verantwortung<br />

Weitere Informationen und Kontakt<br />

Barbara Lochbihler<br />

Rue Wiertz 60<br />

B-1047 Bruessel<br />

Tel.: +32 2 28 47392<br />

barbara.lochbihler@<br />

europarl.europa.eu<br />

www.barbara-lochbihler.eu<br />

Christine Kamm<br />

Maximilianeum<br />

81627 München<br />

Tel.: 089 4126 2874<br />

christine.kamm@ 23<br />

gruene-fraktion-bayern.de<br />

www.christine-kamm.de<br />

<strong>Uwe</strong> <strong>Kekeritz</strong><br />

Platz der Republik 1<br />

11011 Berlin<br />

Tel.: 030 227 77346<br />

uwe.kekeritz@bundestag.de<br />

www.uwe-kekeritz.de

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